Rüstung und Bewaffnung des (west-)europäischen Ritters

timotheus

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Hallo miteinander,

natürlich ist mir vollkommen klar, daß wir ein Geschichtsforum und kein Forum für Reenactment, Living History und experimentelle Archäologie sind :winke:

Verschiedene Diskussionen der vergangenen Monate (nicht einmal unbedingt hier im Forum) haben mir jedoch gezeigt, daß es

(a) einerseits immer wieder in den Köpfen das Bild vom waffenstarrenden "Turm" in Eisen gibt, der auf einem gewaltigen Streitroß durch die Gegend sprengt, wobei beide in bunte Tücher gehüllt sind und außerordentlich dekorativ aussehen

und

(b) andererseits auch bezüglich der Schutz- und Angriffsbewaffnung teilweise Unklarheiten bestehen.

Dazu kommt

(c) die Differenzierung nach bestimmten Epochen, wobei ich mich der Übersicht halber auf den "deutschen" Kulturraum (Heiliges Römisches Reich) konzentrieren möchte und nur punktuell an den betreffenden Stellen auf den "französischen" Raum (England, Frankreich und das Heilige Land) verweise.

So es der Platz erlaubt, werde ich zudem einiges an Bildmaterial zur Verdeutlichung hier einstellen...

Anm.: das Thema ist diskussionsoffen, wenngleich die ersten Beiträge von mir einen gewissen Touch einer Pseudo-Seminararbeit haben werden. Ich hoffe aber, daß das Thema dennoch interessant ist...

In diesem Sinne

Timo
 
Der ottonische Miles (10. bis frühes 11. Jh.)

Rekonstruktion nach Gösta Ditmar-Trauth "Rüstung, Gewandung, Sachkultur des Deutschen Hochmittelalters

Der Miles (quasi als "Neuentdeckung" des fränkischen Panzerreiters - Anm. d. Verf.; vgl. dort) weist folgende Rüstung und Bewaffnung auf:

- Spangenhelm über Kettengeflecht
- Kettenhemd (Halbarm - etwa ellenbogenlang - und knapp oberhalb der Knie)
- tunikenähnliches langärmliges knielanges Gewand unter der Rüstung

- einfacher Schwertgürtel mit gerundeter Eisenschnalle (D-Form)
- Halt des Schwertgehänges mittels bandförmiger Beschläge (Quelle: Reichenauer Evangeliar)

- Rundschild mit Buckel
- Schwert mit Halbkreisknauf
- Flügellanze (Angriffshaltung über Kopf)
 

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Der salische Miles (11. bis frühes 12. Jh.)

Rekonstruktion nach Gösta Ditmar-Trauth "Rüstung, Gewandung, Sachkultur des Deutschen Hochmittelalters

Verglichen mit dem ottonischen Miles ändert sich äußerlich gar nicht so viel; was sich aber ändert, fällt bei genauerem Hinsehen sofort auf:

- Nasalhelm (auch oftmals als Normannenhelm bekannt)
- Kettenpanzer nun etwa mit Ganzarm und knielang

- Schwertgurt mit Verknotung anstatt Schnallen sowie Riemenkreuzungen auf der Schwertscheide (normanno-französisches Wehrgehänge)

- Mandelschild statt Rundschild seit dem letzten Viertel des 11. Jh. (auch dieser Schild läuft oft unter dem Namen Normannenschild)

- Blattlanze statt Flügellanze (und sie wird nun beim Angriff unter dem Arm eingeklemmt!!!)

Diese Neuerungen werden - wie sich anhand der Nomenklaturen ableiten läßt - auf französische Einflüsse zurückgeführt. Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, daß die französische "Mode" der deutschen voraus war: es ist nicht selten so, daß sich derartige Neuerungen im HRR erst 20 Jahre später als bspw. in Frankreich durchsetzen, in Extremfällen kann dies wohl sogar mehr als 30 Jahre ausmachen!

EDIT @Speaker: Schauen wir mal... :cool: :D :cool:
 

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Der frühstaufische Ritter (12. Jh.)

Rekonstruktion nach Gösta Ditmar-Trauth "Rüstung, Gewandung, Sachkultur des Deutschen Hochmittelalters und Ulrich Lehnart "Kleidung & Waffen der Hochgotik" - letzteres mit eher kritischem Lesen :fs:

Zur frühen Stauferzeit (2. Hälfte des 12. Jh.) ist die Verhüllung des Körpers mit der Kettenpanzerung bereits weitgehend abgeschlossen, lediglich die Kettenbeinlinge sind noch hinten offen.
Weit verbreitet sind auch weiterhin Helme mit Nasal, jetzt jedoch v.a. in der nach vorn gebogenene Kegelform, der gewölbten Glockenform oder bereits mit abgeflachter Helmdecke (Quelle: Hortus Deliciarum). Aufgrund des unzureichenden Gesichtschutzes durch das einfache Nasal beim Lanzenkampf kommen - ab 1150 im "französischen" Raum beginnend - zudem die ersten Gesichtsvisierplatten auf (siehe Abbildungen).
Das Schwertgehänge ist weiterhin durch das z.T. komplizierte Riemenzungensystem geprägt.
Der Schild ähnelt noch immer dem Mandelschild, ist jedoch vergrößert und an der Oberseite nicht mehr gerundet, sondern abgeflacht (hab ich jetzt leider kein Bild von :S ).
Die Schwerter weisen Halbkreis- oder Paranußknäufe auf, während die Lanze - wie schon zur salischen Zeit - eine Blattspitze aufweist.
Als Sekundärwaffen erleben die ältesten Waffentypen der Menschheitsgeschichte eine Renaissance: Äxte und stumpfe Hiebwaffen, d.h., als Zweitwaffe (ergänzend zur Primärwaffe Schwert) hatte der Ritter nun entweder eine Streitaxt oder einen Streitkolben bei sich - letzterer abgebildet in der um 1190 existenten (sog. deutschen) Form.

EDIT (Anmerkung): Wenn ich nicht besonders darauf verweise, handelt es sich bei den abgebildeten Helmen, Schilden etc. um moderne Repliken oder bildliche Rekonstruktionen - gerade bei den Schilden bin ich mit der farblichen Gestaltung selbst eher unzufrieden. Zum Glück habe ich meinen eigenen selbst bemalt :cool:
 

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Schild des späten 12. Jahrhunderts

Dank Speakers Mithilfe :hoch: :hoch: :hoch: habe ich doch noch einen gefunden...

Interessant ist bei den Mandelschilden, daß diese bereits per Armriemen und einem zusätzlichen Schultergurt aufgehangen waren, wiewohl der traditionelle Schildbuckel (damit eigentlich funtional überflüssig) aber noch immer aufgebracht war.

Anm.: Bei dem abgebildeten Schild kann ich sogar - abgesehen von den beiden Bildnissen im oberen teil - ganz gut mit der Rekonstruktion leben...
 

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Der spätstaufische Ritter (13. Jh. - genauer bis etwa 1270/75)

Rekonstruktion nach Gösta Ditmar-Trauth "Rüstung, Gewandung, Sachkultur des Deutschen Hochmittelalters" und Ulrich Lehnart "Kleidung & Waffen der Hochgotik" - vgl. zuvor...

Und jetzt muß ich echt aufpassen, keine allzu große "Bleiwüste" zu hinterlassen, und werde deshalb versuchen, mich betont kurz zu fassen :rolleyes:

Nun ist die Verhüllung des Körpers mit der Kettenpanzerung incl. Kettenbeinlinge tatsächlich abgeschlossen, und es wird ab 1200 darüber ein Wappenrock getragen (in Frankreich, England und im Hl. Land ist dieser schon in der 2. Hälfte des 12. Jh. üblich).
Nach 1250 (evt. auch schon einige Jahre früher; darüber ist man sich nicht ganz einig) geht man langsam auch dazu über, den Wappenrock durch sog. platen zusätzlich zu verstärken. Diese platen sind wohl zunächst aus gehärtetem Leder oder Hornmaterial, ab den 1270ern aus Eisen.
Das 13. Jh. ist die Zeit des sog. Topfhelms, allerdings nur für den Reiter, denn der Fußkämpfer trägt (wahrscheinlich auch schon seit der 2. Hälfte des 12. Jh.) den sog. Eisenhut.
Der Topfhelm entwickelt sich bis etwa 1235/50 (im "französischen" Raum wohl wieder einige Jahre früher) aus dem frühstaufischen Helm mit abgeflachter Helmdecke und Visierplatte: die Sehschlitze werden weiter verengt, und dazu tritt nun zusätzlich - über mehrere Schritte - ein Nackenschutz, bis schließlich der gesamte Kopf umschlossen ist.
Das Schwertgehänge besteht weiterhin aus dem Riemenzungensystem, doch es wird pragmatisch vereinfacht; der Schwertgurt wird in "Deutschland" noch bis 1250 verknotet, während im "französischen" Gebiet seit 1200 wieder die D-förmigen Gürtelschnallen verwendet werden.
Der Ritterschild ist nun der sog. Dreiecksschild; während der Mandelschild noch 1,10...1,20m hoch war, weist der Dreiecksschild lediglich noch 80...90cm Höhe auf. Er ist konvex gewölbt, so daß seine Oberkante im Bogen ca. 70 cm und in der Gerade ca. 60 cm mißt. Die Angaben sind jedoch nicht als Nonplusultra zu nehmen, da die Schilde individuell wohl unterschiedlich bemessen waren und bspw. die Dreiecksschilde der Johanniter noch mehr an der alten Mandelform ausgerichtet waren ("Träne Gottes") als die Schilde der weltlichen Ritter.
Die Schwerter haben den Scheibenknauf, daneben noch immer Paranußknauf und - selten - Halbkreisknauf, während aus dem "Französischen" der Polygonknauf in den Jahren gegen 1250 ebenfalls aufkommt.
Die Schwertscheiden weisen bei der weltlichen Ritterschaft nun außerdem am unteren Ende das sog. Ortsband auf, welches meist U-förmig oder geschlossen ist.
Sekundärwaffen sind wieder Streitaxt oder Streitkolben - bei letzterem gesellt sich der traditionellen Form (s. frühstaufisch) die sog. französische oder türkische Form hinzu (mace turquese; s. Abb.).
Außerdem führen weltliche Ritter (NICHT aber Ordensritter) einen Langdolch mit sich, der in der Form einem verkleinerten Schwert "entspricht" und etwa 30 cm lang ist. Er dient dem "Gnadenstoß" eines tödlich verwundeten Gegners und ist daher auch als misericordias bekannt...
 

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Eine Zwischenbemerkung zu den Schwertern des 12. und 13. Jh.

Größe und Gewicht der ritterlichen Primärwaffe werden oftmals falsch eingeschätzt.

Ich erlaube mir die Kernaussage dazu aus Ulrich Lehnart "Kleidung & Waffen der Hochgotik" wiederzugeben - da ist er nämlich sehr präzise :fs:

Eine repräsentative Auswahl zeitgenössischer Schwerter ergibt Gesamtlängen der Waffen zwischen 100 cm und 116,5 cm sowie Gewichtsklassen von 1030 bis 1380 g. Das macht lt. arithmetischem Mittel eine durchschnittliche Gesamtlänge von 108 cm und ein Durchschnittsgewicht von 1230 g.
Anm.: Zum Nachrechnen müßte ich jetzt jede im Buch aufgeführte Waffe mit ihren Daten einzeln auflisten, was letztendlich aber an der Aussage nichts ändert.

Allerdings führe ich den Vergleichswert noch an, den auch Lehnart macht: ein preußischer Kürassierspallasch von 1819 ist 112,5 cm lang und wiegt 1370 g.
 
Notwendiger Beitrag zu Helmen im 13. Jh. - Part 1

So - den und einen folgenden Beitrag füge ich an der Stelle noch an; dann muß ich erst einmal pausieren... :winke: :rolleyes: :fs:

Auf Topfhelm und Eisenhut war ich ja beim spätstaufischen Ritter bereits eingegangen; doch gerade das 13. Jh. ist bezüglich der Schutzbewaffnung ein sehr erfindungsreiches und kreatives Jahrhundert.

Bleiben wir zunächst beim Topfhelm: im weiteren Verlauf des 13. Jh. wird dieser nach oben hin konischer, und im letzten Viertel des 13. Jh. mit dem nach oben rund oder spitz auslaufenden Kübelhelm (der im Vgl. zum Topfhelm auch wuchtiger ausfällt) der Höhepunkt des geschlossenen Reiterhelmes vor den Helmen mit Klappvisier im 14. Jh. erreicht.

Die Abbildungen sollen dies verdeutlichen: zunächst mehrere Topfhelme, die im Vgl. zu dem zweiten Topfhelm beim spätstaufischen Ritter zur - noch immer abgeflachten - Helmdecke hin bereits konischer zulaufen.
Als nächstes (direkt darunter) der Topfhelm von Dargen (das liegt in Pommern), der in die Zeit zwischen 1250 und 1275 datiert wird; ich habe allerdings auch spätere Datierungen gelesen :grübel:
Danach (neben der Übersicht) der Topfhelm von Madeln (Baseler Land), der ins späte 13. Jh. datiert wird, und dann (neben dem Dargener) der Topfhelm von Bozen (Südtirol), der um 1300 datiert wird.
Der letzte Helm in der Reihe ist der Pembridgehelm, der bereits ein Kübelhelm ist (Helmdecke nicht mehr abgeflacht, sondern konisch "gerundet"). Er ist in der oberen Reihe ganz rechts zu sehen...

EDIT (Anm.): Mußte die Reihenfolge der Helme korrigieren, weil die nach dem Hochladen nicht mehr stimmte - hoffe, es bleibt nachvollziehbar...

Und noch ein EDIT: Die Helme von Dargen, Madeln und Bozen sind Fundlagen!
 

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Notwendiger Beitrag zu Helmen im 13. Jh. - Part 2

Beim Kampf zu Fuß bzw. später auch unter dem größeren Kübelhelm wurde die sog. Beckenhaube getragen, deren Form mE recht zeitlos erscheint. Ich habe sie dennoch in zwei Bildern zur besseren Vorstellung eingestellt...

Im Gegensatz zu den Beispielen der Topfhelme von Dargen, Madeln und Bozen handelt es sich hier wieder um Rekonstruktionen!
 

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Der Ritter des ausgehenden 13. Jahrhunderts

Zeitlich befinden wir uns nun - zur Orientierung - in der Zeit Rudolfs I. von Habsburg (reg. 1273/91), der Schlacht auf dem Marchfeld (1278) und der Schlacht von Worringen (1288). Und - last but not least für die "Fans" der Kreuzzugszeit (wie mich :rolleyes: ) - in jener Zeit geht auch mit dem Fall von Akkon (1291) die Zeit der Kreuzfahrerstaaten endgültig zuende...

Ausgehend von den Ausführungen zu den Entwicklungen der Helmformen ergibt sich (wieder nach Lehnart ebd.; modifiziert durch den Katalog der Museumsausstellung Die Ritter von Andreas Schlunk & Robert Giersch sowie durch eigene Nachforschungen) folgendes Bild:

- zur kompletten Kettenpanzerung treten zusätzliche Rüstteile (Plattenrock, Ailetten, Diechlinge mit Kniebuckel, Beinschienen, Metallscheiben am Ellenbogen); dies aber nicht überall und bei jedem Ritter
Erklärung: Ailetten sind Holzplättchen, welche die Schultergelenke schützen; Diechlinge wattierte Oberschenkelschützer
Anm.: die Beinschienen bestehen aus Metall oder gekochtem Leder
- dominierender (Reiter-)Helm ist der späte Topfhelm, z.T. tritt der frühe Kübelhelm auf
- beim Kampf zu Fuß wird der Kopf durch Eisenhut (noch immer) oder Beckenhaube geschützt
- beim Schwertgehänge werden noch immer die Verbindungen durch Riemenzungen verwendet, doch sind diese inzwischen noch mehr vereinfacht; der Schwertgurt wird seit 1250 auch im "deutschen" Gebiet wieder mit einer D-Schnalle geschlossen
- der Dreiecksschild wird kleiner und leichter; in Deutschland (wo die zusätzlichen Rüstteile sich wieder später durchsetzten) ca. 77...82 cm hoch und ca. 60 cm breit (Linie), in Frankreich und England dagegen ca. 60...65 cm hoch und noch max. 50 cm breit (Linie); im HRR konnten die Seiten dabei auch leicht eingezogen sein (Manesse-Form)
- vorherrschender Schwertknauf ist der Polygonknauf
- auf der Lanze wird auf "Griffhöhe" ein Lederring aufgenagelt, was den Halt der Waffe verbessert
- beim Dolch wird die Klinge breiter, und die Schwertform wird aufgegeben
 

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Der Ritter im frühen 14. Jahrhundert (bis ca. 1330)

Das ist - zur Einordung - etwa die Zeit Ludwigs IV. des Bayern (reg. 1314/47) und der Schlacht bei Mühldorf (1322)... damit sind wir schon mitten im Spätmittelalter...

Im Vergleich zum Ritter bis 1300 (vgl. voriger Beitrag) ändert sich eigentlich gar nicht so viel; wie aber schon im 11. Jh. beim Vergleich zwischen ottonischem und salischem Miles sind auch hier die Unterschiede offensichtlich:

- der Ritter trägt über dem Kettenpanzer zwei Wappenröcke, nämlich den normalen (der nur noch hüftlang ist) und den nun mit Eisenplatten quasi rundum besetzten Plattenrock (noch immer sind aber die Platten innen und somit faktisch "unsichtbar")
- das Kettenhemd hat nur noch Halbarm, da grundsätzlich Armschienen aus gekochtem Leder mit aufgenieteten Metallstreifen sowie mit Eisenplatten besetzte Handschuhe getragen werden
- Ellbogenkachel, Metallscheiben und Kniebuckel umschließen faktisch die Gelenke
- Kübelhelm bzw. Beckenhaube dominieren das Bild
- auf der Lanze sitzt eine sog. Brechscheibe aus Eisen, was nicht nur besseren Halt gibt, sondern auch die Waffenhand schützt
- Dolchform ist nunmehr der Nierendolch (Bitte den Plattenhandschuh auf der Abbildung ignorieren; er gehört mW in eine spätere Zeit!)

Anm.: Leider habe ich nur eine Hochglanzversion eines rekonstruierten Kübelhelms; ich denke aber, die Zuordnung wird trotzdem klar...

Tja, und zur Zeit der Plattenrüstungen kann ich erst morgen bzw. heute abend weiter machen, weil es doch wieder ziemlich spät geworden ist - außerdem muß ich mich da auf einige "Highlights" beschränken, weil meine Unterlagen diesbezüglich nicht halb so ausgiebig sind...
 

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Ein "Grüner wirds nimmer"- grüner gehts nimmer Stern für dich, Timo! Toller Pfad! :hoch: hoch, hoch! (*schwerthochstreck*)

Mach ein Buch! ;-)

Könntest du mir die Quelle für diese Details zu Rudolf von Habsburgs Schlacht im Machfeld (König Ottokars Ende) noch zukommen lassen? Und entschuldigung, falls ich sie übersehen habe!
 
Hallo Ning,

ning schrieb:
Ein "Grüner wirds nimmer"- grüner gehts nimmer Stern für dich, Timo! Toller Pfad! :hoch: hoch, hoch! (*schwerthochstreck*)

vielen Dank; es freut mich, daß Dir das Thema gefällt - wenngleich ich noch einige kleine Bemerkungen zur Zeit nach 1330 machen muß :)

ning schrieb:
Mach ein Buch! ;-)

Gute Idee, nur gibt es dazu schon Bücher, die auch entsprechend gut gemacht sind - aus denen habe ich das doch... :cool: :D :cool:

ning schrieb:
Könntest du mir die Quelle für diese Details zu Rudolf von Habsburgs Schlacht im Machfeld (König Ottokars Ende) noch zukommen lassen? Und entschuldigung, falls ich sie übersehen habe!

Nein, da hast Du gar nichts übersehen; ich schicke Dir eine PN bzgl. Marchfeld (wenn ich wieder zuhause bin und in meinen Büchern nachschauen kann) ;)

Dank & Gruß

Timo
 
coole Beiträge Timo.:hoch:
Eine Frage hab ich dazu: Wenn man sich die Maßangaben der Schwerter und Schilde anschaut und die Unterschiede zwischen Frankreich und HRR sieht, gab es damals schon so etwas wie heute die DIN?

Weil die Angaben so genau erscheinen könnte man meinen, daß bestimmte Normen einzuhalten waren.

Ich dachte immer, daß solche Sachen im Ermessen des Waffenschmiedes lagen und er auf Erfahrungen seiner Kunden reagierte.
 
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Speaker schrieb:
coole Beiträge Timo.:hoch:

Danke :)
Es geht übrigens im Laufe des heutigen Abends wirklich noch ein bißchen weiter...

Speaker schrieb:
Eine Frage hab ich dazu: Wenn man sich die Maßangaben der Schwerter und Schilde anschaut und die Unterschiede zwischen Frankreich und HRR sieht, gab es damals schon so etwas wie heute die DIN?

Weil die Angaben so genau erscheinen könnte man meinen, daß bestimmte Normen einzuhalten waren.

Ich dachte immer, daß solche Sachen im Ermessen des Waffenschmiedes lagen und er auf Erfahrungen seiner Kunden reagierte.

Tja, da ist wohl schon so: eine DIN gab es natürlich nicht, aber wie Du bereits selbst gesagt hast, gab es ein recht praktisches Ermessen und Erfahrungswerte.
Das bedeutete, man wußte zum einen anhand der Körpergröße bzw. der Körpermaße des Kämpfers, wie lang ein Einhandschwert bspw. maximal sein durfte, damit er es noch führen konnte, und wie lang es mindestens zu sein hatte, damit er genügend Reichweite zum Treffen des Gegners hatte.
Beim Schild ist dies noch signifikanter: ein Mann von 1,80 m könnte einen Schild nicht mehr sinnvoll handhaben, wenn dieser länger bzw. höher als 1,30 m ist. Praktisch gesehen erwies sich so für die Mandelschilde die Höhe von 1,10...1,20 m als vernünftig...
Bei der Verkleinerung des Dreiecksschildes, die jede Epoche bis zu seinem Verschinden im 16. Jh. stattfand, spielen lt. verschiedener Literatur (Lehnart, Schlunk/Giersch etc.) die immer weiter fortschreitende Verstärkung der Körperpanzerung sowie die veränderte Kampfesweise (hin zu mehr Schwert- statt Schildparaden) eine wichtige Rolle.
Wiewohl man unbedingt auch erwähnen muß, daß die durchschnittliche Körpergröße ab 1300 rückläufig war... :grübel:
 
Demnach müsste ja die Körpergrößen in Frankreich und HRR unterschiedlich gewesen sein.

Und da meiner Meinung nach die nordischen Männer größer waren als ihre mitteleuropäischen "Kollegen", hätten sie längere Schwerter haben müssen :grübel: Aber die haben mit Kurzschwertern gekämpft oder?

Abergehen wir erstmal nich weiter darauf ein, damit Du nich den Faden verlierst und das Thema ausufert.:autsch:
Bin schon gespannt...:rolleyes:
 
Speaker schrieb:
Demnach müsste ja die Körpergrößen in Frankreich und HRR unterschiedlich gewesen sein.

Und da meiner Meinung nach die nordischen Männer größer waren als ihre mitteleuropäischen "Kollegen", hätten sie längere Schwerter haben müssen :grübel: Aber die haben mit Kurzschwertern gekämpft oder?

Das hast Du falsch verstanden: in Frankreich wurden kleinere Schilde verwendet, weil man dort bereits zu einem früheren Zeitpunkt die zusätzlichen (Platten-)Rüstteile in breiterer Masse verwendete.
Das mit den Körpergrößen bzgl. Schwert - jein. Sagen wir es so: ein Schwert der Gesamtlänge 110 cm kann jeder Kämpfer ordentlich führen, der 1,70...1,80 m groß ist (im 13. Jh. zwar groß, aber durchaus nicht ungewöhnlich).
Die Schwertangaben waren zudem allgemein und nicht regionsspezifisch - lies bitte noch einmal genau nach ;)

Dann: die Körpergröße hat primär nichts mit Norden, Süden, Osten oder Westen zu tun, sondern mit dem Fleischanteil in der täglichen Ernährung von kleinauf. Ab 1300 bricht quasi eine relativ lange "Hirsebreizeit" an, so daß die Körpergrößen rückläufig werden. Noch im 13. Jh. wurde mitunter - gerade auch in der Ritterschaft - ordentlich Fleisch gegessen (3...4 mal pro Woche)!

Die "Kurzschwerterzeit", die Du ansprichst, liegt um einige Jahrhunderte früher; und die Entwicklung vom Kurz- zum Langschwert war einfach eine waffentechnische Entwicklung. Grob gesagt gilt die Formel: Eisenmenge* + Eisenqualität** = Waffenlänge
:fs:

* d.h., Menge des Eisens, welches aus dem Erz gewonnen wird
** d.h., Eigenschaften wie Elastizität vs. Sprödigkeit, Härtegrad etc.

Übrigens spielt bei der Frage "Kurz- oder Langschwert?" auch die funktionale Verwendung der Waffe eine Rolle: einfache Kriegsknechte zu Fuß gebrauchten zuvorderst ihre (kürzeren) Lanzen und das Kurzschwert eher als Ergänzungswaffe, während für den Ritter das Schwert nun einmal die Primärwaffe war (die Kriegslanze war nur für den ersten Angriff vorgesehen, da sie oftmals bei ebendiesem auch brach)!

PS: Keine Angst - Du bringst mich schon nicht aus dem Konzept - und falls doch, dann schreie ich schon... =)
 
Noch eine Bemerkung zur Weiterentwicklung der Schwerter

... also weiter im Thema :winke:

Ende des 13. Jh. kam das sog. Sattelbaumschwert auf - dieses war der erste Anderthalbhänder, d.h., es war deutlich gegenüber den Einhandschwertern verlängert und konnte sowohl ein- als auch zweihändig geführt werden. Wei der Name schon sagt, wurde es eigenständig am Sattel befestigt und diente dem abgesessenen Ritter beim Kampf zu Fuß.
Anderthalbhänder oder Schwerter zu anderthalb Hand waren das gesamte Spätmittelalter hindurch bis in die Frühe Neuzeit verbreitet, taugen jedoch wirklich nur für den Fußkampf.
(vgl. Lehnart, Schlunk/Giersch, David Harding "Waffenenzyklopädie - 7000 Jahre Waffengeschichte")

Unten wieder eine Übersicht zu verschiedenen Anderthalbhändern: links oben und unten jeweils die Variante des Spätmittelalters, rechts der Anderthalbhänder der Frühen Neuzeit...

Anm.: Die anderthalbhändigen Schwerter dürfen nicht verwechselt werden mit den Bidenhändern, die erst im ausgehenden Mittelalter (beginnend ab 1450) aufkamen, obwohl diese ihrerseits eine Weiterentwicklung des Anderthalhänders sind!
 

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... und die Weiterentwicklung stumpfer Hiebwaffen...

Obgleich ich auf den Seiten eines ansonsten guten Replikenschmiedes etwas von Streithämmern bereits zur Kreuzzugszeit gelesen habe, wird diese stumpfe Hiebwaffe, welche tatsächlich einem Hammer ähnelt, dessen Rückhandseite eine dornenförmige Verlängerung aufweist, anonsten frühestens für das späte 14. Jh. angegeben.
Wie dem auch sei, entspricht Funktionalität und - sehr verheerende - Trefferwirkung ganz der seiner "Ahnen" Keule und Streitkolben.

Auch der Streithammer existiert als Reiterwaffe bis in die Frühe Neuzeit.

Ein spätmittelalterliches (links) sowie frühneuzeitliches (rechts) Modell wieder im Bild zum Vergleich...
 

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