Schwarzbuch Kirche

der Korinther bietet da schon noch anderes.

- Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in der Gemeindeversammlung; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt

Wie das Gesetz - die Torah! - sagt:

Paulus [...] bewegte sich in seinen Schriften in den Bahnen der Torah und dem, was er aus seiner römisch-hellenistischen Umgebung gewohnt war

Aus moderner Sicht sind solche Statements frauenfeindlich. Im zeitlichen Umfeld ist Pauls dies vermutlich nicht - die Stellung der Frau in Griechenland war auch nicht besser.
Sie war sogar schlechter.

Ich versuche es gewöhnlich zu vermeiden, histor. Aussagen - und als solche werte ich sie - unter dem Gesichtspunkt heutiger Wertvorstellungen zu beurteilen. Im Fall der Kirche muss man das aber tun, da sie sich selbst auf solche alten Wertmassstäbe bezieht.
Ich habe mich nur auf die Aussage, Paulus sei ein Frauenfeind gewesen, bezogen. Und das war er eben, wenn man korrekt historisiert, nicht. Anders sieht es mit Leuten aus, die heute solche Texte oder Exempla für voraufklärerische Interessen missbrauchen.
 
Viele sehen die Reihenfolge der neutestamentlichen Bücher chronologisch. Dabei ist es doch so, daß Paulus an erster Stelle steht. Und da steht ganz am Anfang die Gnosis. Und Marcion hatte die Schriften des Paulus zuerst. Die Auseinandersetzung mit ihm und seiner Lehre hat die katholische Kirche für sich entschieden. Marcion wurde aus dem Bewusstsein der Gläubigen gelöscht. Was Marcion war und schrieb wissen wir nur aus den Entgegnungen seiner Widersacher. Und das Bild des Paulus - wer und was immer er war - stellt heute eine Vermischung verschiedener christlicher Überzeugungen dar.

Während die Gnosis in einer anderen, rein mythischen Ausprägung, keine direkt personale Offenbarer-Gestalt zu benötigen scheint, wird die göttliche Offenbarung in der christlichen Gnosis ganz einfach mit der Person Jesu Christi gleichgesetzt. Der gnostische Christus ist nichts anderes als die Personifikation der göttlichen Offenbarung.
Wichtig ist dabei, dass die Geschichtlichkeit dieser Person im Grunde gar keine Rolle spielt. Sie darf eigentlich auch gar keine Bedeutung haben, denn sonst wäre der Erlöser ja wieder viel zu stark an diese Welt gebunden.

Dr. Joerg Sieger - Einleitung in das Neue Testament

Aus dieser Auseinandersetzung gingen auch die Evangelien hervor und haben die "Historik" im Sinne der siegreichen Kirche beschrieben und festgeschrieben.

Paulus selber war ganz im Sinne der Gnosis an einem historischen Jesus und seinem Leben nicht interessiert. Für die Darstellung seines Christus war das nicht wichtig.

In das duale Bild der Gnosis von einer dualen Welt mit einem guten und bösen Schöpfer paßte auch ein gegensätzliches Bild der Bedeutung und Stellung von Mann und Frau.
 
Das höre ich zum ersten Mal.
Wer sieht denn z. B. die Reihenfolge chronologisch?

Ich habe, und sicher andere auch, immer angenommen, die Evangelien am Anfang des NT seien die Grundlage für die dann folgenden Texte und zuerst da gewesen.

Das verstehe ich nicht ganz. Hat Paulus seine Briefe an Marcion geschrieben?

Wahrscheinlich nicht. Aber er hat einen Paulus gehabt um seine Auffassungen von Christentum zu untermauern.

So einfach ist es dann doch nicht...

http://www.radikalkritik.de/vdBvE_Marcion_Zeuge1.pdf

http://www.radikalkritik.de/Marcion_Zeuge_2.pdf

Zitat aus "Zeuge 1 pdf.":
Er will nämlich aus der Stelle bei Tertullian herauslesen, dass Marcion die vier Evangelien bereits als „autoritative Sammlung“ gekannt habe. Die Kirchenleute beschuldigten den Ketzer, dass dessen einziges Evangelium ein durch ihn verkürztes Lukasevangelium war; und nun fragt Tertullian: „Warum rührt Marcion nicht auch die drei übrigen kanonischen Evangelien an, sei es um sie zu verbessern, falls sie gefälscht sind, sei es um sie zu akzeptieren, wenn sie unversehrt sind?“ Es mußte wohl starke Voreingenommenheit für die römische Tradition bezüglich des Alters und der Zuverlässigkeit der Evangelien sein, die Harnack derart verblendete, dass er nicht sah, wie der Kirchenmann und Ketzerbestreiter von seiner eigenen Zeit aus polemisierte, ohne etwas für Marcions Zeit zu beweisen. Hier scheint die „rückläufige Bewegung zur Tradition“ nur möglich bei vorangehender „Kritiklosigkeit“. Die weiteren Beispiele, die Harnack (S. 89) bietet, belegen gegen die gängige und von Harnack definitiv behauptete Hypothese, daß Marcion zwar in der Tat unseren Lukas als [11] einziges Evangelium gekannt hat, aber diesen weder verkürzte noch verfälschte. Vielmehr will es uns scheinen, als habe dieser Ketzer ein Evangelium besessen, in dem Texte vorkamen, die später auch von anderen Evangelienverfassern übernommen wurden.
 
Das verstehe ich nicht ganz. Hat Paulus seine Briefe an Marcion geschrieben?

Das Thema hatten wir doch schon öfters.

Die ersten Paulusbriefe wurden in den 40ern des 2. Jh. von Marcion herausgegeben, welcher - darüber gibt es Theorien - evt. selbst der Verfasser war oder sie verfassen ließ, was bedeuten würde, dass Paulus eine erfundene Figur ist. Die Argumente beziehen sich auch auf die sog. "Gegnerfrage" - wer sind die gnostischen anmutenden Gegner, die Paulus in den Briefen attackiert? Mitte des 1. Jh. war die Gnosis noch nicht so ausgeprägt, wie man das anhand von in diese Zeit datierten Paulusbriefen voraussetzen müsste. Lange Zeit schloss man daraus auf wissenschaftlich nicht nachweisbare gnostische Systeme um die Mitte des 1. Jh., dann kamen Radikalkritiker auf die Idee, den Spieß umzudrehen und Paulus bzw. die Briefe in die Blütezeit der Gnosis vorzudatieren, also ins fortgeschrittene 2. Jh..

Bedenkt man also, 1) dass ein Paulus im 1. Jh. außerchristlich nicht nachweisbar ist, 2) dass die ersten Paulusbriefe erst um 140 vom Gnostiker Marcion herausgegeben wurden und 3) dass viele Briefstellen zeigen, dass der Ich-Verfasser gnosisnahe Positionen vertritt, bietet sich die Hypothese an, dass die Briefe ursprünglich von Marcion selbst oder in seinem Umfeld angefertigt und in der Folge von den Katholiken annektiert und stark überarbeitet wurden.

Das Thema ist allerdings grenzwertig OT, ich gehe daher nicht weiter darauf ein.
 
Viele sehen die Reihenfolge der neutestamentlichen Bücher chronologisch. Dabei ist es doch so, daß Paulus an erster Stelle steht. Und da steht ganz am Anfang die Gnosis. Und Marcion hatte die Schriften des Paulus zuerst. Die Auseinandersetzung mit ihm und seiner Lehre hat die katholische Kirche für sich entschieden. Marcion wurde aus dem Bewusstsein der Gläubigen gelöscht. Was Marcion war und schrieb wissen wir nur aus den Entgegnungen seiner Widersacher. Und das Bild des Paulus - wer und was immer er war - stellt heute eine Vermischung verschiedener christlicher Überzeugungen dar.

Während die Gnosis in einer anderen, rein mythischen Ausprägung, keine direkt personale Offenbarer-Gestalt zu benötigen scheint, wird die göttliche Offenbarung in der christlichen Gnosis ganz einfach mit der Person Jesu Christi gleichgesetzt. Der gnostische Christus ist nichts anderes als die Personifikation der göttlichen Offenbarung.
Wichtig ist dabei, dass die Geschichtlichkeit dieser Person im Grunde gar keine Rolle spielt. Sie darf eigentlich auch gar keine Bedeutung haben, denn sonst wäre der Erlöser ja wieder viel zu stark an diese Welt gebunden.

Dr. Joerg Sieger - Einleitung in das Neue Testament

Aus dieser Auseinandersetzung gingen auch die Evangelien hervor und haben die "Historik" im Sinne der siegreichen Kirche beschrieben und festgeschrieben.

Paulus selber war ganz im Sinne der Gnosis an einem historischen Jesus und seinem Leben nicht interessiert. Für die Darstellung seines Christus war das nicht wichtig.

In das duale Bild der Gnosis von einer dualen Welt mit einem guten und bösen Schöpfer paßte auch ein gegensätzliches Bild der Bedeutung und Stellung von Mann und Frau.

Da bin schon anderer Ansicht, die sich, wie ich meine, besser belegen lässt. Auch wenn man die Briefe von Paulus an die Korinther historisch anzweifeln möchte (da seh ich jetzt aber keine Gründe dafür) dann spricht doch das Vorhandensein von christlichen Gemeinden (und die sind zum Mindesten teilw. belegbar) als Marcion gar noch nicht angefangen hatte, seine Version der Gnosis zu entwickeln, dagegen, dass die "christliche Gnosis" das "Erste" war. Andere gnostische (nichtchristliche) Richtungen bestanden allerdings schon vor Paulus.

Marcion hatte die Schriften des Paulus nicht zuerst sondern lediglich auch. Und neben Mätthaus-Evangelium, Lukas-Evangelium etc. hat Marcion eben ein eigenes "Evangelium" geschrieben, welches Paulusbriefe und gnostische Elemente beinhaltete und in keinen Abschriften, geschweige denn im Original erhalten geblieben ist. Es ist eigentlich nur durch Marcions Gegner überliefert; und daher stammt vermutlich auch der schlechte Ruf.
Im Übrigen soll ja, glaubt man der Überlieferung, Marcions Vater bereits Bischof gewesen sein.

Es gab sicher keine Chronologie: Paulus --> Marcion --> gnostisches Christentum --> katholisches oder wie auch immer Christentum.
Marcion hat ein "neues" Christentum ins Leben gerufen, indem er das Christentum Gnosis-kompatibel gemacht hat.
 
Im Galaterbrief heißt es, dass Mann und Frau vor Gott gleich sind.

Beziehst du dich dabei auf Gal 3,28? Dort ist aber nicht von Gleichheit die Rede, sondern davon, dass es "Mann und Frau" in Christus nicht mehr gibt und stattdessen "alle einer" in "Christus Jesus" sind. Damit kann nur gemeint sein, dass (durch die christliche Taufe) nicht nur alle Unterschiede zwischen Mann und Frau aufgelöst werden, sondern die Geschlechter selbst. Mit "Gleichheit von Mann und Frau", worauf du anspielst, hat das nichts zu tun, denn beide bestehen "in Christus" ja nicht mehr als separate Geschlechter.

Selbst wenn man einen Gleichheitsgedanken darin erkennen würde, wäre er leicht zu relativieren: Die Menschen sind zwar "in Christus" über alle Differenzen erhoben, "Christus" selbst aber nicht - er wird im Christentum definitiv als männlich beschrieben, nicht anders als sein "Vater". Was nützt also die schönste Emanzipationsidee, wenn sie auf dem entscheidenden göttlichen Level nicht realisiert ist, sondern dieser ihr vielmehr klar widerspricht?

Dass Paulus bzw. die mit ihm assoziierten Briefe keine explizite Frauen- und Sexualfeindschaft ausdrücken, darin stimme ich dir zu.

Erst mit Origenes (Anfang 3. Jh.) und unter seinem Einfluss Augustinus setzt die eigentliche Entwicklung zu dem ein, was viele heute als christliche Sexualfeindschaft ansehen. Bei Paulus finden sich zwar vereinzelt auch schon sexualfeindliche Ansätze, er schrieb an mehreren Stellen aber auch nicht-ablehnend über Sexualität.

Im folgenden versuche ich die Ursprünge der Abwertung bis hin zur Verdammung der Sexualität ein wenig zu erhellen.

++++

Die Vorbehalte in der vorchristlichen Antike gegen Sexualität gehen höchstwahrscheinlich auf brahmanistische Wanderasketen (= Gymnosophisten) zurück, die während des 6. Jh. BCE über Indien und Persien nach Kleinasien und Griechenland gelangten und Einfluss auf das religiöse Denken nahmen, dessen ´progressivste´ Variante damals der gegen die offiziellen Kulte protestierende Orphismus war. Lucius Apuleius bezeichnet im 2. Jh. CE die Brahmanen als Lehrer nicht nur des (dem Orphismus nahe stehenden) Pythagoras, sondern auch des Demokrit und des Platon. Pythagoras habe zunächst ägyptische Weisheit studiert, sei damit aber nicht zufrieden gewesen und habe sich brahmanistischen Lehrern, den Gymnosophisten, zugewandt. Seine Seelen- und Wiedergeburtslehre verdanke er diesen Weisen.

Daraus, dass Pythagoras brahmanistische Lehren rezipierte und dass brahmanistische Gymnosophisten in Griechenland lehrten, kann man zuverlässig auf eine Rezeption auch durch den Orphismus schließen. Aus dieser Strömung mit ihrem legendären Begründer Orpheus gingen die dionysischen und eleusinischen Mysterienkulte hervor. Ein wesentliches orphistisches Prinzip ist der Geist-Körper-Dualismus und die Auffassung, dass das Leibliche ein Gefängnis ist, aus dem die Seele befreit werden muss, um zu ihrem angestammten Ort im göttlichen Jenseits zu gelangen. Charakteristisch für den Orphismus ist auch die Vielzahl der Wiedergeburten, welche die Seele durchläuft, um zur Reife für die letzte Verwandlung zu finden. Unschwer ist in diesen Vorstellungen brahmanistisches Ideengut zu erkennen.

In der orphischen Mythologie setzt sich der Mensch aus einer göttlichen und götterfeindlichen Komponente zusammen: Dionysos wird von den Titanen zerstückelt und gefressen. Zeus verbrennt die Frevler zu Asche und erschafft daraus das Menschengeschlecht. Aufgabe des Menschen ist es, sich von seinen titanischen Anteilen loszusagen und das Dionysische, das Göttliche, im doppelten Wortsinn zu realisieren. Ähnlich wie im sumerischen Mythos von der Erschaffung des Menschen aus Lehm und dem Blut des bösen Gottes Kingu finden sich hier Ansätze zu einer Erbsündenlehre.

Eine Distanzierung zur Sexualität, aber längst noch keine fanatische Feindschaft wie bei vielen späteren Christen, ergibt sich für die Orphiker also zum einen aus der Leiblichkeit des Sexuellen, die als ein Hindernis oder erschwerender Faktor für die Befreiung der Seele angesehen wird. Zum andern gilt Sexualität - sicher nicht zu Unrecht - auch als Quelle egoistischer und destruktiver Verhaltensweisen und bedarf der Kontrolle und Disziplinierung. Hier zeigt sich die orphische Gegenposition zur exoterischen Mythologie, die Sexualität positiv mit Gewalt konnotiert: Kein Gott vergewaltigt so häufig wie der Herrscher des Olymp. Die Zeus´schen Vergewaltigungsmytheme sind aber nichts anderes als Reflexe der gewaltsamen Unterwerfung der indigenen Population (mit ihren Muttergottheiten) durch kriegerische PIE-Invasoren (mit ihrem Kriegergott Zeus).

Dem orphischen Reinheitsideal entsprechend soll sich ein Adept vor Beginn einer Mysterienfeier mehrere Tage lang sexueller Aktivität enthalten - was ein traditionelles Element auch der späteren Mysterienkulte ist - , natürlich nebst anderen asketischen Maßnahmen, darunter der wichtigsten, dem Verzicht auf Fleischkonsum (begründet mit der Annahme, dass aus Tieren Menschen wiedergeboren werden können). Den orphischen Gruppen gehörten - ebenso wie den Pythagoräern - zahlreiche Frauen an, von Misogynie kann also keine Rede sein, wie sie später beim Christentum mit seinen Phantasien über die Frauen als Dienerinnen des Teufels unauflöslich mit Sexualfeindschaft verbunden war.

Was die Priester-Kastration im Kybele-Attis-Kults betrifft, scheint dabei kein sexualfeindlicher Intention zugrunde zu liegen, eher schon eine archaische Idee vom Blutopfer des männlichen Genitals für die göttliche Mutter Kybele, womit sich vermutlich Vorstellungen vom Blut als Träger der Lebensenergie und vom Phallus als ein die Frau befruchtendes Organ verbinden. Zugleich bedeutet die Kastration - und das ist als hauptsächliches Motiv anzusehen - eine symbolische Angleichung der Priester an das Geschlecht der Göttin. Aus dem Verzicht auf Sexualität folgt also nicht unbedingt eine Feindschaft gegen Sexualität.

Auf die Verbindung von Orphismus und Kybelekult zum Christentum - das sich von beiden eine Menge abgeschaut hat - und auf die genaueren Umstände der Entstehung christlicher Sexualfeindschaft gehe ich in Bälde ein, ebenso wie auf die Rolle der Gnosis in diesem Zusammenhang.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn Jesus ein Mann gewesen ist, können ja die Bibelschreiber nicht aus im einen Zwitter machen um auch das weibliche Geschlecht zu berücksichtigen.

Außerdem brauchte eine jüdische Sekte keine Brahmanen um gegenüber der Sexualität kritisch zu sein, da reicht das Judentum mehr als genug.

Sonst ich hätte gerne deine Fantasie um mir solche Theorien ausdenken zu können.
 
Beziehst du dich dabei auf Gal 3,28? Dort ist aber nicht von Gleichheit die Rede, sondern davon, dass es "Mann und Frau" in Christus nicht mehr gibt und stattdessen "alle einer" in "Christus Jesus" sind. Damit kann nur gemeint sein, dass (durch die christliche Taufe) nicht nur alle Unterschiede zwischen Mann und Frau aufgelöst werden, sondern die Geschlechter selbst. Mit "Gleichheit von Mann und Frau", worauf du anspielst, hat das nichts zu tun, denn beide bestehen "in Christus" ja nicht mehr als separate Geschlechter.

Das ist sicher eine interessante Sichtweise auf die Stelle, die ich aber nicht teile. Es geht um Mündigkeit an dieser Stelle. Paulus führt das ja weiter aus:
Ich will damit sagen...
Eine Aufhebung der physischen Geschlechtlichkeit ist hier nicht gemeint.

Im folgenden versuche ich die Ursprünge der Abwertung bis hin zur Verdammung der Sexualität ein wenig zu erhellen. [...] Auf die Verbindung von Orphismus und Kybelekult zum Christentum - das sich von beiden eine Menge abgeschaut hat - und auf die genaueren Umstände der Entstehung christlicher Sexualfeindschaft gehe ich in Bälde ein, ebenso wie auf die Rolle der Gnosis in diesem Zusammenhang.
Der Threadstarter hat sich bereits dazu geäußert, dass hier doch bitte über das Buch diskutiert werden soll. Manche Exkurse muss man zulassen, grundsätzlich sollten wir aber seinem Wunsch nachkommen. Es gibt ausreichend passendere Threads in denen du deine Thesen äußern kannst, bzw. wo du sie schon geäußert hast und es vielleicht besser wäre anzuschließen.
 
Ich habe, und sicher andere auch, immer angenommen, die Evangelien am Anfang des NT seien die Grundlage für die dann folgenden Texte und zuerst da gewesen.

Dass jemand, der sich auch nur ein ganz klein wenig mit diesen Texten beschäftigt, auf so eine Annahme kommen kann, ist mir unverständlich.

Aber egal:

Wenn Du Dich selbst meinst, schreib doch einfach "ich" und nicht "viele".
 
Dass jemand, der sich auch nur ein ganz klein wenig mit diesen Texten beschäftigt, auf so eine Annahme kommen kann, ist mir unverständlich.

Aber egal:

Wenn Du Dich selbst meinst, schreib doch einfach "ich" und nicht "viele".

Du bringst mein Zitat und verlangst trotzdem ich solle doch bittschön mit "ich" zum Ausdruck bringen, das sei meine Erfahrung. Lies das Zitat doch einfach nochmals langsam durch.

Und Bibelleser kommen beim Studium noch auf ganz andere divergierende Annahmen. Das schafft dann viele Möglichkeiten sich in den verschiedensten christlichen Glaubensrichtungen zuhause zu fühlen.
 
Tatsächliche oder mutmaßliche, religiöse oder sonstige weltanschauliche Glaubensbekenntnisse sind nicht Gegenstand des Geschichtsforums.

Historisierende Betrachtungen zu religiösen Bekenntnissen sind nicht auf "Glauben", sondern auf Forschung und Quellen zu stützen. In dem Fall wäre zB zu klären, welche breite Rezension, wissenschaftliche Akzeptanz oder Kritik Detering bzw. die verlinkten Wiedergaben älterer Literatur gefunden haben. Glaubensbekenntnisse spielen dabei wiederum keine Rolle.
 
Ein kleiner Einwurf: Die ganze Stelle bei Gal 3, 26-29 lautet (nach dem Luthertext von 1984):

Denn ihr alle seid durch den Glauben Gottes Kinder in Jesus Christus. Denn ihr alle, die ihr auf Jesus Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann oder Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus. Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach der Verheißung Erben.

Mir scheint es da um eine Aussage zur Gemeinschaft der Gemeinde zu gehen, die die Schranken zwischen den verschiedenen sozialen und geschlechtlichen Differenzen aber nicht leugnet. Gibt es da wirklich einen Hinweis, dass damit gemeint sein könnte, alle Unterschiede seien im buchstäblichen Sinne aufgehoben?
 
Ein kleiner Einwurf: Die ganze Stelle bei Gal 3, 26-29 lautet (nach dem Luthertext von 1984):

Denn ihr alle seid durch den Glauben Gottes Kinder in Jesus Christus. Denn ihr alle, die ihr auf Jesus Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann oder Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus. Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach der Verheißung Erben.

Mir scheint es da um eine Aussage zur Gemeinschaft der Gemeinde zu gehen, die die Schranken zwischen den verschiedenen sozialen und geschlechtlichen Differenzen aber nicht leugnet. Gibt es da wirklich einen Hinweis, dass damit gemeint sein könnte, alle Unterschiede seien im buchstäblichen Sinne aufgehoben?

Könnte auch sein, daß es Paulus hier darum geht, den Primat der Gemeinde in Jerusalem zu relativieren. Da ging es um seine Gleichwertigkeit. Dort gibt es die "echten" Apostel um Jakobus die Jesus gesehen und begleitet haben. Die das wahre Judentum verkörpern und sich als wahre Erben Abrahams sahen.
 
Könnte auch sein, daß es Paulus hier darum geht, den Primat der Gemeinde in Jerusalem zu relativieren. Da ging es um seine Gleichwertigkeit. Dort gibt es die "echten" Apostel um Jakobus die Jesus gesehen und begleitet haben. Die das wahre Judentum verkörpern und sich als wahre Erben Abrahams sahen.

Auch das ist natürlich eine mögliche Interpretation, selbst wenn in der Regel die von Paulus selbst genannte Beschneidungsdebatte als Anlass und Hintergrund des Briefes angesehen wird. In dem Fall wäre der Schwerpunkt seiner Aussage, dass es "nicht Juden noch Griechen" in Christus gibt.

Die damit verbundene Abgrenzung zur Gemeindeleitung in Jerusalem und die Aufwertung der eigenen Position können aber natürlich auch ein wichtiger Grund (oder sogar das Hauptinteresse) gewesen sein.

In beiden Fällen ginge es jedenfalls um die Gleichstellung der Gemeinden oder Gemeindemitglieder vor Gott (bzw. "in Christus"), nicht um eine Bestreitung aller Unterschiede. Das wäre für einen griechischsprachigen Juden des 1. Jahrhunderts auch höchst ungewöhnlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
mal abgesehen von Schwarzbüchern, vielbändigem Deschner und sonstiger (oftmals sogar berechtigter) Kuttenschelte:
Könnte auch sein, daß es Paulus hier darum geht, den Primat der Gemeinde in Jerusalem zu relativieren.
wie kommst du bei Gal. 3, 26-29, ausgerechnet auf diese Deutung?
Brisanter scheint mir da die Mitteilung, dass ethnische und soziale Grenzen innerhalb der neuen Religion aufgehoben sind ("nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier") ((und bevor du weit in Sachen unter der Kutte ausholst: "nicht Frau noch Mann" meint hier geschlechtsbegundene soziale Rollen))
 
wie kommst du bei Gal. 3, 26-29, ausgerechnet auf diese Deutung?

Der Brief soll ja an die Galater gerichtet sein. Ehemals keltischen Ursprungs. Seinen Christus hat er ihnen nahegebracht. Muß dann sicher für die Galater erklärungsbedürftig gewesen sein, daß sie durch diesen Übertritt zu Kindern und Erben Abrahams geworden sind.
 
Der Brief soll ja an die Galater gerichtet sein. Ehemals keltischen Ursprungs.
?? aus den Adressaten und deren Herkunft schließt du, dass der zitierte Galaterbrief nicht seinen lesbaren Inhalt hat, sondern stattdessen diese Botschaft transportiert:
Könnte auch sein, daß es Paulus hier darum geht, den Primat der Gemeinde in Jerusalem zu relativieren. Da ging es um seine Gleichwertigkeit. Dort gibt es die "echten" Apostel um Jakobus die Jesus gesehen und begleitet haben.
???

...es gibt das Lied "über sieben Brücken musst du geh´n" - hier scheint mir, dass man um mindestens siebzehn Ecken herum denken muss, um das eventuell nachvollziehen zu können...
 
Der Brief soll ja an die Galater gerichtet sein. Ehemals keltischen Ursprungs. Seinen Christus hat er ihnen nahegebracht. Muß dann sicher für die Galater erklärungsbedürftig gewesen sein, daß sie durch diesen Übertritt zu Kindern und Erben Abrahams geworden sind.

Als Paulus Pisidien, Südgalatien, Isaurien und Lykaonien bereiste, waren diese Provinzen, die Städte auf jeden Fall, aber schon stark hellenisiert. Die Bevölkerung war sehr heterogen: Augustus hatte, um die Provinzen leichter kontrollierbar zu machen, römische Veteranen dort angesiedelt, deren Nachfahren eine bedeutende Rolle spielten, und die Seleukiden hatten sich bemüht, die Gebiete zu hellenisieren, womit sie auch in den urbanen Zentren erfolgreich waren. Städte wie Antiochia ad Pisidiam, Kremna, Sagalassos, Selge Ikonion, Lystra waren stark hellenisiert.

Es muss dort aber auch zahlenmäßig starke jüdische Gemeinden gegeben haben, denn nach der ApG predigte Paulus das Euangelion in den Synagogen. Das Judentum übte auch eine gewisse Faszination auf die Nachkommen der römischen Veteranen aus. Immer wieder ist die Rede von "gottesfürchtigen" Frauen und Männern. Also Heiden wie der Statthalter von Zypern und Kyrene Sergius Paullus, der aus Antiochia ad Pisidiam stammte, die nicht beschnitten waren, formal nicht dem mosaischen Glauben angehörten, aber die Gebote der Torah befolgten und an Gottesdiensten in den Synagogen teilnahmen.
In Akmoneia baute eine "Vornehme gottesfürchtige Dame" eine Synagoge. William Ramsay, der sich Ende des 19. Jhds um die Sammlung von Inschriften verdient machte, stellte als erster Forscher die Hypothese auf, dass der Galater-Brief nicht an die eigentlichen Galater in der Umgebung Ankyra/Ankaras in Zentralanatolien adressiert sei, sondern an die Gemeinden in Südgalatien und Lykaonien, die vermutlich von Paulus gegründet wurden. Bei L. Sergius Paullus und einigen seiner Nachkommen, die zu den ersten Familien gehörten, die aus einer östlichen Provinz stammten und in den Ordo senatorius aufgenommen wurden, gibt es einige Indizien, dass diese tatsächlich dem Christentum angehörten oder ihm jedenfalls aufgeschlossen gegenüber standen.

(Ed Meyer, Ursprünge und Anfänge des Christentums 2 Bd, H. Dessau Inscriptiones Latinae Selectae, Prosopograhie Imperii Romani, Helga Botermann, das Judenedikt des Kaisers Claudius)
Die Familie der Sergii Paulli besaß riesigen Landbesitz in Südgalatien. Es ist eine Inschrift erhalten von einem Freigelassenen, der sich bei Plancia Marsia bedankt, der Enkelin des L. Sergius Paullus. Nach Missionserfolgen in Antiochia müssen Paulus und Barnabas türmen, weil die jüdischen Gemeinden die "Gottesfürchtigen" und vornehmen "Damen" beeinflussen (ApG13,42-48) Auch in Ikonion predigt Paulus und erregt den Volkszorn, in Lystra gelingt Paulus die Heilung eines Gelähmten, worauf die Lykaonier Paulus und Barnabas feiern und der Zeuspriester sie als Inkarnation von Zeus und Hermes preist und Stiere opfern will (ApG 14)
 
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