Kriegsverbrechen der Wehrmacht

Müller (Das Scheitern er wirtschaftlichen Blitzkriegstrategie, S. 1181 b)Selektive Hungerpolitik gegenüber der sowjetischen Zivilbevölkerung beschreibt diese Planungen (in: Der Angriff auf die Sowjetunion, Boog, Förster, Hoffmann, Klink, Müller, Überschär)

beschreibt diese Planungen und macht aber auch deutlich, dass die WM sie als Instrument gegen die Bevölkerung durch die Person von Brauchitsch tendenziell abgelehnt hat (S. 1185).
 
Was mich wundert, der Backeplan oder auch Hungerplan taucht hier noch gar nicht auf.
Es gab dazu vor Jahren eine interessante Diskussion im NfH (leider futsch)
Göring hat in Nürnberg dies als "Unsinn aus Referentenbesprechungen" bezeichnet, und anscheinend auch Glauben gefunden.

Christian Gerlach hat sich in neuerer Zeit diese These zu eigen gemacht,
ist aber sehr umstritten. Mehrheitlich gehen die Historiker von "Kollateralschäden" aus, keinem "Hungerplan"
Fakt ist aber, dass General Thomas schon vor dem Ost-Krieg dieses Szenario so beschrieben hat.

General Thomas war 37/38 in Staatsstreichpläne gegen Hitler involviert, eine Übernahme von "NS-Gedankengut" durch die Militärs wäre in dem Fall eher zu verneinen. Macht eher den Eindruck, dass Teile der höheren Offiziere selbst mit solchen Gedanken spielten.

Ich erinnere nochmals an den 1918er Frieden im Osten. Und wage die These, dass Brest Generals-Gehirne vernebelte.

Als Ergänzung:

Hier noch der Wiki-Link dazu. Die Thesen von Christian Gerlach sind hier aufgeführt.

Hungerplan ? Wikipedia
 
@Maelonn

Ich beziehe mich auf Dein Posting #56. Ich stelle das Posting nicht als Zitat ein, da ansonsten der Thread einfach sehr lang wird und jeder einfach zu #56 gehen kann.

Ich erlaube mir Passagen Deines Postings zu kopieren und als Zitat kenntlich zu machen, ich hoffe, meine Mitduskutanten und insbesondere natürlich Du akzeptieren das gewählte Vorgehen. Wenn nicht, muß ich mir was einfallen lassen, mein Prob.

"Vielleicht habe ich mich ja unklar ausgedrückt, aber genau das wollte ich NICHT sagen. Ich wollte sagen, dass die Generäle (das Oberkommando) aus MILITÄRISCHEN GRÜNDEN so gehandelt hat, GLEICHGÜLTIG ob sie den Nazis geistig nahe standen oder nicht. Anmerkung: Die meisten standen den Nazis schon deshalb NICHT nahe, weil sie sich auf die Traditionen adeliger Kreise beriefen (Ritterlichkeit und so) und auf die "bürgerlichen Emporkömmlinge" naserümpfend herabsahen."

Damit sagst Du in meiner Interpretation, daß das deutsche Militär einen Vernichtungsfeldzug in Rußland mehr als billigend in Kauf nahm, ihn so gar plante. D'accord. Das mit den "bürgerlichen Emporkömmlingen" ist ein soziologisches Thema und hier müßte ich Dir widersprechen, aber in dieser Diskussion nicht wichtig.

"Dieses Verbrechen haben nicht die Militärs begangen. Dafür ist die Politik verantwortlich. Abgesehen von wenigen Ausnahmen (z.B. 1918) war es im deutschen Militär immer üblich, Vorgaben der Politik zu erfüllen und nicht selbst in die Politik einzugreifen. Das ist im Grundsatz gut, denn ein Militärputsch hat in aller Regel mehr Nachteile als Vorteile. In der von uns diskutierten Situation war dieses "Paradigma des Gehorchens" natürlich mehr als verhängnisvoll."

Hier widersprichst Du Dir selbst. Das OKW bzw. OKH plant einen Vernichtungskrieg, der aus von Dir sogenannten militärischen Gründen offenbar angezeigt war und waren dann nicht verantwortlich (?), sondern irgendwelche Politiker? Entweder ist aus militärischen Gründen ein Vernichtungskrieg notwendig, dann sind auch die Militärs verantwortlich. (sic!). Diese Argumentationskette zerreisst Dir jeder Jurastudent im 4. Semester. Außerdem schau Dir doch bitte die Statuten des IMT an.

Da, die Einsatzgruppen nur deshalb tätig werden konnten, weil die WM den Krieg führte, darüber müssen wir wohl nicht diskutieren.

Daß die WM für die Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen zuständig war, wohl auch nicht. Ob es da Inkompetenz, oder einfach tatsächlich den "Willen zur Vernichtung" gab, ich würde Letzteres vermuten, Du vermutest es ja auch.


M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Damit sagst Du in meiner Interpretation, daß das deutsche Militär einen Vernichtungsfeldzug in Rußland 1. mehr als billigend in Kauf nahm, 2. ihn so gar plante. D'accord.

zu 1 ja. Sie haben keinen entschiedenen Widerstand geleistet gegen die Vorgaben durch Hitler

zu 2. nein. Sie haben ihn nicht geplant, sondern es wurde Mitte 40 befohlen, einen Blitzkrieg zu planen und zu führen führen, der in 2 bis 3 Monaten beendet sein sollte!!!!!

Und im Rahmen der Diskussion über die Entwicklung des operativen Denkens ist deutlich geworden, dass die WM vor einer Reihe von Problemen stand. Die Planungen zum Vernichtungsfeldzug durch die SS bzw. durch den SD liefen im Anfang Juli 41!!! und stehen schon aus diesem Grund in keinen zeitlichen Kontext zueinander. (vgl beispielsweise dazu die Dokumente Überschär: Dokumente zum Unternehmen Barbarossa als Vernichtungskrieg im Osten, S. 241ff in: Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion, Überschär, Wette Hrsg.)

1. Eine umfangreiche Rote Armee
2. die Dimension des Raumes, der zu erobern war
3. ein zeitliches Problem, angesichts der zu erwartenden Schlamm- und Kälteperiode in Russland.

Vor diesen Voraussetzungen mußte die WM operativ und taktisch folgendes leisten:
1. Schnell und möglichst weit nach Russland vordringen
2. "zwischendurch" im Rahmen von gigantischen Kesselschlachten en passant die Rote Armee vernichten.

Diese objektiv vorhandenen Probleme wären durch die von Maelonn als These behauptete Kriegsführung, die sich gegen die Zivilbevölkerung zusätzlich im Rahmen des Blitzkrieges gezielt hätte richten sollen, schlichtweg konterkariert worden! Sie wäre schlichtweg zu zeitaufwendig gewesen. Die WM war mit den vorhandenen genuinen militärischen Aufgaben bereits hoffnungslos überfordert.

Diese Aussagen beziehen sich auf die Planungen zu Barbarossa und die sollten siegreich im Jahr 41 abgeschlossen sein!!!! Das ist der ursprüngliche Planungshorizont für die militärischen Planungen von OKH bzw. OKW gewesen.

Das ist der Ausgangspunkt und der Rahmen für die These von Maelon. Die Kriegsverbrechen der Wehrmacht im allgemeinen sind von keinem abgestritten worden, jedoch gehören sie analytisch in einen anderen Kontext. Ist zumindest meine Meinung.

==============================================

Und dazu ein Vorschlag. Folgt man der generellen Problemstellung "Kriegsverbrechen der Wehrmacht im Osten" dann zeigt sich an der Diskussion, dass eine Zurechenbarkeit, z.B. im Bereich der Lebensmittelversorgung der russischen Zivilbevölkerung, nicht unproblematisch ist.

Aus meiner Sicht erscheint eine 3 x 3 Matrix hilfreich, um das Problem in den Griff zu bekomen.

Die erste Dimension grenzt die relevanten Phasen ab:
1.Phase: geplanter Blitzkrieg bis Ende 1941
2. Phase: Eroberungskrieg bis Kursk 43
3. Phase: Rückzug bis 45

Zweite Dimension wäre die organisatorische Trennung der besetzten Gebiete in Russland nach:
1. Frontbereich
2. rückwärtiger Bereich der Militärbefehlshaber
3. rückwäriger Bereich der Zivilbehörden

Es ergibt sich für die Analyse des Wirkens der WM im Rahmen von Kriegsverbrechen noch eine dritte Dimension, die:
1. von der WM originär und aktiv geplante Aktivitäten
2. passiv als administrative Unterstützung durchgeführt

erkennt.

Die These von Maeleonn wäre dementsprechend in die erste Phase, den Frontbereich und als aktive, geplante Aktivität einzustufen.

In diesen Kontext gehört auch die Durchführung des Kommisarbefehls durch die WM.

Ein anderer Bereich wäre das Einschließen von Leningrad. Dieses Verhalten wäre am ehesten in Übereinstimmung mit der These von Maelon. Allerdings waren es politische Vorgaben durch Hitler, sich in vernichtender Absicht der Stadt zunähern und keine militärische Zielsetzungen!

Ein Großteil der Wehrmachtverbrechen entfällt dementsprechen auch eher auf den rückwärtigen Bereich und ist zudem entweder geplant, teilweise im Rahmen der Partisanenbekämpfung, teils aber auch als passive Unterstützung im Rahmen administrativer Unterstützung der SS bzw. von Einsatzgruppen.

Im Fall der Lebensmittelversorgung betrifft es das Spannungsfeld rivalisierender Interessen der WM und der Zivilbevölkerung. Und in diesem Bereich ergaben sich chaotische Planungszustände folgt man der Beurteilung von Volkmann (Ökonomie und Expansion, S. 410ff).
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein anderer Bereich wäre das Einschließen von Leningrad. Dieses Verhalten wäre am ehesten in Übereinstimmung mit der These von Maelon. Allerdings waren es politische Vorgaben durch Hitler, sich in vernichtender Absicht der Stadt zunähern und keine militärische Zielsetzungen!

Aber: es gibt (nmE) zumindest in der Gerlach-Untersuchung die Hinweise, dass offenbar Thomas und Wagner in Bezug auf Leningrad ähnlich dachten bzw. die direkten Anweisungen Hitlers in gewissem Maße antizipierten. Diese Einstellung ergab sich aus der eiskalten Logik, dass die Stadt (ebenso wie Moskau) "nicht zu versorgen wäre".

P.S. die Idee mit der Matrix ist sehr gut!!
 
n
Im Fall der Lebensmittelversorgung betrifft es das Spannungsfeld rivalisierender Interessen der WM und der Zivilbevölkerung. Und in diesem Bereich ergaben sich chaotische Planungszustände folgt man der Beurteilung von Volkmann (Ökonomie und Expansion, S. 410ff).

Rivalisierende Interessen. Muss man so sehen.
Was ich weiß, vermutlich auch belegen kann,
Die Heeresgruppe Nord kämpfte im Spätsommer 1944 hinhaltend, um die Ernte einzubringen. Überall wurden Erntekommandos aufgestellt.
Die Ernte wurde als entscheidend angesehen für die Versorgung der Heeresgruppe im kommenden Winter.
 
zu 1 ja. Sie haben keinen entschiedenen Widerstand geleistet gegen die Vorgaben durch Hitler

zu 2. nein. Sie haben ihn nicht geplant, sondern es wurde Mitte 40 befohlen, einen Blitzkrieg zu planen und zu führen führen, der in 2 bis 3 Monaten beendet sein sollte!!!!!
QUOTE]

@Thanepower

Sei bitte nicht sauer, bevor ich auf Deinen Beitrag inhaltlich eingehe, etwas vorausgeschickt. Ich bin kein Militärhistoriker und ob eine Division am 25. Janauar 1942 falsch einschwenkt, weil der Ia verpeilt war, ehrlich, das überlasse ich sehr gerne den absoluten Fachleuten, die machen das bestimmt viel besser als ich. Ob der Kommandierende General eines Korps feige seinen Adjudanten anwies, den "Kommissar-Befehl" zu kontrasignieren, in dem hier diskutierten Zusammenhang m.E. nicht wirklich wichtig. Ich denke, Du verstehst was ich meine.

zu a)

Richtig, das Militär (WM) war Teil des verbrecherischen Regimes, und zwar seit 1933. Individuelle "Schuldabstufungen", klar. Zwischen einem GFM und einem Gefreiten, gibt es nun einmal Unterschiede!

zu b)

Aus dem Satz werde ich nicht klug, was nichts heißen mag. "...sondern es wurde Mitte 40 befohlen, einen Blitzkrieg zu planen", aber wer außer den Generalstabsoffizieren des OKW/OKH hätte denn planen sollen?

M.
 
Ich beziehe mich auf Dein Posting #56.
...
ich hoffe, meine Mitduskutanten und insbesondere natürlich Du akzeptieren das gewählte Vorgehen. Wenn nicht, muß ich mir was einfallen lassen, mein Prob.
Ist kein Problem. Du unterstellst mir ja keine Unsäglichkeiten - etwa über jüdische Kids oder sowas...

Hier widersprichst Du Dir selbst. Das OKW bzw. OKH plant einen Vernichtungskrieg, der aus von Dir sogenannten militärischen Gründen offenbar angezeigt war und waren dann nicht verantwortlich (?), sondern irgendwelche Politiker? Entweder ist aus militärischen Gründen ein Vernichtungskrieg notwendig, dann sind auch die Militärs verantwortlich. (sic!). Diese Argumentationskette zerreisst Dir jeder Jurastudent im 4. Semester. Außerdem schau Dir doch bitte die Statuten des IMT an.
Mag sein, dass ich mich da wieder unklar ausgedrückt habe. Vielleicht ist es auch nur eine Definitionsfrage. Ich gehe mal von der Annahme aus, dass Du Dich auf Artikel 6, Satz a des IMT-Statuts beziehst. Hier stellen sich ein paar grundsätzliche Fragen: WER "plant" ein Verbrechen gegen den Frieden? Ist Krieg grundsätzlich ein Verbrechen gegen den Frieden (per Definition müsste es so sein)? Sind die Soldaten dafür verantwortlich, dass Krieg geführt wird? Meiner Definition nach sind alle drei Fragen mit Nein zu beantworten - außer, es gibt besondere Umstände. Im Grundsatz ist es so, dass die POLITIKER darüber entscheiden, ob Krieg geführt wird oder nicht. Also sind sie auch die einzigen, die ein "Verbrechen gegen den Frieden" planen können. Erst nachdem dieser Plan gefasst ist, bekommen Soldaten Aufträge/Befehle. Auch im WK2 war es ja nicht so, dass das Militär aus eigener Machtvollkommenheit zum Unternehmen Barbarossa angetreten wäre. Den Befehl dazu haben andere gegeben.

Jetzt muss ich wieder aufpassen, denn ich will unter keinen Umständen, dass meine folgenden Worte auf den Nationalsozialismus oder auf WK2 oder auf Barbarossa bezogen werden: Im Grundsatz finde ich es gut, dass die Politik entscheidet und Soldaten gehorchen. Soldaten sollen nicht in die Politik eingreifen, denn sie verfügen über Machtmittel, die ihnen fast alles erlauben. Wenn nun die Politik entscheidet, dass ein Krieg geführt werden soll, dann muss die Frage nach der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zwingend den Politikern gestellt werden und nicht den Soldaten.

Lösgelöst davon muss man beurteilen, WIE der Krieg dann geführt wird. An der Stelle kommen wir dann in eine Grauzone, in der moralische Werte plötzlich erschreckend unscharf werden können: Was darf Militär im Krieg tun, wie weit darf es gehen? Muss es unter allen Umständen "ethisch sauber" bleiben, auch wenn das eine Niederlage wahrscheinlich macht? Militärs, die ungebremst agieren dürfen, beantworten diese Fragen allen Erfahrungen nach ziemlich pragmatisch: Wir tun alles, was nötig ist, um zu gewinnen. Du siehst, in welche moralischen Abgründe dies führen kann. Das ist kein Zufall. Dieses Problem liegt im Wesen des Krieges. Und deshalb will ich diese Frage auch nicht in den Zusammenhang zu WK2 gestellt sehen. Da sind nämlich eindeutig Grenzen überschritten worden, die nicht hätten überschritten werden dürfen.

Auf einen kurzen Nenner gebracht: Laut IMT-Statut Artikel 6, Satz a waren die Nazi-Politiker die Schuldigen; laut Artikel 6, Satz B waren die Militärs schuldig.

Dass es hier nicht zwingend eine "Personalunion" gab, zeigen die beiden Beiträge vor Deinem. Ein Soldat, der an Umsturzplänen gegen Hitler teilzunehmen bereit war, hat kalt-rational Hunger zur Waffe erklärt.

MfG
 
@Melchior: Ich reite ein wenig penertrant auf der operativen Planung herum, weil ich noch kein Dokument gefunden habe, dass die These von Maelonn rechtfertig, das OKH hätte einen Krieg im Jahr 1941 gegen die Zivilbevölkerung geplant, weil sie sich daraus militärische Vorteile versprochen hätte.

Das ist m.E. einfach nicht korrekt. Die Folgen, also der eigentlich Vernichtungskrieg, Genozid, Vertreibung Umsiedling etc. hätte, so die ursprüngliche Logik der militärischen Planungen der OKH, erst nach dem siegreichen Abschluss, also schwerpunktmäßig mit dem Beginn des Jahres 42 einsetzen sollen und können.

Platt gesagt. Man, das OKH/OKW wollte eigentlich mit dem Krieg fertig sein 1941 und alles andere wäre eingebettet gewesen in die Folgeplanungen der SS.

Das waren ja auch die Einwände, die z.B. von Repo kamen.
 
Wir tun alles, was nötig ist, um zu gewinnen.

Möglichweise wirkt es etwas nervend, aber die These kommt hier zum wiederholten Mal und daher auch meine Frage dazu zum dritten Mal.

Worauf stützt sich das? Welche Nachweise können geführt werden, dass die hier bereits diskutierten Facetten des Vernichtungskrieges (Bezug: Kriegsgefangene, Zivilibevölkerung) militärisch zielführend gewesen wären in der Weise, dass sie einen schnellen Kriegsverlauf garantieren und befördern sollten.

Welche Äußerungen der Generalität können dazu angeführt werden?
Welche Planungen belegen diese behauptete Kausalität?


ME gibt es keinen derartigen Zusammenhang, mithin keinen derartigen Nachweis. Worauf auch andere hier bereits hingewiesen haben: im August/September 1941 gab es vielmehr - zunächst - eine Sichtweise, nach der die aus militärischer Sicht kontraproduktiven Folgen dieser Kriegführung und der Ereignisse im Rückraum bemerkt wurden.

Das hatte im Prinzip keine Kehrtwende zur Folge, ebenso wenig wie die Art der Kriegsführung vorher etwa als förderlich in den Planungen nachweislich wäre.
 
Was darf Militär im Krieg tun, wie weit darf es gehen? Muss es unter allen Umständen "ethisch sauber" bleiben, auch wenn das eine Niederlage wahrscheinlich macht? Militärs, die ungebremst agieren dürfen, beantworten diese Fragen allen Erfahrungen nach ziemlich pragmatisch: Wir tun alles, was nötig ist, um zu gewinnen.

Nein, gerade das muss man verneinen, auch und gerade bei Militærs. Wie sonst wære es møglich gewesen, ueber die Jahrhunderte eine Art Reglement aufzubauen, was geht, was nicht geht? Es waren nicht (nur) Politiker, die moralische und menschliche Regeln getroffen haben, an die man sich dann auch im Grundsatz gehalten hat.
Dabei gab es natuerlich immer Ausreisser, die auch ganz leicht eine Spirale der Gewalt und des "Nicht-Einhaltens" eines Mindest-Standards in Gang gesetzt haben. Bis zum 2.WK ist mir aber nicht bekannt, dass das Massiv von oben herab so angeordnet wurde.
(Ausnahme: Die Behandlung der Bevølkerung in den Kolonien und die Kriege in denselben)

Ein Rotes Kreuz hætte sich sonst nie durchsetzen kønnen, Kriegsgefangene wæren nie gemacht worden, Waffenruhen nicht eingehalten usw. usw.
Du hast in einem der vorigen Posts von "Ehre" von Soldaten gesprochen, ich denke dass hat zu allen Zeiten eine Rolle gespielt. Sogar im 2. WK, auch wenn die Zahl allen Anschein nach kleiner war als in vorherigen Kriegen.

Gruss, muheijo
 
Es führt etwas weg vom derzeit diskutierten.
Aber ich denke es ist in dem Zusammenhang wichtig.


Die Russen haben angeboten, dass man sich gegenseitig an die Genfer Konvention usw. halten würde.
Die Deutschen haben abgelehnt, res. gar nicht geantwortet.
(Jedenfalls mein Wissensstand)

Waren Militärs in diese Entscheidung involviert, oder nur die Politik?
 
Die Russen haben angeboten, dass man sich gegenseitig an die Genfer Konvention usw. halten würde.
Die Deutschen haben abgelehnt, res. gar nicht geantwortet.
(Jedenfalls mein Wissensstand)
Waren Militärs in diese Entscheidung involviert, oder nur die Politik?

Das stimmt, vgl zu den Quellen hier ab #115:
http://www.geschichtsforum.de/f72/kriegsrecht-v-lkerrecht-historische-entwicklung-20446/index6.html

Beteiligt waren die Kriegsrechtsabteilung im OKW sowie das Außenamt.
http://www.geschichtsforum.de/312550-post81.html

Die sowjetische Anfrage wurde nicht beantwortet.
 
Das stimmt, vgl zu den Quellen hier ab #115:
http://www.geschichtsforum.de/f72/kriegsrecht-v-lkerrecht-historische-entwicklung-20446/index6.html

Beteiligt waren die Kriegsrechtsabteilung im OKW sowie das Außenamt.
http://www.geschichtsforum.de/312550-post81.html

Die sowjetische Anfrage wurde nicht beantwortet.


Danke Dir.

Habe ich noch einen Buch-Link

Zitat daraus:
"Bei dem geringsten Zeichen von Widerstand ist von der Schusswaffe Gebrauch zumachen. Die Abgabe von Warn- oder Schreckschüssen ist verboten"
Mordbefehl?
 
Nein, gerade das muss man verneinen, auch und gerade bei Militærs. Wie sonst wære es møglich gewesen, ueber die Jahrhunderte eine Art Reglement aufzubauen, was geht, was nicht geht?
Ich stimme Dir völlig zu. Mein Beitrag sollte kein Plädoyer für zügelloses Morden sein, sondern Realitäten beschreiben, die in allen Kriegen mehr oder minder ausgeprägt sichtbar werden.

Es waren nicht (nur) Politiker, die moralische und menschliche Regeln getroffen haben, an die man sich dann auch im Grundsatz gehalten hat.
Dabei gab es natuerlich immer Ausreisser, die auch ganz leicht eine Spirale der Gewalt und des "Nicht-Einhaltens" eines Mindest-Standards in Gang gesetzt haben.
Genau das ist der Punkt. In Friedenszeiten wünschen sich alle Soldaten, dass Krieg sauber und anständig bleiben möge. Wenn der Krieg läuft, setzt sich die Spirale der Gewalt in Bewegung. Dann muss es mäßigende Einflüsse geben, und die können nur aus der Politik kommen. Wie Du schon schreibst: Es gibt immer die "Ausreißer". Die Frage ist, wie man mit denen umgeht: Man kann sie bestrafen, man kann sie tolerieren oder man kann sie begünstigen. Im Krieg an der Ostfront wurden sie begünstigt. Meiner Meinung nach. Ohne Absolutheitsanspruch.

Möglichweise wirkt es etwas nervend, aber die These kommt hier zum wiederholten Mal und daher auch meine Frage dazu zum dritten Mal.

Worauf stützt sich das? Welche Nachweise können geführt werden, dass die hier bereits diskutierten Facetten des Vernichtungskrieges (Bezug: Kriegsgefangene, Zivilibevölkerung) militärisch zielführend gewesen wären in der Weise, dass sie einen schnellen Kriegsverlauf garantieren und befördern sollten.

Welche Äußerungen der Generalität können dazu angeführt werden?
Welche Planungen belegen diese behauptete Kausalität?


ME gibt es keinen derartigen Zusammenhang, mithin keinen derartigen Nachweis.
Mir ist schon klar, dass an der Stelle der Schwachpunkt meiner Argumentation liegt. Der "ultimative Beweis", nach dem Du fragst, ist mir nicht bekannt. Vermutlich gibt es ihn gar nicht. Welcher Oberkommandierende würde denn schon für die Nachwelt schriftlich fixieren, dass er es für geboten hielt, organisiert gegen Völkerrecht und gegen soldatische Ehre zu verstoßen?

Ich kann nur die Belege liefern, die ich schon zitiert habe (und zahlreiche ähnlich gelagerte Anordnungen/Befehle aus allen Gliederungen der Wehrmacht).

- Der Krieg an der Ostfront ist signifikant anders geführt worden als der Krieg an anderen Fronten.

- Alle von mir zitierten Weisungen zielen auf eine möglichst harte, erbarmungslose Kriegführung ab.

- Einige dieser Anweisungen entziehen Zivilisten (Männer und Frauen) und Kriegsgefangene ausdrücklich dem Schutz, den sie laut Genfer Konvention eigentlich hätten haben müssen.

- Die schiere Größe der eroberten Gebiete hat es unmöglich gemacht, diese Gebiete gemäß den Regeln einer "normalen" Kriegführung zu verwalten. Das musste alles viel schneller gehen, wenn es eine Aussicht auf "Erfolg" geben sollte. Dass es ein militärisches Risiko war, im Rückraum der Front so große und weitgehend intakte Sozialstrukturen zu haben, habe ich ja schon dargelegt.

- Wie in den Beiträgen 62 und 63 angemerkt wurde, haben nazi-kritische Militärs es als logistische Voraussetzung für den Feldzug bezeichnet, Zivilisten massenhaft verhungern zu lassen.

- Und schließlich ist da die fassungslos machende Zahl an zivilen Opfern. Ob es jetzt 30 Millionen oder 37 Millionen waren, ist angesichts der Dimension gar nicht mehr erheblich. Ich halte es einfach für ausgeschlossen, dass das unbemerkt, ohne das Wollen oder gar gegen den Willen des Militärs geschehen konnte, das ja schließlich diese ganze Aktion durchführen musste.

- Dann kommt noch die Frage hinzu, die Repo in Beitrag 73 aufwirft: Warum ist der sowjetische Vorschlag, die Genfer Konvention zu achten, unbeantwortet geblieben? Warum gab es diesen Vorschlag eigentlich? Hätte doch eigentlich selbstverständlich sein müssen, sich an diese Regeln zu halten.

Ich kann den von Dir geforderten Beweis nicht liefern. Ich habe keinen Beweis. Ich sehe nur Indizien und ziehe aus denen meine Schlüsse. Diese Schlüsse können natürlich falsch sein. Mir erscheinen sie bislang aber noch richtig. Jedenfalls verfolge ich die Diskussion weiter und bin bereit, mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen.

MfG
 
Mir ist schon klar, dass an der Stelle der Schwachpunkt meiner Argumentation liegt. Der "ultimative Beweis", nach dem Du fragst, ist mir nicht bekannt. Vermutlich gibt es ihn gar nicht. Welcher Oberkommandierende würde denn schon für die Nachwelt schriftlich fixieren, dass er es für geboten hielt, organisiert gegen Völkerrecht und gegen soldatische Ehre zu verstoßen?

Ich kann nur die Belege liefern, die ich schon zitiert habe (und zahlreiche ähnlich gelagerte Anordnungen/Befehle aus allen Gliederungen der Wehrmacht).

- Der Krieg an der Ostfront ist signifikant anders geführt worden als der Krieg an anderen Fronten.

Ich glaube, es werden unverändert mehrere Faktoren vermischt, die getrennt zu untersuchen sind, und für die unterschiedliche Kausalketten bestehen:

- Massenmord durch Einsatzgruppen iVm Wehrmachtstruppen
- Hungerkatastrophe der zivilbevölkerung
- Massensterben der Kriegsgefangenen
- Rahmenvorgaben und ihre Verinnerlichung: Kommissarbefehl/Kriegsgerichtserlaß/Aufhetzung zum "völkischen Ringen" etc.
- Partisanenkrieg
- Rückzugsverbrechen

Konzentrieren wir uns auf die Zivilbevölkerung:

Selbstverständlich ist das millionenfache Sterben der Zivilbevölkerung direkte und indirekte Folge der Handlungen der Wehrmacht. Direkt in Folge von Kampfhandlungen und Kriegsverbrechen, indirekt als Folge der Kampfhandlungen und des zerstörten Landes, dass - ein wichtiger Aspekt nebenbei - seiner "Führungseliten" (-> Pohl, damit ist die männliche Erwachsenenbevölkerung angesprochen, die in zahlreichen Regionen nur mehr 20% des Frauenanteils ausmachte, während umgekehrt im Besatzungsbereich regional bis zu 50% Anteil Kinder gezählt wurden) durch den Krieg vollständig beraubt wurde und in weiten Regionen dahinsiechte.

Dazu ein zusammenfassendes Zitat von Hartmann, Wehrmacht im Ostkrieg - Front und militärisches Hinterland 1941/42, S. 416f.

"Gleichwohl war es gerade die Truppe, die nun immer häufiger die Ansicht vertrat, es sei besser, sich gegenüber der Zivilbevölkerung anders zu verhalten. An Stelle bloßer Willkür sollten gewisse wirtschaftliche, soziale und rechtliche Mindeststandards treten: Beim GQM Wagner häuften sich im Sommer 1942 die Anträge der AOKs [Armeeoberkommandos] und der Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete, "Lebensmittel aus Heeresbeständen für die Zivilbevölkerung freizugeben", die 2. Panzerarmee wollte "wildes Beitreiben und Plündern" mit schärfsten Mitteln "bekämpfen", und den einheimischen Bauern Mindestpreise für ihre Produkte garantieren, das LIII. Armeekorps betonte, wie wichtig "die korrekte Behandlung der Bevölkerung sei", während die 4. Panzerdivision ihre Leistungsfähigkeit unbedingt sichern wollte.
Auch auf den darunter liegenden Hierarchieebenen gab es Offiziere, die diesem "armen, verführten, gequälten Volk" unter der Hand etwas zukommen ließen, andere sorgten dafür, dass requirierte Pferde den Bauern zurückgegeben wurden, dass deren Prügeln unterblieb und dass für sie eine rudimentäre medizinische Betreuung organisiert wurde.
Selbst ein Hardliner wie Reinert vertrat nun plötzlich die Ansicht, dass der Kampf allein dem Bolschewismus gelte, nicht aber "den Russen". Verglichen mit den Prinzipien, die das Völkerrecht festlegte, blieben das nur sehr bescheidene Zugeständnisse."


Beachtlich ist des Weiteren, dass neben der Hungerkatastrophe der Zivilbevölkerung die jedenfalls ungeplante Versorgungskrise der Wehrmachtstruppen im Winter 1941/42 stand. Die beiden Vorgänge sind nicht ganz voneinander zu trennen, hier sind die "indirekten Folgen" angesprochen. Im Verlauf der Versorgungskrise wurde rücksichtslos im Land geplündert, im Rückzug vor Moskau außerdem zerstört.
 
Vllt. liege ich schief, aber hier in dieser Diskussion haben wir eine Gemengenlage, die m.E. für permanente Unklarheit sorgt. Militärhistorische Aspekte auf zum Teil operativer Ebene werden mit politischen und strategischen Aspekten der Militärgeschichte bzw. überhaupt der Geschichte vermengt. Hinzu treten hochkpomplexe juristische Aspekte siehe Posting #75. Das läßt sich in einem Medium wie einen Forum nicht vermeiden und macht bestimmt auch den Reiz aus. Eine gewisse Emotionalität beinhaltet das Thema natürlich auch. Silesia hat in #77 versucht, das Thema zu sortieren, ein guter ordnender Vorschlag. Das vorab.

Ich möchte auf Posting #69 und #75 reagieren.

@Maelonn

"Auf einen kurzen Nenner gebracht: Laut IMT-Statut Artikel 6, Satz a waren die Nazi-Politiker die Schuldigen; laut Artikel 6, Satz B waren die Militärs schuldig."

Nein, so interpretiere ich das nicht. Die Nazi-Politiker waren schuldig, Artikel 6, Satz a und b und die Militärs waren schuldig, Artikel 6 Satz a und b. Vergiß dabei bitte nicht Satz c, auch da haben sich sowohl die Politiker als auch die Militärs schuldig gemacht.

Die Literatur hierzu ist Legion.

"Im Grundsatz finde ich es gut, dass die Politik entscheidet und Soldaten gehorchen. Soldaten sollen nicht in die Politik eingreifen, denn sie verfügen über Machtmittel, die ihnen fast alles erlauben. Wenn nun die Politik entscheidet, dass ein Krieg geführt werden soll, dann muss die Frage nach der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zwingend den Politikern gestellt werden und nicht den Soldaten. ... "

Auch wieder nein, Soldaten haben keinen Befehlen zu gehorchen, die gegen Gesetze, das Völkerrecht etc. verstoßen. Das klingt jetzt in einem anonymen elektronischen Medium sehr abstrakt, aber ich kenne keine Quelle, aus der nachweisbar ist, daß, abgesehen von eventuellen "Laufbahnnachteilen", jemand gezwungen wurde, an Massentötungen teilzunehmen.

Kein Soldat der Wehrmacht wurde, jenseits der hohen Generalität, wegen Verstoßes gegen Artikel 6 Satz a und/oder b angeklagt und verurteilt, bei Satz c schon anders, solltest Du andere Quellenbelge haben, teile sie bitte mit.

@Repo

Zitat daraus:
"Bei dem geringsten Zeichen von Widerstand ist von der Schusswaffe Gebrauch zumachen. Die Abgabe von Warn- oder Schreckschüssen ist verboten"
Mordbefehl?

Aus meiner beschränkten Sicht, ja, Mordbefehl.


M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo, Silesia!

Zwei Bemerkungen vorweg:

Zunächst scheint es mir, dass Du die Formulierung "militärische Tätigkeit" zu sehr auf reine Kampfhandlungen beziehst. Ich fasse darunter auch den ganzen Bereich der Logistik, der Stationierung von Truppen im besetzten Gebiet und das Verhältnis dieser Truppen zur Zivilbevölkerung. Vielleicht finden wir so zu einer Art Konsens.

Zweitens bezweifele ich nicht, dass es im Verlauf des Kriegs Veränderungen gab und dass auch regional unterschiedliche Vorgehensweisen erkennbar sind. Im Gegensatz zu Dir kann ich nur keinen "Paradigmenwechsel" erkennen (abgesehen natürlich von dem Zeitpunkt, da der Vormarsch in einen Rückzug überging). Ich habe eher den Verdacht, dass wir hier nur unterschiedliche Ausprägungen ein und derselben Sache sehen.

Was ich nicht ganz verstehe, ist, warum Du die von Dir zitierte Textstelle als Beleg für Deine Position anführst. Sie untermauert eher meine Meinung. Der Text bezieht sich auf Regionen, die vom Militär kontrolliert wurden und hinter der eigentlichen Front lagen. Und er bezieht sich auf die erste Phase des Kriegs. Zusammengefasst besagt der Text, dass das Militär die Folgen seines Tuns sehr wohl bemerkt hat und zudem zumindest potenziell Einfluss darauf hatte.

Im Einzelnen:

Gleichwohl war es gerade die Truppe, die nun immer häufiger die Ansicht vertrat, es sei besser, sich gegenüber der Zivilbevölkerung anders zu verhalten.
Anders? Das kann doch nur heißen: Anders als sie sich bis dazin verhalten hatten.

An Stelle bloßer Willkür sollten gewisse wirtschaftliche, soziale und rechtliche Mindeststandards treten:
Bis zu jenem Zeitpunkt herrschte also bloße Willkür und es gab weder wirtschaftliche, soziale noch rechtliche Regeln.

Beim GQM Wagner häuften sich im Sommer 1942 die Anträge der AOKs [Armeeoberkommandos] und der Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete, "Lebensmittel aus Heeresbeständen für die Zivilbevölkerung freizugeben", die 2. Panzerarmee wollte "wildes Beitreiben und Plündern" mit schärfsten Mitteln "bekämpfen", und den einheimischen Bauern Mindestpreise für ihre Produkte garantieren, das LIII. Armeekorps betonte, wie wichtig "die korrekte Behandlung der Bevölkerung sei...
Es wurde wild geplündert, die Bauern bekamen nichts oder viel zu wenig für das was ihnen weggenommen wurde, die Bevölkerung wurde nicht korrekt behandelt (was immer das heißen mag).

...während die 4. Panzerdivision ihre Leistungsfähigkeit unbedingt sichern wollte.
Diese Panzerdivision hat es also für militärisch notwendig gehalten, auf die bis dahin praktizierte Weise weiter zu machen.

Auch auf den darunter liegenden Hierarchieebenen gab es Offiziere, die diesem "armen, verführten, gequälten Volk" unter der Hand etwas zukommen ließen, andere sorgten dafür, dass requirierte Pferde den Bauern zurückgegeben wurden, dass deren Prügeln unterblieb und dass für sie eine rudimentäre medizinische Betreuung organisiert wurde.
"Auch auf den unteren Hierarchieebenen" heißt im Klartext, dass die Verfahrensweisen von höheren Ebenen vorgegeben waren und dass die Kommandeure vor Ort eine Genehmigung brauchten, um ihr Vorgehen ändern zu dürfen - oder dass sie heimlich handeln mussten.

Selbst ein Hardliner wie Reinert vertrat nun plötzlich die Ansicht, dass der Kampf allein dem Bolschewismus gelte, nicht aber "den Russen".
Das kann man nur so deuten, dass der Kampf bis dahin nicht nur dem Bolschewismus sondern eben auch den Russen galt.

Verglichen mit den Prinzipien, die das Völkerrecht festlegte, blieben das nur sehr bescheidene Zugeständnisse.
Das wiederum heißt, dass selbst die geforderten und/oder verwirklichten Humanisierungen weit davon entfernt waren, den Regeln des Völkerrechts Genüge zu tun.

Das alles bezog sich auf das Wirken des Militärs in den besetzten Gebieten. Davon, dass zusätzlich noch Sondereinheiten am Werk waren, die das gewollte Massensterben organisierten, ist hier nicht mal die Rede.

Übrigens habe ich langsam den Verdacht, dass ich der ganzen Diskussion eine Richtung gegeben habe, die der TO gar nicht beabsichtig hatte. Deshalb halte ich mich jetzt mal ein bisschen zurück.

MfG
 
Bei den Wehrmachtsverbrechen in der SU kann man analytisch die Korrumption der traditionellen Institutionen des Kaiserreichs respektive der Weimarer Republik im Zeitraffer verfolgen.

Folgt man der Darstellung von Pohl (Die Herrschaft der Wehrmacht) dann unterliegt die Wehrmacht und vor allem auch das Heer bzw. das OKH zwischen den Jahren 1939 und 1941 einer massiven Erosion im Rahmen der Machtkonstellation im Dritten Reich. Es wird von einem relativ autonomen Machtzentrum zu Erfüllungsgehilfen der NS-Ideologie.

Vor diesem Hintergrund sind es drei Phasen, die die Errosion der Situation kennzeichnen:

1. Einmarsch in Polen: Die WM ist noch relativ eigenständig in Abgrenzung zur SS. Es kommt noch zu deutlichen Reibereien zwischen der Wehrmacht und den Einsatzgruppen der Sipo bzw. der SS.

Es ist zudem noch eine mehr oder minder latent vorhandene Widerstands-bereitschaft gegenüber Hitler vorhanden. Substantielle Teile des Heeres stehen noch in latenter Opposion zu Hitler (Halder, Canaris, Beck, Oster etc.) und tragen seine Vorstellungen von einem Eroberungskrieg nur begrenzt mit.

2. Einmarsch in Südeuropa: Die Besetzung des Balkans interpretiert Pohl als eine Art Generalprobe. Die Situation unterscheidet sich bereits gravierend von der von 1939. Die Hybris hat Teile der Wehrmacht erfaßt und die Kritik in den Hintergrund gedrängt. Die Opposition gegenüber Hitoer spielt zu diesem Zeitpunkt keine Rolle mehr. Die Wehrmacht kontrolliert Europa vom Nordkap bis nach Tunesien, vom Atlantik bis an die Weichsel. Man hat sich dem "Charisma des Führers" ergeben und will der Krieg erfolgreich zu Ende bringen. Eien extrem wichtige Veränderung im Verhältnis zwische Wehrmacht und Hitler.

Der Feldzug in Südosteuropa weist dann auch die beiden zentralen Merkmale auf, die als Ideologie die Hemmschwellen zum Töten reduziert haben:
- eine bereits als traditionell zu bezeichnender anti-Slawismus
- ein rlativ neuer, seit 1917 vorhandener, teilweiser sehr militanter anti-Bolschewismus.

Diese beiden Orientiertungen erklären dann auch bereits die unterschiedlichen Vorgehnsweise der Wehrmacht bzw. der Einsatzgruppen auf dem Balkan gegenüber den Serben un den Kroaten.

Organisatorisch werden bereits die Strukturen der Kooperation zwischen der WM und der SS etabliert.

3. Während der Operation Barbarossa kommt diese Bereitschaft, den Krieg erfolgreich zu beenden als Motiv noch deutlicher zum tragen.

Militärische Effektivität geht eine unheilvolle Allianz ein mit den beiden anderen Aspekten des anti-Bolschewismus und des anti-Slawismus. Diese drei Momente sind dann auch die primären ideologischen Quellen, auf denen die Bereitschaft zum Töten und zur Akzeptanz von Massentötungen basieren.

Exemplarisch kann man die Tragik der Wehrmacht, durch die NS-Ideologie zunehmend korrumpiert worden zu sein auch, auch anhand individueller Biographien wie an der Person der Generalquartiermeisters Wagner verdeutlichen. Ursprünglich war er ebenfalls der Opposion bzw. dem Widerstand gegen Hitler zugerechnet. Mit dem Zusammenbrechen dieser losen Plattform verliert sich auch sein Kontakt zum Widerstand. Sein individuelles Ziel ist im folgenden die erfolgreiche logistische Unterstützung des Feldzuges in Russland. Er wird zum perfekten Technokraten, der sich den Spitznamen "Nero" erarbeitet. Sämtliche moralische Skrupel werden scheinbar kurzfristig in "Urlaub" geschickt. Mit Voranschreiten des Krieges wendet er sich erneut dem Widerstand zu und ist in die Planung des Attentats auf Hitler 1944 verstrickt. Er begeht Selbstmord als Folge des Scheiterns und seine Frau wird ins KZ verschleppt!

Wie kompliziert das Verhältnis zwischen dem Handeln aus einer Organistion heraus in vernichtender Absicht, also im Rahmen der Wehrmacht, der SS, der Waffen SS, der Sicherheitspolizi etc, und dem individuellen Widerstand ist, wird hervorragend illustriert in der Untersuchung von Lieb (Konventioneller Krieg oder NS-Weltanschauungskrieg) in dem zwei signifikante Beispiele angeführt sind. Zum einen weist er darauf hin, dass es selber auf der Ebene der insgesamt zu Recht als verbrecherische Organisation eingeschätzen Waffen SS , Unterschiede im Auftreten gab. So kann man der Div "Hitlerjugend" zahlreiche Kriegsverbrechen nachweisen, während für die Div "Frundsberg" keine Unterlagen vorhanden sind.

Der gleiche weltanschauliche Hintergrund führte somit nicht automatisch zu einer Verrohung bei der Kriegsführung.

Die individuelle Moral der einzelnen oppositionellen Generäle ist in der Zeit zwischen 39 und 41 durch den Erfolg der WM korrumpiert worden. Gerade ihr militärischer Erfolg wendete sich gegen die Generale, weil Hitler es verstand, als Oberbefehlshaber der WM sämtliche Erfolge an seine Person zu binden und somit einen geradezu sakrosanten Status zu erhalten.
 
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