Stalingrad

@Kosmokrat

Das es Unschärfen bei Stärkemeldungen gab ist unzweifelhaft. Allerdings in der Größenordnung, schwankend zwischen 80.000 (Rote Armee via Feindaufklärung) und 400.000 OKW erscheint mehr als zweifelhaft. Turgot hat Dir die in der Literatur manifesten Zahlen benannt.

Solltest Du derartige Zahlen anzweifeln,

Ich zweifle die Zahlen nicht an sich an.
Ich habe diese (sehr unterschiedlichen) Zahlen aus dem Spiegel Artikel und die müssen sie ja auch irgentwo her haben.
Die Zahlen die Ich bisher kannte gehen alle in die Richtung von Turgot,
nur kam dann dieser Artikel mit seinen Zahlen.
Die kamen mir "komisch" vor und das führte dann zu meinem Beitrag. :winke:
 
Kosmokrat schrieb:
Ich habe diese (sehr unterschiedlichen) Zahlen aus dem Spiegel Artikel und die müssen sie ja auch irgentwo her haben.

Stimmt. Schade das der Spiegel seine Quelle nicht genannt hat. Schreib doch den Spiegel an und frage nach.:winke:
 
Ich zweifle die Zahlen nicht an sich an.
Ich habe diese (sehr unterschiedlichen) Zahlen aus dem Spiegel Artikel und die müssen sie ja auch irgentwo her haben.
Die Zahlen die Ich bisher kannte gehen alle in die Richtung von Turgot,
nur kam dann dieser Artikel mit seinen Zahlen.
Die kamen mir "komisch" vor und das führte dann zu meinem Beitrag. :winke:

Die "Paulus-Zahl" vom 23.11.1942 (200.000) ist oben erläutert. Sie betraf nur das AOK 6.

An der sowjetischen Angabe von 80.000 ist nichts mysteriöses. Das war eine glatte Fehleinschätzung des StavKa (abgedruckt auch in der Generalstabsstudie zu Stalingrad, aus 1943) vor der Einschließungsoffensive und im Zeitpunkt der Kesselbildung, bei der man keine genauen Vorstellungen über die Anzahl im Kessel hatte. Mit den deutschen Zahlenangaben hat das nichts zu tun.
 
Anfrage beim Spiegel

Sehr geehrter Herr,

es tut mir leid, aber es ist heute nicht mehr möglich, die Quellen für
Angaben
im Artikel "Das Öl von Maikop und Grosny" aus dem SPIEGEL 37/1992
herauszufinden.


Mit Bedauern
und freundlichen Grüßen
 
Stalingrad das ist in erster Linie Sinnbild für Häuserkampf (Ortskampf) und Scharfschützenwesen von sowjetischer Seite.

Den dt. Angreifern wurde von der 62. Armee eine Kampfweise aufgezwungen, die sie in ihrem desolaten und abgekämpften Zustand (Fall Blau lief im Juli an) unmöglich gewinnen konnten.
Die dt. Bombardierung vom August hatte die Stadt in eine Trümmerlandschaft verwandelt, welche den sowjetischen Verteidigern den entscheidenden Geländevorteil brachte. Tschuikow (das neue Buch von Lance Olsen: Taierzhuang 1938 - Stalingrad 1942: Insight into a Blind Spot of WW2 wirft die Theorie auf, dass Tschuikow während seiner Zeit in China diese Kampftechnik in der Schlacht von Taierzhuang erlernen konnte).

Mit dem stark geschwächten LI. AK von Seydlitz-Kurzbach eine ca. 30-50 km breite Stadt frontal angreifen zu wollen, war von vornherein zum scheitern verurteilt.
 
Das in Stalingrad blutig erlernte, hat bis heute seine Gültigkeit:

Tür eintreten, Handgranatenwurf, Deckung, Detonation abwarten, wieder rein, Feuerstoß - Zimmer feindfrei.

Und das Ganze wiederholte sich hundertmal, tausendmal, von Stockwerk zu Stockwerk und Zimmer zu Zimmer. Man kann sich vorstellen, welche brutalen Szenen es im "Schichtkuchenhaus" gegeben haben muss, wo sich von Wehrmacht und Roter Armee besetzten Stockwerke abwechselten und die "Front" von einem Zimmer zum anderen ging. Also direkte Nähe zum Feind und eine unzählige Serie von Nahkämpfen mit Klappspaten, Messer, Maschinenpistole und Handgranate.

Die psychische Belastung auf beiden Seiten muss unvorstellbar gewesen sein. Man weiß aus den Ortskampferfahrungen von Falludschah im Irak, dass ein Infanterist diese enorme Nervenbelastung kaum 24 Stunden lang aushalten kann.
In Stalingrad ging das über Wochen, Monate und das mit Soldaten, die nie zuvor ein Häuserkampftraining absolviert hatten (in Rostow am Don kam es im Juli 42 zu blutigen Häuserkämpfen allerdings mit anderen beteiligten Divisionen).

Aber das alles ist natürlich nichts angesichts des riesigen Leides der Zivilbevölkerung, die in der Kanalisation und in den Ruinen ein menschenunwürdiges Dasein fristen mussten.
 
Bei Interesse könnte ich mehr über Stalingrad mit Fokus auf den Häuserkämpfen Sept. - Nov. 1942 schreiben.
 
Stalingrad-Getreidesilo

Hallo,
dann werde ich das mal tun.

Hier ein ausgesuchtes Kapitel. In der langen Reihe blutiger Gefechte, angefangen mit dem Hauptbahnhof (Stalingrad-1), Nagelfabrik, Kaufhaus Uniwermag, Haus d. Spezialisten, Staatsbank, Brauerei, Eisenbahnerhaus, Sedelnikowhaus, Eckhaus Krasnopiterskaja und Komsomolskaja-Str., Wolga-Fähranleger, Pawlow-Haus, Grudinin-Mühle, Mamajew Kurgan, Konservenfabrik, Eisenbahnschleife „Tennisschläger“, Chemische Fabrik „Lazur“, Schnellhefterblock, Badehaus, Traktorenwerk, Geschützfabrik „Barrikaden“, Stahlwerk „Roter Oktober“ (insbesondere um die Martinsofenhalle/Halle 4), den Ruinen östlich der Geschützfabrik: Apotheke, Kommissarshaus, Weißes Haus, Rotes Haus, Kretz-Haus, der unterirdische Kampf der Sturmpioniere i.d. Kanalisation, und und und, ist der Kampf um das Getreidesilo (17. – 25. September 1942) bislang das am wenigsten erforschte Kapitel.
Angriff auf Stalingrad ? Wikipedia

hier eine russische Karte aus dieser Zeit
http://s020.radikal.ru/i711/1303/dc/d30b58d186f1.jpg
(man erkennt Verteidigungsknoten oder besser gesagt isolierte Verteidigungsinseln der Roten Armee i.d. Südstadt)
http://ic.pics.livejournal.com/artem_mr/44280353/7934/7934_original.png
russ. Elewator Stalingrada, Элеватор Сталинградa
http://www.e-reading-lib.org/illustrations/1002/1002612-i_021.jpg

Verteidigt wurde das Getreidesilo, welches die Südstadt beherrschte (die Höhe des Gebäudes konnte ich immer noch nicht ermitteln) und weithin sichtbar war, von Soldaten der 35. Gardeschützen-Division und einem Zug Marineinfanteristen unter Leutnant A. Chojsjanow. Am 17. September 1942 hatten die Spitzen der IR 276 und IR 274 den Getreidespeicher erreicht, welcher von der 94. ID und 29. ID (mot) erobert werden sollte.
Weder Luftangriffe noch Artillerie konnten die verschanzten Sowjetsoldaten aus dem Gebäude vertreiben.

Am 21. September war ein Mauerdurchbruch dann groß genug, dass Stoßtrupps der IR 267 eindringen konnten.
Über die damals beteiligten Regiments-, Bataillonskommandeure und Kp.chefs vom IR 267 ist überhaupt nichts bekannt.
Auch nichts über die Annäherungswege über den Mauerdurchbruch oder möglicherweise auch zeitgleich über einen Fördertunnel vom Nachbargebäude.
http://images.stopgame.ru/games/red_orchestra_2_heroes_of_stalingrad-1319959334.jpg
Die überaus harten und intensiven Kämpfe leben weiter im Computerspiel „Red Orchestra“, wobei vielleicht die Architektur des Gebäudes, die Kornspeicher, der Förderturm, die Verladeeinrichtungen zur Eisenbahn, etc. sehr realitätstreu nachgeahmt wurden (das Gebäude exisiert meines Wissens noch immer im heutigen Wolgograd).
http://www.yaplakal.com/pics/pics_original/5/2/2/47225.jpg
???????? ???????-???????????? ? ????????? (?????????)

Vor einiger Zeit gab es einen Thread (Jason Mark und Russ Schulke beschäftigen sich intensiv mit dem Thema - STALINGRAD - LINKING RESEARCHE, COLLECTORS AND GAMERS TO THE STALINGRAD BATTLE) hierzu STALINGRAD FORUM: Re: Grain Elevator “Straw Dogs 2011” movie / RO2: Heroes of Stalingrad PC game 2011
Stalingrad Grain Elevator “Straw Dogs 2011” movie / RO2: Heroes of Stalingrad PC game 2011 Posted by www.fireonthevolga.com on 10/25/2011, 13:36:49, in reply to "Re: Red Orchestra 2: Heroes Of Stalingrad - 13 September, 2011"
Okay, I will answer your second question first. The Timecastmodels Grain Elevator is not 100% correct but it’s very close. Barrie and Mark from Timecastmodels and myself were hired as consultants for the 2011 remake of the movie “Straw dogs” which is running in theaters in the USA right now. In the 2011 version the main character is writing a movie script about the battle of Stalingrad and the fighting around the Grain Elevator during the battle. In the living room scenes in the movie to can see a large diorama with the Elevator and the surrounding area they created sitting on a pool table. I supplied the research including plans, 3D computer models and detail photos of the area before, during and after the battle to Timecastmodels. The Timecastmodels guys told me that they had limited photos when they first produced their product but I was able to fill the holes in their research. The most prominent change to their original model would be the extension building that you noted, which collapsed before the close combat fighting of the early part of the battle. Here are some photos of the production phases, Barrie and Mark in front of the model and the model now displayed in my Stalingrad archives/exhibit. The model/scenario now being played in RO2: Heroes of Stalingrad was created and completed before I was hired by Tripwire Interactive as a consultant for that project. As it was a finish product Tripwire decided to not make any revisions to it because they had 9 other maps they need to complete. The outside Grain Elevator map/model/scenario you play right now in RO2 closer to how it appears in 2011 than in 1942-43.
I wrote and submitted to Tripwire a summary report of the graphical appearance and 3D modeling for its Grain Elevator map. Here are some photos and portions of that report. 1.) I see no evidence that the Grain Elevator was the green color as shown in the current RO2 map. A postwar friend of Gen Chuikov¹s from Volgograd (Stalingrad) and two other Russian sources tell me it was painted in the early 1950¹s. I have found German period reference that it was Concrete/Gray color. Also, noted Stalingrad author Jason Mark agrees with my conclusions.
2.) This section collapsed after August 30, 1942 but before September 17, 1942 likely from the German bombing raid against the nearby railway line. The September 17 Luftwaffe recon aerials show bomb craters 360⁰ around the Grain Elevator to support this claim. Also the collapsed of this section was why the soviets were able to defend the Elevator with so much vigor because it limited the Germans approach and penetration points into the building.
3.) After the collapsed of the noted (2.) extension building the Russians built an unusual “H” shaped brick building with an inverted flatted “V” shaped roof. There are photo confirmation that this is building was built after August 30, 1942 but before September 17, 1942. I have been told this building was built in direct response to the collapsed of the extension building (2.) and damage that was sustain beneath the belt/conveyer under the southern interior of the Silos and the odd shape roof (and protrusions) are Screw Conveyors to extract the grain.
4.) Stalingrad (Volgograd) is at a similar latitude of the Island of Newfoundland (Canada) and because of the time frame for the battle for the Grain Elevator (Mid September, 1942) the leaves on the trees should be changing to early falls colors also there should be very few leaves on the trees because this area had been subject to four different aerial bombing attacks since August 23, 1942.
5.) Luftwaffe aerial photos from September 17, 1942 show widespread damage to all roofs and building s throughout the Grain Elevator sector.

Aber die Simulation der Kämpfe bleibt natürlich reine Fiktion, da es auf dt. Seite offensichtlich überhaupt keine Aufzeichnungen blieben (verbrannt, vernichtet?) und auf sowjetischer Seite ebensowenig.
Die Härte der Kämpfe (ich vermute mal, dass vom 20. bis 25.9.1942 das Chaos bei der Berichtserstattung um die Stalingradschlacht perfekt war, zu viele widersprüchliche Meldungen, Stalingrad-Mitte zu großen Teilen erobert, erst Hauptbahnhof erobert, verloren, erobert, etc. so dass niemand speziell auf das Gefecht um das Getreidesilo fokussiert war) drang anscheinend aber doch noch zu von Seydlitz-Kurzbach bzw. Paulus, so dass man plante, die mit so großen Anstrengungen und Verlusten verbundene Eroberung des Betonklotzes in einem „Stalingradschild“ heroisieren wollte es aber dann doch nicht tat, weil sich die Ereignisse in Stalingrad-Mitte, Hauptbahnhof, Roter Platz, etc. wieder überschlugen.
Zumindest fiel die Südstadt mit dem Wegfall des Getreidesilos aber welche Szenen sich tatsächlich im Inneren des Gebäudes abgespielt hatten, bleibt der Phantasie des Betrachters überlassen.

Ein nüchterner Divisionsbericht hätte einige Mythen (und von denen gab es sehr viele in der Schlacht um Stalingrad) evtl. aufklären können aber so bleibt es, um es mit den Worten von Raymond Cartier (Raymond Cartier: Der Zweite Weltkrieg. Bd. 2 1942–1944, Lingen Verlag, Köln 1967 (Originaltitel: La Seconde guerre mondiale, übersetzt von Max Harriès-Kester, S. 662) zu sagen:
Die Eroberung des großen Silos durch die 29. motorisierte Division war die erste jener unwirklichen Kampfszenen, die der Schlacht um Stalingrad ihren unwirklichen Charakter verleihen. Die Detonationen, die in dem enormen Betonklotz widerhallten, spannten die Trommelfelle bis zum Platzen. Der Bau, in dem sich Russen und Deutsche mordeten, war noch voller Getreide.“

Bei den Überlebenden muss das Getreidesilo einen sehr großen Eindruck hinterlassen haben, denn es heißt:

Wir hörten das Atmen des Feindes und jede seiner Bewegungen, konnten ihn im dichten Rauch aber nicht sehen. Deshalb schossen wir auf Geräusche.“

Wenn alle Gebäude in Stalingrad so verteidigt werden, dann wird keiner unserer Soldaten nach Deutschland zurückkehren. Unsere Soldaten haben noch nie so bittere Gefechte erlebt.“ – so Uffz. Wilhelm Hoffmann/IR 267. (Angriff auf Stalingrad ? Wikipedia)

"Landserlyrik" a la Carrell oder war es tatsächlich eine traumatische Erfahrung für diejenigen, die mit Klappspaten, Handgranate und Maschinenpistole in den Getreidesilo gingen, kletterten, krochen und eine Reihe von Nahkämpfen bei minimaler Sicht durchzustehen hatten?
Mittlerweile ist darüber aber leider nichts mehr zu rekonstruieren.

Gruss,
BerndHH
 
Zuletzt bearbeitet:
Fassen wir mal zusammen.
Wenn ich die Probleme der 94. ID und 29. ID (mot) richtig verstanden habe, dann war eine frontale Annäherung auf das Getreidesilo zumindest bei Tag nicht möglich.
Deutsche Angriffe über die freie Pläne rings um den Getreidespeicher herum wurden von dem sowjetischen Marineinfanteristen (in Ringsumverteidigung aus dem Wellblechturm) mit dem Maxim-MG abgeschlagen. Kettenfahrzeuge wurden mit der Panzerbüchse vernichtet.
Wie war das Zusammenspiel der drei beteiligten Divisionen untereinander? Die 14. PD-Heim in einer gemischten Kampfgruppe mit der 94. ID-Pfeiffer und 29. ID (mot)-Fremerey.
Erst nachdem mehrtägige Artillerieangriffe und Luftschläge Risse und Brüche im massiven Mauerwerk der Außenmauer verursachten, konnte die Infanterie ihren Sturm & Einbruch beginnen.
Wie wurden die Stoßtrupps eingeteilt? Welche Gruppe ging unten rein und welche über diese Verbindung zum Nachbargebäude.
Ich habe im Internet nach Querschnitten von Getreidesilos gesucht aber nie eine Konstruktion gefunden, welche dem des Elewator Stalingrada, Элеватор Сталинградa gleicht kommt.
Wahrscheinlich sind diese Frage auch so speziell, dass sie heute im Jahr 2013 nicht mehr beantwortet werden können. Jetzt werden einige von Euch vielleicht auch sagen, also sooo genau wollen wir das auch wirklich nicht mehr wissen…
 
BerndHH:

Es ist mE nicht zielführend, in einem Geschichtsforum Diskussionen aus Gamer-Foren auszutauschen oder Carells "Landser-Romantik" zu kommentieren.

Hast Du keine weiteren Quellen für den Zeitraum August-September 1942 im Raum Stalingrad, die Aufschluss über das Geschehen geben, zumindest für die deutsche Seite?
 
Hallo Silesia,
ja, vielleicht hast Du recht. Der Wikipedia-Artikel Angriff auf Stalingrad ist schon recht detailliert. Andere Quellen habe ich nicht. Es sei denn, die jüngste Veröffentlichung Jochen Hellbeck - Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht würde über diese Episode evtl. näher berichten.
Von dt. Seite gibt es meines Wissens nur die Überlieferungen von Uffz. Hoffmann
Wilhelm Hoffman - Wikipedia, the free encyclopedia

Klar bei so dünner Sachlage kann man auch nicht mehr eruieren.
 
Russ Schulke ist so etwas wie ein amerikanischer Auftrags-Researcher, der gegen Honorar Nachforschungen anstellt aber das wäre mir die Sache dann doch nicht wert.

Jason Mark ist bekannt für seine Stalingrad-Bücher wie "Island of Fire". Auch er gilt als Fachmann der Stalingradschlacht.

Und wenn die beiden auch keine neuen Erkenntnisse über das Getreidesilo haben, dann sollte man das Thema vielleicht wirklich vergessen.
 
Bei Jason D. Mark gibt es einen sehr intensiven Augenzeugenbericht der 94. ID und den Ereignissen um den "Getreidesilo" bzw. das Nahrungs-Kombinat. Von der 94. gibt es auch eine Truppenhistorie, wie von den benachbarten Verbänden 295., 100., 29. mot., 71. etc.

Der sehr widerstandsfähig gebaute Silo war allerdings nur ein Ausschnitt der Ereignisse, relativ kurz vom 17. bis 22.9.1942, gemessen am Gesamtverlauf. Das ist allerdings durch die Schilderungen von russischer Seite (Tschuikov) sehr betont worden.

Der operative Ablauf ist bei Glantz, Stalingrad II, S. 151 bis 199 in verstreuten Berichte. geschildert.
 
Guten Morgen Silesia,
ja natürlich, der Kampf um das Getreidesilo war nur eine Episode in einer langen Reihen von Gefechten. Da sich die Intensität der Kämpfe immer weiter steigerte und ihren Höhepunkt im Stadtkern, auf dem Mamajew Kurgan oder später in den Industriekomplexen ihren Höhepunkt fand, kann es natürlich gut sein, dass das Getreidesilo schnell wieder in Vergessenheit geriet.

Aber dennoch hatte das weithin sichtbare Getreidesilo symbolischen Charakter für die Entschlossenheit der sowjetischen Verteidiger.
Und es war ja nur ein Zug Marineinfanteristen, der mehrere Divisionen (oder waren es tatsächlich nur mehrere Regimenter) über Tage in Schach hielt.

David Glantz "Armaggeddon" ist mir selbstverständlich bekannt. Er geht jedoch nicht detailliert auf den Grain Elevator ein.

Von den von Dir erwähnten Verbänden hatte aber nur noch die 29. ID (mot), Panzer der 14. PD und vielleicht noch die 71. ID ganz im Süden ihres Gefechtsabschnittes mit dem Getreidesilo zu tun. Die 295. ID war nördlicher eingesetzt, ihr Gefechtsabschnitt begann ca. auf der Linie Platz d. 9. Januars bis zur Wolga. Die 100. Jäger-Division, welche die 295. ID im Kampf um den Mamajew Kurgan ablöste, war noch weiter nördlich eingesetzt.

Kannst Du mir bitte sagen, aus welchem Buch von Jason Mark Du den Augenzeugenbericht der 94. ID hast?

Gruss,
Bernd

PS: J.Mark "Island of Fire" soll sehr gut sein, ist leider nur direkt bei Leaping Horseman oder bei Amazon für einen stolzen Preis erhältlich.
 
David Glantz schreibt auf S. 164 im Kapitel The Battle for Central and Southern Stalingrad (Armaggeddon):
18. September 1941: Naval Infantryman 3rd Btl./92nd Rifle Brigade Tarasov ….„Enemy tanks and infantry, approximately ten times our numbers, soon launched an attack from south and west. After the first attack was beaten back, a second began, then a third, while a reconnaissance „pilot“ [forward observer] plane circled over us. It corrected the fire and reported our position. In all, ten attacks werde beaten off on September 18
In the elevator, the grain was onfire, the water [coolant] on the machine guns evaporated, the wounded were thirsty, but there was no water nearby….during the night oft he 20th…we set off…“
During this savage fighting, 94th Infantry Division requested support from 24th Panzer Division’s attached 88mm antiaircraft guns to pummel Soviet troops defending the irritating Grain Elevator. Although 24th Panzer provided this fire support, ist artillery observer noted, „It did not have much of an effect.“
Als Quellen erwähnt Glantz Tschuikow (Stalingrad - Die Jahrhundertschlacht) und Mark (Death of a Leaping Horseman, dieses Buch handelt von der 24. PD).
Übrigens es war tatsächlich Lenskis 24. PD (gemischte Kampfgruppe aus Panzern und Grenadieren von Edelsheim oder Hellermann?), nicht die 14. PD.
Aber die Ereignisse im Getreidesilo bleiben eine Black Box, ein Gap in der Geschichtsschreibung und damit muss ich mich wohl oder übel abfinden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Glantz erwähnt den Bericht in der Fußnote auf S. 151.

Mir ging es darum, auf den "Mythos Stalingrad" aufmerksam zu machen, der für beide Seiten entstanden ist. Wenn Du oben Deine Schilderungen durchliest, kommt der sinnbildlich zum Ausdruck. Diese Kämpfe, und die geschilderte "Härte" in den gebräuchlichen Superlativen unterscheiden sich nicht von denen in anderen Städten oder auch anderen Ereignissen des Weltkriegs. Das Leiden der Zivilbevölkerung und der eingesetzten einfachen Soldaten ist immer anzutreffen, ob man Stalingrad, Caen, Berlin, Budapest, den Wolchow, "Mercedes-Stern", Demjansk oder Charkow erwähnt. Stalingrad ist in dem Sinne populärer, ein Erinnerungsort und stellvertretend für das allgegenwärtige Grauen des großen Restes.

Der Getreidesilo war ein Brennpunkt, wie Tausende andere, für ein paar Tage im Gesamtkomplex des Nahrungsmittel-Kombinates vom Stalingrad, wie Traktorenfabrik, "Tennisschläger" usw. Tschuikow (Die Schlacht des Jahrhunderts) enthält "heroische" Schilderungen, die das Sterben ausschmücken. Zahlreiche solcher Geschichten sind im Gesamtwerk "Der Große Vaterländische Krieg" immer wieder anzutreffen.

Die Truppenhistorien hatte ich für das Gesamtbild erwähnt.
 
Absolute Zustimmung. Gelitten und gestorben wurde an so vielen Orten. Monte Cassino, Rschew, Guadalcanal, Charkow, Berlin, Hürtgenwald und die Reihe läßt sich beliebig oft fortsetzen.
Klar vom Elend der Zivilbevölkerung ganz zu schweigen, auch in Stalingrad waren die Zivilisten mitten drin im Kampfgebiet unter entsetzlichen Bedingungen, oft wie die "Ratten" in der Kanalisation. Möglicherweise sogar der Gewalt beider Seiten ausgesetzt.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Rote Armee auch eigene Zivilisten gefoltert oder misshandelt hat, waren sie der Meinung sie würden mit den Deuschen kollaborieren.

Was meinst Du mit Mercedez-Stern? Was soll das sein? Kenne ich zumindest nicht.
 
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Ich könnte mir vorstellen, dass die Rote Armee auch eigene Zivilisten gefoltert oder misshandelt hat, waren sie der Meinung sie würden mit den Deutschen kollaborieren.

Dafür, dass vertiefende Informationen zu Stalingrad geliefert werden sollten, eine "erklärungsbedürftige" These, weil bei der Vermutung von beidseitiger Gewalt, lediglich die RKKA als "Ausführender" benannt wird.

Kurze Erinnerung: Ende 1942 hatte die RKKA ca. 7 Mio Soldaten (Krivosheev: Soviet Casualties an Combat Losses, S. 96/97) verloren und wichtige Teile ihres Staatsgebietes waren durch die WM und in der Folge durch die Einsatzgruppen besetzt worden. Mit verheerenden Konsequenzen für die russische Bevölkerung und ihr tägliches Leben.

Folgt man Beevor (Stalingrad, "Verräter und Verbündete", S. 198 ff) dann ist bereits die undifferenzierte Identifizierung "der Roten Armee" mehr als problematisch. Vielmehr waren Täter und Opfer auf vielen Seiten zu erkennen.

Vor allem und zunächst waren es die Wehrmachtseinheiten, die als Täter und Besatzer für die problematische Lage der russischen Zivilbevölkerung in Erscheinung traten und für die unmenschlichen Bedingungen in Stalingrad sorgten. Verschärft durch die restriktive und inhumane Politik des NKWD, die Zivilisten frühzeitig an das östliche Ufer zu evakuieren.

Dann war es aber auch die zunehmend harte Linie der Stavka, die über den Befehl Nr. 270 besonders harte Strafen für das Desertieren und für Kollaboration in Kraft setzte. Die zudem als kollektiv Strafen auch die Familien betrafen.

In der Folge wurden durch NKWD-Einheiten ca. 13.500 Exekutionen von Anghörigen der RKKA durchgeführt (Beevor, S. 198). In diesem Sinne wurde die RKKA auch ein Opfer der NKWD-Einheiten. Und deswegen ist eine Päzisierung obiger Aussage nicht ganz unwesentlich.

Direkte Gewalt der WM und der RKKA, so Beevor (S. 210) war gegen die Zivilbevölkerung durchaus von beiden Seiten zu erkennen.

So schoss beispeilsweise die WM auf russische Kinder, die aus dem "oben" bereits erwähnten Getreidesilo Getreide zum Leben sammeln wollten.

Es gab aber auch einen ausdrücklichen Befehl durch Stalin, "dass jeder Zivilist zu töten sei, der deutschen Befehlen folge, selbst wenn die Betroffenen unter Zwang handelten." (s.o. 210). Dieser Befehl kam unmittelbar dadurch zustande, dass deutsche Einheiten Zivilisten als Schutzschild benutzt hatten.

Zu ergänzen wäre, dass, so Beevor, während der Kämpfe ca. 3000 Zivilisten hingerichtet worden so und weitere ca. 60.000 Zivilisten nach Deutschland als Zwangsarbeiter deportiert worden sind.

Stalingrad - Antony Beevor - Google Books

Für eine durchaus interessante Innenansicht der RKKA ist nach wie vor die Arbeit von Merridale zu empfehlen.

Iwans Krieg: Die Rote Armee 1939-1945 - Catherine Merridale - Google Books
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Thanepower,
ich musste erst einmal nachschauen, was RKKA bedeutet.
Рабоче-крестьянская Красная армия; РККА oder Raboche-Krest'yanskaya Krasnaya Armiya; RKKA

Repressalien der RKKA gegen die eigene Zivilbevölkerung gehören nicht zu meiner Materie, will heißen, dass ich mich in der Thematik nicht auskenne.

Im Nachhinein sind die Massenexekutionen, welche die NKWD an Deserteuren verübte, ja eine große Schwächung der eigenen Kampfkraft, also eigentlich im höchsten Maße kontraproduktiv. Abschreckung, Terror, Todesangst als Auslöser der eigenen Verteidigungsbereitschaft aber wehrfähige Männer der eigenen Seite zu eliminieren?
Vermutlich war die Situation der Sowjets Mitte September 1942 derart verzweifelt, chaotisch und bedrohlich, dass diese drakonischen Maßnahmen wirklich das letzte Mittel waren, um nicht einen Totalzusammenbruch am westlichen Wolgaufer zu riskieren.
Auch die 13. Gardeschützen-Division unter Rodimtzew, welche in der Nacht am 14./15. September 1942 am westlichen Wolgaufer landete, wurde quasi bewusst geopfert (ca. -70% Verlust), um eine Totaleinnahme durch die Deutschen, die schon fast am Fähranleger waren, zu verhindern. Die Taten der 13. GSD wurden später heroisiert, Dragans selbstmörderische Rückzugsgefechte vom Hauptbahnhof zu jenem schicksalshaften Eckhaus an der Komsonolskaya/Krasnopiterskaya, nur zwei Überlbende, die halb tot an das östliche Wolgaufer angeschwemmt wurden, etc.

Um die Motivation der Russen zu verstehen, ist Tschuikows pathetisches und epochale Monumentalwerk „Die Schlacht des Jahrhunderts“ (1975) meine Wahl. Er übertreibt maßlos, bei fast jedem sowjetischen Gegenangriff verloren die Deutschen gleich 2.000 Soldaten auf einen Schlag. Deshalb ist beim Wahrheitsgehalt dieses Buches Vorsicht angebracht.

Auch er schreibt das legendäre
Keinen Schritt zurück! Das muss jetzt unsere Hauptlosung sein.
Jede Stellung, jeder Meter sowjetischen Territoriums muss hartnäckig, bis zum letzten Blutstropfen verteidigt werden, es ist notwendig, sich an jeden Fußbreit sowjetischen Bodens zu klammern und ihn bis zum letzten zu halten. (S. 51)
Die 62. und die 64. Armee verdienen es, von mir erwähnt zu werden. In diesen Verbänden entstand und wuchs der Massenheroismus, das echte Massenheldentum der Verteidiger Stalingrads. (S. 70)
Die Kämpfe an der Wolga steigerten sich zu einem Furioso, dass es der Welt im Herbst 1942 den Atem verschlug. Alles hing davon ab, ob die sowjetischen Truppen Stalingrad halten könnten. (S. 79)
Über das Getreidesilo: Oberst Dubjanski (35. GSD): „Die Lage hat sich geändert. Zuerst waren wir im oberen Teil des Silos und die Deutschen im unteren. Dann haben wir sie unten hinausgeworfen. Dafür sind sie oben eingedrungen. Jetzt wird im oberen Teil gekämpft.“ In Stalingrad gab es Dutzende und Hunderte solcher hartnäckig verteidigter Objekte, in denen wochenlang mit wechselndem Erfolg um jeden Mauervorsprung, jeden Treppenabsatz gekämpft wurde. (S. 132)

In Erinnerung bleiben seine markigen Worte:
Der deutsche Soldat sollte fühlen, dass er sich vor dem Lauf russischer Waffen mit ihrem tödlichen Blei befand. (S. 101)
Wir werden Stalingrad halten oder dort sterben. (S. 104)
Die Amerikaner sagen: Zeit ist Geld; aber in Stalingrad war Zeit Blut. Verlorene Zeit kostete das Blut unserer Menschen. (S. 109)
Im Straßenkampf ist der Soldat oft sein eigener General. (S. 143)
Stalingrad sei die Hölle auf Erden, ein Verdun, ein rotes Verdun mit neuen Waffen. (S. 172)

Der Boden an der Wolga, auf den Straßen, der Stadt, in Gärten und Parks wurde schlüpfrig von Blut, und die Faschisten glitten darauf, wie auf einer schiefen Ebene, ihrem Untergang entgegen.

Es ist auch nicht anzunehmen, dass die RKKA auch nur im Geringsten auf die völlig verängstigten und desorientierten Zivilisten, die verstört und in Todesangst genau in der Schusslinie (bzw. die asymmetrische Kampflinie zwischen zwei Häuserblocks, Zimmern, Stockwerken und der Kanalisation) umherliefen, Rücksicht genommen hätten. Und trotzdem wurde Stalingrad die Heldenstadt nach dem Opfergang der 62. Armee und den unzähligen zivilen Opfern und milizartig bewaffneten Arbeitern der Traktorenfabrik, „Barricady“ oder Stahlwerk „Roter Oktober“. Da ging die grausame Gleichung „den faschistischen Feind im eigenen Blut zu ertränken anscheinend auf“.

Zur NKWD (also Narodny Kommissariat Wnutrennich Del - НКВД = Народный комиссариат внутренних дел) kann ich nur sagen, dass die „Grünmützen“ in Berichten oft als äußerst „fanatische Kämpfer“ dargestellt wurden. In Carrells (ja, ich weiß, ein Autor, der nicht genannt werden darf) Überlieferung „Op. Barbarossa“ – Kampf um Rostow-Straßenschlacht mit der NKWD (S. 438-442) – berichtet er, dass die NKWD in Rostow am Don der SS-Division „Wiking“ und der 125. ID im Juli 1942 bereits ein kleines aber dennoch außerordentlich erbittertes Stalingrad lieferte, mit einem Vorgeschmack auf die Härte der bevorstehenden Häuserkämpfe in anderen Städten der UdSSR.

Gruss,
Bernd
 
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