Regia Marina, die Italienische Marine 1940/43

Und Mussolini regierte ja schon eine Weile, hätte wohl also genug Zeit gehabt sein Land für seine Großreichpläne vorzubereiten.

Das Deutsche Reich und Italien sind wohl in der Budget- und Rüstungspolitik nicht zu vergleichen. Hinzu kamen für Italien enorme Ausgaben durch den Spanischen Bürgerkrieg, die die Budgets einschnürten.

Die italienische Verknüpfung von Finanz- und Rüstungspolitik ist hier sehr detailliert beschrieben:
Gooch, John: Mussolini and his Generals The Armed Forces and Fascist Foreign Policy 1922-1940, 2007
Mussolini and His Generals: The Armed Forces and Fascist Foreign Policy ... - John Gooch - Google Books

Gooch stellt die Vorkriegsgeschichte, Pläne und Budget-Restriktionen Italiens bis zum Kriegsausbruch dar.

Noch im Nachgang ein Hinweis zum dem Beispiel "Punta Stilo", und den zitierten Aufsatz. Die britische Kriegspropaganda feierte die Aktion als Schlüsselereignis, in dem der Regia Marina "der Schneid abgekauft" worden sei.

Tatsächlich war es der italienische Admiral Campioni, der das Engagement forcierte und sich trotz erheblicher Unterlegenheit (2:3, halbes Breitseitengewicht der britischen Schlachtschiffe) mit seinen restaurierten Cavour-Schlachtschiffen nicht dem Gefecht entzog, und seinen Geleitzug durchbringen wollte.

Als Beispiel für kontrafaktischen Unfug, der auf Wiki-Seiten zu finden ist:
Seeschlacht bei Punta Stilo ? Wikipedia

Dort wird der Legende Vorschub geleistet, die zwei modernen italienischen Littorio-Schlachtschiffe hätten eingreifen können, wären sie nicht im Hafen Tarent verblieben. Tatsächlich waren die Littorios erst Mitte August, 6 Wochen später, und für Punta Stilo nicht einsatzbereit.
http://it.wikipedia.org/wiki/Vittorio_Veneto_(nave_da_battaglia)

Das deutsche Herumhacken auf dem angeblichen mangelnden Einsatzwillen der Italienischen Flotte begann schon während des Krieges. Die Seekriegsleitung gebärdete sich in der Art, dass sie mit dem Material mehr anzufangen gewusst hätte und Verluste wie bei Matapan auf Führungsmängel und technische Probleme zurückzuführen sein. Tatsächlich war es zB bei Matapan deutsche Schlamperei im Funk, die ULTRA von der Aktion unterrichtete (abgefangene Nachrichten über die Verschiebung deutschen Langstrecken-Jäger Me110 zur Deckung der italienischen Flotte). Tatsächlich verfeuerte man deutsche Ölreserven in der Küstenverteidigung, und sträubte sich massiv gegen Lieferungen an Italien (teilweise mit dem Gerücht, der Ölmangel sei nur vorgeschoben, weil man für Aktionen zu Feige sei). Ebensowenig sah man sich in der Lage, eigenes Gerät für die Ausstattung der italienischen Schiffe zu liefern, so in der Funkmesstechnik.
 
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Danke für die Infos und die Quelle!
Deine Beiträge sind immer äußerst informativ und lesenswert! :)
 
"Besonders gut war auch die Marine, mit der ich aber wenig Berührung hatte".

Frido von Senger und Etterlin, Krieg in Europa, Köln, Berlin 1960, S. 54

Der Verfasser, zuletzt kommandierender General an der Italienfront, schildert in diesem Buch aus der Perspektive eines gemäßigt liberalen Aristokraten seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. Das Buch erschien bei Kiepenheuer und Witsch, einem literarisch ambitionierten Verlag, der normalerweise keine Generalsmemoiren veröffentlichte.

Ein Marineexperte war von Senger und Etterlin sicher nicht. Er gehörte zu den Generälen, die den Italienern nicht mit Arroganz und Überheblichkeit begegneten.

Ich denke, dass die Marine zwar moderne Großkampfschiffe besaß, aber die Besatzungen waren nicht so gut geschult wie ihre englischen Gegner. So soll es angeblich kaum Nachtschießübungen gegeben haben.
 
Ein Marineexperte war von Senger und Etterlin sicher nicht. Er gehörte zu den Generälen, die den Italienern nicht mit Arroganz und Überheblichkeit begegneten.

Eigentlich war es ein Mann der Ostfront, zu der er auch nach seinem Italien-Intermezzo 1943/44 (er wurde zuvor aus dem Stalingrad-Kessel ausgeflogen) 1944 zurückkehrte. Den Großteil seiner Italien-Zeit erlebte er ohne die Regia Marina, deren Masse mit Kapitulation 1943 an die Allierten übergeben werden müsste.
 
Von Senger hatte 1938 einer deutschen Militärmission angehört, die Italien besuchte. 1940 war er deutscher Verbindungsoffizier zur italienisch-französischen Waffenstillstandskommission. Im Kessel von Stalingrad war er meines Wissens nicht, sondern kommandierte eine Division, die außerhalb des Kessels kämpfte.

Von 1943 bis 1945 führte er ein Armeekorps an der Italienfront.

Ich denke auch, dass sein Urteil über die italienische Marine nicht dass eines Fachmannes ist. In seinen Memoiren versucht er aber in differenzierter Form jenen Vorurteilen entgegen zu treten, die über die Italiener im Zweiten Weltkrieg in Deutschland im Umlauf waren.

Überhaupt kann ich das Buch nur empfehlen; eine wohltuende Abwechslung im Vergleich zu "Heer in Fesseln" oder "Erinnerungen eines Soldaten".
 
Frühjahr 1942 - ULTRA

Tragödien besonderer Art in diesem Krieg herauszustellen, ist angesichts des Ausmaßes der Opferzahlen an sich schon unangebracht. In Zusammenhang mit dem Seekrieg vor 75 Jahren im Mittelmeer (Frühjahr 1942) soll daher auch nicht herausgestellt, sondern nur an weitgehend unbekannte Ereignisse erinnert werden.

Zwei Aspekte trafen zusammen: der britische Seekrieg gegen die Transportlinien der Achsenmächte und die Kämpfe in Nordafrika. Im Frühjahr 1942 trat Rommel zur Offensive an, die bis El Alamein führen sollte.

Anfang 1942 waren die Achsenmächte mit steigenden Gefangenenzahlen konfrontiert, auch aus der Abwehr britischer Offensiven seit November 1941. Malta wurde durch eine deutsch-ital. Luftoffensive niedergehalten, und der britische Krieg gegen die Transportlinien der Achsenmächte stützte sich stark auf zwei Faktoren: ULTRA und U-Boote.

Die Gefangenen wurden mit Transportschiffen als "Rückfracht" nach Italien geschickt, und diese Transporte wurden abgefangen. Ein Beispiel ist in der Anlage dokumentiert: SS Tembien, versenkt 27.2.1942 kurz nach dem Auslaufen, 24 sm vor Tripolis auf dem Rückmarsch nach Italien.

Die wechselvolle Geschichte begann als deutschen Dampfschiff "Mabel Rickmers" 1914, später Kriegsbeute und Reparationsablieferung, 1933 an eine italienische Reederei verkauft.
http://wrecksite.eu/wreck.aspx?149126

Die Opferzahlen und die dramatischen Ereignisse bei der Versenkung finden sich in den anliegenden deutschen Berichten.

Zum Hintergrund: eine britische Untersuchung richtete sich Anfang 1942 auf die Versenkung der Sebastiano Venier (mit 2000 Kriegsgefangenen an Bord, dies führte zu 350-500 Toten) und eben die SS Tembien (500 Kriegsgefangene, mit rund 400 Toten). Die Listen gingen weiter, bis August 1942 wurden weitere 10 Schiffe mit Kriegsgefangenen auf Rücktransporten versenkt.
https://en.wikipedia.org/wiki/MV_Sebastiano_Veniero_(1940)


Für die Dechiffrierung im Bletchley Park waren das keine Geheimnisse, obwohl die Gefangenentransporte auf den Rückfrachten natürlich nicht vom Kriegsgegner "angekündigt" wurden: sowohl etliche Transporte waren vorher durch dechiffrierte Meldungen aufgeklärt worden, als auch die anschließenden Verlustmeldungen der Achsenmächte per Funk. Man war also informiert, und ...

damit geriet man in eine Zwickmühle: sollten Meldungen an die RAF und die UBoote mit Warnungen über die Gefangenentransporte herausgehen? Würde das "Auslassen" von Angriffen gegen diese speziellen Schiffe den Verdacht nähren, dass verschlüsselte Meldungen "mitgelesen" werden können und die Codes entziffert wurden?

Die steigenden Verluste führten schließlich zu einer Kehrtwende. Ab August 1942 wurden Warnungen herausgegeben, und von 19 Gefangenen-Transporten gab es "nur" noch 2 Versenkungen.
Clayton: Sea Wolves.

Ergänzend: SS Tembien fuhr einige Male die Nordafrika-Route, mit einigen Beinahe-Versenkungen. Die Ladepapiere für eine Hinfahrt Ende Jan42 ist ebenfalls angehängt.
 

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Die Italiener hätten mit ihrer Flotte gleich Offensiv Auftreten Müssen ( Punta Stillo hätte für die Briten bitter geendet, wenn die beiden Vittorios mit ausgelaufen wären ) . Wen man Grosskampfschiffe besoitzt, setzt man Sie auch ein, anstatt im hafen drauf zu warten, dass Flugellahme Doppeldecker 3 Stück davon erwischen
 
Es wurde hier im Faden - sogar auf dieser Seite :winke: - von Silesia bereits darauf hingewiesen, dass die Verfasser des deutschsprachigen Wikipediaartikels dabei einem Irrtum unterliegen. Die beiden Schiffe der Littorio-Klasse waren erst einige Wochen nach der Schlacht gefechtsbereit und hatten somit keine Möglichkeit, einzugreifen.
 
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Ja, vor 5 jahren. Wiki ist aber sehr genau was Historische Genauigkeit angeht. Die Legende der Littorios findet sich aber auch andernorts. Man könnte mal beim Konsulat anfragen, wie es denn genau war.
 
Die Legende der Littorios findet sich aber auch andernorts.

ja: wie z.B. wie z.B. Breyer: Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer (um mal ein sehr gängiges Werk zu zitieren), S. 407:

"....bis August 1941 in Tarent in Reparatur. 26.-29. September [sic] 1941 erfolgloser Ansatz gegen Malta-Convoy."

Zur Erklärung: Es kommt wohl sehr selten vor, dass Großkampfschiffe direkt aus einer Werft kommend direkt in den Einsatz geschickt werden. In der Regel finden Übungsfahrten zunächst statt, bis die Einsatzbereitschaft gemeldet werden kann.

Aber vermutlich ist Breyer nicht so seriös und nicht so präzise in seinen Darstellungen wie die kontrafaktischen Darstellungen - wie bei Silesia so schön formuliert - bei "Wiki", das bei "Punta Stilo" komplett auf Literaturbezüge verzichtet.

@ Avarice1987: Bevor Du weiter son halbgares Zeugs schreibst, bitte die Threads vorher durchlesen!
 
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