Napoleons Scheitern eines vereinigten Europas

Ich sehe das bei allen diesen künstlich von Napoléon geschaffenen Staaten ähnlich. Sie hatten positive und negative Seiten. Das Problem war m.E., dass Napoléon kein Staatsmann sondern vorwiegend Soldat war und sich auch von Staatsmännern nicht beraten ließ - d.h. auf diese nicht hörte.
Wie sollte man Vertrauen in einen neuen Staat aufbauen, wenn dieser reine Verhandlungsmasse war? Die französischen Satellitenstaaten wurden nach Napoleons Gutdünken errichtet, vergrößert, verkleinert oder wieder aufgelöst (z.B. Königreich Holland oder die italienischen Republiken). Die Satellitenstaaten besaßen demnach nie eine tatsächliche territoriale Integrität. Alle Versuche ihnen eine irgendwie eigenständige Politik zu geben - wie unter Louis in Holland - wurden rücksichtslos von Napoléon auf Kosten des künftigen Zusammenhalts verhindert. Die neuen deutschen Staaten, die aus älteren hervorgegangen waren (wie das Ghzm. Baden) konnten sich trotz der innewohnenden Konflikte auch nur behaupten, weil oder wo man mehr Fingerspitzengefühl bezeigte als es Napoléon jemals getan hat. Da fällt mir z.B. in Baden das Beispiel ein, dass die Feinde der Angliederung Vorderösterreichs nicht verhaftet und hingerichtet, sondern nur beobachtet wurden. Sonst hätte man wahrscheinlich bürgerkriegsähnliche Zustände provoziert, die einer Großmacht wie Österreich in die Hände gespielt hätten.

Einen Staatsmann würde ich Napoleon schon nennen, wäre er nur ein Militär gewesen, wäre seine Nachwirkung nicht eine so nachhaltige gewesen, und es hätten die Reformen und Institutionen, die er geschaffen hat nicht so lange Bestand gehabt. Das umso mehr, da er ja letztlich als Militär gescheitert ist und die Fürsten sich alle Mühe gaben, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, als wenn es die Französische Revolution und Napoleon, der trotz allem ein Kind dieser Revolution war nie gegeben hätte.

Die Departements, die er geschaffen hat, gibt es in Frankreich heute noch, und das Zivilrecht der meisten europäischen Staaten basiert auf dem Code Civil oder wurde zumindest stark davon beeinflusst.

Die französischen Satellitenstaaten waren freilich meist ohne Rücksicht auf gewachsene historische Traditionen kreiert worden, zu schwach war die Souveränität dieser Staaten zu gering der Handlungsspielraum ihrer Häupter und dadurch bedingt war auch die Autorität von Persönlichkeiten wie König Jêrome relativ gering, zumal die Loyalität der Mehrheit der Bevölkerung zu Fürsten von Geblüt wie Wilhelm I. von Kurhessen immer noch groß war.

Das Problem von Modellstaaten wie dem Königreich Westphalen war, dass Napolens Neuordnung Europas größten Teils auf ihre Kosten geschah und Napoleon rücksichtslos der Zugriff auf die Ressourcen dieser Staaten zurückgriff. Personell war auch nicht immer die Besetzung mit Napoleoniden und Marschällen eine glückliche, Leute wie Murat mochten tüchtige Generale sein, als Administratoren und Staatsmänner fehlten ihnen Erfahrungen.
 
Einen Staatsmann würde ich Napoleon schon nennen, wäre er nur ein Militär gewesen, wäre seine Nachwirkung nicht eine so nachhaltige gewesen, und es hätten die Reformen und Institutionen, die er geschaffen hat nicht so lange Bestand gehabt. Das umso mehr, da er ja letztlich als Militär gescheitert ist und die Fürsten sich alle Mühe gaben, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, als wenn es die Französische Revolution und Napoleon, der trotz allem ein Kind dieser Revolution war nie gegeben hätte.

Die Departements, die er geschaffen hat, gibt es in Frankreich heute noch, und das Zivilrecht der meisten europäischen Staaten basiert auf dem Code Civil oder wurde zumindest stark davon beeinflusst.
Wie Lafayette II. schon sagte, waren die Departements nicht seine Erfindung.
Sein neuer Staatsaufbau mit dem Sénat conservateur schuf einflussarme Scheinparlamente. Schon im Directoire wurde der Rat der 500 als eine unnötige finanzielle Belastung für die Bevölkerung empfunden. Die neuen Gremien, die mit der Constitution de l'an VIII aufkamen, waren letztlich noch sinnloser. Das Inkrafttreten des Code Civile steht am Ende einer Entwicklung von 1793 bis 1804. Die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung des Rechts in Frankreich wurde wohl auch schon im Ancien Régime eingesehen, aber scheiterte wohl am Widerstand der Parlamente infolge ihres Erstarkens 1715 und dann nochmal 1774. Wenn wir das Preußische Landrecht direkt auf Friedrich II. zurückführen, so müssen wir wahrscheinlich den Code Civile auch auf die Revolution zurückführen. Vieles, was 1793 evtl. vorgesehen war, wurde unter der Federführung von Napoléon und Cambacéres (nicht umsonst im Jahr des Brumaire-Putsches bereits Justizminister) natürlich revidiert.

Interessant wäre, inwiefern auch die negativen Aspekte an Napoleons staatsmännischen Versuchen auf die Satellitenstaaten übergingen. Er hatte ja mit Fouché den richtigen Mann für ein tiefgreifendes Spionagewesen, welches sowohl nach außen aber vor allem nach innen Abweichler und Umstürzler aufspüren sollte. Reichardts (Geheime Briefe aus Paris von 1802/03) Einschätzung der Umwälzung des Bildungswesens aber auch der Wissenschaften klingen durchweg vernichtend.

Wie sah man eigentlich in Italien die französische Fremdherrschaft? Napoléon hat ja sehr abfällig über die Italiener geurteilt und ihnen jegliche Befähigung über ihr Schicksal selbst zu bestimmen abgesprochen. Deswegen hat sich Napoléon wohl auch einfach selbst zum König von Italien gemacht und seinem Stiefsohn lediglich die wenig schmeichelhafte Rolle eines Vizekönigs zugestanden. Was hielten denn die ehemals vom Directoire geförderten (jakobinischen) Eliten davon?
 
Das Inkrafttreten des Code Civile steht am Ende einer Entwicklung von 1793 bis 1804. Die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung des Rechts in Frankreich wurde wohl auch schon im Ancien Régime eingesehen, aber scheiterte wohl am Widerstand der Parlamente infolge ihres Erstarkens 1715 und dann nochmal 1774. Wenn wir das Preußische Landrecht direkt auf Friedrich II. zurückführen, so müssen wir wahrscheinlich den Code Civile auch auf die Revolution zurückführen. Vieles, was 1793 evtl. vorgesehen war, wurde unter der Federführung von Napoléon und Cambacéres (nicht umsonst im Jahr des Brumaire-Putsches bereits Justizminister) natürlich revidiert.
Interessant wäre es zu wissen, inwiefern Napoleon den Code Civile beeinflusst hat. Hat er Aspekte aus dem Code Civile entfernen lassen? Oder die Entwicklung generell unterstützt? Wenn ja, warum? Aus realpolitischen Gründen oder tatsächlich innerer Überzeugung?
 
Interessant wäre, inwiefern auch die negativen Aspekte an Napoleons staatsmännischen Versuchen auf die Satellitenstaaten übergingen. Er hatte ja mit Fouché den richtigen Mann für ein tiefgreifendes Spionagewesen, welches sowohl nach außen aber vor allem nach innen Abweichler und Umstürzler aufspüren sollte. Reichardts (Geheime Briefe aus Paris von 1802/03) Einschätzung der Umwälzung des Bildungswesens aber auch der Wissenschaften klingen durchweg vernichtend.

Ich kann jetzt nur für das Königreich Westphalen mit Informationen dienen. Die bedeutendste Neuerung war die Einführung einer Gendarmerie nach französischem Vorbild, die Abschaffung der alten adeligen Patrimonialgerichte und die Besetzung von Beamtenstellen durch Juristen, die eine akademische Ausbildung abgeschlossen hatten. Das Territorium der alten Landgrafschaft Hessen-Kassel wurde in zwei Departements, das Fulda- und das Werra-Departement aufgeteilt. Unterhalb der Departements gab es Kantone, und Distrikte. In jedem Kanton wurde ein Friedensgericht, in jedem Distrikt ein Zivilgericht erster Instanz, und in jedem Departement ein peinliches Kriminalgericht und für das ganze Königreich ein Apellationsgerichtshof eingerichtet. Die peinlichen Kriminalgerichte waren für Kriminalfälle die höchsten Instanzen und gleichzeitig Apellationsinstanzen für die niederen Gerichte. Die Gerichtshöfe wurden aus einem Präsidenten, zwei Richtern einem Generalprokurator und einem Sekretär zusammengesetzt. Sitz des Kriminalgerichtshof des Werra-Departements war Marburg, der des Fulda-Departements Kassel. Ein weiterer Kriminalgerichtshof war im thüringischen Heiligenstadt angesiedelt.

Zur Aburteilung von schwerer Kriminalität und politischen Vergehen wurde in den rechtsrheinischen von Frankreich annektierten Territorien Spezialgerichte eingerichtet. Diese wurden konzipiert aus einem Vorsitzenden, zwei Richtern, zwei Privatpersonen als Beisitzern und 3 Offizieren zusammengesetzt. Es gab allerdings nur in Köln ein solches Gericht, und da es an deutschen Beamten mangelte, die über die nötige Qualifikation verfügten und denen die Verwaltung genug Vertrauen zubilligte, wurde es mehrheitlich mit Franzosen besetzt. Es gab keine Möglichkeit, Berufung oder Revision gegen die Urteile dieses Spezialgerichts einzulegen. Verurteilung war auch auf Indizienbasis möglich, und die Urteile wurden innerhalb kürzester zeit vollstreckt. Die Banditen Carl Heckmann und Mathias Weber, genannt Fetzer wurden dort guilliotiniert. Der berüchtigte Bandit der Großen Niederländischen bande Abraham Picard fürchtete, nach seiner Festnahme in Fechenheim bei Frankfurt an die Franzosen ausgeliefert zu werden. er behauptete, an einem Raubüberfall in nieder Seelheim bei Kassel beteiligt gewesen zu sein, um in
Kurhessen bleiben zu können, war aber zwei Jahre zu keinem Geständnis zu bewegen. 1807 starb er im weißen Turm des Marburger Schlosses. seinen Leichnam kaufte die jüdische Gemeinde frei, und er wurde auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt.

Das Justizpersonal rekrutierten die Franzosen im Königreich Westphalen aus dem Beamtenstamm der alten kurhessischen, hannoverschen und preußischen Verwaltung. Jedenfalls war das im Werradepartement der Fall, und es würde mich sehr wundern, wenn das in den anderen Departements anders war. Die meisten dieser Beamten konnten ihre Karriere fortsetzen, als 1813 der Kurfürst Wilhem I. (IX.)
von Hessen aus dem Exil zurückkehrte. Die neu eingesetzte Gendarmerie wurde vor allem aus altgedienten Unteroffizieren der landgräflich hessischen, hannoverschen und preußischen Armee zusammengesetzt. In der Kriminalitätsbekämpfung hatte es schon vor napoleonischer Zeit Informanten und Polizeispitzel, sogenannte "Fleischmänner" gegeben. Diese waren Informanten aus der Szene, die zwar gut bescheid wussten, häufig aber neben wertvollen Informationen ihren Job nutzten um Konkurrenten zu verpfeifen um sich für die eigenen Straftaten Rabatt zu verschaffen. Es ist anzunehmen, dass die westphälischen Justizbehörden weiterhin solche Informanten einsetzten und das Spitzelwesen ausbauten.

Vieles im neuen Musterstaat Westphalen war also nicht gar so neu, und personell arbeiteten die westphälischen Behörden mit den alten hessischen, preußischen und hannoverschen Eliten weiter.
Auch die westphälische Armee übernahm im Großen und Ganzen das Stammpersonal ihrer Vorgänger, vor allem die jüngeren Offiziere, die nicht von Adel oder begütert waren. Von den höheren und älteren Offizieren gingen viele in den Ruhestand. Von dem letzten Kommandeur der hessischen Festung Ziegenhain, die 1806 an die Franzosen übergeben wurde, schrieb ein Metropolitan der gleichen Gemeinde, der sich mit der geschichte der Region beschäftigte über diesen Kommandeur Johann Justus Schenk von Schweinsberg: "Er starb 1807 mit einem althessischen Fluch auf die "Lausefranzosen".

Als die Festung übergeben wurde, der Kurfürst war schon geflüchtet, waren vor allem die alten Unteroffiziere verbittert und warfen Kanonen und Musketen in den Festungsgraben. Ein Unteroffizier namens Triebfürst wurde 1806 von italienischen Soldaten der Grande Armee erschossen. Die Träger der Aufstände 1806 und 1809 waren vor allem Veteranen und altze Unteroffiziere aus dem Unabhängigkeitskrieg und einige Offiziere aus der althessischen Ritterschaft wie die von Dornbergs und von Gilsa. Sie wendeten Taktiken und Guerillamethoden an, die sie in Amerika gelernt hatten und den Patriots abgeschaut hatten, die Loyalisten bekämpften. Aufstände wie der des Freiherrn von Dörnberg 1809 und der des preußischen Majors von Schill scheiterten.

In Mitteleuropa konnte das kaum gelingen, dafür bekam Napoleons Grande Armee in Spanien große Probleme, und die Antwort war Terror. Die Zeichnungen "Los Desatros de la Guerra" von Francisco Goya ähneln denen von Jaques Callot aus dem Dreißigjährigen Krieg. Von den meisten Zeitgenossen wurden wie schon gesagt die Franzosen als Unterdrücker und Satellitenstaaten wie das Royaume Westphalie als Fremdherrschaft wahrgenommen. Napoleons Grande Armee at auch herzlich wenig, sich die Sympathie der Bevölkerung zu sichern. Im Gegenteil! Überall wurden Klagen über Plünderungen, Erpressungen und Übergriffe laut, die nur allzu berechtigt waren.

Schon im Siebenjährigen Krieg hatten französische Soldaten die Bevölkerung drangsaliert, was sich im Geschichtsbewusstsein der Zeitgenossen eingeprägt hatte und das Verhältnis der Besatzungsmacht zur einheimischen Bevölkerung zusätzlich belastete. Fairerweise muss allerdings gesagt werden, dass auch die alliierte Armee aus Hannoveranern, Braunschweigern, Hessen und Briten sich wenig besser aufführte. Besonders die Legion britannique ging skrupellos vor und plünderte die Gegend um die Festung Ziegenhain aus, so dass das deutsche Regiment Nassau, das 1759 die Festung kampflos eingenommen hatte, seine Forderungen reduzieren musste. 1760 war fast die ganze Stadt abgebrannt, da der hessische General Schlüter die Festung durch Brandgeschosse beschießen ließ, um die Franzosen zur Aufgabe zu nötigen. Der militärische Erfolg war gering und erst 1762 zogen die Franzosen ab.
 
Zurück
Oben