Kriegsrecht/Völkerrecht - historische Entwicklung

Ich rede von dem Irakkrieg in den 90er Jahren!!!
Oder kennst Du aktuelle Wirtschaftssanktionen gegen Hussein? Wohl kaum.
Abu Ghuraib und die folgenden Prozesse sind für das Verständnis des IGHSt und seiner Geschichte bedeutsam. Auch hier sind wir bei Geschichte.
Und die Einrichtung der Tribunals für Jugoslawien geschah vor vielen, vielen Jahren. Die Auflösung des Staates Jugoslawien ist von der Geschichte des Tribunals durchaus unabhängig. Insbesondere soweit wir hier eine Linie von Nürnberg bis in die jüngere Vergangenheit zu ziehen bemüht sind und verdeutlichen wollen, welchen Weg das Völkerstrafrecht gegangen ist (deswegen auch der link bzgl. Leipzig) und warum man wohl bestrebt war, den IGHSt einzurichten.
Da das Tribunal (man hätte auch das Tribunal für Ruanda nehmen können) von Anfang an nicht einseitig agierte, ist bereits hier erkennbar, wie man dem Problem des Vorwurfs der Siegerjustiz entgegen treten wollte.
Abschließend muß ich anmerken, daß man nach Deinem letzten Kriterium gehend noch nicht einmal die Nürnberger Prozesse als Geschichte betrachten könnte, sind doch bis heute nicht sämtliche Gesuchten vor Gericht gebracht worden.
Auch denke ich, man sollte ruhig berücksichtigen, ob eine Thematik bereits als Geschichte, hier Rechtsgeschichte, behandelt wird oder nicht. Wenn eine Vielzahl unabhängiger Autoren das tut, spricht dann nicht viel für die Annahme eines geschichtlichen Themas?
 
Es geht nicht darum, ob es schon eine geschichtliche Betrachtung gibt, sondern noch eine politische Relevanz vorliegt.
Einiges was durchaus für die Zeitgeschichte bedeutsam ist, wird hier ausgeklammert, weil es auch politisch brisant ist.
 
Politische Relevanz ist ein sehr dehnbarer Begriff. Das kann ebenso die Kinderbetreuung in der DDR um 1955 sein, wie die Wiedervereinigung und streng genommen auch der Beginn der Entwicklung geschriebener Grundrechte in Deutschland. Dieser Prozeß ist ebenfalls nicht zum Abschluß gekommen, und wird es wohl auch nie, entfaltet aber regelmäßig politische Relevanz. Soll man über die Weimarer Reichsverfassung nicht reden dürfen, weil es aktuelle Debatten über christlichen und islamischen Religionsunterricht gibt?
 
Politische Relevanz ist ein sehr dehnbarer Begriff. Das kann ebenso die Kinderbetreuung in der DDR um 1955 sein, wie die Wiedervereinigung und streng genommen auch der Beginn der Entwicklung geschriebener Grundrechte in Deutschland. Dieser Prozeß ist ebenfalls nicht zum Abschluß gekommen, und wird es wohl auch nie, entfaltet aber regelmäßig politische Relevanz. Soll man über die Weimarer Reichsverfassung nicht reden dürfen, weil es aktuelle Debatten über christlichen und islamischen Religionsunterricht gibt?


Jetzt komm, Du hast doch geschnallt um was es geht.

Bei politisch brisanten Themen ist eine ergebnisorientierte Diskussion nicht möglich.
Jede andere ist aber Zeitverschwendung.
Also, was solls?
 
Bei politisch brisanten Themen ist eine ergebnisorientierte Diskussion nicht möglich.
Jede andere ist aber Zeitverschwendung.
Also, was solls?

Das ist mE ein geeignetes Schlußwort unter diese Nebendiskussion.

Um dies aber nochmals klarzustellen...
Niemand hat behauptet, daß es einfach ist, dies abzugrenzen; wir haben in diesem Forum jedoch eine Grenze gesetzt, wo politisch (aktuell) brisante Themen berührt werden, weil die Erfahrung gezeigt hat, daß dies oftmals zu emotional aufgeladenen und dementsprechend unfruchtbaren Diskussionen führt.
Wir bitten darum, daß dies von den Mitgliedern akzeptiert wird - was mit der Registrierung auch entsprechend bestätigt worden ist - und diesbezügliche Hinweise seitens der Moderation nicht ignoriert oder durch Metadiskussion gekontert werden.
Denn alles, was sich daraus entwickelt, ist Gezänk und sonst nichts...

In diesem Sinne vielen Dank für Euer Verständnis und mit der Bitte um Rückkehr zum eigentlichen Diskussionsthema viele Grüße

Timotheus
Moderator
 
Hallo Zusammen,

ich hätte noch ein Beispiel von Völkerechts, oder Kriegsrechtsverletzung im 1WK, natürlich wieder im Bezug auf den Seekrieg.
Als die Dresden 1915 von britischen Kreuzern an der chilenischen Küste beschoßen und versenkt wird, befinden sich alle Schiffe im Hoheitsgewässer Chiles. Das ist von britischer Seite her auf jeden Fall eine Völkerrechtsverletzung, denn hier hätte man die Dresden als neutral betrachten müßen, bis nach einem Ablauf einer Frist. Denn danach hätte man die Dresden in Chile internieren müßen, wenn sie nicht wieder auf die hohe See gefahren wäre. Warum wird über diese Akrtion von den Briten nach dem Krieg nichts berichtet?...Sollte da etwas verschwiegen werden?...
 
Na ich dachte, wir reden ein wenig darüber. Wenn ich Infos darüber suchen würde, weiß ich auch selbst, wie das mit dem Internet funktioniert.....:S
 
Na ich dachte, wir reden ein wenig darüber. Wenn ich Infos darüber suchen würde, weiß ich auch selbst, wie das mit dem Internet funktioniert.....:S

Na gut, also.

Was meinst Du?
Die deutsche Völkerrechtsverletzung indem sich die Dresden monatelang in neutralen Gewässern versteckte,
oder
die britische, als die (bereits internierte?)Dresden in neutralen Gewässern versenkt wurde?

Wen wunderts, dass auch dies Ding zwei Seiten hat.


OT: War übrigens ein tolles Stück von der Dresden, mehr Schiffe hat vermutlich nie ein kleiner Kreuzer über einen derart langen Zeitraum in Atem gehalten.
 
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Na gut, also.

Was meinst Du?
Die deutsche Völkerrechtsverletzung indem sich die Dresden monatelang in neutralen Gewässern versteckte,
oder
die britische, als die (bereits internierte?)Dresden in neutralen Gewässern versenkt wurde?

Wen wunderts, dass auch dies Ding zwei Seiten hat.


OT: War übrigens ein tolles Stück von der Dresden, mehr Schiffe hat vermutlich nie ein kleiner Kreuzer über einen derart langen Zeitraum in Atem gehalten.

Stimmt, die hatten sich monatelang versteckt.
Aber das tolle Stück lag weniger an dem Schiff, mehr an der Führung das Schiffes. Die Dresden konnte damals bei den Falklandinseln nur entkommen, weil sie als einzigste mit Turbinen ausgerüstet war. Ihr Schwesterschiff, die Emden , im Gegensatz hatte noch ne Kolbendampfmaschine.
Noch ein Stück spekulation: Die Dresden sollte Ende 1914 durch den kleinen Kreuzer Regensburg abgelöst werden. Stell Dir mal vor, was mit diesen 27kn-Kreuzer drin gewesen wäre.

Aber um zum Thema Völkerrecht zurück zukommen, gut, so wie es aussieht hat jeder irgendwie "Dreck" am Stecken, der Krieg ist und bleit, ebend Krieg. Eine Zeit des Ausnahmezustandes, die von Hass der Menschen aufeinander geprägt ist, Recht wird erst danach gesprochen und vollzogen, wenn es für die meisten unschuldigen Menschen zu spät ist.
 
Aber um zum Thema Völkerrecht zurück zukommen, gut, so wie es aussieht hat jeder irgendwie "Dreck" am Stecken, der Krieg ist und bleibt, eben Krieg. Eine Zeit des Ausnahmezustandes, die von Hass der Menschen aufeinander geprägt ist, Recht wird erst danach gesprochen und vollzogen, wenn es für die meisten unschuldigen Menschen zu spät ist.

Das möchte ich nicht unwidersprochen stehen lassen. Zunächst möchte ich Dir aber darin zustimmen, dass die Rechtsprechung für die Opfer zu spät kommt. Aber das liegt in ihrer Natur. Recht kann im Normalfall eben erst dann gesprochen werden, wenn ein Verbrechen verübt wurde. Kriegsverbrechen gegen Gegner werden, auch das ist richtig, häufig nicht geahndet, aber ab und zu eben doch. Denn genau dafür gibt es auch eine Militärgerichtsbarkeit. Selbst - wenn auch nur zu Beginn - des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges gegen die osteuropäischen Völker und die europäischen Juden hat es Fälle gegeben, wo die deutsche Militärgerichtsbarkeit gegen Mörder vorgegangen ist. Ich zitiere aus Harald Welzer, Täter, S. 99:

"Die ersten Massaker an polnischen Juden fanden bereits wenige Tage nach Kriegsbeginn statt, stießen allerdings als Initiativtaten einzelner SS-Angehöriger auf Missfallen und wurden gelegentlich gerichtlich verfolgt. - so etwa in den Fällen eines SS-Sturmmannes und eines Polizeiwachtmeisters, die auf eigene Faust etwa 50 Juden erschossen hatten. Herbert Jäger nennt daneben auch ein kriegsgerichtliches Verfahren um dieselbe Zeit, wo es darum ging, dass ein SS-Mann wiederum aus eigener Initiative 50 jüdische Gefangene erschossen hatte. Die Häufung solcher Fälle vor den Gerichten führte offenbar zu einem Gnadenerlass Hitlers für alle derartigen Gewaltverbrechen, die bis zum 4. Oktober 1939 in den besetzten polnischen Gebieten von Deutschen begangen waren."

Welzer verweist dann weiter auf Herbert Jäger: Verbrechen unter totalitärer Herrschaft. Studien zur nationalsozialistischen Gewaltkriminalität. Olten/Freiburg 1967, S. 23.
 
Das möchte ich nicht unwidersprochen stehen lassen. Zunächst möchte ich Dir aber darin zustimmen, dass die Rechtsprechung für die Opfer zu spät kommt. Aber das liegt in ihrer Natur. Recht kann im Normalfall eben erst dann gesprochen werden, wenn ein Verbrechen verübt wurde. Kriegsverbrechen gegen Gegner werden, auch das ist richtig, häufig nicht geahndet, aber ab und zu eben doch. Denn genau dafür gibt es auch eine Militärgerichtsbarkeit. Selbst - wenn auch nur zu Beginn - des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges gegen die osteuropäischen Völker und die europäischen Juden hat es Fälle gegeben, wo die deutsche Militärgerichtsbarkeit gegen Mörder vorgegangen ist. Ich zitiere aus Harald Welzer, Täter, S. 99:

"Die ersten Massaker an polnischen Juden fanden bereits wenige Tage nach Kriegsbeginn statt, stießen allerdings als Initiativtaten einzelner SS-Angehöriger auf Missfallen und wurden gelegentlich gerichtlich verfolgt. - so etwa in den Fällen eines SS-Sturmmannes und eines Polizeiwachtmeisters, die auf eigene Faust etwa 50 Juden erschossen hatten. Herbert Jäger nennt daneben auch ein kriegsgerichtliches Verfahren um dieselbe Zeit, wo es darum ging, dass ein SS-Mann wiederum aus eigener Initiative 50 jüdische Gefangene erschossen hatte. Die Häufung solcher Fälle vor den Gerichten führte offenbar zu einem Gnadenerlass Hitlers für alle derartigen Gewaltverbrechen, die bis zum 4. Oktober 1939 in den besetzten polnischen Gebieten von Deutschen begangen waren."

Welzer verweist dann weiter auf Herbert Jäger: Verbrechen unter totalitärer Herrschaft. Studien zur nationalsozialistischen Gewaltkriminalität. Olten/Freiburg 1967, S. 23.

Dabei bin ich aber der Meinung, des der 2WK irgendwie eine "traurige" Sonderstellung einnimmt im Bereich gebrochenes Völkerrecht, vor allem von deutscher und sowjetischer Seite her.
 
Dabei bin ich aber der Meinung, des der 2WK irgendwie eine "traurige" Sonderstellung einnimmt im Bereich gebrochenes Völkerrecht, vor allem von deutscher und sowjetischer Seite her.

Das ist ohne Zweifel richtig. Die Tatsache, dass Kriegsverbrechen zu Anfang aber sogar noch verfolgt wurden, schmälert die Kriegsverbrechen auch nicht, sondern zeigt, dass Kriegsverbrechen auch 1939 - 45 als abnorm galten - was also die verharmlosende Erklärung, auf die manche zurückfallen, es habe ich um den Zeitgeist gehandelt, ad absurdum führt.
 
Stimmt, die hatten sich monatelang versteckt.
Aber das tolle Stück lag weniger an dem Schiff, mehr an der Führung das Schiffes. Die Dresden konnte damals bei den Falklandinseln nur ist.

Hier OT, aber trotzdem interessant was noch in dem Link kam.

Die Briten hatten wohl die falschen Granaten dabei, die nicht explodierten. Wenn sich die Dresden nachhaltig zur Wehr gesetzt hätte, würden die Briten arge Probleme bekommen haben. Meint zumindest der Schreiber dieser Site.
 
Es gibt eben drei Aspekte, die man aus der Nachschau zu bedauern hat:
1. das kein weitergehender Schutz erreicht worden ist, die bestehenden Regelungen - soweit sich Kriegsparteien im Ganzen überhaupt daran halten wollten und gehalten haben - zu schwach waren
2. älteres Recht für neu auftretende Formen der Kriegsführung möglw. keine Antwort bieten kann.
3. die Akzeptanz des Rechtes leider immer auch die Frage der Durchsetzbarkeit und Rechtsverfolgung betrifft.
Ich halte diese Betrachtung für verfehlt. Das Recht kann keine Rechtsverletzungen verhindern. Ob sich eine Regierung völkerrechtskonform verhalten will, hängt von ihrem Bewusstsein ab, welchen Stellenwert sie bei ihrer Politik dem Völkerrecht und welchen Stellenwert sie anderen Gesichtspunkten einräumt (z.B. ihren Machtinteressen).

Schau Dir doch mal die beiden großen völkerrechtliche Streitfragen des 1. WK an: die deutsche Besetzung Belgiens und die warnungslose Versenkung von Handelsschiffen. Hier waren die Regeln keinesfalls unklar.

In Deutschland herrschte die Doktrin vom freien Kriegsführungsrecht vor. Diese Lehre kannte bezeichnenderweise nur eine Ausnahme: neutralisierte Staaten, deren Existenz und Neutralität man vertraglich garantierte, durften nicht angegriffen werden. Dennoch griff das Deutsche Reich 1914 Belgien an.

Seit Jahrhunderten war es Kriegsschiffen verboten, Handelsschiffe warnungslos in den Grund zu bohren. Dennoch wurde den deutschen U-Booten im 1. WK diese Angriffsweise (teilweise) erlaubt und zwar OBWOHL die deutschen U-Boot-Kapitäne in der Praxis nachwiesen, dass der (moderne) U-Boot-Krieg im Einklang mit der (angeblich überholten) Prisenordnung geführt werden konnte.

Gerade im 1. WK tauchte immer wieder ein Fachmann auf, der behauptete, dass der "Große Krieg" durch eine "klitzekleine" Rechtsverletzung zu Gunsten der eigenen Seite entschieden werden könnte. Und dann zeigte sich zumeist, dass es einfach war das Recht zu brechen, sich der Sieg dennoch nicht einstellen wollte und dass die Dinge durch den Rechtsbruch erst recht kompliziert wurden.

So sollte z.B. durch den "raffinierten" Plan, über Belgien Frankreich rasch niederzuringen, der Sieg bis Weihnachten 1914 erreicht werden. Doch der Zug durch Belgien blieb in Belgien stecken, Und die Besetzung Belgiens zog einen Rattenschwanz von Problemen nach sich: die Massaker an der Zivilbevölkerung, die Zerstörung belgischer Städte, die Annexionspläne, die Empörung der Neutralen über das Verhalten der Deutschen und last not least die Forderungen nach Wiedergutmachung des den Belgiern angetanen Unrechts.

Anderes Beispiel: mit dem U-Boot-Krieg entgegen der Prisenordnung sollte GB schon rein moralisch niedergerungen werden. Auch dieses Ziel scheiterte. Mit der warnungslosen Versenkung von Handelsschiffen stellte sich das Deutsche Reich ausserhalb des Kriegsvölkerrechts mit dem Effekt, dass die deutschen Handelsschiffsversenkungen in der Wahrnehmung der Neutralen die englische Blockadepraxis in den Hintergrund treten liess. Die Chance, einer von den neutralen Staaten akzeptierten U-Boot-Kriegsführung nach Prisenordnung wurde, obwohl diese in der Praxis möglich gewesen wäre, vertan.

Das Verhältnis zwischen Recht und Macht wird durch das Bewusstsein der politischen und militärischen Handlungsträger geprägt und dieses Bewusstsein lässt sich eben auch manipulieren und in Versuchung bringen. Das ist eines der Grundprobleme des Völkerrechts in der politischen Praxis: das Spiel der Machtpolitik macht nicht halt vor den Regeln, die dieses Spiel begrenzen sollen. Das ist aber auch der Reiz der Völkerrechtsgeschichte: man kann anhand der Rechtsverletzungen die Deformierung der Politik durch die Machtinteressen beschreiben.
 
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Das Verhältnis zwischen Recht und Macht wird durch das Bewusstsein der politischen und militärischen Handlungsträger geprägt und dieses Bewusstsein lässt sich eben auch manipulieren und in Versuchung bringen. Das ist eines der Grundprobleme des Völkerrechts in der politischen Praxis: das Spiel der Machtpolitik macht nicht halt vor den Regeln, die dieses Spiel begrenzen sollen. Das ist aber auch der Reiz der Völkerrechtsgeschichte: man kann anhand der Rechtsverletzungen die Deformierung der Politik durch die Machtinteressen beschreiben.

Aber genau das war meine Intention:
Das Völkerrecht ist nicht von der Politik zu lösen. Wenn also

1. kein weiterreichender Schutz durch Kriegsrecht erreicht worden ist, liegt das an dem Minmalkonsenz der Politik auch während der Haager Verhandlungen

2. Lücken auftreten durch technische Fortentwicklungen, und diese ausgenutzt werden, liegt das an der politischen und militärischen Führung und den Kriegslagen

3. es an der Durchsetzung mangelte, liegt es an den (politischen) Vorgaben.


Hier sind Kettenreaktionen zu verzeichnen, wie du richtig feststellst. Die Besetzung Belgiens - Löwen wurde hier diskutiert - wurde bei den Truppen von der "Franktireur-Psychose" begleitet, aus welchen Gründen auch immer. Das führte zu Kriegsverbrechen (Schöller, Der Fall Löwen und das deutsche Weißbuch).


Bei den U-Booten würde ich allerdings auf interdependente "Beugungen" verweisen. Dazu hatten wir uns bei der Bewaffnung der Handelsschiffe
http://www.geschichtsforum.de/f62/bewaffnete-handelsschiffe-im-1-wk-16739/
ausführlich ausgetauscht.
 
Aber genau das war meine Intention:
Das Völkerrecht ist nicht von der Politik zu lösen. Wenn also

1. kein weiterreichender Schutz durch Kriegsrecht erreicht worden ist, liegt das an dem Minmalkonsenz der Politik auch während der Haager Verhandlungen

2. Lücken auftreten durch technische Fortentwicklungen, und diese ausgenutzt werden, liegt das an der politischen und militärischen Führung und den Kriegslagen

3. es an der Durchsetzung mangelte, liegt es an den (politischen) Vorgaben.
Meine Kritik gilt dem Bild >>von der Politik, die zu schwache Regelungen schuf und den zu schwachen Regeln, die im 1. WK Rechtsbrüche begünstigt haben sollen<<.

Mir ist natürlich auch klar, dass unklare rechtliche Bestimmungen ("schwache Regeln") zu Meinungsverschiedenheiten bei deren Interpretation führen können und zum Teil auch für die Überdehnung des Rechts zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden. Aber viele Rechtsbrüche im 1. WK bezogen sich auf ganz klare rechtliche Regelungen ("starke Regeln"). Das streitet dafür, dass die Kräfte in der Politik, die die Kriegsführung bestimmten, sich wohl auch dann zum Rechtsbruch entschlossen hätten, wenn die "schwachen Regeln" klarer und deutlicher ausgestaltet gewesen wären, es sich bei ihnen um "starke Regeln" gehandelt hätte.

Schau Dir mal die Reichstagsrede von Bethmann Hollweg Anfang August 1914 zum Einmarsch in Belgien ein. Der sagte nicht, dass die Rechtslage hinsichtlich der belgischen Neutralität unklar gewesen sei, sondern dass der Einmarsch Unrecht ist, das Reich sich in einer Notlage befand und Not kein Gebot kennt. Man setzte sich ganz bewusst über den Garantievertrag hinweg.

Gleiches gilt für den Handelskrieg entgegen der Prisenordnung. Diesen versuchte Berlin als Repressalie zu rechtfertigen. Damit gab man ganz offen zu, dass diese Art der Kriegsführung "an sich" völkerrechtswidrig ist.

In die völkerrechtswidrige Ausweitung des Krieges schlitterte man vielfach nicht aufgrund unklarer völkerrechtlicher Bestimmungen hinein sondern man sprang da ganz bewusst hinein - um des eigenen Vorteils willen: der Schlieffen-Plan versprach einen raschen Sieg, die Marineleitung den Niedergang der britischen Kampfmoral, etc.
 
Schau Dir mal die Reichstagsrede von Bethmann Hollweg Anfang August 1914 zum Einmarsch in Belgien ein. Der sagte nicht, dass die Rechtslage hinsichtlich der belgischen Neutralität unklar gewesen sei, sondern dass der Einmarsch Unrecht ist, das Reich sich in einer Notlage befand und Not kein Gebot kennt. Man setzte sich ganz bewusst über den Garantievertrag hinweg.

Stimmt,

neben meinen Klagen um "zu wenig" oder "zu undeutlich" ist natürlich wichtig, dass nicht einmal die klaren Regelungen aus dem Konsens eingehalten worden sind, siehe Neutralitätsbruch.


Belgien hatte wir doch schon mal?
Falls es interessiert, ich habe eine Schrift von Heinrich Pohl, der mit sehr detaillierten Gründen (und sehr konstruiert) versucht, den Rechtsbruch 1925 völkerrechtlich zu legitimieren. Könnte man mal zur Diskussion stellen. Pohl war Professor der Rechte in Tübingen und Herausgeber der "Völkerrechtsfragen". Die Schrift ist Wiedergabe einer Rede vom 18.2.1925 vor der Ortsgruppe Groß-Stuttgart der DVP.
 
Belgien hatte wir doch schon mal?
Das hier ist ein Geschichtsforum. In diesem hatten wir alles schon einmal. Das ist nur eine Frage der Dauer der Zugehörigkeit zu diesem Forum.:D
silesia schrieb:
Falls es interessiert, ich habe eine Schrift von Heinrich Pohl, der mit sehr detaillierten Gründen (und sehr konstruiert) versucht, den Rechtsbruch 1925 völkerrechtlich zu legitimieren. Könnte man mal zur Diskussion stellen. Pohl war Professor der Rechte in Tübingen und Herausgeber der "Völkerrechtsfragen". Die Schrift ist Wiedergabe einer Rede vom 18.2.1925 vor der Ortsgruppe Groß-Stuttgart der DVP.
Nun ja, solche apologetischen Rechtfertigungsversuche gab es viele.

Zunächst bekannte sich Reichskanzler Bethmann Hollweg im August 1914 ganz offen zum Völkerrechtsbruch: "Meine Herren, wir sind jetzt in der Notwehr; und Not kennt kein Gebot! Unsere Truppen haben Luxemburg besetzt, vielleicht schon belgisches Gebiet betreten. Meine Herren, das widerspricht den Geboten des Völkerrechts [...] Das Unrecht - ich spreche offen - das Unrecht, das wir damit tun, werden wir wieder gutzumachen suchen, sobald unser militärisches Ziel erreicht ist" (Reichskanzler Bethman Hollweg, Rede vor dem Deutschen Reichstag am 4.8.1914, in: Deutscher Reichstag, Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, II. Session, Bd. 306, Stenographische Berichte, 04.08.1914, S. 6 f. - zitiert nach Alan Kramer, Kriegsrecht und Kriegsverbrechen, in: Gerhard Hirschfeld u.a. (Hrsg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, 2003, S. 281, 282).

Schon im September 1914 bestritten 93 führende deutsche Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller, dass Deutschland die belgische Neutralität verletzt habe: "Es ist nicht wahr, daß wir freventlich die Neutralität Belgiens verletzt haben. Nachweislich waren Frankreich und England zu ihrer Verletzung entschlossen. Nachweislich war Belgien damit einverstanden. Selbstvernichtung wäre es gewesen, ihnen nicht zuvorzukommen" (Aufruf der 93).

Zuerst beging man die Unrechtshandlung und dann stritt man ab, dass es sich um eine solche handelte.
 
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