Lager der Römer in Thüringen

Hachelbich war nur eine bedeutungslose Zwischenetappe. Hier sieht es aber anders aus. Drusus, Ahenobarbus oder Tiberius können rein theoretisch hier gewesen sein. Das war Weltgeschichte! Stadtgeschichtlich hätten wir erstmals eine vielleicht römische Wurzel einer mitteldeutschen Stadt, zumindest deren Siedlung vor der planmäßigen Neugründung. Natürlich darf man den Touristen kein planiertes Feld anbieten, sondern muss, wie im Taunus, ein kurzes Stück Graben, Wall und Palisade rekonstruieren. Ein Lokal "Zum Römer" böte sich in der Innenstadt (Marktplatz) geradezu an. Und nicht zuletzt ist die fehlende Werbung ein echtes Problem. Als wir kürzlich mit den Enkelkindern von Ferropolis nach Gröbern zum Waldelefanten fuhren, gab es auf der B100 kein einziges Hinweisschild. Der Chef des Dorfrestaurants, welches wir rein zufällig fanden, erzählte, dass bis zu 40m rechts und links von Bundesstraßen jedes Hinweisschild verboten wäre.
 
Hachelbich war nur eine bedeutungslose Zwischenetappe. Hier sieht es aber anders aus. Drusus, Ahenobarbus oder Tiberius können rein theoretisch hier gewesen sein. Das war Weltgeschichte!
Drusus, Ahenobarbus oder Tiberius könnten auch "rein theoretisch" in Hachelbich gewesen sein.
Alle drei haben eine Expedition an die Elbe übernommen:
- Drusus 9 v. Chr. (bei ihm bin ich mir nicht hundertprozentig sicher, ob er bis zur Elbe gekommen ist)
- Ahenobarbus irgendwann zwischen 7 und 1 v. Chr. - aber offensichtlich in Böhmen (seine Expedition ging bekanntlich von der Donau aus)
- Tiberius 5 n. Chr. (da haben wir sogar einen Augenzeugenbericht)
In allen drei Fällen sind die Truppen wieder zurückgekehrt, ohne dass ein nachhaltiges Ergebnis zu verzeichnen gewesen wäre. Was ist die "weltgeschichtliche" Relevanz?

Bei Limburg wurden übrigens zwei Lager gefunden, in denen rein theoretisch vielleicht Gaius Iulius Caesar höchstpersönlich kampiert hat!
Römerlager Limburg – Wikipedia

Aber wer, bitteschön, war nochmal Aheno...dingsbums?


Stadtgeschichtlich hätten wir erstmals eine vielleicht römische Wurzel einer mitteldeutschen Stadt,
Ein Platz in der Pampa, wo mal Soldaten gezeltet haben, die am nächsten Tag auf Nimmerwiedersehen abgezogen sind, ist keine "Wurzel" einer Stadt.
 
Drusus: Umkehr an der Elbe nach "Begegnung mit der germanischen Seherin". Kein nachhaltiges Ereignis?
Tiberius: Flottentreffen, Treffen mit Germanenfürsten. Kein nachhaltiges Ereignis?
Frühdeutsche Siedlung mit Burg in möglicherweise römischem Lager mit anschließender planmäßiger mittelalterlicher Stadtgründung, wobei möglicherweise weitere Lager überbaut wurden (Münze nicht als Oberflächenfund, sondern bei Ausschachtungsarbeiten entdeckt) Warten wir ab!
 
Drusus: Umkehr an der Elbe nach "Begegnung mit der germanischen Seherin". Kein nachhaltiges Ereignis?
Tiberius: Flottentreffen, Treffen mit Germanenfürsten. Kein nachhaltiges Ereignis?

Natürlich nicht. Worin siehst Du denn ein nachhaltiges Ergebnis?
Wurde irgend ein germanischer Stamm auf Dauer unterworfen?
Wurde auch nur ein dauerhafter Stützpunkt an der Elbe errichtet?
Welche weltbewegenden und nachhaltigen Dinge wurden auf dem "Treffen mit Germanenfürsten" vereinbart? Man sagte sich "Guten Tag", dann ging jeder wieder dahin, woher er gekommen war.


Frühdeutsche Siedlung mit Burg in möglicherweise römischem Lager mit anschließender planmäßiger mittelalterlicher Stadtgründung
Wann entstand eine frühdeutsche Siedlung? 9 vor Christus? 5 nach Christus? 1000 Jahre später?
Dazwischen war die Gegend übrigens slawisch besiedelt, das hatten wir doch auch schon mal...

Und wenn sich am Ende herausstellt, dass es noch viel früher einen Lagerplatz gegeben hat, an dem eiszeitliche Jäger ein Mammut zerteilt haben, wäre dann das die "Wurzel" der mittelalterlichen Siedlung?
 
Stadtgeschichtlich hätten wir erstmals eine vielleicht römische Wurzel einer mitteldeutschen Stadt, zumindest deren Siedlung vor der planmäßigen Neugründung.
Was eine Kontinuität unterstellt, die nicht eben wahrscheinlich ist.

Drusus: Umkehr an der Elbe nach "Begegnung mit der germanischen Seherin". Kein nachhaltiges Ereignis?
[Ich ignoriere mal, dass es a) keine Seherin war, sondern eine Göttin und b) dass diese Legende erst über 200 Jahre später bei Cassius Dio auftaucht (wieder so eine Sache, die nur Cassius Dio weiß, nur mal so by the way)]
Wäre man spitzfindig, dann könnte man sagen, dass das für unsere Region denselben Effekt hatte, wie wenn er gar nicht dort gewesen wäre ;)

Tiberius: Flottentreffen, Treffen mit Germanenfürsten. Kein nachhaltiges Ereignis?
Und? Was ist daraus geworden? Tiberius musste wenige Jahre später wiederkommen und berief irgendwann seinen Neffen ab.

Frühdeutsche Siedlung mit Burg in möglicherweise römischem Lager mit anschließender planmäßiger mittelalterlicher Stadtgründung, wobei möglicherweise weitere Lager überbaut wurden (Münze nicht als Oberflächenfund, sondern bei Ausschachtungsarbeiten entdeckt) Warten wir ab!
Verkehrsgünstige Stellen locken Siedler immer wieder an. Es ist also überhaupt nicht zufällig, sondern sogar zu erwarten, dass ein Ort wie ein Flussübergang von den Römern als Lager und Jahrhunderte später dieselbe von slawischen oder deutschen Siedlern als Wohnstatt ausgewählt wurde. Daraus wird aber keine kontinuierliche Siedlung. Ich mein, ich versteh's ja, dass jeder in einem Dorf mit Geschichte wohnen möchte, weil offenbar für viele Leute Geschichte des Wohnortes das eigene Sein mit Bedeutung auflädt und sieoffenbar selbst im 21. Jhdt. noch Alter mit Adel gleichsetzen, wenn auch nur implizit. Aber letztlich ist das von der dahinterstehenden Idee her nichts anderes als die Diskussion, welches Volk auf dem Balkan das Erbe der ersten dort nachgewiesenen Zivilisation für sich beanspruchen kann, oder welches Volk das Erbe der Sumerer antreten darf.
 
Die Nachhaltigkeit der Ereignisse besteht manchmal auch darin, dass sie überliefert wurden und die Region damit erstmals aus dem Dunkel der Geschichte heraus trat. Touristen interessiert das manchmal. Mal sehen, was Herr Meller mit seinem Archäologiepfad daraus strickt. Was die Stadtgeschichte betrifft, so scheint ein Flussübergang sekundär gewesen zu sein, denn die Elbe ist hier schmal und tief . Der war weiter stromauf- bzw abwärts. Auch die Slawen sind bisher auf dem Areal nicht scherbenmäßig nachgewiesen. Sie hatten ihre Burg nordwestlich an der heutigen Elbe. Warten wir ab, was die Datierung des Lagers bringt. Bis dahin- tschüss!
 
Das war Weltgeschichte!

Die Nachhaltigkeit der Ereignisse besteht manchmal auch darin, dass sie überliefert wurden und die Region damit erstmals aus dem Dunkel der Geschichte heraus trat.
Nun macht die Tatsache, dass ein Ereignis zufällig überliefert ist, aus diesem Ereignis noch lange kein weltgeschichtliches Ereignis.

Die Überlieferung, wonach Drusus in die Region Saale/Elbe vorgestoßen ist, ist ja nun schon seit langem in Fachkreisen und bei den paar interessierten Laien bekannt, denen der Name "Drusus" etwas sagt. Dass seine Truppen damals Marschlager angelegt haben, hat nie jemand bezweifelt. Der Nachweis eines Marschlagers an einem bestimmten Ort wäre insofern allenfalls von lokaler Bedeutung.
 
@Opteryx

wenn man die mögliche Torsituation betrachtet, so scheiden Drusus, Ahenobarbus oder Tiberius aus. Der Severer-Denar weist zudem auf ein mögliches späteres Ereignis hin. Mir persönlich ist es auch egal WER einst dort gelagert haben könnte. Fest steht, dass wir eine so gute Vegetationsmarke bisher noch nirgends in Anhalt hatten - von Pömmelte mal abgesehen. Die Elbe war für die Römer auch in späterer Zeit noch ein prestigeträchtiges Ziel.
 
Es gab noch einen Denarfund des Nero aus einem spätkaiserzeitlichen Urnenfeld in den Dünen. Das Tiberius-As aus der Stadtmitte war kein Einzelfund. Der Finder hat weitere Münzen verkauft, ohne sie zu registrieren. Wir kennen also die Schlussmünze nicht.
 
@Opteryx

ich kenne die beiden anderen Münzfunde. Die scheiden aber aus, da der Denar des Nero aus einem spätkaiserzeitlichen Brandgräberfeld stammt und das Tiberius-As beim Abbruch des Hauses mit einem Topf voll Böhmischer Groschen (Brakteaten) gehoben worden ist. Das As und der Hortfund wurden aber getrennt gefunden. Es zeigt jedoch, dass die Siedlungsstelle bis zur Stadtgründung mehrphasig (RKZ, MA etc.) genutzt wurde.
 
Dann bleiben noch zwei Merkwürdigkeiten: Die prägefrische Silbermünze des Severus aus einem anglischen Frauengrab bei Preußlitz und der Denar Phillipus Arabs aus Elsdorf, der eigentlich als Inflationsmünze bei Germanen unbeliebt gewesen sein durfte.
 
Die prägefrische Silbermünze des Severus aus einem anglischen Frauengrab bei Preußlitz...
Moment mal, wo kommen denn plötzlich mit der von dir geäußerten Sicherheit im 2./3. Jhdt. die Angeln in Sachsen-Anhalt her? Die frühesten Belege für eine anglische Siedlungsgemeinschaft im Großraum Thüringen gibt es im 8. Jhdt., da sind die Angeln freilich bereits Faktor in Thüringen und sie müssen dort irgendwie hingekommen sein. Wenskus hat sich sogar zu der These verstiegen(?), dass es Rückwanderer aus England waren. Will sagen: Es ist völlig ungeklärt, wann die Angeln nach Thüringen kamen, sie sind im 8. Jhdt. eine feste Größe. Am Wechsel vom 2. zum 3. Jhdt. ein Grab in Sachsen-Anhalt den Angeln zuzuweisen, bedürfte einer sehr ausgereiften quellenbasierten Argumentation. Historische Quellen sind dazu nicht bekannt, bleibt es also bei archäologischen Quellen. Das hieße also, es müsste Besonderheiten anglischer (Frauen)Gräber geben, die bei anderen Ethnien nicht zu finden wären, die sich in diesem Grab wiederfänden, um das Grab seriös einer anglischen Frau zuzuweisen.
 
Die Ausgrabungen und Funde fanden schon in den 20er bzw 30er Jahren statt und wurden natürlich nach damaligem Erkenntnisstand bewertet. Die Aufnahme und Vermischung von Angeln und Hermunduren fand man durch eine Grabung auf dem Hausurnengelände Wulfen bestätigt. Eine hermundurische Situla wurde in einer Reihe anglischer Brandgräber in gleicher Tiefe aufgefunden. (Götze) Die Ornamente (doppeltes Sparrenmuster)zeigen anglischen Einfluss. Die typischen Fensterurnen wurden als Leitfossil für die Angelsachsen angenommen. (v.Buttel-Reepen) Sie gleichen denen in England gefundenen. Die später hier erscheinenden Warnen pflegten Körperbestattung.
 
Die Ausgrabungen und Funde fanden schon in den 20er bzw 30er Jahren statt und wurden natürlich nach damaligem Erkenntnisstand bewertet.
In den 20er und 30er Jahren steckte die ur- und frühgeschichtliche Archäologie noch absolut in den Kinderschuhen und war durch die Schule von Gustaf Kossina geprägt. Da wäre ich sehr, sehr vorsichtig mit irgendwelchen Übernahmen.

Die Aufnahme und Vermischung von Angeln und Hermunduren fand man durch eine Grabung auf dem Hausurnengelände Wulfen bestätigt.
Hausurnen gehören in eine völlig andere Zeit.

Eine hermundurische Situla wurde in einer Reihe anglischer Brandgräber in gleicher Tiefe aufgefunden. (Götze)
Tiefe ist keine archäologisch relevante Größe. Schicht! ist das Zauberwort.

Ich habe hier mal ein typisches Profil, wie es in archäologischen Grabungen zuhauf vorkomt, schematisch eingezeichnet.
Wir haben zuoberst den Humusboden, zunterst den gewachsenen, eiszeitlichen Boden. Dazwischen die Kulturschichten A, B und C.

Was sehen wir: Unsere hypothetische Kulturschicht A hat im fraglichen Profil keine Vertiefungsspuren hinterlassen, dafür reicht ein Urnengrab der hypothetischen Kulturschicht B durch die Kulturschicht A bis in den gewachsenen Boden hinein. Ebenso ein Befund der hypothtischen Kulturschicht C, ebenfalls ein Urnengrab. Das Urnengrab der Kulturschicht C fräst sich durch beide frühen Kulturschichten bis in den gewachsenen Boden. Die Urnen der Kulturschichten B und C liegen fast auf derselben Höhe, das der jüngeren Kulturschicht C sogar ein Stückchen tiefer, als das der älteren Kulturschicht B.
Dies ist natürlich eine rein willkürliche. recht schematische Zeichnung meinerseits, aber es gibt hunderttausende archäologische Befunde, die genau so aussehen. Deshalb ist Tiefe keine bedeutsame archäologische Größe.
typisches Profil.jpg




Die Ornamente (doppeltes Sparrenmuster)zeigen anglischen Einfluss. Die typischen Fensterurnen wurden als Leitfossil für die Angelsachsen angenommen. (v.Buttel-Reepen) Sie gleichen denen in England gefundenen. Die später hier erscheinenden Warnen pflegten Körperbestattung.

Aus dem Reallexikon für germanische Altertumskunde, 1994 Bd. 8, Lemma Fenstergefäße (H.J. Häßler):

Dabei weisen die Stücke des 3. und 3. bis 4. Jh.s einen ost- und mittelelbgerm., die Exemplare des 4. und 5. Jh.s. einen nordsee- und nordgerm. Verbreitungsschwerpunkt auf. [...] Sollte die Datierung der Gefäße zweifelsfrei sein, würde dieser Sachverhalt wohl so zu interpretieren sein, dass die Idee zu diesen Gefäßen östlichen Ursprungs ist. Die in England bekanntgewordenen Exemplare entstammen allesamt jüng. Fundzusammmenhängen...
 
Zuletzt bearbeitet:
Um zu erfahren, ob der damalige Prof. Götze auch Schichten beachtete, müsste man seinen originalen Grabungsbericht studieren. Im vorliegenden Fall ist es jedoch sekundär, welches Volk für die Beilegung der Münze verantwortlich war. Die Warnen waren es jedenfalls noch nicht. Primär von Bedeutung ist vielmehr die Tatsache, dass die Münze "keinerlei Spuren einer Abnutzung" zeigte. Eigentlich kommt aus diesem Grunde keine Herkunft aus normalen Handelsbeziehungen in Frage. Es muss angenommen werden, dass sie direkt und ohne groß in Umlauf zu kommen, aus einem Feldzug stammt. Der Zeitpunkt der Niederlegung dürfte damit aber ziemlich genau eingrenzbar sein.
 
Primär von Bedeutung ist vielmehr die Tatsache, dass die Münze "keinerlei Spuren einer Abnutzung" zeigte. Eigentlich kommt aus diesem Grunde keine Herkunft aus normalen Handelsbeziehungen in Frage. Es muss angenommen werden, dass sie direkt und ohne groß in Umlauf zu kommen, aus einem Feldzug stammt.

Wieso das denn?

Waren die Soldaten verpflichtet, neue Münzen einige Jahre auf Feldzügen mit sich herumzutragen, bevor sie sie einem Händler aushändigen durften?
 
Die später hier erscheinenden Warnen pflegten Körperbestattung.

Nach Mischa Meier ("Geschichte der Völkerwanderung") steht entgegen älterer Theorien bei der Wahl der Bestattungsform weniger die ethnische als die soziale Komponente im Vordergrund und eine ethnische Zuordnung auf Grund der Art der Bestattung wird in vielen Fundzusammenhängen als fragwürdig angesehen.
 
Eine Münze aus so weichem Material, wie Silber, nutzt sich ab, gleich, ob in römischen oder germanischen Geldbeuteln oder Händen. Da es keine Schließfächer gab, wo die Münzen "ruhen" konnten, ist allein der Zeitfaktor entscheidend. Die Münze muss folglich kurz nach der Prägung in die Erde gekommen sein. Vielleicht wurde sie verloren und schnell aufgefunden. Vielleicht wurde sie auch zum Zwecke der Grabbeigabe gezielt von den Römern eingetauscht. Wahrscheinlich sogar hier vor Ort.
 
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