Religionsursprung

Meinst du Synkretismus? Der Synkretismus ist allerdings mehr als nur äußere Form zu übernehmen. Wenn etwa katholische Priester in den Anden für den Schutz der Pacha Mama eintreten und bei einer Feldsegnung ein wenig Schnapps verschütten und neben Maiskolben auch brennenden Zigaretten niederlegen, dann ist das Synkretismus. Dass im Einzelnen das Christentum, da das Judentum ja keine Bildtradition hatte, Elemente aus der Darstellung heidnischer Religionen übernommen hat, ist noch kein Synkretismus.
Weihnachten kann man wohl als Mittelding zwischen Synkretismus und Substitution sehen, wobei hier wohl mehr Substitution als Synkretismus zu verzeichnen ist, da Sol Invictus zwar einerseits mit Jesus identifiziert wurde ("Ich bin das Licht der Welt..."), aber letztlich wurde aus seinem Feiertag oder aus der Zeit um seinen Feiertag das Geburtsfest für den neuen Gott, welches den Sol Invictus-Kult eigentlich völlig überlagerte.

Genau die Begrifflichkeiten habe ich gesucht. Ich erlaube mir, einen hervorragenden Beitrag in dem Zusammenhang zu zitieren:


Kommt auf die genaue Art an. Manches könnte man mit Synkretismus umschreiben, anderes mit Assimilation. In Mexiko wurde aus einer aztekischen Totengöttin und der Jungfrau Maria die Virgen de la Muerte, die heute insbesondere von Kriminellen als Schutzheilige angerufen wird. Sie wird wie die Jungfrau Maria dargestellt, aber eben skelettiert. Hier haben wir einen Fall von Synkretismus. Wenn aber das Verbrennen von Weihrauch aus alten Kulten übernommen und in die christliche Messfeier übertragen wird, dann ist das Assimilation, weil nicht Inhalt, sondern Form übernommen wird.

Ein weiteres Beispiel ist der Valentinstag, der vor einer Woche begangen wurde: heute eigentlich ohne religiöse Konnotation begangen, war er doch ursprünglich ein christlicher Feiertag (http://de.wikipedia.org/wiki/Valentinstag#.C3.9Cberlieferung), der seinerseits einen heidnisch-römischen Kult möglicherweise ersetzte: http://de.wikipedia.org/wiki/Lupercalien
 
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@Chan:
Ravenick und Reinecke haben da ein paar gute Einwände eingebracht. Da würde ich gerne deine Meinung zu lesen. Zum Beispiel zur "Muttergöttin".
Es gibt ja auch die These durch die Genetik, dass die Population der Menschen mal sehr klein war (1.000 - 10.000 Individuen). Dies könnte dann für eine noch gemeinsamere Naturreligion sprechen, zumindest für jenen bestimmten Zeitraum.

Für die "Muttergöttin" als ursprüngliche Form...
Zu erklären ist das ganz einfach: Die Frau hat eine Eigenschaft, die der Mann nicht hat. Sie gebärt Kinder. Sie ist die beschützende und gute Mutter (im Idealfall). Später wurde aus einer Göttin dann ein Gott.
...würde sprechen, dass neben dem Tod, die Geburt, das wichtigste Phänomen einer Gemeinschaft ist und diese nunmal mit der Frau verbunden ist. Von Jochen Hörisch stammt glaube ich die These, dass es Patriarchate erst geben konnte, nachdem ein Zusammenhang zwischen Zeugung und Gebären hergestellt wurde (immerhin eine Zeitspanne von ca. 9 Monaten), also der Mann eine Rolle für die Geburt einnahm.
So kulturwissenschaftlich interessant diese These ist, so muss man sie wohl bezweifeln, wenn man sich die Gemeinschaftsstrukturen unserer nächsten Vorfahren anschaut. Soweit ich weiß, gibt es dort überwiegend patriarchale, aber auch matriarchale Strukturen.
 
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Für die "Muttergöttin" als ursprüngliche Form...
...würde sprechen, dass neben dem Tod, die Geburt, das wichtigste Phänomen einer Gemeinschaft ist und diese nunmal mit der Frau verbunden ist. Von Jochen Hörisch stammt glaube ich die These, dass es Patriarchate erst geben konnte, nachdem ein Zusammenhang zwischen Zeugung und Gebären hergestellt wurde (immerhin eine Zeitspanne von ca. 9 Monaten), also der Mann eine Rolle für die Geburt einnahm.
So kulturwissenschaftlich interessant diese These ist, so muss man sie wohl bezweifeln, wenn man sich die Gemeinschaftsstrukturen unserer nächsten Vorfahren anschaut. Soweit ich weiß, gibt es dort überwiegend patriarchale, aber auch matriarchale Strukturen.

Die Hypothese eines Matriarchats weil der Zusammenhang von Zeugung und Geburt nicht erkannt worden sei, unterstellt die Dummheit unserer Vorfahren. Aber diese waren Jäger und Sammler. Zwar ist der Mensch, was die Fortpflanzung angeht, nicht an die Saison gebunden, aber bei Tieren ist das ja durchaus so. Es gibt eine Balz- und Paarungszeit und eine Zeit, indem massenweise die Vögel aus den Eiern schlüpfen, die Kälber geboren werden etc. pp. Der Zusammenhang kann unseren Vorfahren - die sich schließlich von ihren angeborenen Fähigkeiten nicht von uns unterscheiden, lediglich die erlernten Techniken sind andere - nicht verborgen geblieben sein. Und auch zu der Transferleistung, dass das bei den Tieren beobachtete auf den Menschen zu übertragen ist, müssen unsere Vorfahren fähig gewesen sein. Mal abgesehen davon, dass es mehrere Anzeichen einer Schwangerschaft gibt, wie Ausbleiben der Monatsblutung, Schwangerschaftsübelkeit etc. die auch vor einer äußerlich sichtbaren Rundung des Körpers schon zu bemerken sind.
 
Interessant könnte hier eher die "Kontrolle" der weiblichen Sexualität gewesen sein. Dass den Menschen der Zusammenhang zwischen Geschlechtsverkehr, Schwangerschaft und Geburt nicht verborgen geblieben ist, würde ich wie ElQ auch für eher nicht zutreffend halten. Für eine Patrinlinearität muss aber nicht nur bekannt sein, dass ein Vater bei der Zeugung eines Kindes eine Rolle spielt, sondern auch, wer das jetzt ist oder zu sein hat; ob und wie oft dann biologische und soziale Vaterschaft differieren ist dann fast bedeutungslos...
 
Als Beleg wird gerne die Ikonographie herangezogen. Maria als Muttergottes und Isis als Göttin und Mutter des Horus. Muss jeder selbst wissen, was er davon hält.

Eine Mutter hält ihr Kind, ich glaub ich habe gut ein Dutzend ähnliches Kinderfoto.

Dieser Zusammenhang ist unheimlich beliebt obwohl er mir sehr komisch erscheint.

Marija wird mit Jesus im Arm dargestellt, Isis mit Horus im Arm, wie soll man eine Mutter sonst darstellen.
 
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Eine Mutter hält ihr Kind, ich glaub ich habe gut ein Dutzend ähnliches Kinderfoto.

Dieser Zusammenhang ist unheimlich beliebt obwohl er mir sehr komisch erscheint.

Marija wird mit Jesus im Arm dargestellt, Isis mit Horus im Arm, wie soll man eine Mutter sonst darstellen.

Gewiß, das Grundmotiv "Mutter mit Kind" ist gleich. Allerdings ist die Marienverehrung erst relativ in der Spätantike (Konzil von Ephesos, 431) entstanden. In den Evangelien hat Maria doch eher eine "Nebenrolle".

Der Isis-Kult war im Römischen Reich weit verbreitet (in Mainz wurde doch auch erst vor einigen Jahren ein Isis-Heiligtum ausgegraben, oder?). Daher meine Annahme, dass möglicherweise für viele Neuchristen die Marienverehrung die Isisverehrung ablöste, und dadurch die Annahme des neuen Glaubens vereinfachte.

Ob dies von der Kirche so intendiert war, dass heidnische Formen übernommen und mit christlichem Inhalt gefüllt wurden, wäre allerdings eine andere Fragestellung.
 
Marija wird mit Jesus im Arm dargestellt, Isis mit Horus im Arm, wie soll man eine Mutter sonst darstellen.

Zumindest vermuten einige, dass das in Ägypten weit verbreitete Bild "isis mit Kind" auch den ikonografischen Ursprung der christlichen "Maria mit Kind" bildet. Wiki vermutet hier zu recht:

Darstellungen der „Isis mit dem Horusknaben“ aus der Isis-Ikonografie, vor allem die Isis lactans (die „stillende Isis“), erscheinen in Art und Weise verwandt mit späteren Darstellungen Marias, der Mutter Jesu mit dem Jesuskind.

File:Egypt.IsisHorus.01.png - Wikimedia Commons
 
Gewiß, das Grundmotiv "Mutter mit Kind" ist gleich. Allerdings ist die Marienverehrung erst relativ in der Spätantike (Konzil von Ephesos, 431) entstanden. In den Evangelien hat Maria doch eher eine "Nebenrolle".

Bedingt. Sowohl im Lukasevangelium, als auch im Johannesevangelium (hier v.a. in der Passionsgeschichte) hat sie eine ganz wichtige Rolle. Zudem gibt es ja noch die Apokryphen, also das Kindheitsevangelium Christi oder das Jakobusevangelium, in dem auch Joachim und Anna erwähnt werden, die Eltern Marias.



Wiki vermutet hier zu recht:

Darstellungen der „Isis mit dem Horusknaben“ aus der Isis-Ikonografie, vor allem die Isis lactans (die „stillende Isis“), erscheinen in Art und Weise verwandt mit späteren Darstellungen Marias, der Mutter Jesu mit dem Jesuskind.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Egypt.IsisHorus.01.png

Wiki ist hier sehr betont vorsichtig. Die Darstellungen sind ohne Zweifel miteinander in der Art verwandt, eben eine Darstellung von Mutter und Kind. Die Frage ist - und dies ist eben überhaupt nicht zwingend - ob hier eine Abhängigkeit zwischen den Darstellungen besteht. Wie Zoki richtig sagte: Der Spielraum eine (fürsorgliche) Mutter darzustellen ist nicht besonders groß. Interessant wäre in diesem Zusammenhang vielleicht noch, ob es Darstellungen der Isis mit dem toten (ermordeten) Osiris gibt, denn seit der Renaissance gibt es ja auch noch die Pietà: Darstellungen der Maria mit dem gerade vom Kreuz genommenen Jesus. Hier würde dann aber eine Lücke von mindestens 900 Jahren klaffen zwischen dem letzten Bestehen des Isiskultes und der christlichen Pietà-Darstellung.
 
Gewiß, das Grundmotiv "Mutter mit Kind" ist gleich. Allerdings ist die Marienverehrung erst relativ in der Spätantike (Konzil von Ephesos, 431) entstanden. In den Evangelien hat Maria doch eher eine "Nebenrolle".

Nun nur weil es bis 431 kein Dogma gab über Maria muss es ja nicht so sein, dass diese nicht verehrt wurde. Möglicherweise schon von den ersten Christen.
 
@Buschhons

Einige Beispiele: Es gibt zwei Tonkrüge aus dem frühen 8. Jahrhundert, betextet mit:

Gesagt hat … Sprich zu … und zu Yau‘asa und zu … :
Ich segne euch vor Jahwe von Samaria und vor seiner Aschera.


Sowie:

Amaryau: Sprich zu meinem Herrn:
Geht es dir gut?
Ich segne dich vor Jahwe von Teman und vor seiner Aschera.
Er segne und er behüte dich und sei mit meinem Herrn …


Eine Grabinschrift aus jener Zeit besagt:

Uriyahu, der Reiche, hat es schreiben lassen:
Gesegnet war Uriyahu vor Jahwe.
Und von seinen Feinden hat er ihn
durch seine Aschera/um seiner Aschera
willen errettet …

@ Chan:
Auch wenn mir die Diskussion ansonsten über den Kopf gewachsen ist, wollte ich mich wenigstens mal kurz bei Dir für diese Hinweise bedanken, nach denen ich ja gefragt hatte.
 
Auf die Gefahr hin, mit dem Werbeverbot in Konflikt zu kommen, ein Literaturtip:
https://www.bibelwerk.de/shop/Zeits...fte.15131.html/Gott+und+die+Götter.30780.html

Hey super! Das ist doch so ziemlich das, was ich gesucht habe (verspricht mir zumindest der Blick ins Inhaltsverzeichnis). "Welt und Umwelt der Bibel" kenne und schätze ich, aber Heft 1999/1 ist mir bis jetzt noch nicht untergekommen. Generell schreiben darin ja ernstzunehmende Fachleute, nur schreiben sie eben so, das es jeder verstehen kann. Vielleicht sollte ich mir das Heft mal zu Gemüte führen. Guter Tipp, Liborius!
 
Als Beleg wird gerne die Ikonographie herangezogen. Maria als Muttergottes und Isis als Göttin und Mutter des Horus. Muss jeder selbst wissen, was er davon hält.

Es gibt bei der Ikonographie jenseits der schlichten Darstellung einer Mutter mit Ihrem Kind auch Details wie z.B. der Halbmond und die Sterne als Atribut Marias, der m.W. auch in den Darstellung Isis auftaucht, zumindest in den römischen Darstellungen. In den Metamorphosen des Apuleius steigt sie aus dem Mond, was sehr stark der häufigen Darstellung Marias auf dem Halbmond entspricht.

Das ist mir bekannt, aber mal abgesehen davon, dass Maria nicht als Göttin verehrt wurde, ...
Die meisten Antiken Götter hatten auch nicht mehr Attribute als die, die Maria in den extremsten Auswüchsen der Marienverehrung zugeschrieben werden. Hast Du mal ein Marienheiligtum wie Lourdes oder Fatima besucht?

ist für mich nicht ersichtlich, wieso eine aus dem Judentum hervorgegangene Sekte sich ausgerechnet an der ägyptischen Religion (die für Juden und Christen ein Gräuel war) orientiert haben sollte. Um einen inneren Zusammenhang plausibel machen zu können, braucht es schon etwas mehr als eine schlichte äußere Ähnlichkeit der Ikonographie.

Weil der Isiskult nun weite Verbreitung im römischen Reich zur Zeit der Verbreitung des Christentums hatte.
 
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@Ravenik

Chan:
Nun ist dieser Text aber ziemlich spät entstanden, hauptsächlich während der Exilszeit, teilweise auch davor, wobei diese älteren Passagen aber im Exil überarbeitet wurden.
Woher willst Du das so genau wissen?

Ich stütze mich dabei auf eine 19-seitige Seminararbeit an einer katholischen Privatuniversität (Email-Adresse des Verfassers mir bekannt), die sich wiederum auf sechs Fachbücher stützt. Die Arbeit behandelt ausschließlich den Theophanie-Teil, ist also sehr gründlich.

Oder, umfassender gefragt: Woher willst Du wissen, dass all jene Passagen, die für einen Jahwe als Wettergott sprechen, uralt und authentisch sind, und alle, die nicht dazu passen, eben erst später entstanden oder zumindest überarbeitet? Ist es nicht eher so, dass Du aus dem Umstand, dass Passagen nicht zur Wettergott-Theorie passen, ableitest, dass sie jünger sind?

Auch hier beziehe ich mich auf Sekundärliteratur, und zwar relativ abgesichert, da die entsprechenden Einschätzungen von mehreren Fachautoren geteilt werden. So wie ich die Literatur zu diesem Thema bisher gesichtet habe, ist die Wettergott-These eindeutig am verbreitesten, während es nirgendwo dezidiert heißt, dass Jahwe als Kriegsgott begann. In einer Arbeit heißt es z.B., dass die alttestamentlichen Stellen, die Jahwe als Wettergott thematisieren, "älter" seien als alle, die ihm andere Attribute zuschreiben (Kriegs- bzw. Vatergott). Als Beispiele werden die Psalmen 24, 29, 47, 93 und 104 genannt. Auch heißt es, dass Jahwes Wetterkompetenz bis in die Perserzeit hinein bestehen bleibt, exemplifiziert durch Verweise auf die Bücher Haggai und Sacharja. Argumentiert wird auch dahingehend, dass für Ackerbaukulturen, wie es die hebräische nach der Sesshaftwerdung war, ein Wettergott höchste Priorität hatte.

Ich denke, das ist nachvollziehbar. Welchen Sinn hätte es für diese Leute gehabt, Jahwe zum Kriegsgott zu küren? Sie hatten darüber hinaus das Problem, dass sich viele von ihnen nach der Sesshaftwerdung dem Wettergott Baal zuwandten statt dem eigenen Jahwe, weil der Ackerbau nun im Vordergrund stand - und sicher auch wegen der Baalskult-typischen Sexorgien. Was konnte für den Rest der Hebräer, die Jahwe-Verehrer, also näher liegen, als ihren Jahwe ebenfalls als Wettermacher glänzen zu lassen? Der Prozess der Übertragung der Wetterkompetenz von Baal auf Jahwe ist ein typisch synkretistischer, wie er im ganzen Alten Orient gang und gäbe war.

Ein Kriegsgott-Potential hat ein Wettergott allerdings vom Start weg, da er nicht nur Land bewässert, sondern auch Blitze schleudert. Bekanntlich vereinigt Baal Wetter- und Kriegskompetenzen. Nur muss der Schwerpunkt bei Jahwe logischerweise zunächst auf dem Wetteraspekt liegen. Bezeichnend ist der biblische Text über die Auseinandersetzung zwischen Baal und Jahwe, die letzterer für sich entscheidet. Dabei geht es nicht um Kriegs- oder Vatergottkompetenzen, sondern schlicht um das Vermögen, durch einen Blitz vom Himmel herab ein Opferfeuer zu entzünden. Jahwes spätere Attribute als Kriegsgott und Vater- und Schöpfergott werden ebenfalls in synkretistischer Weise von Baal bzw. El entlehnt.

Der ugaritisch-kanaanitische Obergott El (dessen schöpferische und väterliche Züge auf Jahwe übergehen) ist seinerseits ein synkretistisches Abbild des sumerischen Schöpfergottes Enki. Dieser hat im sumerischen Sintflut-Mythos (dem Vorbild des biblischen) eine positive Funktion: Er rettet Utnapischtim und seine Sippe aus den tödlichen Fluten.

@Maglor

Der Grundtenor des Buches ist, dass der jüdische Monotheismus erst später entstand, als gemeinhin angenommen...

Der Polytheismus ist als faktische vorexilische Religionsform der Israeliten in der Fachwelt schon lange akzeptiert. Darüber herrscht auch bei seriösen christlichen Bibelforschern Konsens.

Folgt man dem Vergleich mit Echnaton (den ich nicht aus dem oben genannten Werk zitiere) könnte man ja meinen der gemeinsame Ursprung des Monotheismus sei die Politik.

Was den jüdischen Monotheismus betrifft, denke ich auch so, siehe meinen Post "Genese des Monotheismus". Bei Echnaton trifft das sicher ebenfalls zu. Staat und Religion bilden im Alten Orient seit der Einführung des Gottkönigtums ohnehin ein symbiotisches Paar.

In Juda herrschten klare Regeln, es gibt nur einen König, einen Tempel und einen Gott.

Was den "einen Gott" betrifft: Offiziell ja, aber (wie schon gesagt) nicht faktisch beim Volk. Polytheistische Tendenzen konnten noch bis in die nachexilische Zeit nicht vollständig unterdrückt werden. Die exilischen Priester führten den Untergang Judas auf den ungebrochenen Polytheismus bei den Israeliten zurück. Also muss es diesen bis ins 6. Jahrhundert hinein gegeben haben. Dazu gehörte auch die Partnerschaft von Jahwe und Aschera. Als "Anat" (Baals Schwester, eine Liebes- und Kriegsgöttin im kanaanitischen Pantheon) wurde die Partnerin von Jahwe noch im 5. Jahrhundert v.u.Z. von jüdischen Soldaten in der Militärkolonie Elephantine in Oberägypten verehrt.

Bei all dem sollte auch nicht übersehen werden, dass die Religiösität im Alten Orient mehrere Dimensionen aufweist. Man kann unterscheiden:

1) eine staatliche Ebene (der jeweilige Staatsgott, z.B. Jahwe)

2) eine lokale Ebene (die Stadtgottheit)

3) eine familiäre Ebene (der Familien- oder Sippengott, zu dem der Einzelne ein persönliches Verhältnis hat)

Zu 3):

Es gibt im AT mehrere Hinweise auf private Hausgötter, die neben Jahwe eine Rolle spielten. In 1 Sam 19,12ff. täuscht Davids Frau Michal, die Tochter des Königs Saul, die Verfolger ihres Mannes mit einem Hausgott-Bildnis, das sie so platziert und drapiert, dass die Verfolger es mit David verwechseln. (Natürlich sind die genannten Figuren historisch ungesichert). In Gen 31,19f. führen Jakob und Rahel bei ihrer Flucht ihren Hausgott mit sich. Dieser Gott-Typ, der auch weiblich sein konnte, hatte für Familien eine existentielle Bedeutung. Einige Funde zeigen erotisch gestylte Göttinnenbilder (Amulette). In Jer 44,17-19 gibt es einen Hinweis auf die familiäre Verehrung einer Himmelskönigin vom Typ der ägyptischen Isis.

Vergisst man das bei Überlegungen über Polytheismus vs. Monotheismus und konzentriert sich auf 1), dann fällt ein wichtiges Stück religiösen Lebens dieser Zeit aus der Rechnung heraus.

@Ravenik

Allerdings waren weder der Aton- noch der Elagabal- noch der Sol invictus-Kult monotheistisch. Der Aton-Kult war wenigstens henotheistisch, der Elagabal-Kult hingegen nicht einmal das wirklich.

Was den Aton-Kult betrifft: Die Ägyptologen J. Assmann und E. Hornung sehen das anders. Für sie ist Echnaton ein radikaler Monotheist. Im "Großen Sonnenhymnus" Echnatons heißt es:

Du einziger Gott, außer dem es keinen gibt...

Und:

Du hast den Himmel fern gemacht, um an ihm aufzuleuchten, um alles zu sehen, was du gemacht hast, du allein in deiner Gestalt als lebendige Sonne, glänzend, fern und doch nah. Du machtest Millionen von Gestaltungen aus dir allein...

Echnaton lässt die Tempel anderer Gottheiten schließen und schafft ihre Kulte ab. Er lässt ihre Bilder zerstören und ihre in Stein eingravierten Namen eliminieren. Die Verehrung der Sonne geschieht nicht durch das Volk, sondern einzig und allein durch Echnaton und seine Gemahlin Nofretete. Das Volk nimmt an der Verehrung nur auf dem Umweg über Bilder teil, die das Herrscherpaar von der Sonne angestrahlt zeigen.

Man kann die Sonnenverehrung als Ansatz zu einer Naturphilosophie sehen. Das meint J. Assmann. Für ihn ist der Atonkult nicht der Beginn eines monotheistischen Denkens, vielmehr hätte daraus eine Philosophie in der Art des Thales entstehen können. Man kann es auch unter dem Aspekt sehen, dass das eigentliche Gottesdenken der Ägypter - die Götter und die Menschen und die Welt sind Manifestationen des einen unsichtbaren und wahren Gottes - , dass dieses fast schon brahmanistisch anmutende Denken durch Echnatons Alleinverehrung eines physischen Objekts (Sonne), welches ebenso wie der Unsichtbare Gott die Welt aus sich hervorbringt, ins Archaische pervertiert wurde.

Aber genug für heute. Morgen gehe ich auf die Posts zum Thema Muttergöttin ein.
 
 
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Ich habe einen Artikel des Theologen Johannes Leipoldt gefunden, in dem er auf zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen dem Isiskult und der Marienverehrung hinweist. Einen definitiven Beweis für eine "Übertragung" (sei es Assimilation oder Synkretismus) kann er jedoch nicht führen.

Ersten Abteilung Der Nahe und Mittlere Osten Herausgegben Von B. Spuler ... - Google Books

(ab S. 33)

Ist auch schwierig. Aber zeig mal die anliegende Darstellung einem Katholiken und erkläre ihm, dass diese NICHT Maria mit dem Kind ist:
 

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Es gibt bei der Ikonographie jenseits der schlichten Darstellung einer Mutter mit Ihrem Kind auch Details wie z.B. der Halbmond und die Sterne als Atribut Marias, der m.W. auch in den Darstellung Isis auftaucht, zumindest in den römischen Darstellungen.

Aber ist es nicht so, dass Isis Stierhörner auf dem Kopf trägt, die als Mondsicheln verstanden werden, während die Mondsichelmadonnen auf den Mondsicheln stehen?
 
Eine verheiratete Frau gehörte normal schon "unter die Haube". Aber es gibt auch barhäuptige Marien. Leider bin ich nicht der Kunstexperte, der dafür nötig wäre. Aber von Cranach gibt es eine, und von Botticelli eine fast barhäuptige.
Zweifellos wurden Aspekte heidnischer (nicht nur mediterraner) Götter auf die christlichen Heiligen übernommen - weil deren Funktion einfach zu wichtig war. Die Ernte musste vor Unbill geschützt werden etc. Ob man deren Anrufung dann Anbetung, Verehrung oder sonstwie nennt, ist weitgehend Ansichtssache.
 
Argumentiert wird auch dahingehend, dass für Ackerbaukulturen, wie es die hebräische nach der Sesshaftwerdung war, ein Wettergott höchste Priorität hatte.

Ich denke, das ist nachvollziehbar. Welchen Sinn hätte es für diese Leute gehabt, Jahwe zum Kriegsgott zu küren? Sie hatten darüber hinaus das Problem, dass sich viele von ihnen nach der Sesshaftwerdung dem Wettergott Baal zuwandten statt dem eigenen Jahwe, weil der Ackerbau nun im Vordergrund stand - und sicher auch wegen der Baalskult-typischen Sexorgien. Was konnte für den Rest der Hebräer, die Jahwe-Verehrer, also näher liegen, als ihren Jahwe ebenfalls als Wettermacher glänzen zu lassen? Der Prozess der Übertragung der Wetterkompetenz von Baal auf Jahwe ist ein typisch synkretistischer, wie er im ganzen Alten Orient gang und gäbe war.

Hallo Chan,

1.) Soll das heißen, dass Jahwe für die Hebräer/ Israeliten ursprünglich doch weitergefasste Kompetenzen hatte und nur in der Begegnung mit Baal auf Wetterkompetenzen reduziert wurde?

2.) Ich kenne auch heute noch genug gläubige Landwirte, deren wirtschaftliche Lage nun mal vom Wetter abhängig ist und die Gott z. B. während der Zeit der Heu-Ernte um gutes Wetter bitten. Wenn wir nicht bei denen auf der Miste landen wollen, sollten wir nicht behaupten, dass sie einen "Wettergott" anbeten. Ähnlich verhält es sich vermutlich mit den Israeliten. Ein Gott, der unter anderem Macht hat, über das Wetter zu gebieten, muss nicht zwangsläufig ein kompetenz-reduzierter Gott wie ein ausgemachter "Wettergott" sein.


Chan, Du hast natürlich grundsätzlich recht, wenn Du als historisch herangehender Mensch das AT nicht von vorne bis hinten als eine einheitliche Quelle betrachtest, sondern Dir bewusst bist, dass einige Teile bzw. Schichten des AT älter, andere jünger sind. Und theoretisch könnte der Historiker und der Religionsgeschichtler daraus auch wunderbar die Entwicklung des Gottesglaubens/ Gottesbildes bei den Hebräern/ Israeliten/ Juden herausarbeiten. Aber so einfach, wie Du tust, ist das doch für uns relative Laien überhaupt nicht; selbst für die Experten ist es das nicht. Deine Beiträge klingen streckenweise so, als ob man diese oder jene Entwicklungslinie zweifelsfrei separieren und nachzeichnen könnte.

Das Problem ist doch: Ich kann kein Hebräisch und Du wirst es sicher auch nicht fließend können (falls doch, darfst Du mir für diese freche Unterstellung einen Rotbommel reinwürgen). Das heißt, wir können uns nur auf diejenigen Wissenschaftler verlassen, die des Hebräischen optimal kundig sind, außerdem großes historisches Sachwissen haben, und am besten noch die anderen altorientalischen Sprachen beherrschen für textliche sowie für archäologische Vergleiche.
Und selbst wenn wir uns mit unserer Meinung dann solch einem Wissenschaftler anschließen, können wir seine text- und formgeschichtlichen Argumente, mit denen er Traditions- und Textschichten voneinander zu trennen versucht, nicht einmal wirklich nachvollziehen – weil wir eben nicht ausreichend des Hebräischen mächtig sind. Das wäre alles halb so wild, wenn es nur eine einzige wissenschaftliche Ansicht zu der Frage gäbe.

Mir ist bewusst, dass die historisch-kritische Exegese der biblischen Texte, deren Handwerkszeuge unter anderem die Form-, die Text-, die Traditionsgeschichte usw. sind, dem Historiker hervorragende Hilfestellung bei seiner Quellenarbeit geben kann. Aber mir ist auch bewusst, dass
diese Methode ihre Grenzen hat, dass unterschiedliche Exegeten und Fachmänner nicht selten zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen.
Ich will nur mal ein Beispiel zum NT geben: Beinah alle historisch-kritischen Exegeten sehen in der markinischen Leidensgeschichte/ Passionsgeschichte das älteste und am besten abgrenzbare Stück der Evangelien. Eine „vormarkinische Leidensgeschichte“ (die dann im Mk.-Ev. verwurschelt wurde) sei gewissermaßen der älteste chritl. Text, der über Jesu Leben handelt (keine Ahnung, ob die Radikalkritiker das anders sehen, spielt für mein Beispiel auch nicht so die Rolle). Nur mal zwei Extreme, obwohl es selbstverständlich noch unzählige anderslautende Ansichten dazu gibt: Der eine Fachmann lässt die Schicht der alten Passionsgeschichte mit Mk. 8, 27 beginnen (Rudolf Pesch), der andere Fachmann mit Mk. 14, 32 (Joachim Gnilka). Das sind satte 6 Kapitel Unterschied. Und das, obwohl die Leidensgeschichte doch für alle als Textschicht so sicher, super und offenkundig abgrenzbar ist!? Mir kommen hier schon Zweifel an der Aussagekraft und Verlässlichkeit der Ergebnisse dieser Methode.
Da das AT um einiges vielschichtiger und komplexer ist als das NT, vermute ich, dass das „Heraus-Sezieren“ einzelner Schichten aus den Texten noch schwieriger ist und dass die Meinungen der Fachmänner noch weiter auseinandergehen. Wenn man sich da auf eine bestimmte Meinung stützt, werkelt man also eher mit einer Hypothese als mit einem Fakt vor sich hin. Damit zu arbeiten, ist ja nichts Falsches, solange man sich des Hypothesen-Charakters bewusst ist.

Was jetzt die Entwicklung des Gottesglaubens im AT anbelangt: Ohne ein Hebräisch-Studium kann ich mich persönlich nicht von der Richtigkeit dieser oder jener Hypothese überzeugen. Wenn ich daher das AT mal als Laie im Gesamten betrachte, finde ich vieles von dem, was Du und was andere hier im thread gesagt haben, wieder: Der monotheistische Glaube der Israeliten und Juden an Jahwe, der Himmel und Erde erschaffen hat, der alles souverän beherrscht, keinen ebenbürtigen Mit- oder Gegenspieler hat und der sein Volk ins Heil führt, hat sich unter den Hebräern und Israeliten erst nach und nach durchgesetzt. Es gab immer wieder polytheistisch Bestrebungen, Rückfälle zum „Götzendienst“ und auch synkretistische Entwicklungen in diesem „Volk“. Die Israeliten waren darin bestimmt nicht anders und bei der Durchsetzung des monotheistischen Jahwe-Glaubens bestimmt nicht erfolgreicher, als es andere Völker an ihrer Stelle gewesen wären. Das AT selbst unterstützt nicht den Mythos, dass sich das „Volk Jahwes“ von Anfang an nur an diesen einen Gott hielt, sondern es bietet unzählige Gegenbeispiele. Allerdings – und jetzt lehne ich mich mal ganz weit aus dem Fenster: – scheint Jahwe selbst schon ein besonderer und ein besonders erfolgreicher Gott zu sein, da er sich längst und bis heute erfolgreich in den Herzen und Köpfen der Juden als ihr einziger und heiliger Gott durchsetzen konnte – ein Vertrauen, welches historische Polemik nicht brechen kann.
Ich bin mir bewusst, dass der letzte Satz keine historische Aussage beinhaltet. Aber der Mensch ist so angelegt, dass er hin und wieder über die Stränge schlägt.
 
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