Sollten Nazi-Verbrecher heute noch verurteilt werden??

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Also kann ich deine Frage beantworten: Ja, das ist unsere Demokratie und unsere Vorstellung von Rechtsstaat.

Ich bezog mich ja auf meine Frage weiter oben, daß jeder, der auch nur einer Organisation angehörte, die z.B. als Wachmannschaft von KZ Lagern wie auch den Außenlagern abgestellt wurde, nun nicht mehr mit einem Nachweis bzw. Beweis des Mordes an einem Menschen verurteilt werden kann?
Das entspricht nicht unserer Rechtsordnung, denn nur der Verdacht allein kann keine Grundlage einer Verurteilung sein ...das meinte ich mit dem Weg ausserhalb usw ...
 
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Eigentlich kann ein Täter nur für seine Tat verurteilt werden. Kollektivschuld gibt es nicht, schuldig werden ist individuell.

Oh, den Aspekt des Alters habe ich dabei noch garnicht in Betracht gezogen, doch der ist im Fall einer Beweisbaren Schuld wohl erstmal nicht zu berücksichtigen. Was dabei unser Rechtsprechung vorsieht entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.

Interessanter fände ich den bei aller Schuld und Verurteilung die Arbeit im Bezug auf den Mord an politischen Verfolgten in der DDR ... :still: (anderes Thema?)
 
Ich bin mir aber gewahr geworden, dass ich zwei Dinge verwechsle: Verurteilung und Verurteilung.

Das ist schon richtig, Deine Differenzierung läuft auf Urteil und Strafe (resp. Strafmaß) in dem Rechtstaat hinaus.

Selbstverständlich ist eine Strafverfolgung, ein rechtsstaatlicher Prozeß und eine Verurteilung erforderlich. Das ist der eine Aspekt.

Speziell in Sachen Strafmaß hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach die grundgesetzliche Geltung der Menschenwürde angemahnt, was bezüglich des möglichen Strafmaßes Folgen hat. So ist (selbst bei schlimmsten Verbrechen) "lebenslänglich" begrenzt (Ausnahme: Gefahrenabwehr, etwa Sicherheitsverwahrung). Internationale Gerichtshöfe sehen das ähnlich.
 
Ich bezog mich ja auf meine Frage weiter oben, daß jeder, der auch nur einer Organisation angehörte, die z.B. als Wachmannschaft von KZ Lagern wie auch den Außenlagern abgestellt wurde, nun nicht mehr mit einem Nachweis bzw. Beweis des Mordes an einem Menschen verurteilt werden kann?
Das entspricht nicht unserer Rechtsordnung, denn nur der Verdacht allein kann keine Grundlage einer Verurteilung sein ...das meinte ich mit dem Weg ausserhalb usw ...

Richtig ist, dass dem Angeklagten die Straftat zweifelsfrei nachgewiesen werden muss. Demjanjuk z.B wurde wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Das Urteil wurde aber nicht rechtskräftig wegen des Tods Demjanjuks während der Revision. Das Alter des Angeklagten kann bei der Strafzumessung eine Rolle spielen. Die Grundsätze der Strafzumessung ergeben sich aus § 46 StGB: StGB - Einzelnorm.
 
Zuletzt bearbeitet:
Richtig ist, dass dem Angeklagten die Straftat zweifelsfrei nachgewiesen werden muss. Demjanjuk z.B wurde wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Das Urteil wurde aber nicht rechtskräftig wegen des Tods Demjanjuks während der Revision. Das Alter des Angeklagten kann bei der Strafzumessung eine Rolle spielen. Die Grundsätze der Strafzumessung ergeben sich aus § 46 StGB: StGB - Einzelnorm.

Darum ging es in meiner Frage um den "Generalverdacht" aber nicht!
 
Mit Verlaub,
die Fragestellung scheint mir doch recht seltsam zu sein.

Wir haben doch bestimmt ein paar Juristen im Forum.
Gibt es den strafrechtlichen Begriff 'Nazi-Verbrechen'?

Es gibt strafrechtliche Tatbestände die nicht verjähren z.B. Mord.
Wäre dies etwa bevorzugt anders zu behandeln, wenn der Mörder als "Nazi-Verbrecher" auftrat?
Und kann denn jemand heute angeklagt werden weil er als "Naziverbecher" Kunstgegenstände stahl oder sich in anderer Weise unlauter in den Besitz des Eigentums von Regimeopfern brachte?
 
ich habe mir schon selber Gedanken über das Thema gemacht...;P So komme ich nämlich auf folgende Argumente:
pro:
-Menschenrechtsverletzungen verjähren nicht, explizit Mord
-Gerechtigkeit muss gewährleistet werden
-Jeder ist vor dem Gesetz gleich

contra:
-Menschen ändern sich
-haben vl nur Befehle ausgeführt, die sonst jemand anderes befolgt hätte
-Verbrecher haftunfähig durch zu hohes Alter

- Wird ein Verbrechen weniger schlimm, wenn es sonst jemand anders ausgeführt hätte?*
- Enthebt die Befehlsausführung moralische Maßstäbe?
- Muss eine Verurteilung in einer Haftstrafe enden?

*In der Tat sprichst du hier einen Punkt an, der den Holocaust in seiner Frühphase erst funktionieren gemacht hat: Nämlich dass sich Leute bereitgefunden haben, massenweise wehrlose Zivilisten zu erschießen, weil "irgendjemand die Dreckarbeit ja machen muss". Wenn diese Form des "Pflichtbewusstseins" weniger verbreitet gewesen wäre, wäre der Vernichtungskrieg sicher nicht in dieser Form möglich gewesen.
 
@Rikaya

Deine Fragestellung ist schwer verständlich.

Im deutschen Strafrecht verjähren weder Mord noch Völkermord, also ist eine Verfolgung dieser mutmaßlichen Verbrechen durch die Staatsanwaltschaft in der Bundesrepublik ex officio angezeigt. Dieses ist somit keine diskutable, sondern nur eine zu konstatierende juristische Situation.

Das wäre die juristische Ebene.

Die historische Ebene:

Ja, aus meiner beschränkten Sicht, eine Strafverfolgung von mutmaßlichen Beteiligten an Völkermorden/Morden ist strafrechtlich zu betreiben, um justistiabel Verbrechen (hier des ns Regimes) zu dokumentieren resp. gerichtsnotorisch "festzumachen".

Nächste Ebene, Strafvollstreckung:

Selbstverständlich gelten hier die gleichen humanitären Grundsätze, die für alle rechtswirksam Verurteilten gelten.

M.
 
Nur ein Satz der zum Nachdenken anregen sollte: "Auge um Auge, Zahn um Zahn!"
Sind wir das? Ist das unser Rechtsempfinden unserer Demokratie?

Wer Mordtaten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat, muss in einem Rechtsstaat mit Anklage und Verurteilung rechnen. Davon sind die SS-Schergen, KZ-Leiter und SS-Ärzte auch nach Jahrzehnten nicht ausgenommen. Im übrigen: auch Alter schützt vor Strafe nicht und für Morde gibt es bei uns keine Verjährung.

Allerdings sind es schon aus biologischen Gründen nur noch ganz wenige, die eine Entdeckung und Bestrafung fürchten müssen. Leider sind viel zu viele ungeschoren davongekommen und - wie nahezu alle Juristen, Richter, Theologen und Schreibtischtäter in Ministerien und der Staatsverwaltung - nach 1945 erneut zu Ämtern, Ehren und Würden gelangt.
 
Wer Mordtaten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat, muss in einem Rechtsstaat mit Anklage und Verurteilung rechnen. Davon sind die SS-Schergen, KZ-Leiter und SS-Ärzte auch nach Jahrzehnten nicht ausgenommen.

Du findest also, daß wer auch immer wie und wann und wie lang sich bei den entsprechenden staatlichen Gruppen befand, der ist schon allein deshalb zu verurteilen.

Was ist dann zum Beispiel mit den ganzen Bürokraten oder Lokführern oder sonstigen Dienstleistern die dieser dunklen Branche zuarbeiteten? Ohne die hätte diese Räderwerk der Deportation und Vernichtung funktioniert? Stehen die dann auch alle unter Generalverdacht bzw, Beihilfe zum Mord, nach heutiger Rechtsprechung?
 
Was ist dann zum Beispiel mit den ganzen Bürokraten oder Lokführern oder sonstigen Dienstleistern die dieser dunklen Branche zuarbeiteten?
lassen wir die Bürokratie erstmal beiseite, und schauen tatsächlich auf den Transport (!) -- die Bahn, mit ihren Lokführern, Schaffnern, Stellwerken usw. - und dazu meine Frage: hat die Reichsbahn an den Deportationen verdient?
 
lassen wir die Bürokratie erstmal beiseite, und schauen tatsächlich auf den Transport (!) -- die Bahn, mit ihren Lokführern, Schaffnern, Stellwerken usw. - und dazu meine Frage: hat die Reichsbahn an den Deportationen verdient?

Spielt es eine Rolle? Hat die Bahn daran verdient, dann ist es Blutiges Geld und hat die Bahn es ohne Bezahlung getan, war es ein "Freundschaftsdienst?" ....Du sieht, egal wohin es gedreht wird, die Bahn hat damit auf jeden Fall auch Dreck am Stecken.

Aber jetzt nicht nur auf einen Dienstleister einschießen, es gab sicher noch mehr um die strukturellen Abläufe der Lager aufrecht zu erhalten. Irgendwer hat z.B auch das Gift Zyklon B hergestellt oder geliefert.
 
Aber jetzt nicht nur auf einen Dienstleister einschießen, es gab sicher noch mehr um die strukturellen Abläufe der Lager aufrecht zu erhalten. Irgendwer hat z.B auch das Gift Zyklon B hergestellt oder geliefert.

Und irgendwer (nämlich die Firma Topf und Söhne) hat Krematorien entwickelt, die a) mit einem erhöhten Aufkommen von Leichen fertig wurden und b) mit einem erhöhten Aufkommen von Leichen, deren eigenes Körperfett für die Verbrennung nicht mehr reichte, weshalb Öl zugeschossen werden musste, fertig wurden.
 
Spielt es eine Rolle? Hat die Bahn daran verdient, dann ist es Blutiges Geld und hat die Bahn es ohne Bezahlung getan, war es ein "Freundschaftsdienst?" ....Du sieht, egal wohin es gedreht wird, die Bahn hat damit auf jeden Fall auch Dreck am Stecken.
schon klar -- aber man sich ja auch Gedanken darüber machen, wo, wann und wie die Grenze zur Mittäterschaft überschritten worden sein könnte. (ich formuliere das fragend, weil ich es nicht weiß)

@ElQ
diese 4 Reichspfennig/Person/Kilometer waren Verdienst, also Überschuss?
 
Und irgendwer (nämlich die Firma Topf und Söhne) hat Krematorien entwickelt, die a) mit einem erhöhten Aufkommen von Leichen fertig wurden und b) mit einem erhöhten Aufkommen von Leichen, deren eigenes Körperfett für die Verbrennung nicht mehr reichte, weshalb Öl zugeschossen werden musste, fertig wurden.

Findest Du meine Denkweise zu weit hergeholt?

Sind denn nicht die wahren gefühllosen Täter, die, die sich das Töten als Beruf machten und für die, die Juden nur so eine Art Ware darstellten?
Sind solche Firmen gezwungen worden, so zu handeln oder wussten die Dienstleister um die KZ nicht, was mit Ihrer Leistung geschied?
 
Zuletzt bearbeitet:
Gab es dazu nicht auch eine "Ansage" oder , ich sag mal jetzt Information, weil ich nicht weiß, wie es in unsere Rechtsprechung eingepflegt ist bzw. wurde, daß nun schon die alleinige Angehörigkeit zu Teilen der SS Wachmannschaften ausreichen, um unter Generalverdacht im Bezug auf Mord gestellt zu werden?

Die SS wurde bei den Nürnberger Prozessen als kriminelle Vereinigung gekennzeichnet und verboten, soweit mir bekannt, wurde allerdings kein Mensch allein wegen der Mitgliedschaft zur SS zur Verantwortung gezogen wurde. Etliche Schreibtischtäter wie Werner Best wurden gar nicht zur Verantwortung gezogen. Insgesamt wurden auf der Ebene von Verantwortlichen in gehobener Position wenige zur Verantwortung gezogen, und die man verurteilte waren meist untergeordnete Vollstreckungsbeamte des Todes, die sich auf Befehlsnotstand nicht mehr berufen konnten, weil sie eigenhändig Menschen umgebracht haben wie Irma Grese die Hyäne von Auschwitz. Der Darmstädter Hans Stark, der im Frankfurter Auschwitzprozess verurteilt wurde wegen mehrfachen Mordes, kam mit einigen Jahren Haft davon, da er noch unter 21 Jahre alt war, als er mordete und daher nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde. Zeugen mussten erruiert und ausfindig gemacht werden, manche konnten sich nicht an alles erinnern.

Für viele Zeugen waren die Aussagen enorm traumatisierend, mancher fühlte sich ungerecht behandelt- durchaus zu Recht, auch wenn es Gerechtigkeit in solchen Prozessen ohnehin nicht geben kann. Eine Verurteilung zu langjährigen Haftstrafen kann nicht Unrecht ungeschehen machen.
 
Du findest also, daß wer auch immer wie und wann und wie lang sich bei den entsprechenden staatlichen Gruppen befand, der ist schon allein deshalb zu verurteilen.

Was ist dann zum Beispiel mit den ganzen Bürokraten oder Lokführern oder sonstigen Dienstleistern die dieser dunklen Branche zuarbeiteten? Ohne die hätte diese Räderwerk der Deportation und Vernichtung funktioniert? Stehen die dann auch alle unter Generalverdacht bzw, Beihilfe zum Mord, nach heutiger Rechtsprechung?


Ursi hat schon vor ein paar Jahren eine überaus sehenswerte BBC- Doku zu Auschwitz eingestellt, die auf Shoah.com und Youtube noch vorhanden sein müsste. In der Folge "Verbrechen und Korruption" kam unter anderem ein SS- Mann zu Wort, der nicht zum eigentlichen Wachpersonal gehörte, dafür aber Devisen und geraubte Habseligkeiten katalogisieren musste und sich dabei schamlos bediente. Dieser übrigens durchaus nicht unsympathische Zeitgenosse wurde niemals zur Verantwortung gezogen, verbrachte als Kriegsgefangener in GB eine leichte Zeit und machte in der BRD Karriere, während etliche Opfer für Jahre traumatisiert waren. Es war gar nicht so ungewöhnlich, dass Holocaustüberlebende im Nachkriegsdeutschland in Entschädigungsfragen genau mit den gleichen Sachbearbeitern zu tun hatten, die ihnen alles abgenommen hatten. In den späten 80er Jahren sickerte durch, dass die Witwe Roland Freislers Beamtenpension bezog, denn der Ehemann, als Staatssekretär des Justizministeriums bei der Wannseekonferenz und Vorsitzender des Volksgerichtshofes hätte in der BRD ja vermutlich die Karriere fortgesetzt. All die Globkes und Filbingers wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Etliche Mediziner wie Mengeles Doktorvater Verschuer machten nach 1945 den selben Kram weiter. Der renommierte Jurist Fritz Bauer hatte starke Zweifel an der deutschen Justiz, weshalb er Informationen über den Verbleib Eichmanns an den Mossad weitergab, ohne deutsche Behörden einzuschalten.

Im Osten müssen Soldaten, Eisenbahner und Beamte so manches mitbekommen haben, aber es war ja nicht so, dass jeder kleine Mitläufer unter Generalverdacht gestellt oder kriminalisiert worden wäre. Die aber, die tatsächlich vor Gericht gestellt wurden, wollten keine Verantwortung übernehmen. Hätten sie nicht getan, was befohlen wurde, wären sie selber dran gewesen, behaupteten sie, und es gab manche in der BRD, die sagten, "mal müsse doch endlich Schluss sein".
 
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