Nach vierzig Jahren befreit - in der Varusschlacht gefangene Römer

Schleppschreck

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Man kann Velleius Paterculus dahingehend interpretieren, daß die Varusschlacht mit der Kapitulation der Römer in einem Lager bzw. mit der Übergabe dieses Lagers durch den zweiten Lagerpräfekt Ceionius endete, nachdem der erste Lagerpräfekt Eggius im Kampf gefallen war.

Man kann sich vorstellen, daß die Kapitulation an bestimmte Bedingungen geknüpft war (sonst wäre es ja sinnlos gewesen), die die Germanen zunächst nicht eingehalten haben. Es gab ein Gemetzel und dann später die Hinrichtung des Führungspersonals. Dies könnte als Überrennen beschrieben werden. Aber das unkontrollierte Abschlachten geschah vielleicht auch aus der Hitze des Gefechts heraus und muß alsbald gestoppt worden sein.
Die Germanen müssen sehr viele Gefangene gemacht haben. Anders ist es gar nicht zu erklären, daß es später zu Freikäufen von Gefangenen kam, und daß noch 50 (!) Jahre nach der Schlacht Gefangene befreit wurden.
Die müssen ja dann an die 70 Jahre alt gewesen sein, und daß es sie überhaupt gab, kann nur an einer sehr großen Zahl Gefangener gelegen haben.

Ob man vielleicht durch eine Abschätzung herausfinden könnte, wie viele Gefangene es gab?
 
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Die Germanen müssen sehr viele Gefangene gemacht haben. Anders ist es gar nicht zu erklären, daß es später zu Freikäufen von Gefangenen kam, und daß noch 50 (!) Jahre nach der Schlacht Gefangene befreit wurden.
Es waren vierzig Jahre. Lang genug. Wenn du Jugendliche als Gefangene ansetzt, wärest du nicht bei 70 sondern bei Mitte 50.
 
Ja, das stimmt! Es war im Jahre 50 (lt. meinem Tacitus-Ausdruck). Sie wurden aus den Händen der Chatten befreit, wenn ich das jetzt auf die Schnelle richtig gelesen habe.

Vielleicht können wir uns auf 41 Jahre einigen? :)

Laut meiner Übersetzung wurden "einige Leute" befreit. Ich rate mal, es waren fünf.

Also haben die Germanen im Jahre 9 mindestens fünf Gefangene gemacht, und die haben alle 41 Jahre lang überlebt. Die Wahrscheinlichkeit hierfür dürfte nahe Null sein.

Selbet bei z.B. 50 Gefangenen ist das Endergebnis unwahrscheinlich, da wird mir wohl jeder zustimmen.

Wenn man aber 1000 bis 2000 Gefangene annimmt, wird es plausibler.

Wie hoch war die Lebenserwartung eines Römers? Da taucht das erste Problem auf, daß man wegen der wohl recht hohen Säuglings- und Kindersterblichkeit nicht bei Null anfangen kann.

Also die Lebenserwartung eines bereits 15 Jahre alten Römers?

Dann wären die besonderen Lebensumstände der Gefangenschaft zu berücksichtigen. Nachteilig wirkt sich aus, daß sie wahrscheinlich zur Zwangsarbeit herangezogen wurden. Tumuli einebnen usw. Positiv wäre zu berücksichtigen, daß sie wohl kaum zum Kriegsdienst gezwungen wurden.
 
Um mal einen Gefallenen der Varusschlacht zu nennen, dessen Lebensalter bekannt ist: Marcus Caelius war bei seinem Tod 53einhalb Jahre alt. Da war er noch im aktiven Kriegsdienst, also kein alter Greis. Augustus wurde 77 und erreichte damit die durchschnittliche Lebenserwartung eines heutigen deutschen Mannes. Dass sein Alter natürlich nicht die durchschnittliche Lebenserwartung eines Römers oder Germanen zur damaligen Zeit bedeutete, ist auch klar.
 
Nachgeschlagen sollen 7,87 % der Bevölkerung 55 oder älter geworden sein. Für die angenommenen 5 reichten also weniger als 100 Römische Gefangene.

Bei 1000 bis 2000 wären 78 bis 156 zu erwarten. Somit ist aus der Angabe nichts zu erschließen, da, wie Du schon schreibst, wenige Aufgefundene ausreichen und vielleicht gezielt gesucht wurde oder ebenso vielleicht die Freilassung Römischer Sklaven die Römer besänftigen sollte.

(Karl-Wilhelm Weber, Alltag im Alten Rom, Düsseldorf, Zürich ³1997, "Tabelle der Lebenserwartung und Lebensalter nach Frier", S. 229.)
 
7,87 % aus welcher Grundgesamtheit? Alle als Römer Geborene? Oder ist Säuglings- und Kindersterblichkeit schon herausgerechnet?
 
7,87 % der Bevölkerung soll 55 oder älter gewesen sein. Da brauchst Du die Kindersterblichkeit nicht zu betrachten. Es sind die, die so alt geworden sind. Eine korrekte Berechnung der Wahrscheinlichkeit ist mangels Altersdaten zur Armee nicht möglich. Du kannst also nur von der Gesamtbevölkerung ausgehen. Und da ist nicht die Lebenserwartung, sondern die Altersverteilung interessant.

Man geht übrigens davon aus, dass die Sterblichkeit in den großen Städten höher war.

Das Problem ist, dass zum Barbaricum keine Zahlen vorliegen. Doch wird es sich nicht allzu sehr unterschieden haben. Jedenfalls nicht in einer Größenordnung, die dazu führt, zu einer Abschätzung der Anzahl der Gefangenen zu kommen. Ein Leben als Hirt oder Landarbeiter war im damaligen Vergleich so ungesund nicht. Und wer handwerkliche Fähigkeiten hatte, wird seinen Beruf weiter ausgeübt haben müssen. Zudem wurden nicht die schwächsten und kränklichsten Männer Soldaten.

(Auch, wenn es hier nicht wirklich aussagekräftig ist: Wer es bis zum 15. Lebensjahr geschafft hatte, hatte nach Frier eine Lebenserwartung von zusätzlich 31,2 Jahren. Nur hilft Dir das nicht einmal weiter, um zu sagen, wieviel der 15jährigen Gefangenen wahrscheinlich 55 oder 56 wurden, du müsstest wissen, wieviel Prozent der 15jährigen das 55. (oder 56.) Lebensjahr erreicht haben. Das ist in der zitierten Tabelle aber nicht mit angegeben. Jedenfalls nicht in jenem Abdruck. Und dann müsstest Du noch einen Altersmix der Gefangenen begründen. Doch liegt der angegebene Anteil an der Gesamtbevölkerung niedriger. Daher wäre es verlorene Liebesmüh, da etwa bei einer um 1/3 höheren Zahl (über 1/3 der Bevölkerung war unter 15) schon fast 50 Gefangene reichen, um Deine 5 Befreiten zu erklären. Eine Abschätzung ist also bei höherer Zahl in noch weiterer Ferne.)
 
Ah, ich glaube, ich verstehe. Du verwendest die römische Alterspyramide.

Aber zuerst müßte noch folgendes berücksichtigt werden. Es handelte sich ja um römische Legionen. Für das Eintrittsalter in die römische Legion habe ich verschiedene Angaben gefunden. Einmal 16, einmal 18 und mehrmals wurde als Mindestalter 17 Jahre genannt. Höchsteintrittsalter war 30 Jahre. Dienstzeit 25 Jahre. Ich nehme 17 Jahre als Eintrittsalter. Dann kam die Grundausbildung ca. 3 Monate. Varus Legionen hielten sich ca. 6 Monate in Germanien auf. Auf dem Rückmarsch können wir den jüngsten Legionär mit 18 Jahren ansetzen. Den ältesten mit 30 + 25 = 55 Jahren.

Jetzt könntest du auf deinem Altersdreieck (zur Seite gekippte Pyramide) den Zeitraum 18 - 55, wobei dort z.B. 2000 Leute sich in dem Abschnitt befinden, um 41 Jahre verschieben, also in den
Bereich 59 - 96 Jahre, und nachsehen, wie viele dann dort sind. Man kann der Einfachheit halber ruhig eine lineare Pyramide annehmen für die römische Gesellschaft.

Dann kommst du wahrscheinlich noch auf eine größere Zahl von Übriggebliebenen, vielleicht 10%, also 200 (das ist jetzt geraten, da ich deine Pyramide ja nicht kenne).

Es sind jetzt noch zwei Sachen zu berücksichtigen.

Meine geratenen 5 Überlebenden galten ja nur für die Chatten. Auch andere Stämme könnten ja noch Gefangene gehabt haben.

Und dann ist fragwürdig, ob die römische Alterspyramide für Leute in Gefangenschaft überhaupt gilt. Ja sogar eine ungünstigere germanische Pyramide ist möglicherweise viel zu günstig.

Ich habe mal zwei Schlachten betrachtet, wo man die Anzahl der Gefangenen kennt und die Anzahl der nach einem bestimmten Zeitraum Zurückgekehrten.

1. Dien Bien Phu

Es gingen im Mai 1954 10300 in Gefangenschaft. Im August 1954, also nach 3 Monaten, kehrten 3300 zurück.
Egal, wie man die beiden Punkte nun verbindet, ob linear oder durch eine fallende Exponentialfunktion, nach 41 Jahren ist garantiert keiner mehr da.

2. Es gingen 11000 Mann in Gefangenschaft, nach ca. 12 Jahren waren noch 600 übrig. Linear zu rechnen ist sinnlos, nach 12,7 Jahren wäre man bei Null. Exponentiell gerechnet, wäre nach 41 Jahren immerhin noch ein halber Mann übrig.

(Ich darf dieses Beispiel, bei dem ich die Zahlen verhältnismäßig geändert habe, hier nicht explizit benennen, und ich bitte die von euch, die es trotzdem erkennen, das auch nicht zu tun, da sonst der Thread gesperrt würde).

Nun, diese Beispiele waren mein Ansatzpunkt, weswegen ich es erstaunlich fand, daß nach 41 Jahren immer noch Römer übrig waren. Die Germanen müssen ihre Gefangenen ganz ausgezeichnet behandelt haben!
 
Möglicherweise ist eine Fokussierung rein auf Legionäre etwas zu verengt. El Quijote hat ja bereits auf Jugendliche verwiesen. Wie groß der Tross des Varus angenommen wird und wie er sich zusammen setzte weiß ich nicht. Cassius Dio berichtet von einem umfangreichen Wagentross mit Frauen und Kindern. Vorstellbar erscheint mir, dass es gerade aus den Nichtkombattanten des Trosses heraus etliche Gefangene gegeben haben könnte, und dass sich unter diesen gerade auch Jüngere befunden haben könnten.
 
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Es gingen im Mai 1954 10300 in Gefangenschaft. Im August 1954, also nach 3 Monaten, kehrten 3300 zurück.
Egal, wie man die beiden Punkte nun verbindet, ob linear oder durch eine fallende Exponentialfunktion, nach 41 Jahren ist garantiert keiner mehr da.

2. Es gingen 11000 Mann in Gefangenschaft, nach ca. 12 Jahren waren noch 600 übrig. Linear zu rechnen ist sinnlos, nach 12,7 Jahren wäre man bei Null. Exponentiell gerechnet, wäre nach 41 Jahren immerhin noch ein halber Mann übrig.

Stellt sich nur die Frage, ob man dies mathematisch genau berechnen kann, man also Jahr für Jahr von einer berechenbaren Größe an Verlust ausgehen kann oder es nicht deutlich realistischer ist, dass in einem Jahr eine Menge x1, im nächsten eine Menge x2, im n.ten Jahr eine Menge xn starb, es aber keine mathematische Funktion gibt, mit der man diese Mengen berechnen - und daher auch heute nicht damit argumentieren kann.
Nun, diese Beispiele waren mein Ansatzpunkt, weswegen ich es erstaunlich fand, daß nach 41 Jahren immer noch Römer übrig waren. Die Germanen müssen ihre Gefangenen ganz ausgezeichnet behandelt haben!
Erstaunlich ist es sicher, dass nach 41 Jahren noch Gefangene übrig waren - keine Frage. Aber es ist nicht unmöglich.
Vielleicht wurden sie ja halbwegs vernünftig behandelt, damit man sie lange als Objekt des großen Sieges vorzeigen konnte?
 
@tela:

Ich habe die Beispiele und Rechenmethoden verwendet, die mir bekannt sind. Dadurch habe ich versucht, meine Vermutung (viele Gefangene) auf eine Basis zu stellen. Die ist leider äußerst wacklig, das ist mir klar.

Daß nach 41 Jahren noch Gefangene übrig sind, wird immer weniger erstaunlich, je mehr Gefangene am Anfang da sind. Die Intention dabei ist es, die doch recht dünne Spurenlage in Kalkriese zu begründen. Wenn dort nur 3000 Römer gelagert haben, und von diesen der Großteil in Gefangenschaft ging, dann ist es nicht erstaunlich, daß dort so wenig Kampfspuren zu finden sind, und auch die wenigen Individuen in den Knochengruben werden besser erklärt als nur allein durch das Verschwinden über die lange Zeit (das braucht man natürlich trotzdem noch).
 
1. Nein, Schleppschreck, so komme ich genau auf 7,87%. Die Tabellen zu der Zeit sind in Fünfjahresschritten gehalten. In erhaltenen Schriftquellen der Antike gibt es Spitzen in denselben Schritten. Das wird dahingehend interpretiert, dass oft das genaue Alter nicht bekannt war. Ich muss hier auch auf die fünfjährige Erfassungsperiode des Lustrums aufmerksam machen, die als Zeitraum wohl auch nach Aufgabe der Rituale fortgesetzt wurde. Da die überlieferten Daten daher sinnvoll nur in Fünfjahresschritten zu nutzen sind, halten sich auch heute die Tabellen daran. (Tabellen: keine einfache Alterspyramide, sondern auch die Todesrate und die Lebenserwartung, sollte eigentlich schon einmal jeder im Mathematikunterricht gesehen haben. Bei dem zitierten Abdruck fehlt die Verbindung von erreichtem Alter zu wahrscheinlichem Sterbealter, da das Buch zwar auch als Einführung dienen kann, aber doch eine größere Zielgruppe hat.) Daher kann mit den Zahlen nur mit 15 begonnen werden. Daher sind diejenigen ab 55 Jahren zu betrachten.

2. Die Römischen Musterungskommissionen hatten ähnliche Probleme, die ganz sicher so gelöst wurden, dass genommen wurde, wer körperlich schon geeignet war. Offiziell mussten die Rekruten 17 Jahre alt sein, doch sind Rekruten in einem Alter von 13 bis 36 belegt. Als Regel wird 17 bis 23 angenommen und eine Spitze ist wohl mit 20 festzustellen. Also auch hier müssen wir mangels genauer Daten von einer runden Zahl ausgehen.

3. Es gab Legionäre, die sich nach Ablauf der Dienstzeit von 20 Jahren, bzw. später 25 Jahren erneut verpflichteten. Damit können wir das Alter nach oben offen lassen.

4. Bei den Entlassungen und somit auch den Rekrutierungen gab es Spitzen: Zu bestimmten Zeiten waren die Legionen jünger als zu anderen. Oft wird vermutet, dass gerade eine solche Rekrutierungswelle eingestellt worden war, was die Probleme der Ergänzung nach der Schlacht erklären könnte. Damit wäre der Altersschnitt der Varuslegionen Recht jung (und Arminius hätte es zum großen Teil mit unerfahrenen Gegnern zu tun gehabt).

5. Kriegsgefangene aus der Mitte des 20. Jahrhunderts sind kein geeignetes Vergleichsobjekt. Bestenfalls war ihr Überleben Nebensache. Schlimmstenfalls waren medizinische Versorgung und Verpflegung gar nicht möglich. (Stalingrad, Rheinwiesen; Ich habe mal einen Oberleutnant der Wehrmacht kennengelernt, der von den Amerikanern als Übersetzer angestellt wurde und sagte, dass die Amerikaner zeitweise selbst nicht genug gehabt hätten. Man hatte wohl nicht mit solchen Menschenmengen gerechnet.)

6. Wir reden auch gar nicht von Kriegsgefangenen, sondern von Sklaven. Oder, korrekter ausgedrückt, von Unfreien. Denn dazu wurden die Gefangenen. Nun gab es in Germanien keine Sklavenkasernen. Nach gewisser Zeit wird der Großteil - so er integrationsbereit war - sich auf kleinen Höfen selbständig versorgt haben oder auf Gütern als Landarbeiter oder Hirten tätig gewesen sein. So kann man es auch den Quellen entnehmen, wenn es dort auch stilisiert ist. Wirtschaftlich, sozial und logistisch ist das im Barbaricum auch so zu erwarten. Ein gewisser Teil der Legionäre hatte ein Handwerk gelernt. Schmiede und Zimmerleute unter den Gefangenen stellten sicher einen großen Wert dar. Dann gab es noch Gefangene aus der Römischen Oberschicht. In der Regel waren sie ein Lösegeld wert. Doch hier blieben sie in Gefangenschaft, es ist ausdrücklich erwähnt. Während Rom sich sonst um Gefangene bemühte, geschah es hier erst sehr spät. Augustus mag es unterbunden haben. Dennoch blieben diese Gefangenen ein wichtiges Unterpfand. (Arminius spottet einmal, dass Legionäre, die überlaufen, eigene Höfe bekommen könnten. Das mag auf Ansiedlungen von Gefangenen als Unfreie anspielen.)

(7. Es gibt Andeutungen zu Desertionen oder Befehlsverweigerungen im Zusammenhang mit der Varusschlacht. Ich will das hier nicht diskutieren, aber der Vollständigkeit sei es erwähnt. Wurde ein Deserteur (die es in gewissem Maß immer gab und gibt, auch in der Bundeswehr) aufgegriffen, gab er sich ganz sicher als Gefangener aus.)

(Für das Rekrutierungsalter: Scheidel, Measuring Age, Sex and Death in the Roman Empire, in: Journal of Roman Archaeology, supplement 21, 1996, S.99ff.)
 
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Was in Kalkriese an menschlichem Material überhaupt erhalten ist, ist deswegen erhalten, weil es im Mikrobereich günstige Erhaltungsbedingungen gab. Das waren bei den Knochengruben die mit eingebrachten Kalksteine, die mutmaßlich zur Auskleidung der Gruben verwendet wurde. Ohne die Kalksteine, wären die Knochen vergangen. Als Beispiel sei das Gebiss genannt. Dort wo das Gebiss gefunden wurde - Zähne sind das härteste und dauerhafteste am Körper eines Säugetiers - muss einmal ein ganzer Schädel gelegen habe, die Zähne waren noch da - wenn auch in einem äußerst miserablen Erhaltungszustand, der Knochen war weg.

Was nun die Vergleichbarkeit von Dien Bien Phu angeht: Da sind etliche an Tropenkrankheiten draufgegangen!
 
@tela:

Ich habe die Beispiele und Rechenmethoden verwendet, die mir bekannt sind. Dadurch habe ich versucht, meine Vermutung (viele Gefangene) auf eine Basis zu stellen. Die ist leider äußerst wacklig, das ist mir klar.

Daß nach 41 Jahren noch Gefangene übrig sind, wird immer weniger erstaunlich, je mehr Gefangene am Anfang da sind. Die Intention dabei ist es, die doch recht dünne Spurenlage in Kalkriese zu begründen. Wenn dort nur 3000 Römer gelagert haben, und von diesen der Großteil in Gefangenschaft ging, dann ist es nicht erstaunlich, daß dort so wenig Kampfspuren zu finden sind, und auch die wenigen Individuen in den Knochengruben werden besser erklärt als nur allein durch das Verschwinden über die lange Zeit (das braucht man natürlich trotzdem noch).

Nein. Wie Dir klar sein sollte reichen selbst bei einem Anteil von 2,5% schon 200 Gefangene. Das wäre 1/3 geringer als die bekannten Zahlen. Bei 1% 500. Dumm nur, dass die Zahlen höher liegen und die Lebenserwartung im Barbaricum gut höher gelegen haben kann. Dort gab es keine großen Städte und das Leben als Soldat förderte im Reich auch nicht gerade die Lebenserwartung.
 
Die medizinische Versorgung in der Legion war besser als für den römischen Zivilisten. Und da man als römischer Soldat der Kaiserzeit eine gute Chance hatte, nie ein Schlachtfeld zu sehen, würde ich die Lebenserwartung eines Soldaten nicht unterschätzen.

Ich habe mir was die Lebenswerartung angeht eine der fundierteren Schätzungen gemerkt. Danach hatte ein männlicher Römer, der das 15te Lebensjahr erreicht hatte, eine 50% Chance 46 Jahre alt zu werden. Die eine Hälfte war also bis dahin verstorben, die andere Hälfte wurde älter.

Eine weitere Hälfte verstarb bis zum 61ten Lebensjahr. Das meint, von den 20 Jährigen Gefangenen hätten 25% noch am Leben gewesen sein können nach 40 Jahren. Bei sehr guter Behandlung, versteht sich.
 
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Das eine sehr gute Behandlung Voraussetzung sei, ist nicht stichhaltig. Die Bevölkerung wurde auch nicht so behandelt.

Und angesichts der Marschverluste und der Verluste in den Germanicusfeldzügen ist die Aussage zur höheren Lebenserwartungen von Legionären nicht haltbar.

Kannst Du die gemeinte Untersuchung nennen? Ich suche nach alternativen Daten für ein anderes Thema.
 
Ich habe mir leider nicht die Quelle notiert. Wenn ich sagte, daß man von einer höheren Lebenserwartung bei kaiserlichen Soldaten ausgeht, wegen der besseren medizinischen Versorgung, dann sind natürlich nicht Ausnahmesituationen wie Feldzüge gemeint. Aber da diese bis ins dritte Jahrhundert eher selten waren, und immer nur Teile der Armee betrafen, passt das schon für die allgemeine statistische Lebenserwartung. Ein römischer Soldat des frühen Imperiums hatte sehr gute Chancen, nie ein Schlachtfeld zu sehen.
 
Nicht ein Soldat der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts. Die Gefangenen hätten als Legionäre, wie schon gesagt, die Germanicus-Feldzüge mit ihren extremen Verlustraten mitmachen müssen. Hier geht es ja um eine aktuelle historische Situation und nicht um eine Durchschnittssituation. Und die Marschverluste gab es natürlich auch im Frieden. Diese, sowie die schlechte Unterbringung in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts in den Lagern am Rhein werden nämlich in den mir bekannten Arbeiten zumeist genauso wenig berücksichtigt wie die tatsächlich stattgefundenen Konflikte. Auch nicht, dass die baulichen Großprojekte durch die Legionen ausgeführt wurden. Die Anlage von Straßen ohne moderne Maschinen ist Knochenarbeit. Es gibt hierzulande Beschreibungen, wie dabei noch bis in die zwanziger Jahre junge Männer zugrundegerichtet wurden. Wer in den Semesterferien Tennisplätze angelegt hat, hat einen ungefähren Eindruck. Dazu war die Schinderei nicht nach 4 oder 8 Wochen vorbei. Und auch bei Straßenarbeiten gab es Unfälle, von anderen Baumaßnahmen gar nicht gesprochen.

Zahlen sind für die Behauptung höherer Lebenserwartung als Soldat meines Wissens auch nicht zu finden. Dafür wird es dann in Wargaming- und Reenactmentliteratur unkritisch nachgebetet.

Ich bleibe dann im Übrigen bei den Zahlen, die ich belegen kann.
 
Nicht ein Soldat der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts. Die Gefangenen hätten als Legionäre, wie schon gesagt, die Germanicus-Feldzüge mit ihren extremen Verlustraten mitmachen müssen. Hier geht es ja um eine aktuelle historische Situation und nicht um eine Durchschnittssituation.

Im Zuge der Varusniederlage von Germanen gefangen genommene Legionäre wären durch ihr Los zumindest nicht von dem Risiko der verlustreichen Kämpfe der Germanicus-Feldzüge betroffen gewesen.

Und die Marschverluste gab es natürlich auch im Frieden. Diese, sowie die schlechte Unterbringung in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts in den Lagern am Rhein werden nämlich in den mir bekannten Arbeiten zumeist genauso wenig berücksichtigt wie die tatsächlich stattgefundenen Konflikte. Auch nicht, dass die baulichen Großprojekte durch die Legionen ausgeführt wurden. Die Anlage von Straßen ohne moderne Maschinen ist Knochenarbeit. Es gibt hierzulande Beschreibungen, wie dabei noch bis in die zwanziger Jahre junge Männer zugrundegerichtet wurden. Wer in den Semesterferien Tennisplätze angelegt hat, hat einen ungefähren Eindruck. Dazu war die Schinderei nicht nach 4 oder 8 Wochen vorbei. Und auch bei Straßenarbeiten gab es Unfälle, von anderen Baumaßnahmen gar nicht gesprochen.

Ein Honigschlecken dürfte der Legionärsalltag kaum gewesen sein. Ob es allerdings im Sinne römischer Kommandeure gewesen sein kann, wenn sich Legionäre beim Straßenbau und anderen Bauprojekten nachhaltig die Gesundheit ruinierten? Ein diesbezügliches Verschleißen der Truppen ginge dann einher mit der Inkaufnahme reduzierter Kampfkraft aufwendig gedrillter Truppen.

Allgemein würde ich davon ausgehen, dass im Zuge der Rekrutierungsanforderungen, von personellen Notlagen abgesehen, tendenziell eher überdurchschnittlich fitte Männer zum Legionär wurden, was für eine durchschnittlich nicht allzu schlechte natürliche Lebenserwartung derselben sprechen könnte.

Angesichts weniger überlieferter Lebensdaten von Legionären und der überschaubaren Zahl von Entlassungsurkunden dürfte es schwer sein sich ein anschauliches Bild der durchschnittlichen Lebenserwartung machen zu können.

Ein Versuch einer indirekten Annäherung bezüglich der Lebenserwartung von Legionären der frühen Kaiserzeit könnte evtl. über die von Augustus 5/6 n.Chr. installierte Veteranenkasse (aerarium militare) möglich sein. Seine persönliche Einlage von 170 Mio. Sesterzen hätte ad hoc für die Auszahlung der praemia von ca. 14.000 Legionären im Zuge einer honesta missio gereicht - was nahezu einem Zehntel der Gesamtstärke der Legionen entsprechen würde.
Ab 6 n.Chr. wurde diese Veteranenkasse dann u.a. gezielt durch eine 5-%ige Steuer auf Erbschaften und Schenkungen (lex <julia de> vicesima heriditatium) gespeist, die wohl nicht gravierend verändert bis zu Caracalla bestehen blieb.

Verwaltungsaufwand, Zweckentfremdung wie Korruption mal außen vor gelassen, wie hoch könnten solche Steuererträge bezogen auf Erhebungszeiträume zu veranschlagen sein? Existieren da Zahlen in den Quellen?
Es könnte ja ein Indiz dafür sein, wieviele Legionäre durchschnittlich mit ca. 45 Jahren (ab 5 n.Chr. auf 20 Jahre erhöhte Dienstzeit zuzüglich 5-jähriger Verfügbarkeit als Veteran) in “Pension“ gegangen sein könnten.

Vielleicht bietet diese Überlegung ja eine Annäherung daran, mit welcher Wahrscheinlichkeit es sich bei den 41 Jahre nach der Varusschlacht befreiten Überlebenden um Legionäre gehandelt haben könnte.

Edit:
Es scheint zu Beginn der Kaiserzeit also einen gewissen Druck gegeben zu haben die Auszahlung der aus dem Dienst scheidenden Legionäre zu gewährleisten, dem mittels Erschließung neuer Einnahmequellen wie Dienstzeitverlängerung begegnet wurde.
 
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Da sie aus der Statistik der Legionäre fielen hat der Einwand bezüglich der Germanicus-Feldzüge genau soviel mit dem Thema zu tun, wie dass sie nicht beim Ausbruch des Vesuvs umkamen. Es wurde behauptet, dass Soldaten eine hohe Lebenserwartung hatten. Die Germanicus-Feldzüge widerlegen das als Gegenbeispiel. Es wird immer wieder von 80.000 Mann geschrieben. Allein die Marschverluste für 4 Feldzüge lagen -theoretisch- höher. Im Gegensatz zur frühen Neuzeit, bedeutete ein Zurückbleibender bei den Römern nicht automatisch einen dauerhaften Verlust. Dennoch wird der Gesamtverlust durch die Gefechte über der Mannschaftsstärke gelegen haben. Selbst wenn wir für eine ganze Feldzugssaison nur von 20% Marschverlust statt 25% auf 3 Monate und für eine Schlacht nur von durchschnittlich 10% Verlust ausgehen. Hinzu kommen die Katastrophe im Wattenmeer, die Hinrichtungen wegen der Meuterei, die Verluste durch Unfälle bei Bauarbeiten (Anlegung von Brücken, Limites, Lagern, Verbesserung von pontes longi) und einige andere ungewöhnliche Vorfälle. 130 bis 150 % Verlust wird nicht übertrieben sein, wobei natürlich auch damals Veteranen höhere Überlebenschancen hatten, die Verluste bei den Jüngeren höher waren.

(Im siebenjährigen Krieg lagen die Verluste in den Schlachten bei den Preußen -mit ein paar Ausnahmen nach unten und nach oben- bei 20-30%, die Marschverluste waren wegen der besseren Organisation schon etwas niedriger als in der frühen Neuzeit, die gesundheitliche Betreuung war zwar als Problem erkannt, aber immer noch Katastrophal. Musste der König dreimal schlagen, waren das 60 bis 80 % Verlust, vorausgesetzt, er konnte die Gefallenen durch andere Einheiten oder Ersatz ergänzen. Dazu kamen die kleineren Gefechte und die Marschverluste. Das ist durchaus zu vergleichen. Die genauen Zahlen wird der eine so oder so modifizieren, aber die Angaben aus den Handbüchern bleiben dennoch die Grundlage. Wenn ich meine Notizen anschauen würde, würde ich vielleicht etwas andere Zahlen nennen, dennoch blieben die Verluste erstaunlich hoch, im Vergleich zu der Truppenstärke der Armeen.)

Im Krieg werden Leute verheizt. Und die Bauten der Legionen gehörten zum Sicherheitskonzept. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die übliche, die Schrecken weitgehend aussparende Darstellung zu dem Eindruck eines Wandertags führt, der unerquicklicherweise durch Massenschlägereien unterbrochen wird. Diese Leute waren auf Brutalität gedrillt und abgestumpft. Den Alltag würden die meisten von uns nicht ertragen. Die Kriegführung basierte auf äußerster Brutalität.

Und natürlich war die Arbeit hart. Jede andere Vorstellung ist extrem naiv, da andere Denkungsweisen noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abgelehnt wurden. Einige dieser unmenschlichen Bestimmungen, wie z.B. für den Transport von Soldaten fanden sich noch im 21. Jahrhundert in den Dienstvorschriften der BW. Da wurde auch nicht bewusst auf die Kampfkraft geachtet, obwohl man sich im Gegensatz zur Antike der Zusammenhänge bewusst war. Damals war eine Denkungsart, dass man froh war, wenn weniger Glückliche vor der Schlacht durch Unfall/Krankheit/Verschleiß aussortiert wurden.

Bewusst habe ich den Straßenbau erwähnt. Die Härten dabei sind nicht wegzudiskutieren, da die Arbeit nicht anders auszuführen war.

Und obwohl die Mehrheit heute anders denkt, richten heute die Arbeitgeber des Baugewerbes immer noch ihre Mitarbeiter so zu Grunde, dass viele schon bei Eintritt ins Rentenalter arbeitsunfähig sind. Eigentlich auch dumm von den Arbeitgebern, erfahrene Handwerker so zu behandeln, wo sie doch selbst ausbilden müssen.. Warum sollten römische Stabsoffiziere, die sowieso mit der Mannschaftsführung nicht befasst waren, aufgeklärter gedacht haben? (Was dann auch die Zwangsläufigkeit des Schlusses widerlegt.) Und noch heute, wird davon geredet, was jemand braucht, wenn es darum geht, Bedürfnisse zu leugnen, wie z.B. eine ausreichende Ernährung.

Und die Gefangenen waren keine Soldaten mehr, sie waren Sklaven/Unfreie. Daher sind die Überlegungen zum Alter von Legionären unerheblich zur Beurteilung. Ich bleibe bei den Zahlen für die Gesamtbevölkerung unter dem Hinweis, dass ein Unfreier bei den Germanen in der Regel ein gesünderes Leben als Römische Stadtbevölkerung und Römische Soldaten führten. Die Wirtschaft im Barbaricum war nicht auf Sklavenkasernen und Steinbrüche ausgelegt, um es überspitzt zu sagen.

Ich habe zwar gerade kein Fieber, bitte aber um Nachsicht, wenn das nicht verständlich ist.

[Lukullus, dass daraus, dass das Geld für die Entlassung von 10% der Legionen reichte,nichts zu schließen ist, weil aufgrund der Dienstzeit von 20, bzw. 25 Jahren im Durchschnitt unter 5, bzw. 4% entlassen wurden, versteht sich wohl von selbst. Allerdings wurden die Entlassungen in zweijährigem Turnus vorgenommen. Dafür wurde die Dienstzeit in der späten Regierungszeit des Augustus oft um Jahre verlängert. Wieviele das Ende der Dienstzeit erlebten kann also auch so nicht berechnet werden. Man hat Entlassungsdiplome untersucht. Dazu müsste etwas bei dem oben zitierten Scheidel stehen, wenn ich es richtig im Kopf habe.]
 
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