Nikulasverweis - Gnitaheide

Anhaltspunkt wäre halt, dass er diese Orte überhaupt erwähnt.
Das ist doch kein Anhaltspunkt. Nikulas erwähnt immer wieder Orte, die zwar zum Übernachten genutzt werden können, aber innerhalb einer Tagesstrecke liegen.

Suðr frá Placinzu [Piacenza] er dagfǫr til Domnaborgar [Borgo San Donnino = Fidenza]. Þar er Eiríksspítali á milli.

Von Piacenza bis Fidenza sind es ca. 37 km, das ist eine relativ kurze Tagesstrecke.

Und mitunter erwähnt er Orte, bei denen es halt nicht um die Übernachtung geht, sondern um die Identifikation mit sagenhaften Örtlichkeiten:

Þá er Montraflar [Pontremoli?]. Þá er dagfǫr til Maríugildis [?]. Þá er Luna [Luni], þar er Lunasandar [La Lunigiana] hjá borginni. Þar er tíu mílur at fara of þá ina fǫgru sanda, ok er ǫllum megin borgir, ok er þangat viðsýnt. Á millum Maríugildis ok Lunu er Stephanusborg [Santo Stefano di Magra] ok Maríuborg [?]. Í Lunusǫndum kalla sumir menn ormgarðr, er Gunnar var í settr.

An der heutigen ligurisch-toskanischen Grenze befand sich also die Schlangengrube, in die Atli/Attila den König Gunnar/Gunther geworfen hat...
 
Wie wäre es denn wenn man für Kiliandr ganz einfach Caldern = Calantra einsetzt?

Caldern – Wikipedia

Nehmt einmal google.maps: die kürzeste Verbindung von Paderborn nach Mainz, zu Fuß beträgt 234 km. Auf dieser Strecke liegen Marsberg, Korbach, Frankenberg, Lichtenfels, Wetter, Caldern, Marburg. Denn das ganze nennt sich Weinstrasse (von vehin / fahren oder von Wagen) und ist eine heute noch beeindruckende vorgeschichtliche Höhenstraße im Marburger Land. Mit Fernblick zu Vogelsberg, Dünsberg und Feldbergkamm. Das Marburger Schloß liegt günstig seitlich fast auf gleicher Höhe. Es gibt mehrere historisch bedeutsame Furten über die Diemel (nahe Marsberg), Eder (Frankenberg) und die Lahn (Caldern, Niederweimar).

Auf diesen Höhenzügen kam man natürlich schon zur Römerzeit zu den augusteischen Lagern bei Limburg, nach Waldgirmes, aber vor allem in die Wetterau mit ihren Vorratslagern für Expeditionen im Kastell Arnsburg. Oder umgekehrt, schlecht gelaunte Römer zu den Marsern oder Cheruskern.

So oder so, man vermeidet die sumpfigen Talniederungen und reist sicher auf den früher fast kahlen Berghöhen des Buntsandsteins.

Warum dann überhaupt über Kilianstädten? Das liegt doch in der nordhessischen Pampa, die Strecke von Paderborn nach Mainz ist deutlich länger (249 km) und vom Gelände ungünstiger, und die Straße weniger begangen.

Caldern war natürlich auch Kloster (wenn auch urkundlich nachgewiesen erst mit einer Schenkung von Sophie von Brabant), Unterkunftsort für Pilger. Caldern ist auch Talort zur eisenzeitlichen Festung auf dem Rimberg.
Entlang der Weinstrasse und in ihrer Verlängerung liegen jede Menge fränkische Festungen (Christenberg, aber auch nicht weit zu den "Höfen" bei Dreihausen), Königshöfe (z.B. Ebsdorf), befestigte Flussübergänge, romanische Kirchen und Klöster.
 
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Von mir aus auch, du argumentierst da ja auch recht schlüssig. Mein Ansatz war halt, in Kiliandr den Heiligenamen Kilian zu identifizieren, wo also liegt auf der Route eine Kilianskirche?
Man kann natürlich unterstellen, das der reisende Abt Kaldern hörte und dann daraus pseudoreetymologisierend Kiliandr machte.
 
Wie wäre es denn wenn man für Kiliandr ganz einfach Caldern = Calantra einsetzt?

Der Name lautete um 1200 Kalderen, man müsste also eine ziemlich grobe Verballhornung unterstellen.

Grobe Verballhorungen bei den deutschsprachigen Ortsnamen halten sich bei Nikulas in Grenzen, ich nenne die Namen entlang der Reiseroute (hochmittelalterliche Namenformen in Klammern):

Heitsinnabǿ = Itzehoe (Ezeho)
Stǫðuborg = Stade
Ferduborg = Verden
Nýjuborg = Nienburg
Mundíuborg = Minden
Pǫddubrunna = Paderborn
Meginzuborg = Mainz (Megenze)
Spíra = Speyer (Spire)
Selsborg = Selz
Stransborg = Straßburg
Boslaraborg = Basel
Solatra = Solothurn (Solotren)

Caldern war natürlich auch Kloster (wenn auch urkundlich nachgewiesen erst mit einer Schenkung von Sophie von Brabant)
... ungefähr 100 Jahre später, das Kloster entfällt also als Argument.

Es ist auch nicht zwingend gesagt, dass das Dorf "Kiliandr" ein Übernachtungsort war, vielleicht war das nur als Orientierungspunkt für den Ort des Drachenkampfs gedacht. (Attilas Schlangengrube wurde sicher nicht wegen eventueller Übernachtungsmöglichkeiten genannt.)

Das liegt doch in der nordhessischen Pampa
In der südhessischen, würde ich sagen. Und von "Pampa" (heiðr) schreibt ja Nikulas just in diesem Zusammenhang...


EDIT:

"Der alte Vorschlag, Kiliandr mit dem Ortsnamen Kaldern an der oberen Lahn, nordwestlich von Marburg, zu identifizieren, ist - wie mir der Spezialist für Straßengeschichte Dr. Herbert Krüger (Gießen) schreibt - wegen der abseitigen Lage von Kaldern unwahrscheinlich. Krüger selbst hält den Ort Korbach in Hessen wegen seiner frühen Kilianskirche und wegen seines wichtigen Straßenschnittpunktes für Kiliand!"
Namenstudien zum Altgermanischen

Herbert Krüger (Kunsthistoriker) – Wikipedia
http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2018/13765/pdf/MOHG_62_1977_S5_16.pdf
 
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(Attilas Schlangengrube wurde sicher nicht wegen eventueller Übernachtungsmöglichkeiten genannt.)
( :D:D:D )
(ich hab gerade ein wenig auf den zugängigen Seiten geschmökert und Tränen gelacht angesichts eines "Autodidakten" namens Erich Röth, der aus einem thüringischen Hainich-Dialekt eine illyrisch-litauische "Grundsprache" bastelt (einer seiner "Beweise" für diese ist "Manometer", was illyrisch-litauisch sein soll...) - es gibt also auch abseits von Armin-Siegfried und den Drachenrömern amüsantes)
 
Der Name lautete um 1200 Kalderen, man müsste also eine ziemlich grobe Verballhornung unterstellen.
Der Name um 817 war Calantra, im Codex Eberhardi.
Da ist Kiliandr keine grobe Verballhornung von Calantra.

  • Auf der ganzen Strecke von Paderborn nach Mainz waren keine zeitgenössischen Kilianspatrozinien.
  • Und es gab zu Lebzeiten von Nikulas auf dieser Strecke keine Ortschaft die auch nur entfernt Kilian als Namensbestandteil hatte.
  • Die Kilianskirche in Marburg: "Die ehemalige Kilianskapelle wurde etwa zwischen 1180 und 1200 im romanischen Stil als Marktkapelle der Pfarrei Sankt Martin zu Oberweimar erbaut." Marburg wurde erst 1227 eigenständige Pfarrei. Das Martinspatrozinium in Oberweimar ist natürlich alt.
  • Kilianstädten: Laut Wikipedia Stetin (839), Kilionsteiden (1290), Kyliansteden (1302). Also auch nicht zeitgenössisch, abgesehen davon dass es 1305 erstmals die Erwähnung eines Pfarrers hatte.
  • Korbach: Das Kilianspatrozinium entstand erst später. Trotzdem ist Korbach auf der vermutlichen Strecke die Nikulas genommen hat.
Caldern ist direkt auf der kürzesten und vielbegangensten Verbindung zwischen Paderborn und Mainz. Das ist nicht "entlegen".
Der Lahnübergang in Caldern ist immer bedeutend gewesen, und als Flussübergang erwähnenswert auch für Nikulas.
Auf der anderen Flußseite ist übrigens eine kleine Straßenfeste aus dem 8.-11. Jahrhundert: Burgstall Brungershausen – Wikipedia

Das ändert allerdings nichts daran dass die liebliche Landschaft dort nicht im entferntesten an eine "gnitaheide" denken lassen würde, und auch Fafnir kann ich mir vom Temperament her beim besten Willen nicht als Mittel- oder Oberhessen vorstellen.
 
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Der Name um 817 war Calantra, im Codex Eberhardi.
Ja, das war über 300 Jahre vor Nikulas, daher habe ich ja auf die mittelhochdeutsche Namenform aufmerksam gemacht. Von der müssen wir natürlich ausgehen.

Auf der ganzen Strecke von Paderborn nach Mainz waren keine Kilianspatrozinien.
Das stimmt nicht, das oben erwähnte Korbach hat ja eine Kilianskirche. Aber wofür oder wogegen wäre das ein Argument?

Caldern ist direkt auf der kürzesten Verbindung zwischen Paderborn und Mainz. Das ist nicht "entlegen".
Die Frage ist, ob die Fernwege auf dieser "kürzesten Verbindung" verliefen. Ist die Auskunft des Straßenspezialisten (Stand 1971) heute überholt? Gibt es neuere Erkenntnisse?

Die Behauptung, dass Caldern anno 1154 Station für Rompilger gewesen sein, basiert offensichtlich auf einem Zirkelschluss.
 
Ich halte Korbach auch nicht für eine überzeugende Alternative. Mir erschließt sich auch nicht, warum wir nach Kilianspatrozinien suchen sollen. Nikulas hat eigentlich Ortsnamen und Patrozinien immer auseinandergehalten. Er wird tatsächlich einen Kilian-Ortsnamen gemeint haben.
 
Auf der ganzen Strecke von Paderborn nach Mainz waren keine Kilianspatrozinien.
  • Und es gab zu Lebzeiten von Nikulas auf dieser Strecke keine Ortschaft die auch nur entfernt Kilian als Namensbestandteil hatte.
  • Die Kilianskirche in Marburg: "Die ehemalige Kilianskapelle wurde etwa zwischen 1180 und 1200 im romanischen Stil als Marktkapelle der Pfarrei Sankt Martin zu Oberweimar erbaut." Marburg wurde erst 1227 eigenständige Pfarrei. Das Martinspatrozinium ist natürlich alt.
  • Kilianstädten: Laut Wikipedia Stetin (839), Kilionsteiden (1290), Kyliansteden (1302). Also auch nicht zeitgenössisch, abgesehen davon dass es 1305 erstmals die Erwähnung eines Pfarrers hatte.

Dass die Kilianskapelle in Marburg zu jung ist, darauf hatte ich hingewiesen. Ich weiß, dass die Argumentation auf tönernen Füßen steht, wenn man mit Orten argumentiert, deren Gründungsdatum unbekannt ist bzw. wo unbekannt ist, wann ein bestimmtes Patronizium eingerichtet wurde. Aber umgekehrt sollte man Erstüberlieferung nicht mit Gründungsurkunde verwechseln. Bei Kilianstädten oder in Mainz wissen wir schlicht nicht, WANN das Kilianspatronizium eingerichtet wurde. Es gibt in Andalusien Flussnamen, die arabischen Ursprungs sind, aber deren Name nicht vor Ende der Reconquista belegt sind, oder wo man der Meinung ist, dass ein anderer arabisch überlieferter Name diesen Fluss bezeichnet. Der Name wird aber nicht erst nach der Reconquista seinen Namen erhalten haben.
Es gibt aber auch Flüsse mit mutmaßlich lateinischer Namensgebung, die uns aus arabischen Quelken im hebräischen Gewand überliefert sind. Z.B. der Darro in Granada. Bis in die 1950er Jahre haben dort arme Leute im Nebenerwerb Gold gewaschen. Erstbeleg in einer arabischen Quelle: Hadarro, was man - Granada war Ġarnāṭa al-Yahūd - als Hybrid zwischen der im andalusischen Romanisch verschliffenen Form von dat aurum (Kastilisch da oro - da ist man schon fast bei Darro) und dem hebräischen Artikel ha ansieht. Vermutlich Jahrhunderte nachdem der Darro seinen Namen von einer romanischsprachigen Bevölkerung erhalten hat, lesen wir diesen Namen, hebräisch überformt erstmals in einer arabischen Quelle. Obwohl der Darro nur der zweitwichtigste Fluss von Granada ist, dürfte er den meisten Granadabesuchern, die mehr als nur die Alhambra kennenlernen, der präsentere sein, weil er durch Altstadt und Ausgehviertel fließt
Was ich mit diesem Exkurs sagen will: Mitunter können zwischen Gründung/Benennung und überliefertem schriftlichem Erstbeleg mitunter Jahrhunderte vergehen. Meines Wissens nach ist weder in Korbach, noch in Kostheim oder in Kilianstädten das Gründungsjahr des Kilianspatronizium gesichert, nur in Marburg ist es definitiv zu spät. Und Kilianstädten - wie gesagt, ich hinauf diesen Ort nicht festgelegt, es ist ein Vorschlag - liegt auch nicht sooo abseitig. Es sind heute 20 km mehr über Kilianstädten, als auf der Direktroute PB-MZ.

Mir erschließt sich auch nicht, warum wir nach Kilianspatrozinien suchen sollen. Nikulas hat eigentlich Ortsnamen und Patrozinien immer auseinandergehalten. Er wird tatsächlich einen Kilian-Ortsnamen gemeint haben.
Weil nun mal Patronizien sehr oft Grundlage von Ortsnamen sind. Und gerade wenn es ein iroschottischer Heiligenname und nicht der eines germanischen Großbauern, dann sehe ich das Patronizium als logische erste Wahl.
 
Naja, bevor mir @Sepiola den Kopf abreisst:
"So wurde der erste Dom Paderborns von Papst Leo III. im Jahr 799 den Heiligen Maria und Kilian geweiht."
Und Kostheim hatte ich auch nicht bedacht.

Und gerade wenn es ein iroschottischer Heiligenname und nicht der eines germanischen Großbauern, dann sehe ich das Patronizium als logische erste Wahl.
Zumal es sich um einen gebildeten Geistlichen handelte, auf Pilgerreise, der systematisch und reflektiert dachte und uns sein Wissen übermittelt hat.
Ist es auch eine der ersten Fafnir-Erwähnungen?
 
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Die Frage ist, ob die Fernwege auf dieser "kürzesten Verbindung" verliefen. Ist die Auskunft des Straßenspezialisten (Stand 1971) heute überholt? Gibt es neuere Erkenntnisse?

Nun ja, die von @Pardela_cenicienta genannte Weinstraße lief nun einmal von Frankfurt über Marburg nach Paderborn, sie ging zumindest durch Sterzhausen, den Nachbarort Calderns. Wieso der "Straßenspezialist" (wie wird man das? Selbsternannt?) das als "entlegen" bezeichnet, bleibt etwas rätselhaft.
 
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