Richard Löwenherz und Prinz John

Um Brissotin nochmals beizupflichten, erlaube ich mir die Anmerkung, daß man zudem nicht anhand eines für einen bestimmten Herrscher - im angesprochenen Fall Karl d. Gr. - ermittelten Tagespensums dies absolut verallgemeinern kann. Für Otto d. Gr. bspw. hat man mW ermittelt, daß er an die 50 km pro Tag reisend zurückgelegt hat.

Richtig ist auf jeden Fall, daß sich die Reisegeschwindigkeit grundsätzlich nach dem langsamsten Mitglied der Reisegruppe ausrichtet, d.h., Unberittene - ergo die "Fußgänger" - bestimmen bei kompletten königlichen Gefolgen die an einem Tag zurückgelegten Kilometer.

Im konkreten Fall ist aber wohl eher davon auszugehen, daß es sich um eine Reisegruppe handelte, bei der alle beritten waren: sowohl Leopold als auch Richard reisten garantiert zu Pferd, ebenso die zur Bewachung des gefangenen Königs beigestellten Ritter, Sergenten und/oder Knechte. Selbst wenn ich weitere einrechne, die seltener ritten (z.B. Schreiber o.ä.), halte ich es für unwahrscheinlich, daß diese dabei zu Fuß nebenher gingen.
 
@Brissotin @timotheus

danke für den Tipp, da ich in der Gegend lebe, wirds leicht, das rauszufinden, ich weiss, dass trier im mittelalter bestimmt drei oder vier gasthäuser gehabt hat. Drum herum gabs eher dörfer, in eine grössere Stadt kam man nur alle paar Tage. deswegen nehm ich an, dass sie auch mal im freien übernachten mussten.
rheinland pfalz war im mittelalter sehr ländlich, eine grössere reitergruppe war da sicherlich sehr auffällig und wurde von den leuten begafft, vor allem inden dörfern.
vor allem die eifel und die gegend drumherum war im mittelalter eine einöde, wo nur selten menschen vorbeikamen und nur ein paar Bauernhäuser standen.
 
Das führt zwar jetzt etwas vom eigentlichen Thema um Richard und John weg, aber dazu noch einige regionalgeschichtliche und regionalgeographische Anhaltspunkte...

... ich weiss, dass trier im mittelalter bestimmt drei oder vier gasthäuser gehabt hat.

Als alte Römerstadt und Erzbischofsstadt dürfte Trier sogar mehr Gasthäuser i.w.S. gehabt haben.

Drum herum gabs eher dörfer, in eine grössere Stadt kam man nur alle paar Tage. deswegen nehm ich an, dass sie auch mal im freien übernachten mussten.

Glaube ich nicht, zumal es für Übernachtungen nicht zwangsläufig größerer Städte bedurfte.
Außerdem sollten für eine derartige Reisegesellschaft - Adlige und zudem kaiserlich legitimiert - ebenso Übernachtungsmöglichkeiten in Klöstern u. dgl. kein Problem gewesen sein.

Ich habe mir in nächtlicher Arbeit einmal die Mühe gemacht, mögliche an jeweils einem Tag erreichbare Punkte zu eruieren...
Anm.: Es handelt sich dabei natürlich nur um mögliche Orte, und die Aufzählung erhebt erst recht keinen Anspruch auf Vollständigkeit!

Beuren (Hochwald) nahe Hermeskeil ist zwar erst etwas später urkundlich erwähnt, aber das heute eingemeindete Prosterath existierte bereits im 11. Jh.
Birkenfeld (Nahe) gab es bereits (981 erstmalige Erwähnung).
Kusel war im 9. Jh. ein Königshof und danach ein Klosterhof.
Kaiserslautern war seit 1152 staufische Kaiserpfalz.
Die Burgen Spangenberg und Winzingen nahe Neustadt a.d. Weinstraße sind im 10. bzw. 11. Jh. entstanden

rheinland pfalz war im mittelalter sehr ländlich...

Das gilt zu jener Zeit eigentlich für jede Region, sobald man eine Stadt verließ.

vor allem die eifel und die gegend drumherum war im mittelalter eine einöde, wo nur selten menschen vorbeikamen und nur ein paar Bauernhäuser standen.

Die Eifel ließ man wohl wortwörtlich linkerhand liegen, denn sie liegt von Trier aus gesehen genau in der entgegengesetzten Richtung zu Speyer.
Die durchreisten Landschaften sollten - in etwa dieser Reihenfolge - Moseltal, Hunsrück, Nahe-Bergland, Pfälzerwald, Haardt, Rheintal gewesen sein... :fs:
 
Altmeister Junkelmann schreibt übrigens in den "Reitern Roms", daß auf langen Strecken ein Reiter nicht unbedingt viel schneller ist, als ein trainierter Maschierer. Er zitiert das Beispiel eines Reitwettbewerbs von Berlin nach Wien. Zwei Offiziere brauchten dafür auf trainierten Vollblütern eine Woche, doch starben beide Pferde. Ein Wanderer, der bei einem Wettbewerb die gleiche Strecke lief, war nur einen Tag langsamer, blieb aber am Leben.

In den Indianerkriegen machte die US Kavallerie die gleiche Erfahrung. Am ersten und zweiten Tag zog die Kavallerie der Infanterie mächtig davon. Am dritten und vierten Tag holte die Infanterie auf, und am 5. holte sie die Kavallerie ein.
 
@Timotheus

danke, das ist echt interessant. Ich komme aus dieser gegend, bin in der nähe von hermeskeil aufgewachsen, aber wies da im mittelalter aussah, darüber hatte ich nie gross nachgedacht. Saarburg fällt mir da noch ein, da gabs damals schon ne burg. Im Hunsrück liegt ja Zerf, und soweit ich weiss gabs da ein kleines, von ein paar Mönchen bewohntes kloster, das wird heute im ort noch als Kloster bezeichnet, obwohl es eher eine art Gutshof oder Meierei war. auch das könnte reisenden als unterkunft gedient haben. Da ich in der gegend wohne, dürfte es möglich sein, das alles genau rauszubekommen.
Sie werden ihren weg ja sicherlich nicht schriftlich festgehalten haben, so etwas tat man ja damals noch nicht.
Im Hunsrück ist viel Wald, also konnte man reisen ohne grosses aufsehen zu erregen.
 
Natürlich ist das alles höchst spekulativ; und es gibt - wie ich bereits schrieb - mögliche Orte (in der Tagesreichweite oftmals also bestimmt mehr als nur einen Ort). Wo die Gruppe Halt nun tatsächlich machte, wird sich aber mE kaum eruieren lassen.
Allerdings halte ich Punkte wie Kaiserslautern und die Burgen bei Neustadt für sehr wahrscheinlich (wiewohl dann eine der Burgen die "Ehre" gehabt haben muß).

Sie werden ihren weg ja sicherlich nicht schriftlich festgehalten haben, so etwas tat man ja damals noch nicht.

Ich denke auch, daß sie ihre Route nicht aufgeschrieben haben - übrigens schreiben wir ja auch heute nicht jeden Reiseweg über Land auf, den wir genommen haben.

Im Hunsrück ist viel Wald, also konnte man reisen ohne grosses aufsehen zu erregen.

Waldreich dürfte ein Großteil des Weges gewesen sein - nicht nur der Hunsrück.
Was das Aufsehen betrifft: wie viel oder wie wenig Aufsehen erregt eine Gruppe reisender Adliger, Ritter, Sergenten und anderer Dienstleute zu Pferde in einer Zeit, wo eine solche Gruppe relativ oft und dann gewöhnlich zu Pferde reist?

Aber wie ich bereits schrieb: hier befinden wir uns nun fast völlig auf dem Boden der Spekulation... :fs:
 
Hmm...als Romanautorin müsste es eigentlich auch möglich sein, die Route so zu basteln wie man sie am liebsten haben will, oder findet ihr das in einem roman eher nict gut?
was ich in meinem roman noch machen wollte ist, dass sie aus einem dorf eine junge Frau verschleppen, die sie ihm zuführen, weil er langsam ungehalten wird, weil er schon lange keine mehr hatte.
die junge frau verliebt sich dann in ihn, und versucht ihn zu befreien, der rettungsversuch misslingt jedoch und der Kaiser lässt sie sofort hängen.
Ich frage mich nur, ob das für nen Roman realistisch ist, gab man adeligen gefangenen damals überhaupt eine frau oder ignorierte man diesen wunsch, wenn sie ihn hatten?
 
...als Romanautorin müsste es eigentlich auch möglich sein, die Route so zu basteln wie man sie am liebsten haben will, oder findet ihr das in einem roman eher nict gut?

Wie bereits geschrieben, würde ich - meine bescheidene Meinung dazu - die Stauferpfalz in Kaiserslautern sowie eine der beiden Burgen nahe Neustadt zwingend in die Route aufnehmen. Da Burg Winzingen just zu jener Zeit dem Staufer Konrad (Halbbruder von Friedrich I. Barbarossa und damit Onkel von Heinrich VI.) gehörte, würde ich dieser Burg übrigens die "Ehre" zuteil werden lassen.
Anm.: Überhaupt solltest Du Dich vielleicht auch mit der Vita des Konrad etwas näher befassen, denn er spielte keine geringe Rolle während der Gefangenschaft Richards - vgl. dazu auch http://www.genealogie-mittelalter.d...d_von_staufen_pfalzgraf_bei_rhein_+_1195.html

Ich frage mich nur, ob das für nen Roman realistisch ist, gab man adeligen gefangenen damals überhaupt eine frau oder ignorierte man diesen wunsch, wenn sie ihn hatten?

Ein adliger Gefangener - noch dazu ein solch wertvoller Gefangener wie im konkreten Fall - wurde zum einen sehr gut versorgt und bekam zum anderen alle Wünsche erfüllt, ausgenommen die Entlassung in Freiheit natürlich.

Aber in Bezug zu Deiner Idee:
... was ich in meinem roman noch machen wollte ist, dass sie aus einem dorf eine junge Frau verschleppen, die sie ihm zuführen, weil er langsam ungehalten wird, weil er schon lange keine mehr hatte.
die junge frau verliebt sich dann in ihn, und versucht ihn zu befreien, der rettungsversuch misslingt jedoch und der Kaiser lässt sie sofort hängen.

Ich darf mich hier Penseo anschließen, daß so etwas zu sehr an den Haaren herbeigezogen ist...
 
Hallo ;-)
Ich bin erst seit gestern hier und lese mich so nach und nach durch die einzelnen Threads.
Ich möchte nochmal auf Richard als DICHTER zurück kommen: Ich zitiere aus "Richard Löwenherz".. Biografie von SIEGFRIED OBERMEIER
Übrigens besann sich Richard während der Mußestunden seiner Haft wieder auf seine dichterischen Fähigkeiten.Von den beiden einzigen sicher überlieferten Liedern, die Richard verfasst hat, ist eines davon mit hoher Wahrscheinlichkeit im Winter 1193/94 auf dem Trifels entstanden. Er richtete das Lied an seine Halbschwester Marie von Champagne.
es folgt eine freie Übersetzung des Liedes aus dem Provencalischen, in dem Richard sich über seine Gefangenschaft und die Säumigkeit seiner Vasallen, ihm zu helfen, beklagt
 
Hallo Desirée,

herzlich wilkommen in der Runde, das habe ich auch gelesen, wahrscheinlich in dem gleichen Buch....

und Marie von Champagne, die auch selbst gedichtet hat, stammt aus der Ehe von Eleonore und Ludwig VII

schönen Tag noch.....
 
Eine Frage würde mich auch mal noch interessieren[nicht für den Roman, sondern aus anderen Gründen]

Wenn also einem adeligen Gefangenen eine Frau besorgt wurde, wo nahm man die dann eigentlich her, holte man da aus irgendeinem Dorf die schönste Bauerstochter oder bediente man sich in reicheren Bürgerhaushalten, oder ging man in ein Bordell um eine Frau zu besorgen?
Ich frage danach, weil ich eben gerne wissen würde, ob es möglich ist, dass sie ihm in einem der kleinen Hunsrückdörfer eine Frau besorgt haben, für eine Nacht, bevor sie dann weiterzogen...
Ist genauso gut möglich, dass er nie eine Frau hatte während seiner Gefangenschaft, das kann man wohl heute gar nicht mehr genau nachvollziehen.
 
... sondern aus anderen Gründen...

Kein Kommentar :cool::devil::pfeif:

... weil ich eben gerne wissen würde, ob es möglich ist, dass sie ihm in einem der kleinen Hunsrückdörfer eine Frau besorgt haben, für eine Nacht, bevor sie dann weiterzogen...

Möglich ist vieles - vor allem da, wo nichts Genaueres darüber bekannt ist.

Ist genauso gut möglich, dass er nie eine Frau hatte während seiner Gefangenschaft, das kann man wohl heute gar nicht mehr genau nachvollziehen...

Auch das ist möglich - eben weil nichts Genaueres darüber bekannt ist.
Wir wissen eigentlich ja - wie ich an anderer Stelle bereits ausführte - viel zu wenig über die damaligen Menschen, selbst bei Adligen, wo es wenigstens noch einige Aufzeichnungen und Überleiferungen gibt.

Wenn also einem adeligen Gefangenen eine Frau besorgt wurde, wo nahm man die dann eigentlich her, holte man da aus irgendeinem Dorf die schönste Bauerstochter oder bediente man sich in reicheren Bürgerhaushalten, oder ging man in ein Bordell um eine Frau zu besorgen?

Wie geschrieben, bewegen wir uns da fast vollkommen im Reich der Spekulation.
Zumindest aber weiß man aus späteren Zeiten (15. Jh.), daß sich adlige Männer für amouröse Abenteuer gern mit Bürgerstöchtern einließen - auch wenn es sich bei den Männern nicht um hochrangige adlige Gefangene handelte und es ein städtisches Phänomen ist.
Aus dem 11. und 12. Jh. ist überdies bekannt, daß sich adlige Herren, wenn sie keine weiteren legitimen Nachkommen haben wollten, mit weiblichen Bediensteten auf ihrer Burg einließen - allerdings handelte es sich auch hier wiederum nicht um adlige Gefangene, sondern vorwiegend um einfache Ritter und Ministeriale.
Für das Zeitalter der Orientkreuzzüge (12./13. Jh.) weiß man zumindest aus dem Heiligen Land, daß verwitwete adlige Frauen - insbesondere wenn sie noch jünger waren - durchaus mit adligen (auch verheirateten) Männern oder Meistern der Ritterorden (Großmeister, Komtur) anbandelten und dabei kurze oder auch recht feste Liebesverhältnisse eingingen.
Was das Thema Bordell betrifft, so kann man da zugleich das Badehaus hinzufügen, wo dergleichen Dienste ebenso angeboten wurden. Und Prostituierte (ich verwende einmal diesen zeitübergreifenden Begriff, da authentisch nur prostibilis gesichert ist und Begriffe wie "Dirne" erst in der Frühen Neuzeit geprägt wurden) gab es zu allen Zeiten...
Anm. zu den Prostituierten: Sie mußten bestimmte Kleidung tragen, deren Form und Aussehen jedoch sowohl zeitlich als auch regional unterschiedlich war - grundsätzlich war jedoch die Verwendung der Schandfarben Gelb, Grün und Rot, von denen mindestens eine bspw. in Form eines Tuches, einer Kappe, von Bändern, Schleiern oder Gewandsäumen u. dgl. (im einzelnen eben regional bzw. von Stadt zu Stadt und zu bestimmten Zeiten verschieden vorgeschrieben) getragen werden mußte
 
Zuletzt bearbeitet:
@Timotheus

Danke für die Info, ich wusste darüber noch nicht so viel, das mit den Badehäusern hatte ich noch nie gehört, ich dachte immer, dass die Leute dahin nur zum Baden gegangen sind.

Ich hoffe, dass man mich hier nicht für verrückt hält...denn ein bissel crazy klingt das schon:

Ich hab im Net ein Gemälde von Alienor gesehen, das an einer Wand in einer kapelle in Frankreich ist und sie und ein paar ihrer Familienmitglieder beim Aufbruch zur Jagd zeigt.
Naja...alienor und ihre Tochter gleichen meiner Urorma, meiner Ururoma, meiner Mum und meiner Tante doch sehr, ich war verblüfft über die ähnlichkeit...
da fragt man sich natürlich, ob das nicht mit etwas zusammenhängt, was vielleicht in jenem dörfchen vor über 800 jahren passierte:devil:

Klingt bescheuert, ich weiss...aber für mich lag diese Vermutung eben nahe, obwohl es dafür sicherlich hundert andere mögliche erklärungen gibt..

Naja...deswegen interessiert mich die damalige Route eben doch sehr.
 
Um noch mal auf Bastarde der englischen Könige zu kommen möchte ich auf diese fr.wiki-Seite Raoul VIII de Beaumont-au-Maine - Wikipédia aufmerksam machen.

Unter dem Abschnitt "Famille" wird dort eine Agnès genannt welche den Vizegrafen Raoul VIII. von Beaumont-au-Maine geheiratet hatte. Ihre genaue familiäre Herrkunft ist unbekannt, jedoch stellt der Historiker (Pierre Joseph) Odolant Desnos die Vermutung auf das diese Agnès eine unheheliche Tochter der Könige Henry II, Richard I. oder John sein könnte. Agnès brachte die Herrschaft La Flèche als Mitgift in die Ehe ein. Odolant Desnos geht davon aus das Agnès La Flèche nur von ihrem Vater zugesprochen bekommen konnte.
La Flèche war seit dem frühen XII. Jahrhundert im Besitz der Grafen von Anjou welche wenig später den englichen Thron bestiegen.
 
Na ja, was mich nur bei dem ganzen hier wundert, dass gesagt wird, Richard wurde/wird vorallem in Spielfilmen als "Gut" dargestellt. Sicher ist wohl, dass lediglich John in der Tat immer als "Thronräuber" und "Böse" gezeigt wird. Doch kann ich mich jetzt an keinen Film erinnern, wo Richard selbst als sooo "gut" dargestellt wird. Wenn, wurde er meistens immer eher nur am "Rande" gezeigt, bzw. erwähnt und war eigentlich nie die Hauptperson in den Spielfilmen die in dieser Zeit spielten. Und wenn, ging es dabei auch meistens nur um solche Personen, die ihm halt treu ergeben waren und Richard sich auch nur zu IHNEN "freundlich" zeigte.

Bei der TV-Serie "Robin of Sherwood" z.B. wird Richard doch im Gegenteil sogar schon als ziemlich "bösartig" und "hinterhältig" dargestellt. (Die Serie scheint aber wohl auch die einzige Verfilmung zu sein, wo Richard auch als nahezu schon "Böse" gezeigt wird.)
 
Nach langer Zeit den Thread noch mal rauskram...

auf jeden fall war könig richard löwenherz schwul...

Was den "Vorwurf" der Homosexualität bei Richard Löwenherz angeht, so gibt es keine zeitgenössischen Berichte die ihn als homosexuell darstellen noch nachsagen.

Die Behauptungen er wäre homosexuell oder zumindest bi gewesen, stammen aus der anglozentristischen Geschichtsschreibung die Löwenherz gegenüber, als Franzosen der sich um England kaum gekümmert hat, sehr negativ eingestellt ist. Dies hat leider schnell Eingang in die allgemeine Vorstellung über Richard gefunden, gefördert nicht zuletzt durch Hollywood (Der König im Winter) und angeblicher Mediävisten (Gablé). Als Basis solcher Behauptungen dienen dabei zwei Randbemerkungen der Chronisten Roger of Howden und Gerald of Wales.

Roger of Howden (der ein Bewunderer Richards war) berichtete davon das Löwenherz mit Philipp II. August an einem Tisch gegessen und in einem Bett geschlafen hatte.
Von Gerald of Wales wissen wir das sich Löwenherz und Philipp II. bei der Hand gehalten und geküsst haben.

Nun aber der Hintergrund. Beide Beschreibungen stammen aus dem Zusammenhang des Bündnises Herzog Richard Löwenherz und König Philipps II. von Frankreich gegen Richards Vater Heinrich II. Plantagenet aus dem Jahr 1187. Im folgenden Jahr wurde Richard von Philipp mit der Normandie und dem Anjou beliehen, was eine erneute Spitze gegen Heinrich II. Plantagenet darstellte, der bis dahin mit besagten Länderen beliehen war. Im Jahr darauf, also 1189, konnten Richard und Philipp über Heinrich siegen, der kurz darauf starb.

Richard Löwenherz war dabei als Herzog von Aquitanien ein Vasall König Philipps II. von Frankreich und zudem noch mit dessen Schwester Alix verlobt. Die zwei Bemerkungen der Chronisten beschreiben eher Vertrauensbeweise eines Lehnsheeren und eines Vasallen zueinander, gerade das gemeinsame schlafen in einem Bett. (Wobei ich mir dabei vorstellen kann, das beide mit einem Messer unterm Kissen genächtigt haben) Howden notierte gleich im nächsten Satz nach der "Bettgeschichte", das sich Heinrich verwundert über die teife Verbundenheit seines Sohnes zu seinem Rivalen Philipp nach England zurückzog um dort abzuwarten bis sich die ware Natur dieses Verhältnises offenbare. Wenn man sich etwas näher mit Heinrich Plantagenet und seinem Sohn Richard beschäftigt, wird man schnell herausfinden das sich diese Beiden zuvor schon spinnefeind waren. Heinrich favorisierte seinen jüngsten Johann (der ohne Land) anstatt Richard als Nachfolger. Wie sich heraustellte war es ein politisches Zusammengehen Richards mit Philipp, das in ein Krieg gegen Heinrich mündete, der 1189 sein Ende fand und damit auch das Bündnis Richards zu Philipp, die sich danach feindlich gegenüber standen.

Was das "Händchenhalten" und Küssen angeht, würde ich das auch nicht überbewerten. Wenn ich mich nicht irre, waren auch das im Mittelalter übliche Handlungen des Vertrauens unter Bündnispartnern, Lehnsherr und Vasall, Bischof und Schäfchen.
 
Nach langer Zeit den Thread noch mal rauskram...



Was den "Vorwurf" der Homosexualität bei Richard Löwenherz angeht, so gibt es keine zeitgenössischen Berichte die ihn als homosexuell darstellen noch nachsagen.

Was das "Händchenhalten" und Küssen angeht, würde ich das auch nicht überbewerten. Wenn ich mich nicht irre, waren auch das im Mittelalter übliche Handlungen des Vertrauens unter Bündnispartnern, Lehnsherr und Vasall, Bischof und Schäfchen.


Hallo Joinville,

auch ich meine gelesen zu haben, dass man dieses Verhalten, auch das in einem Bett zu schlafen, nicht überbewerten sollte, denn dies war wohl zu diesen Zeiten wohl so unüblich nicht.

Allerdings bin ich mir bei Richard nicht ganz schlüssig...

Auch Friedrich II. von Hohenstaufen wird nachgesagt, dass er sich ab und zu mit jungen Männer vergnügt habe...........

Gruß...
 
Auch Friedrich II. von Hohenstaufen wird nachgesagt, dass er sich ab und zu mit jungen Männer vergnügt habe...........

Aber mit "nachsagen" ist nichts bewiesen. Und wo man nichts beweisen kann, spricht alles für den "Angeklagten", wenn ich mich mal so ausdrücke.

Mit Friedrich II. habe ich mich noch nicht eingehend beschäftigt, ich kenne nur seinen Harem indem er schon mal seine rechtmäßigen Ehefrauen steckte.

Man muss sich dabei vor Augen führen, das Richard und Friedrich in einer Zeit lebten, in der Homosexualität (sprich Sodomie) zunehmend kriminalisiert wurde. In Fankreich führte Ludwig IX. dies um die Mitte des 13. Jahrhunderts als Straftatbestand ein, also eine Generation nach Richard. Der Templerorden sollte später darüber stolpern. Und wenn man den erbitterten Streit zwischen der Kurie und Friedrich bedenkt, dann könnte ich mir vorstellen das Behauptungen über Sodomie als propagandistisches Mittel gegen ihn verwendet wurde, genauso wie die in der er mit dem Teufel im Bunde gewesen war.

Aber im Fall Richard ist mir kein mittelalterlicher Chronist bekannt der ihn irgendwie mit Homosexualität (ergo mit einem Verbrechen) in Verbindung gebracht hätte. Howden und Gerald waren beide Engländer, ersterer ein glühender Verehrer (rein platonisch) und letzterer sogar über weite Ecken mit ihm Verwandt. Und bei den Franzosen genoss Richard trotz seiner Feindschaft zu Philipp II. über das Mittelalter hinaus den Ruf eines tadellosen Ritters, zu dem das Bild eines Sodomisten nicht passte.
 
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