Religionsursprung

Mir fällt auf, dass es zwischen den einzelnen Religionen viele Verbindungen gibt.

Das Bilderverbot vieler Religion, wie des Islam, hat seine Parallelen auch in unseren Zehn Geboten, wo dieses Verbot ebenfalls ausgesprochen wird.

Dir ist klar auf welcher Religion das Christentum mit all seinen Ausprägungen basiert? Und worauf Mohammed aufgebaut hat? Und in welchem Gebiet das Judentum, Christentum und auch der Islam entstanden sind?

Religion ist ein Gedankenkonstrukt. Und wenn ich mit meinem Nachbarn darüber rede werden die Ideen weitergetragen, oder auch nicht. So ist das Leben.

Warum sollen manchen Ereignisse, wie die Sintflut, welch in einem weiten Umkreis zu erleben waren nicht in mehreren Religionen überliefert worden sein?

Apvar
 
Nun mir schien Drewermann in einem Interview und in einem seiner Bücher einen ähnlichen Standpunkt zu haben wie z.B Richard Darwking. Wenn es anders ist, dann kannst mir mir gerne Wiedersprechen.

Zu den abrahamitischen Religionen ist auch zu erwähnen das neben den gemeinsamen Wurzeln die Unterschiede wahrscheinlich zwischen Judentum, Christentum und Islam geringer sind, als zwischen einzelnen Schulen welche zum Hinduismus b.z.w. Buddhismus zusammengefasst werden.

Beim genaueren durchlesen der Regeln und der Glaubenwelt gibt es gewaltige Unterschiede zwischen den Tibetischen Buddhismus mit seinen unzähligen Geistwesen und dem Zhen Buddhismus der ohne Götter, Geister oder Jenseits auskommt.
 
Didos Ausgangsfrage war, ob alle Religionen einen gemeinsamen Ursprung haben könnten.

Natürlich könnte man sich als erstes fragen, ob es denn überhaupt einen angemessenen Grund für diese Frage gibt, ob denn im Gesamten die Unterschiede zwischen manchen Religionen nicht größer sind als die Gemeinsamkeiten. Aber immerhin zeigt unser Zusammenfassen der verschiedensten Religionen mit dem einen Begriff „Religion(en)“ ja schon, dass wir irgendwelche grundlegenden Gemeinsamkeiten anerkennen. So unangemessen kann die Frage also nicht sein. Bleiben wir bei ihr: Könnte es einen gemeinsamen Ursprung aller Religionen geben?

Mir persönlich fallen drei mögliche gemeinsame Ursprünge ein:
1.) göttliche Offenbarung als gemeinsamer Ursprung, die an verschiedenen Orten zu
unterschiedlichen Zeiten die gleichen Erkenntnisse hervorrufen könnte (beschäftigen
sich wohl in erster Linie Theologen mit, kann der Historiker wenig zu sagen)
2.) die „Natur“/ das „Wesen“ des Menschen als gemeinsamer Ursprung, weil womöglich
bspw. der Mensch in Lateinamerika in mancher Hinsicht gleich tickt wie der Mensch in
Mesopotamien und anderswo, auch ohne jeden Austausch (beschäftigen sich sicher
Anthropologen, bestimmt auch Psychologen, evtl. auch Philosophen? mit)
3.) ein historischer gemeinsamer Ursprung

Wenngleich alle drei Punkte hochspannend sind, und ein Austausch zw. verschiedenen Wissenschaften niemals zu verachten ist, will ich mich doch in diesem Geschichts-Forum ausdrücklich nur auf den 3. Punkt beziehen: Ist allen Religionen ein historischer Ursprung gemein?

In meinen Augen müsste ein „gemeinsamer historischer Ursprung“ bedeuten, dass zu einem frühen Zeitpunkt innerhalb der Menschheitsgeschichte von einem Ort ausgehend, sich bestimmte Gedanken/Lehren/Vorstellungen in der ganzen Welt sukzessive verbreitet haben. So hätten letztlich z. B. eine Naturreligion irgendwo in Südamerika und die Religion der alten Ägypter einen gemeinsamen historischen Ursprung; sie wären historisch voneinander abhängig. So eine Art Stammbaum der Religionen mit natürlich nur einem Stamm. Ist das der Fall?

Diese Frage würde wohl in erster Linie in das Ressort der Vor- und Frühgeschichte fallen. Ich weiß es nicht, aber ich schätze mal, dass man auf der reinen Grundlage des Forschungsstandes, diese Frage weder mit einem sicheren „Nein“ und schon gar nicht mit einem sicheren „Ja“ beantworten kann. Ich vermute weiter (diese Vermutung tut hier freilich nichts zu Sache), dass die meisten Vor- und Frühgeschichtler auf diese Frage antworten würden: „Konzentrieren Sie sich lieber auf einen gemeinsamen anthropologischen Ursprung aller Religionen“.

Will man sich damit nicht abspeisen lassen, und von den Historikern eine konkretere Antwort auf die Frage nach einem gemeinsamen historischen Ursprung der Religionen haben, ist man gewissermaßen gezwungen, Abstriche von dieser Frage zu machen bzw. seine Frage ein wenig abzuwandeln: Haben einige Religionen einen gemeinsamen historischen Ursprung bzw. haben bestimmte religiöse Vorstellungen/Lehren, die in mehreren verschiedenen Religionen zu finden sind, einen gemeinsamen historischen Ursprung?
Diese Frage kann man endlich mit einem klaren „Ja“ beantworten. So etwas gibt es natürlich. Um beim Beispiel des Bilderverbots zu bleiben: Unabhängig davon, ob sich dieses Verbot bei den Israeliten selbst herausgebildet hat oder ob es von woanders zu ihnen gelangt ist, ist doch klar, dass sowohl das Christentum als auch der Islam dieses Verbot (ob in gleicher oder veränderter Form) aus dem Judentum übernommen haben. Jesus und die ersten Christen waren Juden und soweit ich mich erinnere, sind auch in der Biographie Mohammeds Kontakte und Austausch mit Juden (u. Christen) bezeugt. Es ist ja in vielen Beiträgen schon zu genüge darauf hingewiesen worden, dass innerhalb der Entwicklungsgeschichte verschiedener Religionen natürlich immer wieder Austausch mit benachbarten oder irgendwie in Kontakt gekommenen Religionen und religiösen Kulturen stattgefunden hat.
Nun fallen einem ja genug andere Religionen ein, die mit einem Bilderverbot gar nichts am Hut hatten, z. B. die Religionen der alten Babylonier, Phönizier, Syrer, Ägypter, Griechen, Römer usw. Aber angenommen, man findet eine Religion auf einem ganz anderen Erdteil, die ebenso früh wie die Israeliten ein Bilderverbot kannte – gibt’s das? ist jedenfalls bestimmt nicht auszuschließen – dann müsste man entweder einen gemeinsamen historischen Ursprung annehmen (der im Einzelfall sicherlich schwer oder gar nicht durch Quellen zu belegen wäre, aber deswegen noch nicht zu 100% auszuschließen wäre) oder man muss sich wieder mit der Antwort zufrieden geben, dass sich aus anthropologischen Gründen ähnliche bis gleiche religiöse Gedanken an verschiedenen Orten der Welt unabhängig voneinander entwickelt haben könnten.

Meine persönliche Meinung ist: Eine Art gemeinsamer „anthropologischer“ Ursprung aller Religionen ist anzunehmen, aber einen gemeinsamen historischen Ursprung aller Religionen wird man wahrscheinlich niemals ausmachen, benennen und konkretisieren können (selbst falls es ihn gibt).
 
Nun mir schien Drewermann in einem Interview und in einem seiner Bücher einen ähnlichen Standpunkt zu haben wie z.B Richard Darwking. Wenn es anders ist, dann kannst mir mir gerne Wiedersprechen.

Wenn du Richard Dawkins meinst, der religiöses Vertrauen als falsche idée fixe betrachtet, so sehe ich keine Gemeinsamkeit: Drewermann wäre eher als Gnostiker einzustufen und ist definitiv kein Agnostiker oder Atheist!!!

@ bushhons: toller Beitrag! Den Schlußfolgerungen deiner großartigen Reflexion kann ich nur zustimmen!
 
Drewermann ein Gnostiker. Ein Gnostiker der nicht an eine Seele oder sonst was geistliches glaubt.

Naja.
 
Drewermann ein Gnostiker. Ein Gnostiker der nicht an eine Seele oder sonst was geistliches glaubt.

Dieses Forum ist natürlich nicht der angemessene Ort einen zeitgenössischen Theologen zu verteidigen, der in die Kritik seiner selbgewählten Konfession geraten ist; mir geht es auch lediglich um seine Einordnung. Freilich ließe sich auch darüber streiten, ob er tatsächlich der Gnosis nahestände, wie ich kurzerhand behauptet habe. Aber darum geht es ja auch nicht wirklich.
Er selbst hat einmal geschrieben, er fürchte nicht die Leute, die ihn lesen, sondern diejenigen, die ihn nicht lesen. Und das scheint mir hier der Fall. Ich weiß nicht, woher du deine Informationen beziehst; im Gegensatz zu "materialistischen" Philosophen, die sich in der Gruppe der "Brights" organisiert haben, stellt er so etwas wie die menschliche Seele oder den menschlichen Geist nicht in Frage; außerdem geht es überhaupt gar nicht um einen "Glauben" an eine Seele, sondern um den an Gott, für dessen Vertrauen Herr Drewermann wirbt.
 
Der Ursprung von Religion kann nicht sinnvoll als geographisch zu definierende Suche verstanden werden. Vielmehr entspricht ihr Ursprung dem Bedarf von Gesellschaften, von Stämmen oder von Primär-Gruppen, eine Sinnstiftung des "Natürlichen" und des "Über-Natürlichen" vorzunehmen.

In diesem Sinne ist ihr Ursprung auf die gemeinsamen Funktion der Religion hin auszudeuten. Und hier egeben sich die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den unterschiedlichen geographisch angesiedelten archaischen Gesellschaften.

Das grosse Handbuch der Weltreligionen - Google Books

In diesem Sinne beschäftigt sich die Religions-Soziologie (z.B. Durkheim oder Weber etc.), vgl. beispielsweise #8, bzw. die Anthropologie der Religion (Marcel Maus etc.) qua Profession vor allem auch interkulturell !!!!! mit diesen Ursprüngen der Religion.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo

ich bin so drin in diesem Thema und auch kein Experte in Sachen Religion, aber Paralellentwicklungen sind doch natürlich, gibt es überall und sind der Ausdruck dafür wie die unterschiedlichen Arten auf eine Situation einen Umstand oder eine Veränderung reagieren. Da sie aber auf dieselbe Ursache reagieren haben sie auch viele Gemeinsamkeiten.

So kann ich mir vorstellen, das die Menschen irgendwann angefangen haben nach Ursachen zu suchen für bestimmte Phänomene die sie beobachtet haben. Andere Aspekte leigen dann wiederum eher in der Natur der Menschen und sind allgemein gültig und haben eher was mit Arterhaltung zu tun, als mit Denken.


Viele Grüße
 
Es gibt einige Arbeiten zum Thema was geschiet wenn wir glauben, betten und meditieren in unserem Gehirn. Sicherlich sehr interessant.

Andrew Newberg hat z.B auch eine ganze Reihe von youtube videos (von denen ich leider nur eins bisher gesehen habe) welche dies erklären.
 
@Dido

Es gibt durchaus noch Naturreligionen, die dieselben Dinge verehren wie untergegangene Kulturen, nämlich Naturgewalten. Allerdings gibt es wirklich nur diese zwei Ausprägungen: Gottglaube und Verehrung von Naturgewalten, welche nicht mit dem Geist erfasst werden können.

Diese beiden Ausprägungen brauchen natürlich nicht zwangsläufig denselben Ursprung haben.
Vermutlich sprichst du den animistischen Glauben an beseelte bzw. von geistigen Mächten gesteuerte Naturphänomene an. Genau dieser Glaube aber ist der Ursprung des späteren Götter- und Gottglaubens. Es reicht, auf das bekannteste Beispiel zu verweisen: Jahwe, der Gott der Juden, war ursprünglich ein Wettergott, den ein Nomadenstamm, die Habiru (= Hebräer), als ihren Schutzgott verkulteten. Im AT finden sich Stellen, die auf diese Naturfunktion Jahwes hinweisen, z.B.1 Kön 18 und Nah 1,3-5.

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@Ravenik
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Auf die Idee zu kommen, dass es nur einen Gott geben könnte, ist also keine so bahnbrechende geistige Leistung, dass sie in der Geschichte der Menschheit nur einmal erbracht worden sein kann.
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<o:p>Ich denke, es war durchaus eine bahnbrechende Leistung, wie das Beispiel der Entwicklung des jüdischen Monotheismus zeigt. Allerdings war es weniger eine "geistige" Leistung im Sinne einer theologischen creatio ex nihilo, sondern ein langwieriger Prozess, in dem Jahwe aus politischen Motiven gegen Konkurrenzgötter wie El und Baal ausgespielt wurde, ohne den polytheistischen Kontext zunächst in Frage zu stellen. Einige kontingente Ereignisse (Zerstörung des Tempel, Deportation der Elite nach Babylon) mussten hinzukommen, um die Durchsetzung des Jahwe als Alleingott zu ermöglichen. Bei der Abfassung der jüdischen Heiligen Schrift wurden dafür verwendete traditionelle Texte monotheistisch "überarbeitet", d.h. polytheistische Stellen "korrigiert" (einige Stellen wurden übersehen, bei der griechischen Übersetzung z.T. aber wieder glattgebügelt, siehe meinen Post ´Genese des Monotheismus´). <o:p></o:p>
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Auch der zoroastrische Monotheismus verdankt sich kontingenten Umständen. Zum einen drohte der vedisch-polytheistische Priesterstand, dem Zarathustra angehörte, empfindlich an Macht zu verlieren. Der Grund war die enorme Expansion des persischen Reichs unter Dareios, die das Volk mit neuen, mit dem Vedismus konkurrierenden Religionen in Kontakt brachte. Zum anderen benötigte das Reich eine stabilisierende Religion, die sich von anderen Religionen abhob. Zarathustras innovatives Konzept schlug beide Fliegen mit einer Klappe: Er schuf eine Religion, die auf ganz neuartige Weise das Individuum ansprach: Auf dem Spiel stand das individuelle Seelenheil in Form von endgültiger Erlösung oder Verdammnis. Die Entscheidung zwischen Gut und Böse war unrevidierbar, da Geschichte nun auf den finalen Kampf zwischen Licht und Finsternis abzielte. Dieses dramatische Konzept wurde von den jüdischen Theologen übernommen (Apokalyptik) und natürlich auch von den Christen.<o:p></o:p>
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Beide Beispiele zeigen, wie bahnbrechend und keineswegs selbstverständlich die "Leistung" war.

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@Buschhons<o:p></o:p>
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Es ist ja in vielen Beiträgen schon zu genüge darauf hingewiesen worden, dass innerhalb der Entwicklungsgeschichte verschiedener Religionen natürlich immer wieder Austausch mit benachbarten oder irgendwie in Kontakt gekommenen Religionen und religiösen Kulturen stattgefunden hat. <o:p></o:p>
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"Austausch" scheint mir ein zu schwacher Begriff zu sein. Die in Indien entstandene vedische Religion, die sumerische Religion und die ägyptische Religion entstanden relativ unabhängig voneinander, sie bildeten aber die Grundlage für alle anderen späteren Religionen im Mittelmeerraum, auch für das Judentum, aus dem das Christentum und der Islam hervorgingen. Nur drei Beispiele: die alttestamentliche Sintflut ist ein Aufguss der in sumerischen Mythen erzählten Sintflut (die ihrerseits durch mesopotamische Überschwemmungskatastrophen angeregt wurde). Die Erschaffung des Adam aus Lehm findet ihr Vorbild im Gilgamesch-Epos. Der Moses-Mythos ist die Variante eines babylonischen Mythos um einen König.<o:p></o:p>
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Im Christentum findet sich praktisch gar kein Element, das nicht aus anderen Religionen ableitbar wäre (primär natürlich Judentum, aber auch Zoroastrismus, hellenistische Mysterienreligionen und ägyptische Religion). <o:p></o:p>

1.) göttliche Offenbarung als gemeinsamer Ursprung, die an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Zeiten die gleichen Erkenntnisse hervorrufen könnte (beschäftigen sich wohl in erster Linie Theologen mit, kann der Historiker wenig zu sagen)
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In "Offenbarungen" mischen sich zwei Faktoren:<o:p></o:p>
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1) ekstatische Erfahrung einer übersinnlichen Dimension<o:p></o:p>
2) mythologische Vorstellungen<o:p></o:p>
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1) entspringt schamanistischen Techniken, 2) einer jeweils tradierten Mythologie. Ekstatische Erfahrungen kann man bei Zarathustras mazdaistischer "Offenbarung" zugrunde legen (sein Lehrer war ein Schamane), bei den diversen "Visionen" der israelitischen Propheten (z.B. Daniel) und sicher auch im christlichen Bereich (´Paulus´ z.B.). Ohne mythologischen Kontext wären solche Erfahrungen mystisch (= Verschmelzung von Ich und apersonaler ´kosmischer Energie´). Mazdaistische, israelitische und christliche Offenbarungen aber standen in mythologischen Kontexten - die Erfahrung wurde daher in konkret-symbolisierender Weise verarbeitet, statt in abstrakt-philosophischer (Mystik des Parmenides, des Vedanta und des Buddhismus).<o:p></o:p>

2.) die „Natur“/ das „Wesen“ des Menschen als gemeinsamer Ursprung, weil womöglich bspw. der Mensch in Lateinamerika in mancher Hinsicht gleich tickt wie der Mensch in Mesopotamien und anderswo, auch ohne jeden Austausch (beschäftigen sich sicher Anthropologen, bestimmt auch Psychologen, evtl. auch Philosophen? mit)
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Das ist, denke ich, die einzig zutreffende Option. Das "Gleichticken" entspricht dem, was Ken Wilber ´Bewusstseinsstufen´ nennt, also Ebenen des Denkens und Fühlens, die universell im Geist aller Menschen angelegt sind und sich im Laufe der kognitiven und sozialen Entwicklung entfalten. Relevant für die Entstehungsfrage der Religion sind die Stufen des magischen und des mythischen Denkens, wie sie Jean Piaget für die kindliche Entwicklung herausgearbeitet hat. Das magische Denken ist charakteristisch für Sippen- und Stammeskulturen, das mythische für die daraus entstehenden staatlichen Einheiten (Hochkulturen). Komplexe Gebilde wie z.B. der sumerische Staat müssen auf eine Weise religiös überdacht sein, die bei Stämmen noch nicht nötig ist, nämlich in Form großer Erzählungen mit einer ausgefeilten Typologie von Göttern. Solche Entwicklungen geschehen nicht zufällig, sondern entspringen universellen Denkmustern.<o:p></o:p>

3.) ein historischer gemeinsamer Ursprung
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Nicht nur sehr unwahrscheinlich, sondern unmöglich.<o:p></o:p>
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Vermutlich sprichst du den animistischen Glauben an beseelte bzw. von geistigen Mächten gesteuerte Naturphänomene an. Genau dieser Glaube aber ist der Ursprung des späteren Götter- und Gottglaubens. Es reicht, auf das bekannteste Beispiel zu verweisen: Jahwe, der Gott der Juden, war ursprünglich ein Wettergott, den ein Nomadenstamm, die Habiru (= Hebräer), als ihren Schutzgott verkulteten. Im AT finden sich Stellen, die auf diese Naturfunktion Jahwes hinweisen, z.B.1 Kön 18 und Nah 1,3-5.
Als wirklich erwiesen kann diese Theorie über Jahwes Ursprung aber trotzdem nicht gelten.
 
@Ravenik:

"Erwiesen" vielleicht nicht, aber doch hochwahrscheinlich, da es auffallend viele Textstellen gibt, die den Zusammenhang von Jahwe und Sturm/Wetter thematisieren. In Ez 1 kommt der Gott in Sturm und Gewitter, in Ps 68,5 fährt er "auf den Wolken", ähnliches in Ps 18,4-20, 29,2, 93,1-5 u.v.m. sowie Hi 36,22–37,24. Die Psalmen sind dermaßen voll von Wetteraktivitäten Jahwes, dass ich hier aus Zeitgründen nicht alle nennen kann. Es spricht viel dafür, dass Jahwe ursprünglich ein Wettergott war wie andere in der Region auch, z.B. Baal und Addu. Manche Forscher sehen in Jahwe einen Sturmgott nach dem Modell des ägyptischen Seth. ´Königliche´ Attribute wie seinem Rivalen Baal kommen Jahwe erst in späteren Textschichten zu. Dass die Verbindung von Wetter/Sturmgott und König naheliegt, zeigen auch die Attribute des griechischen Zeus, der seine Karriere ebenfalls als Wettergott begann.

Ich ergänze meinen Beitrag noch mit dem Verweis auf drei verschiedene Theorien der Herkunft der Israeliten: 1) Nomadenstamm der Habiru, 2) Nomadenstamm der Schasu, 3) ursprünglich in Kanaan schon ansässiger Stamm.

Von der Forschung geklärt ist das (noch) nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kenne die Theorie vom Kriegsgott Jahwe.

Das er irgendetwas mit dem Wetter zu tun hatte höre ich das erste mal.
 
@Ravenik:

"Erwiesen" vielleicht nicht, aber doch hochwahrscheinlich, da es auffallend viele Textstellen gibt, die den Zusammenhang von Jahwe und Sturm/Wetter thematisieren. In Ez 1 kommt der Gott in Sturm und Gewitter, in Ps 68,5 fährt er "auf den Wolken", ähnliches in Ps 18,4-20, 29,2, 93,1-5 u.v.m. sowie Hi 36,22–37,24. Die Psalmen sind dermaßen voll von Wetteraktivitäten Jahwes, dass ich hier aus Zeitgründen nicht alle nennen kann.

Hi Chan, es gibt andererseits - gerade in den Psalmen - noch viel mehr Stellen, die Jahwe als Helfer, Retter, Schutz im Krieg und vor Feinden preisen. So könnte ich auch behaupten, er sei ursprünglich Kriegsgott gewesen. Ich weiß aber nicht wie aussagekräftig so etwas ist.
Ich habe von den von Dir angegebenen Stellen nur mal Ezechiel 1 und Psalm 18 gelesen. Es handelt sich beides mal um Theophanien, Gotteserscheinungen. Der jeweilige Verfasser nutzt zur Beschreibung des "Unbeschreibaren" Bilder aus dem Bereich des Wetters und sonstiger Naturgewalten - da hast Du recht. Aber wollte man damals etwas "Gewaltiges" wie eine Gotteserscheinung beschreiben, so boten sich solche Bilder auch an, ohne dass man an einen "Wettergott" gedacht haben muss. Wenn es heute stürmt, schließen wir unsere super-isolierten Fenster, setzen uns ins Wohnzimmer und gucken Fernsehen. Wenn's damals stürmte, pfiff einem der Wind durch die Bude; man war damals von diesen Naturgewalten viel stärker betroffen (der einzelne viel abhängiger von ihnen, Stichwort "Ernte"). Ist doch klar, dass, wenn man ein gewaltiges Erscheinen Gottes in Worte fassen wollte, einem schnell solche Bilder in den Sinn kamen und sich anboten.
Freilich konnte eine Theophanie auch anders beschrieben werden: In 1. Könige 19, 11ff offenbart sich Gott dem Elia am Horeb. Erst kommt ein "starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach [...] Doch der Herr war nicht im Sturm". Es folgte ein Erdbeben und ein Feuer; beide Male war der Herr wieder nicht darin. "Nach dem Feuer kam ein sanftes leises Säuseln", und darin erschien Gott dem Elia. Das nur mal als ein Beispiel dafür, dass das AT sehr unterschiedliche Bilder gebraucht, um eine Gotteserscheinung in Worte zu fassen, nicht nur Bilder wie Sturm, Wolken, Blitz, Donner usw.
Und zu guterletzt: Laut dem NT wird Christus bei seiner zweiten Ankunft für alle sichtbar auf den Wolken kommen. Jetzt könnte jemand noch die Stelle dazu nehmen, wo Jesus den Sturm auf dem See Genezareth zum Verstummen bringt, und sich noch zwei, drei andere Stellen suchen, wo Jesus irgendwie mit Wetter, Wolken, Wind oder so in einen engeren Zusammenhang gebracht wird, um dann zu dem Schluss zu kommen: Christus war für die frühen Christen ein Wettergott (oder eben der Sohn des Wettergottes).
Klar, ist das ein blöder Vergleich, und Deine Theorie zu Jahwe als ursprünglichem Wettergott spielt zugegebenermaßen "in einer höheren Liga", aber mich überzeugt Deine Herangehensweise dennoch nicht so recht, was ich mit dem blöden Beispiel verdeutlichen wollte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die ältesten Hinweise auf den Kult um JHWE finden sich in quas vorjüdischen Inschriften. Dort wurde JHWH zusammen mit der Göttin Aschera verehrt, die im Alten Testament als kanaanitsches Götzenbild beschrieben wird.
Dass Volk Israels oder Kanaans war früher polytheistisch. Der JHWH-Kult entstand direkt aus einer polytheistischen Religion Kanaans und wurde erst später zum Monotheismus ausgebaut.

Ähnlich wird dies auch im Alten Testament beschrieben, dass z. B. JHWE zusammen mit Baal und Astarte zusammen verehrt worden sei. In der biblischen Deutung ist dies allerdings eine frevelhafte Abkehr vom wahren Glauben, meist ausgelöst durch heidnischen Prinzessinnen, die die Könige vom rechten Weg abkehren. (Das ist aber - so denke ich - eine spätere jüdischen Interpretation der polytheistischen Vergangenheit.)
Immer wieder geht es in der Bibel um den Rückfall des Volkes in die Abgötterei, die Bestrafung dafür und die kurzzeitige Rückkehr zum mosaischen Glauben an den einzigen wahren Gott. Es ist dann fast schon eine Karikatur, dass in den Königreichen Israel und Juda laut der Bibel eigentlich die meiste Zeit der Polytheismus dominierend war. Die Abkehr von der mosaischen Religion soll schon unter Salamon begonnen haben, der in Jerusalem den Baal-Kult einführte. Selbst wenn man diesen König für ahistorisch hält, so waren seine Nachfolger keineswegs weniger polytheistisch - d. h. fast während der gesamten Königszeit dominierte der Polytheismus.

Am Ende soll die monotheistische Lehre sogar ganz verschwunden gewesen sein, bis der jüdische Königs Joschija endlich den Glauben Davids restaurierte und bei Ausgrabungen in Jerusalem zufällig das Gesetz des Moses gefunden worden ist, so die 2. Chronik.:pfeif:
 
Die ältesten Hinweise auf den Kult um JHWE finden sich in quas vorjüdischen Inschriften. Dort wurde JHWH zusammen mit der Göttin Aschera verehrt

Hallo Maglor, also so langsam beginnt mich die Frage nach der "Herkunft Jahwes" brennend zu interessieren. Hast Du einen Tipp, wo man etwas genaueres über diese Inschriften erfahren kann (vielleicht sogar eine dt. Übersetzung der Inschriften)?

Und hat generell jemand einen Literatur-Tipp: Gibt's ein gutes (nicht allzu ideologisch gefärbtes) Buch, welches auf wissenschaftliche Weise versucht, die frühesten Entwicklungen des Jahwe-Kultes nachzuzeichnen?
 
Ich schließe mich der "anthropologischen" Begründung an und denke, dass Religionen aus dem Zwang des Menschen enstehen, sich mit der Umwelt und ihren Phänomenen "sinnstiftend" auseinandersetzen zu müssen (so wie es z.B. Cassirer beschrieben hat). Ähnlichkeiten ergeben sich dann vielleicht mehr daraus, dass ähnliche Naturphänomene und -gewalten ge- bzw. be-deutet werden.

Ich werfe aber mal eine sich anschließende Überlegung in die Runde: Wenn die Menschen einen gemeinsamen Ursprung in Afrika haben, wieso sollte nicht auch schon zu dieser Zeit eine gemeinsame Naturreligion geherrscht haben, die die Menschen in ihrer späteren Ausbreitung mitnahmen und modifizierten?
 
Hallo Maglor, also so langsam beginnt mich die Frage nach der "Herkunft Jahwes" brennend zu interessieren. Hast Du einen Tipp, wo man etwas genaueres über diese Inschriften erfahren kann (vielleicht sogar eine dt. Übersetzung der Inschriften)?
Ich fand das Busch "Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel" von Finkelstein und Silberman sehr erhellend. Der Titel des Buches ist ziemlich reißerisch, aber leider ist nunmal so, dass sich die üblichen Abhandlungen zur jüdischen Geschichte im besagten Zeitraum auf die plumpe Wiedergabe des Alten Testaments unter Auslassung der Zeichen und Wunder beschränken. Tatsächlich spielt die Interpretation biblischer Texte - wohlbemerkt die Interpretation als historische Quelle - in den einzelnen Abhandlungen meist eine größere Rolle als die Archäologie.

Der Grundtenor des Buches ist, dass der jüdische Monotheismus erst später entstand, als gemeinhin angenommen, sich in direkte Linie aus dem Polytheismus der Kanaanäer entwickelte und der besagte König Joschija von Juda ähnlich wie Echnaton in Ägytpen den Monotheismus von oben oktroyierte, allerdings mit dauerhaftem Erfolg.
Folgt man dem Vergleich mit Echnaton (den ich nicht aus dem oben genannten Werk zitiere) könnte man ja meinen der gemeinsame Ursprung des Monotheismus sei die Politik. In Juda herrschten klare Regeln, es gibt nur einen König, einen Tempel und einen Gott. Im Dunstkreis des Caesarenwahns gibt es ähnliche - allerdingsnicht dauerhafte - Projekte wie Elagabal (ich meine den Gott, nicht den Severer) oder Sol Invictus.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich werfe aber mal eine sich anschließende Überlegung in die Runde: Wenn die Menschen einen gemeinsamen Ursprung in Afrika haben, wieso sollte nicht auch schon zu dieser Zeit eine gemeinsame Naturreligion geherrscht haben, die die Menschen in ihrer späteren Ausbreitung mitnahmen und modifizierten?

Willkommen Mono. Meine persönl. Meinung: Rein theoretisch ist solch ein "gemeinsamer historischer Ursprung" aller Religionen möglich; aber diese These wird man ganz sicher niemals anhand von Quellen verifizieren können.

Eine andere Meinung zu Deiner These: Chan hält oben einen gemeinsamen historischen Ursprung für "unmöglich".

Es lohnt sich m. E. gar nicht darüber zu streiten, weil das ganze eh so unwahrscheinlich und nicht-fassbar ist.
 
Ich fand das Busch "Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel" von Finkelstein und Silberman sehr erhellend [...]
Dankeschön für den Literaturtipp. Ich informiere mich mal über das Buch, aber klingt schon alles ein bisschen nach einer "Aussenseiter-Meinung" ... na ja, ich will nicht urteilen, bevor ich mich informiert hab.

Gibt es denn nicht ein Buch od. Aufsatz zum Thema, der gewissermaßen den "Forschungskonsens" (auch und besonders den archäologischen) wiedergibt?
 
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