@Papa_Leo hat absolut Recht.
Der kulturelle Austausch ist in Kriegszeiten naturgemäß begrenzt. Durch die Kreuzzüge selbst kamen hpts. militärische Neuerungen nach Europa, z.B. im Befestigungsbau. Der "Frieden", der nach der Gründung der Kreuzfahrerstaaten einkehrte – eigtl. ein immer wieder aufflammender "kalter Krieg" –, erwies sich als fruchtbarer.
Die kleine christliche Elite dieser Staaten hatte viele muslimische Untertanen, und auch die christlichen Araber unterschieden sich sehr von den neuen Machthabern, weswegen es gar nicht anders gehen konnte, als dass ein reger kultureller Austausch in Gang kam, der sich über den Handel nach Europa fortpflanzte.
Es wäre gut, wenn Du,
@Senf94, Dich mit den Herrschaftsstrukturen in den Kreuzfahrerstaaten und in Palästina auseinandersetztest. Denn das Schema Christen vs. Muslime greift zu kurz; dahinter standen Fürsten, die u.U. auch kollaborierten, wenn es ihnen half, sich innerparteilicher Rivalen zu entledigen.
Übrigens kämpften auch Muslime in den Kreuzfahrerheeren (s.a. Turkopolen). Ein Blick ins moderne Israel könnte vor diesem Hintergrund interessant sein, denn Du wirst viele Konflikte finden, aber auch Beispiele für eine friedliche Koexistenz. Du könntest hier Parallelen ziehen.
Allgemein ziehen Menschen das Zusammenleben vor, wenn es ihnen wirtschaftlich nützt. Und gerade in der Zeit der Kreuzzüge winkte in Palästina im Handel (v.a. Luxusgüter wie Gewürze) das große Geld.
Hinzukam, dass die damalige Kriegsführung sich auf alle Einwohner einer Gegend nachteilig auswirkte. Du wirst wenige Fälle finden, in denen die Kreuzfahrer von christlichen Arabern als Befreier begrüßt wurden, und auch die Heere der Muslime waren ihren Glaubensbrüdern nicht immer ein tröstlicher Anblick.
Was das "Massaker" anlangt, lässt sich festhalten, dass die Kriege des Mittelalters ohnehin grausam geführt wurden. Ging es in offenen Feldschlachten zuweilen noch halbwegs geregelt zu, hatte eine belagerte Stadt, die nicht ihre Tore öffnete (und manchmal selbst dann), nur Feuer und Tod zu erwarten.
Ich denke, dass hinter dem westlichen Perspektivenwechsel – von romantischer Verklärung der Kreuzzüge hin zu Entsetzen – quasirassistische Scham steht. Nach unserer Wahrnehmung sollten allenfalls irgendwelche Mongolenhorden zu Gräueltaten wie dem Massaker nach Jerusalems Fall fähig sein, aber nicht gesittete Abendländer und edle Ritter.
Im Gefolge der Kreuzzüge gelangten jedenfalls durchaus wertvolle Erkenntnisse nach Europa, nicht zuletzt solche, die in der Antike von dort ausgegangen waren und durch arabische Gelehrte vor dem Vergessen bewahrt wurden. Der Handel hob den Lebensstandard und führte zum Erstarken des Bürgertums und der Städte.
Generell lässt sich sagen, dass Kriege tragischerweise den Fortschritt beflügeln wie kaum ein anderes menschliches Unternehmen. Nicht umsonst heißt es von Heraklit: Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Vielleicht lautet die Antwort auf Deine Fragestellung: Krieg
und Kultur.