Dazu eine Ergänzung: die Qualifizierung von Staatsschiffen als rechtliches Problem bezieht sich auch auf "Kriegsschiffe", und tritt bereits in den absolutistischen Staaten auf. Der Begriff der Staatsflotte betrifft hier die Unterscheidung zwischen dem "Privateigentum" (des Königs etc.) und dem Staatseigentum.
Hintergrund: Privateigentum wurde als pfändbar angesehen, das Staatseigentum nicht. Die ältere Auffassung sah Kriegsschiffe als "Privateigentum" des Monarchen an.
Die Grundsatzentscheidung, auf die dann später verwiesen wurde, betraf das Jahr 1668: es wurden 3 spanische Kriegsschiffe wegen Privatschulden des spanischen Königs gepfändet. Die Generalstaaten (Niederlande) erklärten die Pfändung für unzulässig, bezogen sich auf die Eigenschaft als Staatsschiffe und verfügten die Freigabe der Schiffe. Bynkershoek vertrat 1721 die Gegenmeinung und erläuterte den Fall, worauf sich die angelsächsische Praxis in der Folge bei Beschlagnahmungen bezog.
Die angelsächsische Rechtssprechung hatte dann den "Exchange"-Fall 1810 als leading case, eine von Napoleon verfügte frühere Beschlagnahme. Als das Schiff unter "Balaou" nach Philadelphia einfuhr, wurde gerichtliche die Herausgabe des Schiffes gegen den frz. Staat eingeklagt. Der supreme court wies die Klage schließlich unter dem Hinweis auf Staatsschiffseigenschaft ab. Nicht entscheidend war das Eigentum (das blieb offen), sondern die "Eigenschaft" des Schiffes, hier das Fahren als "Kriegsschiff".
Zunächst einmal möchte ich mich bei Dir für diesen Beitrag bedanken mit dem Du meinen Beitrag #8 ergänzt hast.
Ich hatte ja geschrieben, dass der ursprünglichen Begriff des Staatsschiffes an die
Eigentumsverhältnisse anknüpfte. Das hing mit den zivilrechtlichen Fragestellungen zusammen, die beim Staatsschiff Probleme bereiteten: Schiffseigentümer hatten Schulden, Schiffe hatten Verkehrsunfälle und versursachten Schäden, etc. Konnte auf die Schiffe als Haftungsmasse zurückgegriffen werden?
Du hast in Deinem Beitrag auf die Entscheidung des USSC im
Exchange-Fall aus dem Jahr 1812 hingewiesen. Ich würde diesen Fall nicht in eine anders geartete angelsächsische Rechtsvorstellung einordnen. Es war vielmehr so, dass sich zeigte, dass der Rückgriff auf den traditionellen Staatsschiffbegriff bei diesem Fall nicht weiter half. Man muss sich das mal aus der Sicht der amerikanischen Kläger klar machen:
das ihnen gehörende Schiff wurde von Napoleon I. offensichtlich völkerrechtswidrig eingezogen und tauchte später in einem US-Hafen wieder auf. Die Eigentumsverhältnisse sprachen für den geltend gemachten Herausgabeanspruch. Und dann entschied der USSC, dass der Anspruch auf Herausgabe wegen der Zweckbestimmung dieses Schiffes als französisches Staatsschiff in den USA nicht einklagbar sei:
"But in all respects different is the situation of a public armed ship. She constitutes a part of the military force of her nation; acts under the immediate and direct command of the sovereign; is employed by him in national objects. He has many and powerful motives for preventing those objects from being defeated by the interference of a foreign state. Such interference cannot take place without affecting his power and his dignity." Hier baute sich eine zweite Argumentationslinie auf:
Staatsschiffe sind (auch) Schiffe, die dem Staat dienen.
Mit dieser "neuen Sicht" war allerdings die alte Definition des Staatsschiffes als Schiff das im Eigentum des Staates steht noch längst nicht tot. Dieser Begriff war im 19. Jh. immer noch vorherrschend, vor allem in der Rechtsprechung. Noch in seinem Urteil vom 12.10.1921 entschied das
Reichsgericht im ICE-KING-Fall (RGZ 103, 274), dass Staatsschiffe Schiffe seien, die im Eigentum des Staates stehen und deshalb sei auch der amerikanische Handelsdampfer ICE-KING ein Staatsschiff sei, weshalb die Klage auf Arrestierung dieses Schiffes abzuweisen sei.
Die völkerrechtliche Debatte über den Staatsschiffsbegriff im 19. Jh. ist also zwischen dem Exchange-Fall 1812 (Aufkommen einer neuen Vorstellung vom Staatsschiff: Staatsschiff aufgrund Widmung, Zweckbestimmung) und dem ICE-KING-Fall 1921 zu sehen (wonach Staatshandelsschiffe Staatsschiffe sind und Immunität genießen). Häufig liefen beide begrifflichen Vorstellungen problemlos nebeneinander. In den allermeisten Fällen standen ja auch die Schiffe, mit denen staatliche Aufgaben verfolgt wurden, im Eigentum des Staates.
In der
Völkerrechtsliteratur setzte sich die Auffassung durch, dass sich aus der Bestimmung eines Schiffes für staatliche Zwecke seine Eigenschaft als Staatsschiff ergeben würde. Allerdings war man sich nicht einig über die erforderliche Bestimmung.
- Für Ferguson schien jede Verwendung in einem beliebigen Dienst des Staates ausreichen (also auch Handelsschiffahrt für Staat).
- Fauchille stellte auf die Verwendung für einen "öffentlichen Dienst", einen "Akt öffentlicher Gewalt" ab durch die staatliche Hoheitsgewalt repräsentiert wurde (Postschiffe wären dann keine Staatsschiffe gewesen).
- Andere stellten auf Schiffe ab, die unter Führung von Staatsorganen mit staatlichen Aufgaben betraut sind mit Ausnahme von Kriegsschiffen (!), obgleich auf diese diese Definition am sichersten zutrifft.
Die angerissene Diskussion muss man sich vor dem Hintergrund vorstellen, dass gleichzeitig Völkerrechtler in der Zweiteilung von Staatsschiffen und Privatschiffen die Möglichkeit sahen, das
Seekriegsvölkerrecht neu zu ordnen: kein Schutz für die Staatsschiffe (was immer das auch sei), nur Schutz für die Privatschiffe. Die Idee klang einfach, doch das Problem war, dass man nicht klären konnte, was das (angreifbare) Staatsschiff eigentlich sein sollte:
- Stellte man auf den Eigentumsbegriff ab, würde das unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Kriegsschiff mit Nichtzahlung einer Rate zum geschützten Privatschiff werden und das umgekehrte Schicksal drohte dem bei einer Staatswerft gekauften Privatschiff zu ereilen.
- Stellte man jedoch auf die Bestimmung des Staatsschiffes ab, um das schutzlose Zielobjekt militärischer Angriffe zu definieren, benötigte man den Begriff des Staatsschiffes nicht. Hier war es am einfachsten das Kriegsschiff funktional zu bestimmen, was dann auch mit dem Haager Umwandlungsabkommen 1907 geschah: Eingliederung in die Kriegsflotte, Tragen der äusseren Abzeichen der Kriegsschiffe, Eingliederung des Befehslhabers in die Seestreitkräfte, militärische Disziplin der Mannschaft.
Nachdem im Haager Umwandlungsabkommen 1907 die Kriterien für das Kriegsschiff gefunden waren, war die Luft aus der kriegsrechtlichen Staatsschiffsdebatte raus. Das Staatsschiff genoss
grundsätzlich Schutz wie das Handelsschiff. Warum sollte auch ein staatliches Handelsschiff weniger schützenswert sein als ein privates Handelsschiff?
Die international-privat-rechtliche Debatte über die
Immunität von Staatsschiffen ging freilich weiter. Warum sollte ein Staatshandelsdampfer bei Unfällen nicht genauso haftbar gemacht werden können wie ein privater Handelsdampfer?
Eine Reihe von Staaten hat die Gerichtsbarkeit über die nichthoheitliche Tätigkeit anderer Staaten (acta jure gestionis) schon ab Ende des 19. Jh. bejaht (Italien), die Schweiz z.B. ab 1918. In dieser Debatte wurden freilich die Staatsschiffe mit eindeutiger hoheitlicher Tätigkeit (Kriegsschiffe und Staatsschiffe im ausschließlich öffentlichen Dienst) ausgespart, vgl. Art. 11 des
[FONT=TimesNewRoman,Bold]Internationalen Übereinkommens zur einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über den Zusammenstoss von Schiffen[/FONT] 1910 und sollte in dem
Brüsseler Abkommen zur einheitlichen Feststellung einzelner Regeln über die Immunität der staatlichen Schiffe vom 10.04.1926 seinen Abschluss finden (das Abkommen trat nicht in Kraft).
walter schrieb:
Schiffe werden in der Regel nach Verwendungszweck klassifiziert oder bezeichnet.
So gibt es Kriegsschiffe oder Handelschiffe als große Oberklassifzierung.
Doch eine Klassifizierung nach den Besitzverhältnis des Schiffes erscheint wenig sinnvoll, sagt sie doch nichts über das Schiff aus.
Das schreibt sich so einfach. Aber die Geschichte zeigt, dass sich die Vorstellungen über das was "zweckmäßig" ist, aber auch das, was "gerecht" ist, im Laufe der Zeit wandeln können. Ich hoffe, dass ich die Entwicklung verdeutlichen konnte und wünsche allseits guten Rutsch ins neue Jahr!