Kriegsverbrechen der Wehrmacht

In dem Moment, da die Entscheidung gefallen war, standen die Militärs dann aber nicht vor einem ideologischen sondern vor einem ganz praktischen Problem: Sie sollten einen Krieg führen, der nach menschlichem Ermessen nicht zu gewinnen war. Und von dem Moment an spielte Ideologie keine Rolle mehr. Die Militärs denken da ganz mechanistisch. Sie haben nach Wegen gesucht, wie sie das Unmögliche doch noch möglich machen konnten. Die "Lösung", die sie ersonnen haben, war eine Strategie der verbrannten Erde und der Entvölkerung. Es ging dabei nicht darum, der Nazi-Ideologie Geltung zu verschaffen, sondern darum, einen unmöglich erscheinenden militärischen Sieg zu erringen.

Nur ganz kurz: Eben das kann ich unter militærischen Gesichtspunkten ueberhaupt nicht nachvollziehen; R.A. hat das in Beitrag #27 denke ich schon plausibel angesprochen: Es macht militærisch keinen Sinn! Jedenfalls nicht als Eingangsstrategie auf dem Eroberungsfeldzug; und so ist "Barbarossa" ja nun gestartet.

Gruss, muheijo
 
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@Maelonn
:grübel:
Ich fragte nur nach dem entsprechenden Zeitraum.

Wenn die angegebene Opferzahl von 2,6 Mill. nur für den Zeitraum der Op.Barbarossa (grob gerechnet Juni 41 bis Dezember 41) gelten würde wäre das ein Beleg dafür wie das deutsche Heer mit der Zivilbevölkerung, während dem Vormarsch, umgegangen ist.
Bei einem Zeitraum vom Juni 41 bis September 44 gelten andere Maßstäbe.

Und ehe Du fragst: Nein, ich weiß nicht, ob die Opferzahlen im Westteil niedriger waren als in der Osthälfte.
Diese Frage lag mir nicht im Sinn.

Warum eigentlich diese Frage? Hast Du Zweifel an der von mir genannten Zahl?
Nö, bei einem Zeitraum 41-44 nicht.

Bei der Frage nach Brutalisierung darf man allerdings auch nicht die Handlungen der Roten Armee außer acht lassen. Letztlich haben sich beide System gegenseitig brutalisiert.

Interessanterweise hat Creveld einige Angaben von Omar Bartov in Zweifel gezogen. So hält er die These Bartov´s das die deutschen Primärgruppen 42/43 zerbrochen waren, aus folgendem Grund, für nicht stimmig.
Bartov hätte einfach die Abgänge mit den Zugängen gegengerechnet - egal ob die Soldaten Neulinge oder kampferfahrene Soldaten waren, tatsächlich weiß man allerdings (nicht erst seit dem 2.Wk) das gut ausgebildete und kampferfahrene Soldaten erheblich größere Chancen haben Kämpfe zu überleben. Damit hätten sich Primärgruppen um diese "alteingesessenen Soldaten" gebildet während die Neuzugänge nur sehr geringe Überlebenschancen hatten (Alles aus dem Gedächtnis also "nur" sinngemäß).
Und genau das wird ja auch in den deutschen Berichten erwähnt und von Bartov ignoriert.
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Natürlich kann das Auslöschen der Bevölkerung eines Landstrichs / Landes militärisch Sinn machen. Es kommt alleine auf die militärischen, politischen und / oder ideologischen Ziele an.
 
@muheijao: Und es war auch nicht so geplant. Die WM stand unter einem erheblichen Zeitdruck. Sie mußte im Rahmen des für 1941 konzipierten Blitzkrieges definierte Ziele erreichen und "nebenher" die Masse der Roten Armee vernichten.

Da blieb im Rahmen des Blitzkriegkonzepts für 1941 keine Zeit das Konzept der verbrannnten Erde zu praktizieren, um den Krieg zu gewinnen.

Aus der Sicht der WM wurde das Konzept der verbrannten Erde auch erst nach Stalingrad praktiziert und hat somit überhaupt nichts mit dem Vordringen im Jahr 1941 zu tun, als es noch um die Frage des Gewinnens ging.
 
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zu 1. Ja ich habe Recht und werde die entsprechenden Quellen liefern. Erstaunlicher finde ich, dass Du bei Deinen Behauptungen diese Studien offensichtlich nicht kennst. :grübel:
Nur die Ruhe. Da ich nicht weiß, welche Du ansprichst, kann ich nicht sagen, ob ich sie kenne. Und ich habe auch nie behauptet, alle zu kennen.

Und Deine scheinbar plausible Argumentation in Bezug auf Frankreich übersieht, dass trotz der "Erbfeindschaft" die Soldaten der Gegenseite immer als Combatanten angesehen worden sind und die entsprechenden völkerrechtlichen Normen geachtet wurden.
Nein, ich übersehe da nichts. Die Grundfrage lautet: WARUM wurden gerade die Soldaten des "Erbeinds" als Kombattanten geachtet. Die "Schande von Versailles" war doch einer der wichtigsten Gründe dafür, dass Hitler die Deutschen auf den Krieg einschwören konnte. Bezüglich Russland gab es solche tiefgreifenden Emotionen nicht. Eine antikommunistische Grundhaltung gab es, klar, aber die antifranzösische war tiefgreifender.

Nebenbei wurden sie auch noch im Krieg gegen Polen geachtet und führte dazu, dass die Militärjustiz gegen Verstöße gegen Rechtsnormen gegen WM-und SS- Angehörige vorgehen wollte.
...
Es war somit in der Wehrmacht zu Beginn des Krieges durchaus ein intaktes Rechtsverständnis in Bezug auf das Völkerrecht vorhanden und dürfte bis 41 kaum komplett erodiert sein.
Ich habe auch nichts von kompletter Erosion geschrieben. Nur davon, dass das (bekannte) Völkerrecht im Russlandfeldzug systematisch ignoriert und Verstöße nicht geahndet wurden. In diesem Feldzug hat das Militär den Kräften, die zu einer Eskalation von Krieg führen, freien Lauf gelassen. Meiner Ansicht nach.

Es hat schon des Eklats im Rahmen der Verbreitung des "Kommissarbefehls" bedurft, um die Widerstände gegen die Vernichtungspolitik von Hitler zu verdeutlichen. So soll Halder auf nach der Konferenz vom 31 März 41 energisch dagegen protestiert haben, unter welchen Voraussetzungen (Kommissarbefehl etc.) in Russland völkerrechtlich Krieg geführt werden sollte.

In ähnlicher Form schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung:
[FONT=verdana,arial,geneva]"Die Befehle wurden unterhalb der Armee-Ebene in der Regel mündlich weitergegeben und riefen teilweise heftige Proteste hervor." [/FONT]

Weiter differenziert "jesusfreund" dieses Bild auf seiner Wikiseite : "Alfred Streim betont, „… dass es nicht wenige Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten gab, die sich an das Kriegsvölkerrecht oder Grundsätze der Menschlichkeit hielten.“ Der Sammelbegriff „Wehrmacht“ sei in Hinblick darauf zu relativieren. [26]
Alles richtig. Bekannt ist, dass Soldaten, die sich zum Beispiel an "zweifelhaften" Erschießungen nicht beteiligen wollten, dafür nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Es wurde niemand "gezwungen". Es wurden "nur" Umstände geschaffen, die eine besonders erbarmungslose Kriegführung begünstigten.

zu 2: Der Unterschied ist eigentlich ganz einfach. Es hat der Sondereinheiten bedurft, um den Vernichtungsfeldzug durchzuführen und keine WM-Einheiten herangezogen wurden bzw. werden konnten. Es mag sein, dass einzelne Wehrmachtsoffiziere, auch im Sinne Deiner Zitate, bereit waren, diesen Vernichtungsfeldzug zu unterstützen.
Genau diese Ansicht teile ich nicht. Diese große Zahl an zivilen Opfern nur den Sondereinheiten anlasten zu wollen, finde ich nicht angemessen. Und das deckt sich auch nicht mit den bekannten Direktiven, die in allen militärischen Hierarchieebenen verteilt wurden.

Dennoch belegen diese einzelnen Äußerungen in keinster Weise, dass sich das Offizierkorps bereits 1941 der NS-Ideologie in Bezug auf die Rassenideologie unterworfen hat und die Zielsetzung der ethnischen Säuberungen aktiv unterstützt hat.
Das habe ich auch gar nicht behauptet. Ich vertrete das Argument, dass die Wehrmacht aus MILITÄRISCHEN Gründen etwas getan hat, was den NS-Ideologen aufgrund ihres Rassenwahns gut in den Kram gepasst hat. Die Militärs waren in diesem Sinne keine Erfüllungsgehilfen der Ideologen. Sie haben aus eigenen Motiven so gehandelt (was im Ergebnis keinen Unterschied macht).

Das hat auch Hitler wohl so gesehen. Wenn ich das richtig sehe, hat er ja wohl die Waffen-SS ins Leben gerufen, weil er die Wehrmacht nicht für "vertrauenswürdig" hielt.

MfG
 
Dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen.

Dass es durchaus ein solide antikommunistische Grundhaltung im Offizierkorps gab, darauf deuten eine Reihe von Studien hin. Das mag der Resonanzboden gewesen sein, dass der eine oder andere Offizier, die NS-Ideologie zur Kriegsführung im Osten mehr als bereitwillig übernahm und aus Überzeugung ausführte.

Was man durchaus noch erweitern kann.
Vor allen kriegerischen Abenteuern Hitlers, bei der Besetzung Österreichs beginnend, gab es aus Kreisen der höheren und höchsten Offiziere Widerstandsaktionen.
Außer vor dem Russlandkrieg,
und ausgerechnet da haben dann hinterher alle gewusst, dass das der Untergang sein würde.:nono:

Es gab die antikommunistische Grundhaltung, zweifellos, und von 14-18 her das Gefühl einer großen Überlegenheit.
 
Nein, ich übersehe da nichts. Die Grundfrage lautet: WARUM wurden gerade die Soldaten des "Erbeinds" als Kombattanten geachtet. Die "Schande von Versailles" war doch einer der wichtigsten Gründe dafür, dass Hitler die Deutschen auf den Krieg einschwören konnte. Bezüglich Russland gab es solche tiefgreifenden Emotionen nicht. Eine antikommunistische Grundhaltung gab es, klar, aber die antifranzösische war tiefgreifender.
Im Falle Rußland / Sowjetunion griffen wohl noch andere "westliche" Urängste (oder Projektionen) zb. die "vor den asiatischen Horden" und ihren "asiatischen" Methoden.

Da wurde der Erzfeind Frankreich doch immerhin als "zivilisierter" Staat ähnlicher Rasse und Kulturkreis eingestuft. Ähniliche Ängste sind ja auch heute noch wirksam.

Genau diese Ansicht teile ich nicht. Diese große Zahl an zivilen Opfern nur den Sondereinheiten anlasten zu wollen, finde ich nicht angemessen. Und das deckt sich auch nicht mit den bekannten Direktiven, die in allen militärischen Hierarchieebenen verteilt wurden.
Da werden nmA Ebenen vermischt.
Das Heer ging im Osten militärisch vor und dabei ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Als gefährlich eingestufte Personen wurden "ausgeschaltet". Aber zieht sich das nicht durch alle Kriege?
Die der Vernichtungskrieg wurde aber weniger durch "normale" sondern eben Sondereinheiten durchgeführt.
Im übrigen gibt es auch genügend Direktiven die genau die andere Seite zeigen - möglichst Schonung der Zivilbevölkerung.

@Repo
Das sollte man wiederum nicht aus dem zeitlichen und machtpolitischen Zusammenhang reißen.
Mit dem erfolgreichen Frankreichfeldzug - den Hitler gegen den Widerstand des höheren Offizierskorps (siehe Leeb und zeitlich eingeschränkt Brauchitsch / Halder) durchgeführt hatte - gab es keinerlei Handhabe mehr für Widerstand.
Das große Teile des Offizierskorps äußerst massive Bedenken über die Op.Planung hatte ist allerdings dokumentiert.
 
In dem Moment, da die Entscheidung gefallen war, standen die Militärs dann aber nicht vor einem ideologischen sondern vor einem ganz praktischen Problem: Sie sollten einen Krieg führen, der nach menschlichem Ermessen nicht zu gewinnen war.
Hinterher ist man natürlich immer schlauer ...
Aber 1941 war der Kriegsausgang noch völlig offen. Es war klar, daß es sehr schwer werden würde - aber grundsätzlich machbar.
Alleine schon normale Wetterverhältnisse hätten reichen können, um vor dem Wintereinbruch Moskau einzunehmen, mit weitreichenden Folgen für die weitere sowjetische Kriegsführung. Und es war 1941 auch nicht abzusehen, daß die USA die rote Armee so massiv mit Hilfslieferungen stärken würde.

Die "Lösung", die sie ersonnen haben, war eine Strategie der verbrannten Erde und der Entvölkerung.
Das ist Deine Behauptung - es gibt dafür keine Belege.
Und wie schon oben erläutert: Militärisch ist diese Strategie völlig kontraproduktiv.

Ich würde im Gegenteil sogar sagen: Wenn die deutsche Führung nicht so ideologisch borniert gewesen wäre, sondern die russische Bevölkerung (und die nicht-russische noch stärker) als Verbündete gegen das Stalin-Regime mobilisiert hätte - dann wäre die Sowjet-Herrschaft wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Die Bolschewisten hatten zu diesem Zeitpunkt wenig Rückhalt, insbesondere bei der Landbevölkerung, und konnten ihre Herrschaft ja nur durch massive Repression aufrecht erhalten. Durch Etablierung einer russischen Gegenregierung hätte der Krieg relativ schnell entschieden werden können.
 
Bezüglich des Vorgehens gegen Zivilbevölkerung ist auch bei den eingesetzten Wehrmachtseinheiten zu differenzieren. Das betrifft nicht nur bestimmte Verbände (zB die Ereignisse zur 707. ID und weiterer Beispiele), sondern auch rückwärtige Besatzung (Polizei, Ordnungstruppen wie Feldkommandanturen etc.), sondern auch das unmittelbare Zusammenwirken mit den Einsatzgruppen (so zB die Leibstandarte Adolf Hitler und die Einsatzgruppe D im Süden der Sowjetunion, zB Taganrog). Hier sind zahlreiche Abstufungen zu sehen, so dass man das Thema bezogen auf Zivilbevölkerung kaum für "die" Wehrmacht allgemein diskutieren kann.

Die Komponente des "ideologisierten Vernichtungskrieges" hat Römer an der "Spitze" des Eskalation, nämlich dem Kommissarbefehl, gezeigt.

Der realisierte Vernichtungskrieg hatte seine Voraussetzung in einer vorab politisch gesteuerten Legitimation des Vernichtungskrieges, die schon vor dem Angriff vorhanden war. Römer spricht hier von einem "Deutungsmuster", das allerdings "militärische Notwendigkeiten" (so bei Maelonn anklingend) gerade nicht enthielt. Römer spricht vielmehr von "der ständigen Erneuerung des Konsenses über die ideologischen Prämissen des Feldzuges" ("Vernichtung des Bolschewismus"), der es dann zunächst in den schweren Kämpfen 1941 nicht weiter bedurfte. Das änderte sich mit dem Scheitern des Blitzkrieges, nach dem diese Vernichtungsstrategie hinterfragt wurde, sie zT militärisch als kontraproduktiv angesehen wurde. Natürlich ist dabei zu berücksichtigen, dass die Vernichtungsmaßnahmen im direkten Gefolge des Feldzuges 1942, bei dem weite Gebiete bis in den Kaukasus erobert wurden, weiter lief (-> Angrick). Eine dritte Wendung kann dann mit den Rückschlägen und dem Partisanenkrieg im Rückraum gesehen werden (worauf Römer nicht mehr eingeht). Das sind schon einmal drei Phasen, die gesehen werden müssen.

Diese wechselnde Lage wird allerdings von Römer dahingehend gewertet, dass es mindestens eine "Teilidentität der Ziele" zwischen Wehrmachtselite und NS-Führung gab, nämlich die grundsätzliche Überzeugung von der "Notwendigkeit des Feldzuges" und in den ideologischen Prämissen. Im Ergebnis wurde jede durch Völkerrecht auferlegte Zurückhaltung, wie sie sich an anderen Fronten (mit Ausnahme des Balkans nach der Besetzung) zeigte, eliminiert. Römer konstatiert hier zudem einen Bruch mit Wehrmachtstraditionen, die leicht vollzogen wurden vor dem breit akzeptierten, skrupellosen Krieg mit "besonderen Maßnahmen", in einer "existenziellen" kriegerischen Auseinandersetzung. Auch hierbei spielen etwaige rationale militärische Aspekte kaum eine Rolle.

P.S.: die Strategie der "verbrannten Erde" ist für die Wehrmacht nicht 1941, sondern im Rückzug 1943/44 und erstmals partiell/ansatzweise Ende 1941 im Rückzug der Winterschlacht vor Moskau zu verorten.
 
Ich würde im Gegenteil sogar sagen: Wenn die deutsche Führung nicht so ideologisch borniert gewesen wäre, sondern die russische Bevölkerung (und die nicht-russische noch stärker) als Verbündete gegen das Stalin-Regime mobilisiert hätte - dann wäre die Sowjet-Herrschaft wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Die Bolschewisten hatten zu diesem Zeitpunkt wenig Rückhalt, insbesondere bei der Landbevölkerung, und konnten ihre Herrschaft ja nur durch massive Repression aufrecht erhalten. Durch Etablierung einer russischen Gegenregierung hätte der Krieg relativ schnell entschieden werden können.

Ähnlich wie mit Lenin 1917.
Ich denke auch, dass das die Chance gewesen wäre, den Russlandkrieg zu gewinnen.

Aber was bei Thoma usw. überliefert ist, man war anscheinend der Meinung, dass die russ. Bevölkerung als nutzlose Esser behandelt werden muss. Verhungern soll.
Anders die deutsche Zivilbevölkerung nicht ruhig gestellt werden könne.
 
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@Maelon: Die avisierten Quellen. Zur Einschätzung des Weltbildes der Generalität der Wehrmacht sind eine Reihe von Darstellungen relativ leicht verfügbar:

1. Messerschmidt: Wehrmacht, Ostfeldzug und Tradition: in Der Zweite Weltkrieg; Michalka Hrsg., S. 314ff

2. Wette: Juden, Bolschewisten, Slawen. Rassenideologische Rußland-Feindbilder Hitlers und der Wehrmachtsgenerale, in: Präventivkrieg, Pietrov-Ennker Hrsg., S. 37ff

3. Hillgruber: Das Rußland-Bild der führenden deutschen Militärs vor Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion, in: Zwei Wege nach Moskau; Wegner Hrsg., S. 167ff

4. Janßen: Politische und militärische Zielvorstellungen der Wehrmachstführung, in: Die Wehrmacht. Müller & Volkmann Hrsg. S. 75ff

Die Autoren gehen reletativ konsensual von einer relativ hohen Identität aus zwischen den Zielsetzungen Hitlers und den Spitzen der WM in der Notwendigkeit den Krieg zu führen aus.

Die rassenideologische Ausrichtung des antikommunistisch geprägten Weltbildes erfolgte dann durch die Übernahme der von Hitler ausformulierten Ideologie und erfuhr so die Zuspitzung auch auf der Ebene der Kriegsführung durch die Wehrmacht.

Ansonsten erscheint mir persönlich die von Silesia vorgestellte Interpretation durch Römer als besonders plausibel.

Manchmal ist es schon interessant, wie man die Veränderung der eigenen Position, auch im Sinne einer Differenzierung, im Zuge der intensiveren Beschäftigung mit einem Thema bemerken kann.
 
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Dass die Wehrmacht aber nicht nur begeistert war angesichts des Kommissarbefehl zeigt aber auch eine Episode, die Philippi & Heim (Der Feldzug gegen Russland, S. 50) schildern.

Im Anschluss an die Versammlung am 30. März, bei der führende Generale anwesend waren, "erhoben die Oberbefehlshaber der drei im Osten vorgesehenen Heeresgruppen und ein Teil der Armeeführer spontan erregten Einspruch gegen dieses Ansinnen bei dem FM v. Brauchitsch. Sie könnten eine derartige Kriegsführung nicht mit ihren Überzeugungen vereinbaren."

Halder forderte von Brauchitsch auf, die Rücknahme des Befehls zu erzwingen oder beider Ämter zur Verfügung zu stellen. "Brauchitsch wich aber beidem aus".

Entsprechend der Aussagen von Jodl soll es in der Folge zu "sehr erregten Auseinandersetzungen" mit Hitler über den Kommissarbefehl gekommen sein.

Realität oder Fiktion, neutrale historische Quelle oder lediglich der Versuch, die WM reinzuwaschen?????

Vor dem HIntergrund obiger Quellen eher der Versuch eines historischen Glättung, aber würden die beiden Autoren einen derartigen Vorgang lediglich erfinden????
 
Entsprechend der Aussagen von Jodl soll es in der Folge zu "sehr erregten Auseinandersetzungen" mit Hitler über den Kommissarbefehl gekommen sein.
Realität oder Fiktion, neutrale historische Quelle oder lediglich der Versuch, die WM reinzuwaschen?????
Vor dem HIntergrund obiger Quellen eher der Versuch eines historischen Glättung, aber würden die beiden Autoren einen derartigen Vorgang lediglich erfinden????

Phillippi/Heim waren mE als Offiziere in der Wehrmacht, unter anderem beim OKW, soviel vorab. Vermutlich haben sie hier abgeschrieben, da sie nicht anwesend waren:

Die "stürmischen Proteste" stammen aus der Aussage von Brauchitsch vor dem IMT.

Einwände gegen den Kommissarbefehl sind bis auf diese Behauptung nicht belegt (Römer, S. 68). Vielmehr gaben die versammelten Heeresgruppen- und Armeeführer - Beispiel Hoth - die Befehle Hitlers zum Vernichtungskrieg unmittelbar an die nachgestellten Kommandierenden Generäle der Armeekorps weiter.

Halder- bzw. das Bock-Tagebuch zum 30.3.1941 müßte man noch prüfen.
 
"Betr. Verhalten der Truppe im Ostraum.
Hinsichtlich des Verhaltens der Truppe gegenüber dem bolschewistischen System bestehen vielefach noch unklare Vorstellungen. Das wesentliche Ziel des Feldzuges gegen das jüdisch-bolschewistische System ist die völlige Zerschlagung der Machtmittel und die Ausrottung des asiatischen Einflusses im europäischen Kulturkreis. Hierdurch entstehen auch für die Truppe Aufgaben, die über das hergebrachte einseitige Soldatentum hinausgehen. Der Soldat ist im Ostraum nicht nur ein Kämpfer nach den Regeln der Kriegskunst, sondern auch Träger einer unerbittlichen völkischen Idee und Rächer für Bestialitäten, die deutschen ..."
weiter mag ich nicht zitieren, es kommen noch Formulierungen wie "erbarmungslose Ausrottung" vor. Stammt jedenfalls aus dem Befehl, den Generalfeldmarschall von Reichenau im Oktober 1941 herausgegeben hat, angeblich aus eigenem Antrieb und ohne Weisung (aber mit nachträglichem Applaus) Hitlers.

Reichenau zu zitieren dürfte ein verzerrtes Bild der damligen Situation ergeben: Westphals schreibt dazu (Heer in Fesseln, 1952, S. 57) "Ein Außenseiter in der hohen Generalität war der spätere FM v. Reichenau. Er war ein Freund der Partei." Insofern war er der nationalsozialistische Rechtsaußen der Wehrmacht und von ihm hätte man nichts anderes wie "vorauseilenden Gehorsam" erwarten können.

Aber repräsentativ für das Gedanken der Generalität war er sicherlich nicht. Insofern ist dieses Zitat als Beleg für die Geisteshaltung dieser Gruppe insgesamt wenig erhellend.

An der bisherigen Diskussion stört mich, dass die "Nationalsozialisierung" der Wehrmacht nicht als Prozess begriffen wird, der 33 einsetzte und 45 aufhörte, sondern vor allem, und besonders von Maelon so getan wird, als sei dieser Prozess bereits 41 weit vorangeschritten gewesen und es bereits eine Identität zwischen der NS-Führung und der WM Elite gegeben hätte.

Wird von konservativer, revisionistischer Seite so getan, als sei die Wehrmacht völlig unbeschadet aus dem WW2 hervorgegangen, dann ist die gegenteilige Position, sie sei bereits 41 mit einem ausgearbeiten Plan in den Krieg in der SU aus innerer ideologischer Überzeungung eingestiegen, der den Zerstörungsaspekt der UdSSR und seiner Bewohner in den Vordergrund stellen würden, genauso historisch nicht korrekt.

Vielmehr gab es Milstones, an denen eine qualitative Veränderung in der Beziehung zwischen dem NS-System und der Wehrmacht eingetreten ist. An denen aber auch der zunehmende Druck des NS-Systems auf die WM deutlich wird.

Ausgangspunkt: Der Verlust des Seeckstschen Erbes der relativen Eigenständigkeit der RW bzw. Wehrmacht im Verhältnis zum poltishcen System. Eng verbunden mit den Vorgängen im Rahmen der Blomberg Fritsch Krise.

Blomberg-Fritsch-Krise ? Wikipedia

Milestone 1: verstecker Widerstand: Durchaus noch geprägt durch die Bereitschaft, Hitler Widerstand zu leisten. Noch geprägt durch Beck und auch durch Canaris und Halder (Oster etc.).

Milestone 2: Passivität und Resignation: Milestone ist der 22 September 1939. Hitler instruiert ca. 50 Offiziere über seinen Plan Polen anzugreifen. In dieser Rede wird bereits die Melodie der "größten Härte" angestimmt. Von der Generalität kam kein Widerspruch. (Canaris Aufzeichnungen in: Canaris: Hitlers Abwehrchef, M. Mueller, S. 259 ff)

Verstimmen der letzten kritischen Stimmen in der WM durch die Erfolge in Polen und im Westen.

Milestone 3: Ansätze zur Nationalsozialisierung der WM: Vortrag von Hitler am 30. März vor den Spitzen der Wehrmacht. Laut Keitel beendete Hitler seine Rede mit dem Satz: "Ich erwarte nicht, dass meine Gneräle mich verstehen, aber ich erwarte von ihnen, dass sie meinen Befehlen Gehorsam leisten" (The Memoirs fo FM W. Keitel, S. 136)

Dieser Satz indiziert noch eine relativ weitgehende Distanz der ideologischen Sinnwelten von Hitler und seinen Generälen.

Bei Halder findet sich, in Anlehnung an Philippi und Heim, lediglich ein Verweis auf "Die Reaktion der Offiziere", allerdings geht er im KTB nicht auf seine eigene Rolle im Rahmen der Reaktion ein.

Dass die Reaktion so stattgefunden haben könnte wie Philippi und Heim sie beschrieben haben, kann man aus den Äußerungen von Keitel schließen, der genaus diesen Konflikt bzw. Widerspruch zum Ansinnen von Hitler bei Brauchitsch erkannt hatte!

Sofern man etwas verbrecherisches an der Handlung der WM identifizieren möchte in dieser Phase, dann ist es die Planung eines Angriffskrieges, allerdings haben Militärs genau dieses bereits seit mindestens drei tausend Jahren geplant.

Der WM Führung war sich nach den deutlichen Äußerungen von Hitler bewußt, dass es sich bei der Operation Barbarossa um einen Vernichtungskrieg handeln würde und sie die militärischen Voraussetzungen dafür zu schaffen hatten. Vermutlich war 1941 den WM-Spitzen und der Generalität aber nicht ersichtlich, welche Dimensionen dieser Vernichtungsfeldzug in seiner Umsetzung durch die Einsatzgruppen annehmen sollte.

In diesem Sinne waren sie sicherlich mitschuldig am Vernichtungskrieg, allerdings in Unkenntnis der Dimensionen des beabsichtigten Völkermords.

Die SS ließ am allerwenigsten die WM in ihre Planungen Einsicht nehmen!

Milestone 4: Voransschreiten und Umbau der WM zur NS-Armee: Dass die Nationalsozialisierung der WM nicht mit dem Tempo vorankam wie Hitler es wünschte. führte dann zur weiteren gezielten Gleichschaltung der WM im Sinne des NS-Systems. Nach dem Attentat auf Hitler wurde der Druck zur Gleichschaltung noch zusätzlich erhöht.

Nationalsozialistischer Führungsoffizier ? Wikipedia

Am Ende dieses Prozesses der Gleichschaltung standen Offiziere wie Schörner oder Model, die im zusammenbrechenden Reich bis zum letzten mit mehr oder minder fanatischem Durchhaltewille aus innerer Überzeugung gekämpft haben und schon lange nicht mehr die Frage nach der Logik ihres Verhaltens gestellt haben, sondern auf Befehl des Führers handelten.

Die Darstellung ist lückenhaft, aber dennoch der Versuch, die grundsätzlichen Entwicklungslinien bzw. der Dynamik aufzuzeigen. Eine Simplizierung der Rolle der WM im Rahmen des Vernichtungskrieges, indem die Zeitachse ausgeblendet wird, ist m.E. nicht hilfreich.

Wenn man der Wehrmacht etwas vorhalten muss, dann am ehesten, dass sie nicht die Moral hatte, nach der Blomberg Fritsch Krise als Kollektiv gegen das NS-Regime zu opponieren. Zu diesem Zeitpunkt hätte man noch sehr viel verhindern können.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Hitler bereits seinen Eid auf die Weimarer Verfassung tausendfach gebrochen und sich bereits am Deutschen Volk vergangen.
 
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@ thanepower:
Nachgefragt: Was ist fuer dich der Unterschied zwischen Vølkermord und Vernichtungskrieg? Beinhaltet ein Vernichtungskrieg nicht den Vølkermord oder definierst du anders?

Falls du "Vernichtungskrieg" nur militærisch meinst, sprich: Vernichtung (= Ausschaltung, auch Gefangennahme) der feindlichen Armeen, dann ist das ja ansich nichts besonderes (sorry, wenn das zynisch klingt), sondern die "normale" hohe Kunst der Kriegsfuehrung.
Darauf zielt aber m.E. der User Maelonn gar nicht ab, vielmehr habe ich das so verstanden, dass er meint, die wirkliche, physische Vernichtung des Gegners, einschl. Kriegsgefangener und Zivilisten war von Anfang an von der WM geplant. Und zwar eben nicht aus ideologischen Gruenden, sondern weil es militærisch vorteilhafter sein soll. Aber genau das verneine ich. Es kann militærisch nicht besser sein, sich von Anfang an mit der planmæssigen, flæchendeckenden Ermordung alles Lebenden zu beschæftigen.
Ich bin sicher, dass sich die Planung zu Barbarossa grundsætzlich militærisch nicht von den Planungen zum z.B. Polen- oder Frankreichfeldzug unterschieden hat, also wie operiere/manøvriere ich am geschicktesten.

Gruss, muheijo
 
1. Nachgefragt: Was ist fuer dich der Unterschied zwischen Vølkermord und Vernichtungskrieg? Beinhaltet ein Vernichtungskrieg nicht den Vølkermord oder definierst du anders?

2. Ich bin sicher, dass sich die Planung zu Barbarossa grundsætzlich militærisch nicht von den Planungen zum z.B. Polen- oder Frankreichfeldzug unterschieden hat, also wie operiere/manøvriere ich am geschicktesten.

zu 1. Für den Krieg in Russland würde ich es als Synonym nutzen. Maelon hat insofern Recht, wenn er die militärischen Planung als Voraussetzungen für die Vernichtungsoperationen sieht und insofern eine Einheit herstellt. Die realpolitisch vorhanden war.

In diesem Sinne wurde die WM natürlich instrumentalisiert für den Vernichtungskrieg bzw. den Völkermord. Inwieweit jeder einzelne höhere General sich das subjektiv wirklich eingestehen oder auch erkennen konnte oder wollte im Jahr 1941, kann man vermutlich heute nicht mehr wirklich rekonstruieren.

Sie war aber nicht, wie Du
zu 2. m. E. richtig schreibst auf der Ebene der rein operativen Planungen des OKH vorhanden. Halder und co haben diesen Krieg unter militärischen Gesichtspunkten geplant, als operatives Problem. Und auf diese Sichtweise bezog sich auch meine Vermutung, daß das OKH sich auf eine fachorientierte lediglich professionelle Sichtweise der Kriegsführung im Rahmen von Operation Barbarossa beschränkt hat.

Es ergeben sich dabei eigentlich immer wieder Parallelen zu allen anderen relevanten Funktionsträgern im 3. Reich. Die jeweiligen Eliten der Funktionsbereiche des 3. Reichs aus der Wirtschaft, aus dem Bereich Logistik, adminsitsrativen Bereich etc. haben sich jeweils auf die Position zurückgezogen, dass sie lediglich das Funktionieren eines Teilsystems zu gewährleisten hatten.

Eine wie auch immer geartete politische oder auch moralische Verantwortung wurde nicht thematisiert (wie im Fall der IF Farben Manager an anderer Stelle thematisiert) und wenn doch führte diese Fragestellung unter Umstaänden auch in die Reihen des Widerstands.
 
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Reichenau zu zitieren dürfte ein verzerrtes Bild der damligen Situation ergeben: Westphals schreibt dazu (Heer in Fesseln, 1952, S. 57) "Ein Außenseiter in der hohen Generalität war der spätere FM v. Reichenau. Er war ein Freund der Partei." Insofern war er der nationalsozialistische Rechtsaußen der Wehrmacht und von ihm hätte man nichts anderes wie "vorauseilenden Gehorsam" erwarten können.
Was Du über Reichenau schreibst, ist sicher richtig. Jedoch: Wenn er so ein Außenseiter war, dann hätten sich die ihm untergebenen Offiziere unter Berufung auf ihre soldatische Ehre (klingt jetzt doof, aber ich glaube, dass es sowas gibt) den zitierten Anweisungen widersetzen beziehungsweise sie ignorieren können. Teilweise ist genau das geschehen, ohne dass es für die "Widersetzlichen" Konsequenzen hatte. Schon das belegt, dass die Soldaten durchaus eine Wahl hatten. Bezüglich der Teilnahme am "Vernichtungskrieg" meine ich.

Außerdem: Reichenau war ein Parteigänger, aber er war auch Soldat. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er der Ideologie zuliebe militärisch widersinnig gehandelt hätte. Auch ihm wird es ja nicht ausschließlich um Methoden sondern in erster Linie um das zu erreichende "Ziel" gegangen sein.

An der bisherigen Diskussion stört mich, dass die "Nationalsozialisierung" der Wehrmacht nicht als Prozess begriffen wird, der 33 einsetzte und 45 aufhörte, sondern vor allem, und besonders von Maelon so getan wird, als sei dieser Prozess bereits 41 weit vorangeschritten gewesen und es bereits eine Identität zwischen der NS-Führung und der WM Elite gegeben hätte.
Vielleicht habe ich mich ja unklar ausgedrückt, aber genau das wollte ich NICHT sagen. Ich wollte sagen, dass die Generäle (das Oberkommando) aus MILITÄRISCHEN GRÜNDEN so gehandelt hat, GLEICHGÜLTIG ob sie den Nazis geistig nahe standen oder nicht. Anmerkung: Die meisten standen den Nazis schon deshalb NICHT nahe, weil sie sich auf die Traditionen adeliger Kreise beriefen (Ritterlichkeit und so) und auf die "bürgerlichen Emporkömmlinge" naserümpfend herabsahen.

Der WM Führung war sich nach den deutlichen Äußerungen von Hitler bewußt, dass es sich bei der Operation Barbarossa um einen Vernichtungskrieg handeln würde und sie die militärischen Voraussetzungen dafür zu schaffen hatten.
GENAU DAS wollte ich sagen! Die Wehrmacht hat Vorgaben bekommen: Sie wurde beauftragt, diesen Krieg zu führen. Und ihr wurde gesagt, was der Zweck dieses Krieges sein sollte. Dafür hat sie die militärischen Voraussetzungen geschaffen. Aus kalt-rationalen Erwägungen heraus und unabhängig von jeder Ideologie.

Sofern man etwas verbrecherisches an der Handlung der WM identifizieren möchte in dieser Phase, dann ist es die Planung eines Angriffskrieges, allerdings haben Militärs genau dieses bereits seit mindestens drei tausend Jahren geplant.
Dieses Verbrechen haben nicht die Militärs begangen. Dafür ist die Politik verantwortlich. Abgesehen von wenigen Ausnahmen (z.B. 1918) war es im deutschen Militär immer üblich, Vorgaben der Politik zu erfüllen und nicht selbst in die Politik einzugreifen. Das ist im Grundsatz gut, denn ein Militärputsch hat in aller Regel mehr Nachteile als Vorteile. In der von uns diskutierten Situation war dieses "Paradigma des Gehorchens" natürlich mehr als verhängnisvoll.

Was Du über die Milestones schreibst, ist grundsätzlich richtig, für die diskutierte Frage aber meines Erachtens irrelevant, weil der Vernichtungskrieg von vornherein geplant war.

An der Stelle möchte ich nochmal den Punkt aufgreifen, dass dem Militär der Auftrag zur Kriegführung erteilt und der Kriegszweck vorgegeben worden ist. Davon ausgehend, will ich auf die mehrfach gestellte Frage eingehen, warum das Oberkommando der Wehrmacht diese Art der Kriegführung für "sinnvoll" gehalten hat. Stellvertretend für alle, die sich so geäußert haben:

Darauf zielt aber m.E. der User Maelonn gar nicht ab, vielmehr habe ich das so verstanden, dass er meint, die wirkliche, physische Vernichtung des Gegners, einschl. Kriegsgefangener und Zivilisten war von Anfang an von der WM geplant. Und zwar eben nicht aus ideologischen Gruenden, sondern weil es militærisch vorteilhafter sein soll. Aber genau das verneine ich.
Stimmt. Genauso habe ich es gemeint - mit der Einschränkung, dass nicht ICH definiere, dass so eine Kriegführung grundsätzlich militärisch vorteilhafter ist, sondern dass die Wehrmachtsführung definiert hat, dass es unter den gegebenen Umständen militärisch vorteilhaft sei.

Richtig ist, dass die einrückenden Wehrmachtseinheiten in vielen Gebieten der westlichen Sowjetunion als "Befreier" begrüßt wurden. Ob das aus dem Herzen kam oder nur aus Angst geschah, mag dahingestellt bleiben. Richtig ist auch, dass es bei einer "traditionellen" Kriegführung möglich gewesen wäre, dies auszunutzen, indem man die westlichen Teile (insbesondere Weißrussland, Ukraine, das Baltikum, vielleicht sogar Teile von Russland selbst) aus der Sowjetunion "herausbricht". Aber wozu hätte das geführt? Aller Wahrscheinlichkeit nach wäre "Kern-Russland" im wesentlichen zunächst mal bestehen geblieben. Und dort lagen die Machtzentren der Sowjetunion. Diese "Rest-Sowjetunion" hätte weiterhin über riesige Gebiete verfügt, wäre weiterhin sehr bevölkerungsreich gewesen und wäre weiterhin mit den Alliierten, insbesondere den wirtschaftlich starken USA, verbündet gewesen.

Ein solches, hier als "sinnvoll" geschildertes Vorgehen der Wehrmacht hätte recht lange gedauert und nur dazu geführt, dass sich die Grenze nach Osten verschiebt und dramatisch länger wird. Es hätte außerdem dazu geführt, dass das Deutsche Reich fortan auf die Mitarbeit der besetzten Sowjetrepubliken angewiesen gewesen wäre. Diese Gebiete hätten - im weitesten Sinne - als "Verbündete" behandelt werden müssen. Zwischen dem Reich selbst und der Sowjetunion wäre eine Kette von Verbündeten entstanden. Und es wären unsichere Verbündete gewesen, da es mit Sicherheit enge Beziehungen von nennenswerten Teilen der Bevölkerung zur Sowjetunion gab.

Zudem hätte dieses Vorgehen den Intentionen der Nazis widersprochen - wäre nicht vereinbar gewesen mit dem Kriegszweck: ZERSCHLAGUNG der Sowjetunion und "Gewinnung von Lebensraum im Osten". Dieser Zweck konnte nur durch schnelles Vorgehen erreicht werden. Die Generalität war sich im Klaren darüber, dass sie in möglichst kurzer Zeit bis zu den Machtzentren der Sowjetunion vorstoßen und sie besetzen oder zerstören musste, wenn sie Erfolg haben wollte.

Ein solches schnelles Vorrücken hatte aus geografischen Gründen (Verteidigungstiefe) den Nachteil, dass es sehr schnell riesige eroberte Gebiete geben würde, die irgendwie beherrscht werden mussten. Hätte es in diesen besetzten Gebieten noch weitgehend intakte Sozialstrukturen (Zivilbevölkerung) gegeben, wäre es für den Feind ein Leichtes gewesen, mit relativ geringem Aufwand zu "stören" und auf diese Weise starke Kräfte der Invasionsstreitkräfte für Sicherungsaufgaben zu binden (Partisanen-Tätigkeit).

Ich bin mir der Zahl nicht sicher, aber meines Wissens gab es insgesamt rund 30.000 Kommissare, die für die Verwaltung der besetzten Gebiete zuständig waren. 30.000 Leute für ein Gebiet, das mehrmals so groß war wie das ganze Reichsgebiet! So eine Situation ist unbeherrschbar!

Diesem Problem wollte die Wehrmacht durch möglichst gewalttätiges Vorgehen begegnen. Durch Terror (in vorangegangenen Posts habe ich von "verbrannter Erde" gesprochen, aber das war missverständlich. Terror passt besser). Wenn man Partisanentätigkeit mit Maos Gleichnis vom Fisch im Wasser bezeichnet, dann gibt es augenfällig zwei Methoden, mit Partisanen fertig zu werden: Man kann die Fische fangen oder man kann das Wasser abpumpen oder vergiften. Die Wehrmacht hat auf die zweite Methode gesetzt. Durch ihr gewalttätiges Vorgehen hat sie Flüchtlingsströme Richtung Osten in Bewegung gebracht (die für die Sowjetunion zu einer zusätzlichen Belastung wurden) und sie hat die verbleibende Bevölkerung durch reinen Terror in Angst und Schrecken versetzt. Wer sich gegenüber deutschen Soldaten "falsch" verhielt oder auch nur kurz geschorene Haare hatte (laut Wehrmachts-Anweisungen ein Indiz für "Soldaten in Zivil") musste damit rechnen, dass jene Soldaten sofort ausrasteten. Ungestraft.

So zynisch es klingen mag: Je schrecklicher die Zustände in den besetzen Gebieten waren, desto "entlastender" war das für die weiter vorrückenden Truppen. Und bevor das jetzt wieder jemand in den falschen Hals kriegt: Ich schildere hier nicht meine Meinung sondern ein Motiv für ein Massenverbrechen! Ein Massenverbrechen, das die Wehrmachtsführung begangen hat. Wenn das alles nur irgendwelche Sonderkommandos getan hätten, warum hätten sich dann hohe Wehrmachtsoffiziere über die Unbarmherzigkeit der Kriegführung beklagen sollen (WENN sie es getan haben!)?

Und noch eine Klarstellung: Ich sage mit all dem auch nicht, dass es an anderen Fronten - zum Beispiel in Frankreich - keine Kriegsverbrechen gegeben hätte. Man denke nur an Oradour-sur-Glane oder an die Ermordung farbiger französischer Soldaten, auf die ein Mitdiskutant mich mittels eines roten Sterns hingewiesen hat. Ich sage lediglich, dass Kriegsverbrechen an den meisten anderen Fronten dem "normale Wahnsinn" des Krieges entsprangen, während sie an der Ostfront systematisch als "Mittel zum Zweck" eingesetzt wurden.

MfG
 
@Maelonn: sehr instruktiver Beitrag!
Wo ich unverändert ein Problem sehe, zu dessen Lösung bislang nichts vorgetragen wurde: die Verknüpfung des "Vernichtungskrieges" (hier verstanden als Opferziele in Bezug auf Gefangene und Zivilbevölkerung) mit rein militärischen Überlegungen. Hier liegt kein Nachweis, zB in Form von Äußerungen, Operationsbefehlen etc. vor.

Einige Thesen/Fragen:

1. der Ostfeldzug war der erste von Beginn geplante Blitzfeldzug (wenn man den in den Proportionen nicht vergleichbaren Balkanfeldzug einmal ausblendet) - Pohl, S. 64.

2. die Operationsplanung, iW bis März abgeschlossen, enthält keinen Hinweis auf "Vernichtungskrieg" ioaS, sondern im Gegenteil: grenzenlosen Optimismus über den schnellen Abschluß des Krieges. Indirekt könnte man hier allerdings folgern: die billigende Inkaufnahme millionenfachen Todes bei Gefangenen/Zivilisten ist bei der Geschwindigkeit einkalkuliert - so bei der Obhut über die Massen an Gefangenen.

3. Opposition gegen diese Feldzugplanung gab es erstaunlicherweise weniger beim Heer, als vielmehr bis Jan41 bei Luftwaffe (-> Göring) und Marine (-> Raeder)

4. Die strategische Anlage des Feldzugs folgt der wirtschaftlichen Planung -> schnellstmögliche Ausbeute des Landes. Ungesicherte Versorgung wurde bei Raum und Zeit einkalkuliert, was von vornherein zu Lasten der Gefangenen/Zivilisten gehen mußte.

5. OKW/OKH hatten Vorstellungen von der Militärverwaltung des Landes, die von Hitler komplett zurückgewiesen wurde; stattdessen wurde der Umfang der Militärverwaltung auf einen kleinen Abschnitt hinter dem jeweiligen Frontverlauf beschränkt. Was folgt daraus für Ereignisse im Rückraum/Verantwortlichkeit des Heeres? Einsortierung der Verbrechen der Polizeibataillone und der im Rückraum eingesetzten SS-Brigaden?

6. Der Kriegsgerichtserlaß stellt die Basis für geplante Morde dar und erlaubte beliebige Erschießungen. OKW/OKH war vor dem Feldzug hinreichend bekannt, dass "Sonderverbände" mit einmarschieren würden und Morde begehen würden (so bereits aus dem Polenfeldzug bekannt).

7. Nebenaspekt: welche Handlungen waren eigentlich den übrigen/nichtdeutschen Truppen in diesem Zusammenhang zuzurechnen: gibt es hier signifikante Unterschiede zu Wehrmachtsverbänden? EDIT: Beispiel wäre das Massaker von Iasi/Jassy, bei dem rumänische Truppen bis 2.7.41 rund 4000 Menschen ermordeten.

8. Welche Rolle spielte die Wirtschaftsverwaltung im Osten bezüglich der Opferzahlen? Da diese im Rückraum tätig wurde, ist eine Abgrenzung zur Wehrmacht erforderlich.
 
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@Maelonn
GENAU DAS wollte ich sagen! Die Wehrmacht hat Vorgaben bekommen: Sie wurde beauftragt, diesen Krieg zu führen. Und ihr wurde gesagt, was der Zweck dieses Krieges sein sollte. Dafür hat sie die militärischen Voraussetzungen geschaffen. Aus kalt-rationalen Erwägungen heraus und unabhängig von jeder Ideologie.
Deine These lautete das die Wehrmacht - genauer wohl das Heer - den Vernichtungskrieg, auch gegen Zivilisten, als ihr militärisches Ziel sah.

Ich würde sagen das Thanepower eben das nicht sagen wollte. Sondern das das Heer die militärischen Voraussetzungen für den Vernichtungskrieg schaffen sollte - durch Zerschlagen der Roten Armee.

Richtig ist, dass die einrückenden Wehrmachtseinheiten in vielen Gebieten der westlichen Sowjetunion als "Befreier" begrüßt wurden. Ob das aus dem Herzen kam oder nur aus Angst geschah, mag dahingestellt bleiben. Richtig ist auch, dass es bei einer "traditionellen" Kriegführung möglich gewesen wäre, dies auszunutzen, indem man die westlichen Teile (insbesondere Weißrussland, Ukraine, das Baltikum, vielleicht sogar Teile von Russland selbst) aus der Sowjetunion "herausbricht".
Sie wurde nicht nur als Befreier begrüßt - es haben sich permanent Freiwillige (teilweise ganze Einheiten über) um gegen das Stalinistische Regime zu kämpfen.

Nach deiner These wäre das nur in der Anfangsphase möglich gewesen, es zieht sich aber bis Mitte 42, erst die veränderte Kriegslage ließ die Überläuferzahlen runtergehen.
Ich halte das für einen starken Nachweis das deine These nicht stimmt.

Deine Spekulationen zu den Auswirkungen von Gegenregierungen zu Stalin halte ich für vollkommen falsch. Die Aussagen von ehem. sow. Funktionären und RA-Offizieren verschiedenster Dienstgrade sind dazu viel zu deutlich.
 
Was mich wundert, der Backeplan oder auch Hungerplan taucht hier noch gar nicht auf.
Es gab dazu vor Jahren eine interessante Diskussion im NfH (leider futsch)
Göring hat in Nürnberg dies als "Unsinn aus Referentenbesprechungen" bezeichnet, und anscheinend auch Glauben gefunden.

Christian Gerlach hat sich in neuerer Zeit diese These zu eigen gemacht,
ist aber sehr umstritten. Mehrheitlich gehen die Historiker von "Kollateralschäden" aus, keinem "Hungerplan"
Fakt ist aber, dass General Thomas schon vor dem Ost-Krieg dieses Szenario so beschrieben hat.

General Thomas war 37/38 in Staatsstreichpläne gegen Hitler involviert, eine Übernahme von "NS-Gedankengut" durch die Militärs wäre in dem Fall eher zu verneinen. Macht eher den Eindruck, dass Teile der höheren Offiziere selbst mit solchen Gedanken spielten.

Ich erinnere nochmals an den 1918er Frieden im Osten. Und wage die These, dass Brest Generals-Gehirne vernebelte.
 
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Schau mal oben, #31.

Die Nahrungsfrage ist eher der Wirtschaftsverwaltung zuzurechnen, allerdings war die Wehrmacht in den Verpflegungsfragen mittelbar durchaus tangiert, Stichwort "Kahlfreßzonen", "Zuschußgebiete".

Pohl hat die Verantwortlichkeit der Wehrmacht insbesondere beim Zusammenbruch der Versorgung im Winter 1941/42 herausgestellt, Beispiel "Kahlfreßzonen" Charkow, Orel.
 
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