Mai 1945: Sturm auf das Reichstagsgebäude

Jacobum

Aktives Mitglied
Beim Sturm auf Berlin 1945 gab die sowjetische Militärführung die Eroberung des Reichstagsgebäudes als besonderes Ziel aus, ja es entstand ein regelrechter Wettlauf einzelner sowjetischer Einheiten dorthin.

Der Kampf um den Reichstag am 30. April 1945 wurde von beiden Seiten mit besonderer Härte geführt. Um jeden Raum, um jedes Stockwerk wurde erbittert gekämpft. In den Kämpfen starben zahlreiche Soldaten. Noch bis zum 2. Mai hielten sich einzelne SS-Gruppen im Keller.

Ich habe mich immer wieder gefragt, warum dieses Gebäude einen so hohen symbolischen Wert für die Sowjets hatte, entsprach es doch ganz und gar nicht der Nazi-Herrschaft.

Im Reichstag hatte Scheidemann 1918 die Republik ausgerufen, im Reichstag waren die Politiker der ersten deutschen Demokratie vertreten. Viele dieser Reichstagsabgeordneten fanden unter den Nazis den Tod.

Nach dem Reichstagsbrand 1933 wurde das Gebäude nur notdürftig wieder hergerichtet und diente schließlich als Dependance des Krankenhauses Charité. Das Parlament im 3. Reich (das diesen Namen gar nicht verdient hat) tagte in der Kroll-Oper.

Angeblich sollte der Reichstag nach dem Endsieg in der "Hauptstadt Germania" wieder eine besondere Rolle erhalten, doch sind entsprechende Überlegungen zu vage, um sich näher mit ihnen zu befassen.

Zurück zu meiner Frage: Warum sahen die Sowjets ausgerechnet im Reichstag diesen so hohen symbolischen Wert? Und auch noch heute wird in der russischen Militärgeschichte die Erstürmung des Reichstagsgebäudes als einer der Höhepunkte in der Schlacht um Berlin bezeichnet.

Gruß

Jacobum
 
Noch zur Ergänzung:

1968 wurde erzählt, den Rotarmisten die im Panzer den Prager Wenzelsplatz hochfuhren, sei erzählt worden, sie würden gerade Berlin besetzen, und das Gebäude oben am Platz (Czech Nationalmuseum) sei der Reichstag den sie erobern müssten.
Ob es stimmt weiß ich nicht.
Fakt ist aber, dass das Nationalmuseum tatsächlich ausgiebig beschossen wurde.

(Als ich ca. 10 Jahre später US-Fallschirmjägern die Hintergründe von Ost- und West-Deutschland erklären musste, von Nazis wussten sie "vieles", aber sonst "nuLL und nix" habe ich mich wieder daran erinnert.)

Grüße Repo
 
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Noch zur Ergänzung:

1968 wurde erzählt, den Rotarmisten die im Panzer den Prager Wenzelsplatz hochfuhren, sei erzählt worden, sie würden gerade Berlin besetzen, und das Gebäude oben am Platz (Czech Nationalmuseum) sei der Reichstag den sie erobern müssten.
Ob es stimmt weiß ich nicht.

Ich auch nicht, es würde aber genau ins Bild passen, wonach der Reichstag in sowjetischen Militärkreisen eine hohe symbolische Bedeutung hatte.

Gruß

Jacobum
 
Zurück zu meiner Frage: Warum sahen die Sowjets ausgerechnet im Reichstag diesen so hohen symbolischen Wert? Und auch noch heute wird in der russischen Militärgeschichte die Erstürmung des Reichstagsgebäudes als einer der Höhepunkte in der Schlacht um Berlin bezeichnet.

Gruß

Jacobum

Berlin war für die Russen sowieso das "große" Ziel, worauf sie ja lange hingearbeitet haben, genauso wir Hitler immer bestrebt war Moskau einzunehmen. Ich denke, dass Hitlers "verlangen" nach Moskau bei den Russen etwas ähnliches nach Berlin ausgelöst hat. Eine Art "Wie du mir, so ich dir". Viele Sowjetparolen arbeiteten damals mit Berlin als Ziel und Ort des Sieges etc.

Der hohe symbolische Wert rührt meines Erachtens daher, dass es in Berlin keine anderen politisch wichtigen Gebäude gab, die in jüngster Geschichte irgendeine Symbolik hätten einnehmen können. Zwar gab es den "Führerbunker", aber "Der Sturm auf den Führerbunker" hätte einfach nicht zu so einer großen Sache aufgebauscht werden können.
Mit dem Reichstag hatte man was relativ großes, dass sich "normal" angreifen ließ und nicht etwas was unter der Erde versteckt liegt, also etwas klar sichtbares!
Vielleicht hat man damals auch nicht so großes Wert darauf gelegt, ob das Gebäude wirklich was mit den Nazis tu tun hatte. Entscheidend war der Anteil an Deutscher Geschichte.

Dieser Text ist rein subjektiv. Haben Sie irgendwelche Bedenken oder entdecken Sie schwerwiegende logische Fehler, wir haben ein Bewertungssystem mit vielen roten Bommeln:red: ;)
 
Zwar gab es den "Führerbunker", aber "Der Sturm auf den Führerbunker" hätte einfach nicht zu so einer großen Sache aufgebauscht werden können.

Erhob sich nicht über dem Führerbunker noch die Reichskanzlei? Die war doch nur unwesentlich beschädigt worden, oder irre ich mich da?
 
Erhob sich nicht über dem Führerbunker noch die Reichskanzlei? Die war doch nur unwesentlich beschädigt worden, oder irre ich mich da?

So unwesentlich nicht, ein Teil der Decke stürzte ein, einige Räume wurden komplett unbrauchbar. Hitler räumte beim Aufkommen der großen Bombenangriffe die Reichskanzlei und zog in den Führerbunker.
Das letzte Foto, welches Adolf Hitler lebend zeigt, ist eines, auf dem er die jüngsten Schäden an der Reichskanzlei begutachtet. Danach kam er nie wieder lebend an die Oberfläche.

Ich meine dennoch, dass der Antrieb zum Reichstag an dem bedeutenden Stück Deutscher Geschichte lag. Die Reichskanzlei war ja relativ neu, ein paar Jahre erst.
 
Hyos Einwand ist nicht verkehrt. Gerade die Reichskanzlei - von Hitler erbaut und als sein Amtssitz geradezu prädestiniert als Symbol der NS-Herrschaft - hätte ein weitaus "lukrativeres" Ziel für die Sowjets abgeben müssen, als ein Relikt aus der Kaiserzeit.
 
Hyos Einwand ist nicht verkehrt. Gerade die Reichskanzlei - von Hitler erbaut und als sein Amtssitz geradezu prädestiniert als Symbol der NS-Herrschaft - hätte ein weitaus "lukrativeres" Ziel für die Sowjets abgeben müssen, als ein Relikt aus der Kaiserzeit.

Da hat Hyo recht (Ist die Zerstückelung deines Namens akzeptabel?=) ).
Nur war der "Seelenzustand" Russlands ingesamt mehr auf "die Deutschen" ausgerichtet. D.h. nicht nur der "Führer" dieses Volkes wurde...ja, ich sage mal "gehasst" (Bitte nicht wieder irgendein Kommentar, ich würde Vorurteile und wilde Behauptungen von mir geben), sondern das Volk an sich. Hassen mag hart klingen, aber größtenteils war ein riesiges Rachepotenzial da.

"Dem Deutschen Volke", die Widmung am Reichstag. Dem gesamten Deutschen Volk gewidmet, also das perfekte Symbol.
Außerdem wurde der Reichstag, nicht wie die Reichskanzlei, verteidigt, und das sogar außergewöhnlich stark, was eigentlich verwunderlich ist.

Also haben wir auf einer Seite die Rache gegenüber den Deutschen und dann noch den kleinen Zusatz, dass der Reichstag verteidigt wurde, demnach war es ein Ansporn ihn einzunehmen.
 
Da hat Hyo recht (Ist die Zerstückelung deines Namens akzeptabel?=) )

Wer mag schon Zerstückelungen? Und wessen Name würde in vielfältigerer Weise verstümmelt als meiner (Hyokk, Hyo, Yokko etc.)...

Aber wenn es jemand schafft, drei bis fünf Buchstaben meines Namens hintereinander fehlerlos zu schreiben, muß ich ja schon zufrieden sein.
 
Vielen Dank für den Trost, lieber Clemens.

Manche sollen ja der Ansicht sein, "Hyok" ohne "kose" sei geradezu das Gegenteil eines Kosenamens...

Nun aber:

ZURÜCK ZUM THEMA!

Schade, dass hier nur geschrieben, nicht geredet wird! Denn der Name Hyok (Hupps) kose ist garantiert auch noch mit 3 Promillen fehlerlos auszusprechen...........:yes:

Zurück zum Thema:
Le Tissier schreibt in "Der Kampf um Berlin" London 1988:
"Als letztes Operationsziel hatten sich die Sowjets die Erstürmung des Reichstagsgebäudes gesetzt. dies ergibt sich aus sämtlichen russischen Publikationen.
Es bleibt unverständlich, warum sich die Sowjets gerade dieses Gebäude ausgesucht hatten, .... Doch einmal als Ziel gewählt, war er für die Rote Armee der >Deutsche Kreml<"
aaO Seite 24


Grüße Repo
 
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Vielleicht wurde ja die Erstürmung des Reichstagsgebäudes aus propagandistischen Gesichtspunkten künstlich hochstilisiert, da die Reichskanzlei weniger traditionsreich und damit weniger bekannt war, unter der eigenen (sowjetischen) Bevölkerung(?). So würde sich erklären, warum man diesem Ziel eine solche Priorität beimaß, sowohl als auch, dass die Heute bekannten Aufnahmen der Erstürmung, explizit des hissens der roten Fahne auf dem Reichstag, bekanntermassen nachgestellt wurden...
 
Das fand ich auf der Seite der Bundeszentrale für Politische Bildung:



Soldaten hissen die sowjetische Flagge auf dem Reichstag in Berlin

Dies ist eines der meistgedruckten Fotos des 20. Jahrhunderts: Sowjetische Soldaten hissen am 2. Mai 1945 die Rote Fahne mit Hammer und Sichel auf dem Reichstag, Symbol des Sieges von Stalins Sowjetunion über Hitlerdeutschland. Dabei war das Parlamentsgebäude seit dem Brand von 1933 nur noch eine ausgebrannte Ruine. Das Machtzentrum des Dritten Reiches war die Reichskanzlei, in deren Bunker Hitler inzwischen Selbstmord begangen hatte. Vielleicht waren es gerade die Erinnerungen an den Reichstagsbrand und den spektakulären Prozess, der ihm folgte, die dem Gebäude in den Augen der Sowjetführung eine herausragende Bedeutung verliehen.

Der Fotograf ist der Kriegsberichterstatter Jewgeni Chaldej. Er hatte eine Fahne und kletterte mit drei zufällig anwesenden Soldaten auf das Dach des Reichstags, der schon am 30. April erstürmt worden war. Dort arrangierte er die Gruppe und verknipste einen ganzen Film mit 36 Aufnahmen. Es gibt mehrere veröffentlichte Versionen des Vorgangs. Auf der einen ist zu erkennen, dass der mittlere der drei Soldaten (hier im Vordergrund) an beiden Handgelenken eine Uhr trägt, die beliebteste Beute der Rotarmisten. Chaldej kratzte aus dem "offiziellen" Foto eine Uhr heraus.

Nachdem das Foto veröffentlicht worden war, wurde Chaldej zu Stalin beordert. Der hatte eine Liste mehrerer Gruppen von Soldaten vor sich, die sich zur fraglichen Zeit auf dem Dach des Reichstags befunden hatten. Er entschied, dass statt der tatsächlich Beteiligten drei andere Soldaten als Helden der Flaggenhissung in die Geschichte eingehen sollten: ein Georgier, nach Stalins Lesart der, der die Fahne in der Hand hält, und zwei Russen. Stalin war Georgier.
 
www.bundestag.de erklärt das ganze so:

Der Reichstag als international bekanntes Bauwerk stand in der Zeit der NS-Herrschaft weitestgehend ungenutzt. Das markante Gebäude stellte in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs ein geographisches Ziel, einen Endpunkt des Krieges dar und wurde deshalb vor allem von der sowjetischen Propaganda genutzt. Zunächst zeigten die Plakate und Bilder das Brandenburger Tor als Ziel, dann aber in der Schlussphase des Krieges das Reichstagsgebäude. Es war zwar in der NS-Zeit bedeutungslos geworden, hatte aber einen hohen Symbolwert und war durch seine Größe und seine Lage hervorgehoben. Die Schlacht um Berlin begann am 21. April 1945, der Kampf um den Reichstag am 30. April 1945. Erst am 2. Mai 1945 wurde das Gebäude endgültig erobert.
 
Dem Angriff auf das Reichtagsgebäude ging die Erstürmung der Moltkebrücke voraus. Zur Reichkazlei ging man gleichzeitig von Süden über den Landwehrkanal und vom Osten von der Wilhelmstrasse aus vor.

Deshalb das "nach" bei der der Moltkebrücke in #15.

Die Verbände, die von der Wilhelmsstraße vorrückten (Karte von unten, 8. Gardearmee, 2.5.45), griffen hier am Reichstag nicht ein, sondern "trafen" sich mit denen des 79. Schützenkorps erst am Brandenburger Tor.
 
Zurück zu meiner Frage: Warum sahen die Sowjets ausgerechnet im Reichstag diesen so hohen symbolischen Wert? Und auch noch heute wird in der russischen Militärgeschichte die Erstürmung des Reichstagsgebäudes als einer der Höhepunkte in der Schlacht um Berlin bezeichnet.

Der Tagesbefahl, vor der Erstürmung von Berlin, von Schukow an die Berliner-Streitkräfte (Erinnerungen) endet mit der Erwartung, die sowjetische Flagge über Berlin zu hiessen.

Warum der Reichstag? In diesem Kriege ging es auch immer sehr stark um Symbole, bestes Beispiel ist "Stalingrad".

Es geht aber auch um die "Bilderwelten", mit denen die russischen Soldaten groß geworden sind. Betrachtet man die "Revolutionfilem", dann ging es zum Schluss immer um die Erstürmung des Palastes.

Diese Metapher in Kombination mit dem Befehl von Schukow führte fast zwangsläufig zum Reichstag, seiner Erstürmung des Flaggeaufziehens als "Finalisierung" des Sieges über das Dritte Reich.

OT: Interessant fand ich den Hinweis, das ein "Marineinfrantrie"-Btl per Fallschirm !!! abgesetzt worden sein soll, um die Verteidigung um den Reichstag zu verstärken (Schukow: Erinnerungen)
 
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