Ordensburgen

Arne

Premiummitglied
Am Wochenende hatte ich Gelegenheit die ehemalige Ordensburg Vogelsang in der Eifel zu besichtigen. Seit dem 1.1.2006 sind die Belgier dort abgezogen und die Anlage soll zukünftig zivil genutzt werden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ordensburg_Vogelsang

Neben Crössinsee (Pommern) und Sonthofen (Bayern) war das die dritte von der Deutschen Arbeitsfront (DAF) errichtete Schulungsstätte für zukünftiges Führungspersonal der NSDAP. Crössinsee ist heute von der polnischen Armee genutzt, Sonthofen von der Bundeswehr.

Wer kennt sich mit den verschiedenen Bildungseinrichtungen aus? Der Wikipedia-Artikel zu den Ordensburgen ist leider wenig konkret und macht einen eher schlechten Eindruck.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ordensburg

Ich habe das Gefühl, im Internet werden häufig diese Ordensburgen mit den SS-Einrichtungen (Junkerschulen Bad Tölz, Braunschweig und der Wewelsburg) sowie den Napola-Schulen (lt. Wikipedia bis zu 43) verwechselt.
http://de.wikipedia.org/wiki/SS-Junkerschulen
http://de.wikipedia.org/wiki/Nationalpolitische_Erziehungsanstalten


Jetzt meine blöde Frage: Wer wurde denn in den Ordensburgen unterrichtet? Wo war da die Abgrenzung zu den NPEAs? Kann man das als Schule und Fortbildungszentrum in die heutige Zeit übertragen?:grübel:

Oder ist das mal wieder ein typisches Beispiel vom Nebeneinander und Durcheinander der verschiedenen Organisationen in NSDAP und NS-Staat?
 
Artikel aus der Enzyklopädie des Nationalsozialismus von Wolfgang Benz:

Seite 627 - 628

Ordensburgen

Die Schulung der Parteifunktionäre sollte nach den Vorstellungen des Reichsschulungsleitres Robert Ley in sog. Schulungsburgen erfolgen, von denen bei Kriegsausbruch für die Funktionäre der Gau- und Kreisebene 130 Grau- und Kreisschulungsburgen in Betrieg genommen waren.
Für die Schulung der Parteielite waren die sog. Ordnungsburgen vorgesehen, deren äussser bauliche Gestaltung nach einer Anregung Hitlers allein schon die Idee des Nationalsozialismus zum Ausdruck bringen sollte. (...)
 
ursi schrieb:
Für die Schulung der Parteielite waren die sog. Ordnungsburgen vorgesehen, deren äussser bauliche Gestaltung nach einer Anregung Hitlers allein schon die Idee des Nationalsozialismus zum Ausdruck bringen sollte. (...)

Danke für die Info. Also zur Schulung der Parteielite. Ich würde das dann quasi als "Fortbildungsstätte für aktives Personal" verstehen. Im Unterschied zur Napola, wo Inaktive (Jugendliche) "herangezogen" wurden...Richtig?

Gedacht war nach Info in Vogelsang, daß man Lehrgänge(?) auf allen drei Ordensburgen durchlief.
 
Alle drei Ordensburgen wurden 1936 wenige Tage nach Hitlers Geburtstag eingeweiht.

Nach Ley sollte das Aufnahmealter zwischen 23 und 30 Jahren liegen, ab 26 Jahren mussten sie verheiratet sein. Die Schüler sollten dann zur politischen Leitern ausgebildet werden, wobei die Ordensburg jedes Jahr gewechselt werden sollte.

Aus dem einjährigen Lehrgang auf der Ordensburg Vogelsang (der begann im Mai 1936) wurde das Stammpersonal für die drei Burgen ausgebildet. Das waren alles Parteigenossen aus der Zeit vor 1933.

Zu den nächsten Lehrgängen meldeten sich überwiegend ungeeignete Personen an, die einen späteren sicheren Arbeitsplatz suchten. Deshalb konnten sich ab 1939 auch nicht Parteigenossen anmelden.

Das Lehrangebot beschränkte sich im theoretischen Teil auf die Hauptgebiete Geschichte, Rassen- und Geopolitik mit dem Schwerpunkten Vor- und Zeitgeschichte, ab 1938 kamen noch Ostfragen zur Vorbereitung auf die Erweiterung des Reiches nach Osten hinzu.

Teilweise nur auf dem Papier standen Fächer wie Wissenschafts- und Soziallehre, Philosophie und Kunstgeschichte.

Daneben gab es auch noch eine sportlich-militärische Ausbildung. Dazu gehörten auch Reiten, Segeln und Fliegen.
 
ursi schrieb:

Schwierig diesen Riesenkomplex innerhalb eines Naturschutzgebietes irgendwie sinnvoll zu nutzen. Nach meinen Eindrücken vor Ort würde ich einen Rückbau (Entfernung der späteren militärischen Anlagen der Belgier, wie Panzerhallen, Kino etc.) und Reduzierung auf das denkmalgeschützte Ensemble für richtig halten. Darin dann ein Dokumentationszentrum/Museum mit touristischem Angebot (Gastronomie etc.). In der Gegend geht es nur, wenn man die Touristen "ins Boot holt", das landschaftlich schöne Umfeld lädt einfach zur Besichtigung ein. Daran muß man verdienen um den Denkmalschutz zu finanzieren.
Da dort sehr viele gleichartige Gebäude (Unterkünfte etc.) stehen, könnte man nur wenige zur Besichting als Muster herrichten und den Rest als Lagerräume oder ähnliches nutzen, bzw. vermieten.

Aber es ist wirklich sehr schwer mit solchen Komplexen - man kennt es aus Prora...
 
Mercy schrieb:

Gutes Konzept mit gemischter Nutzung von Naturparkverwaltung, über Dokumentation bis zur Jugendherberge. Wollen wir hoffen, daß überall genug Geld im Säckel ist...

Interessant die Infos über die gedachte und gescheiterte "Ausbildung". Was wurde da herangebildet? Gesunde, sportliche Möchtegern-Demagogen, die "einen einstündigen Vortrag nicht verstehen, weil ihnen der geistige Unterbau fehlt... " :S
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin auf diesen alten Thread gestoßen, weil ich selber eine Frage zu Ordensburgen hatte. Leider funktionieren die meisten Links nicht mehr.
Meine Frage:
Vor einiger Zeit habe ich nach Literatur von und über Julius Schaxel gesucht. Meine örtliche Uni-Bibliothek hatte nicht besonders viel, aber in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung habe ich einiges gefunden. Seltsamerweise hatte der größte Teil der Bücher einen Besitzstempel der Ordensburg Vogelsang. Die Schriften des Biologen Schaxel fallen sicher nicht unter Nazi-Literatur (Kommunist, mit einer Jüdin verheiratet, 1934 ausgebürgert). Ich habe mich gefragt, ob hier sinnlos die Bestände aufgelöster Bibliotheken (z.B. aus Arbeiter-Bildungsvereinen oder kirchlichen Institutionen) gehortet wurden oder ob man gezielt Literatur des politischen Gegners zur ideologischen Schulung sammelte.

Die (nicht besonders frische) Literatur, die ich zum Thema gefunden habe, war nicht besonders hilfreich. Der Wikipedia-Link zu

Michael Schröders: Die Bibliothek der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang 1944 – 1947: Fragen zu einem verloren geglaubten Bestand. (PDF; 723 kB) In: ulb.uni-bonn.de. 2006.

ist zwar tot, ich habe ihn aber inzwischen gedruckt gefunden (in: Ciupke, Paul, Jelich, Franz-Josef (Hgg. 2006): Weltanschauliche Erziehung in Ordensburgen des Nationalsozialismus: Zur Geschichte und Zukunft der Ordensburg Vogelsang. Essen: Klartext).
Leider beschäftigt er sich hauptsächlich mit dem Verbleib der Bestände ab 1945 und nicht mit ihrer früheren Nutzung.

Weiß jemand, ob es einen gezielten Einsatz offiziell verbotener oder unerwünschter Literatur in NS-Bildungseinrichtungen gab?





Julius Schaxel – Wikipedia
 
Weiß jemand, ob es einen gezielten Einsatz offiziell verbotener oder unerwünschter Literatur in NS-Bildungseinrichtungen gab?

Die Frage ist, ob die Werke von Schaxel im Dritten Reich verboten worden sind. Wenn ich mir im Wiki-Artikel die Liste der Monographien bzw. Aufsätze anschaue, so scheint mir das nicht unbedingt politisch zu sein. Dass er aus politischer und rassischer Sicht dem NS-Regime ein Dorn im Auge war, muß sich nicht zwangsläufig auf seine Werke beziehen.

Die Schriften scheinen mir aber auch alle relativ speziell. Die würde ich eher im Bestand einer Universität vermuten als in einer Ordensburg. Vielleicht wurden wirklich Bücher mit aus NS-Sicht unerwünschten Inhalt bzw. von politisch/rassisch unerwünschten Autoren in den Ordensburgen wie in einem literarischen Giftschrank gesammelt. Vielleicht ließe sich die Herkunft der Bücher auch noch Anhand von Inventarlisten der Ordensburg (sofern erhalten) oder über Stempel im Buch rekonstruieren.
 
Wenn ich mir im Wiki-Artikel die Liste der Monographien bzw. Aufsätze anschaue, so scheint mir das nicht unbedingt politisch zu sein.
Einige politische Schriften sind schon dabei, z.B. der letzte Titel auf der Wiki-Monographienliste, Das Weltbild der Gegenwart und seine gesellschaftlichen Grundlagen (Inhaltsverzeichnis). Zu nennen wären auch noch Menschen der Zukunft (1929, nicht auf der Wiki-Liste, Inhaltsverzeichnis) und einige i.w.S. "sozialistische" Kinder- und Jugendbücher, deren Titel mir gerade entfallen sind und die ich auf die Schnelle auch nicht im KVK finde.
Die Inventarlisten sind wohl größtenteils verloren. Man kennt nur, was nach 1945 in den Uni-Bibliotheken Köln und Bonn gelandet ist. Die Schätzungen darüber, wieviel Prozent des ursprünglichen Bestands hier gerettet wurden, gehen weit auseinander. Es scheint aber nicht mehr als ein Viertel zu sein.
 
Die Frage ist, ob die Werke von Schaxel im Dritten Reich verboten worden sind.

Das war genau die Frage, die ich mir auch gestellt hatte. Ich hatte dann diesen Eintrag gefunden:


Und gerade noch diese Aufstellung, die das Verbot bestätigt.


Offenbar waren alle seine Schriften verboten.
 
Der ältere Bruder meiner deutschen Mutter war Schüler einer NPEA, einer "Nationalpolitischen Erziehungsanstalt". Der Mann war Jahrgang 1933. Erzdeutsch, stramm nationaldeutsch gesinnt, den Lehren der Nationalsozialisten sehr zugesinnt. Als erwachsener Mensch gab sich der Onkel demokratisch, eine Karriere als Rechtsanwalt und Notar. Aber tief drin in dem Mann schlummerte die alte Lehre immer noch, das habe ich selbst einige Male erlebt. Meine Erinnerungen an den Bruder meiner Mutter sind nicht gut. Manchmal, sehr selten, brach all das aus dem Onkel hervor.

Aber er ruht hoffentlich in Frieden.

Micha
P.S. Ich schrieb "deutsche Mutter". Ich bin der uneheliche Sohn eines amerikanischen Vaters. Der Mann war ein Berufssoldat, er kämpfte in den Kriegen in Korea und in Vietnam, und ist hochbetagt in den USA verstorben. Ein "Kriegsheld" sehr hoch dekoriert, "ehrenhaft" aus dem Militärdienst verabschiedet in dem Jahr 1974, der Mann war mein Vater.
 
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Aber entschuldigt bitte, alte Männer wie ich neigen zu einer gewissen Geschwätzigkeit, die andere Menschen sicher nervt, oder auch auf den Sack geht, es soll nicht wieder vorkommen.

Micha
P.S. Ich traf den Vater einmal, in dem Jahr 2001. Nach dem Gespräch drehte der Mann sich um, und lief heulend weg, Bob konnte es nicht ertragen.
 
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