Verhältnis zwischen Margaret Thatcher und Helmut Schmidt(Außenpolitik)

Aufschlussreich für das Vertrauenskapital von Schmidt und für ihre Einschätzung des „Restes“ ist Thatchers sinngemäße Äußerung, „nur die Amerikaner und Schmidt“ würden aufstehen und für etwas fighten, wenn es die Lage erfordere.

Man sollte aber solche Einschätzungen und Herzeleien nicht überstrapazieren, oder besser: sie stets im Kontext interpretieren. NATO-Nachrüstung ist da zB eine andere Hausnummer als EU-Einigungsbestreben, Presse- und memoirenbasierte Schriften etwas anderes als Quellen der Auswärtigen Ämter (IfZ stellt in Kürze die Akteneditionen der BRD bis 1983 in den Open Access).

Apropos Vertrauen im (Geschäfts-)Leben: das ist der Grund, warum Verträge in der Praxis immer dicker werden.:D
 
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Vertrauen und gemeinsame Interessen sind durchaus wichtige Faktoren im politischen Leben. Aber man kann auch durch die Lage gezwungen werden, unangenehme Entscheidungen mit unangenehmen Partnern zu treffen. Das Verhalten zwischen Thatcher, Schmidt und Kohl lässt sich aber eher strukturell durch die politische Lage erklären, als dass Ideologische Gemeinsamkeiten oder Differenzen ausschlaggebend wären. Denn selbst die gleiche Ideologie schützt nicht vor unsympathie.
Thanepower hat übrigens mehr Fragen aufgeworfen als Lösungen vorgeschlagen - aus meiner Sicht
 
Glaub ich nicht. Da von meinem Politikverständnis aus keine emotionale Beziehung zwischen den Partnern vorherrscht.
Aus meinem Verständnis her entstehen politische Entscheidungen strukturell.

Ein gutes Gegenbeispiel ist die Studie von Brechtken, der die Nähe der Denkstile und die damit zusammenhängenden politischen Netzwerke der anglo-amerikanischen Seite vor dem WW1 heranzieht, um den Eintritt der USA auf der Seite von GB und F zu illustrieren. Da hilft kein "Glaube".

Thanepower hat übrigens mehr Fragen aufgeworfen als Lösungen vorgeschlagen - aus meiner Sicht

Mein Beitrag - und die von hatl - zeichnen sich jedoch im Gegensatz dazu durch eine Nähe zur jeweiligen biographischen Literatur aus, wie zu Schmidt und Thatcher.

Im Gegensatz dazu verweist zwar der normative Bezug auf Weber auf einen frühen Vorläufer des "realistischen" Paradigmas der Außenpolitik, aber eben nur auf einen von mehreren und man hätte genausogut normative Denker wie Thukydides, Machiavelli, Hobbes etc. anführen können (vgl. z.B. Jacobs, S. 40) Dennoch spielt Weber als Theoretiker der Außenpolitik fast keine Rolle in den meisten rivalisierenden Theorien der Außenpolitik.

Dass es - so ganz nebenbei - eine enge Beziehung von "Struktur" und "Agent" und somit auch zu den jeweiligen Ideologien in der Literatur zu IR gibt, ist offensichtlich nicht bekannt. Anders ist wohl der Nichtverweis auf Wendt nicht zu verstehen. Was unverständlich ist, wenn der Versuch gemacht wird, Außenpolitik theoretisch zu erklären.

Ansonsten sollte dieser Aussage bzw kritischen Stellungnahme gegenüber meinem Beitrag wenigstens eine "kleine Sammlug" an Beispielen folgen, um der nebulösen Vermutung ein wenig Substanz zu geben. Fehlende Lösungen liefere ich gerne nach.

Darüberhinaus bin ich schon ganz gespannt wie folgendes Problem literaturgestützt gelöst wird, damit nicht so viele Fragen offen bleiben, wie bei meinen Beiträgen.

Das Verhalten zwischen Thatcher, Schmidt und Kohl lässt sich aber eher strukturell durch die politische Lage erklären, als dass Ideologische Gemeinsamkeiten oder Differenzen ausschlaggebend wären. Sicht

Die Veränderungen in GB seit den Studien aus den sechziger Jahren von Blondel oder von Butler und Stokes sind ja anhand weiterer Studien relativ gut dokumentiert. Ähnliches gilt entsprechend hinsichtlich der Studienlage zur Veränderungen im Parteienspekturm und dem Wählerverhalten für die BRD, wie beispielsweise bei Pappi, Klingemann etc. dargestellt.

Brechtken, Magnus (2006): Scharnierzeit 1895 - 1907. Persönlichkeitsnetze und internationale Politik in den deutsch-britisch-amerikanischen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg. Mainz: von Zabern
Jacobs, Andreas (2003): Realismus. In: Siegfried Schieder und Manuela Spindler (Hg.): Theorien der internationalen Beziehungen. Opladen: Leske + Budrich [u.a.], S. 39–63.
Wendt, Alexander (1999): Social theory of international politics. Cambridge UK, New York: Cambridge University Press
 
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Wenn das Handeln von Akteuren in den Internationalen Beziehungen erklärt werden möchte, eignet sich Max Weber schon. (Vgl. Schimmelfennig, S. 51-59) Und dies ist auch durchaus theoretisch erfasst in der normativ-kulturellen Anwendung des demokratischen Friedens. Hier bestimmen die Strukturen den Möglichkeitsraum sozialen Handelns (Schimmelfennig S. 57). Max Weber wird herangezogen, weil die Kombination von struktureller und handlungstheoretischer Analyse eine Erklärung dafür erbringt, warum Akteure „so“ handeln. Und in Wendts Darstellung wird Macht auch eher materialistisch als strukturell verstanden (Nabers, S. 92).

Bluth, Christoph: Die deutsch-britischen Sicherheitsbeziehungen 1953-1990, in: Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.): Die ungleichen Partner. Deutsch-Britische Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1999, S.242-257.

Nabers, Dirk: Macht, Führung, Identität und Hegemonie, in: Sebastian Harnisch/ Joachim Schild (Hrsg.): Deutsche Außenpolitik und internationale Führung. Ressource, Praktiken und Politiken in einer veränderten Europäischen Union, Baden-Baden 2014, S. 92-120.

Paterson, William E.: Großbritannien und Deutschlands Führungsrolle, in: Sebastian Harnisch/ Joachim Schild (Hrsg.): Deutsche Außenpolitik und internationale Führung. Ressource, Praktiken und Politiken in einer veränderten Europäischen Union, Baden-Baden 2014, S. 199-222.

Paterson, William E.: Großbritannien, Europa und das deutsch-britische Verständnis, in: Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.): Die ungleichen Partner. Deutsch-Britische Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1999, S.257-277.

Schmimmelfennig, Frank: Internationale Politik, Paderborn 2015.

Ansonsten war er politischer Realist und in seiner Rolle als Bundeskanzler verpflichtet, die Interessen der Bundesrepublik (was immer das sein soll) wahr zu nehmen. So wie Thatcher die Interessen von GB (wer immer diese definier) wahrnahm.
Wieso wirfst du in den Klammern die Fragen auf und löst sie nicht auf, wenn schon deine Beiträge meist so etwas wie eine Diskussionsgrundlage darstellen. Wenn du diese Interessen näher interpretierst kann der Leser mehr deinen Gedankengang verstehen. Wenn er die Interessenlage beider Akteure vor Augen hat, dann können auch andere Leser dieses Forums sich ein Urteil bilden.

Das Verhältnis zu Thatcher ist jedoch auch in den jeweiligen Zeitkontext einzubetten und, wie Wiegrefe es für das Verhältnis zu den USA beschreibt, ergaben sich vielfältige Irritationen, die nicht einfach nur nach dem "Links-Rechts"-Muster organisiert waren. Für einen Mann wie Schmidt ohnehin nicht. Es stand der Europäer - zusammen mit den Franzosen etc.- gegen die isolationistische Britin.

Ist denn sonst alles "Links-REchts" organisiert und gibt es ein international einheitliches "Links und Rechts"? Und inwiefern war Thatcher eine "Isolationalistin"? Spricht es nicht gegen Isolationalismus, wenn man die internationale Zusammenarbeit mit der NATO verstärkt und dabei auch auf Deutschland zugeht?

Thatcher hatte die britische Gesellschaft an den "Rande eines Bürgerkriegs" geführt.
Inwiefern führte Thatcher Großbritannien an den Rand eines Bürgerkrieges?

Thatcher und Reagan haben aus egoistischen Interessen, um vor allem die Klientel der Reichen und Superreichen zu bedienenen, der "Kernschmelze" der Sozialstaaten eingeleitet und die Umverteilung von "Unten" nach "Oben" begünstigt. Mit dem Effekt, dass die Verteilung von Reichtum in diesen Ländern zunehmend ungleich wird und vor allem die die Mittelschicht davon negativ betroffen ist.
Dass die Mittelschicht kleiner wird, die Reichen reicher ist nicht nur in neoliberalen Gesellschaften vorhanden. Den beiden den Niedergang von Sozialstaaten anzukreiden ist zwar in manchen Teilen gerechtfertigt, allerdings werden den beiden quasi allmächtige Möglichkeiten eingeräumt und Institutionen wie Parlament, Senat und Kongress ignoriert. "Trickle-Down" z.B. wurde 1932 von Hoover eingeführt. (Vgl. Adams, Willi P.: Die USA im 20. Jahrhundert, Oldenbourg 2012, S.60.)

Was diese ja auch als reale oder antizipierte Deprivation erlebt und teilweise bereits heute entsprechende radikale politische Antworten an der Wahlurne gibt. In diesem Sinne ist - verkürzt - die neoliberale Restrukturierung die Ursache für diese Angst vor dem sozialen Abstieg. Dass dann diejenigen, die dieses "Angst-Syndrom" zeigen, ausgerechnet sich zu Parteien hingezogen fühlen, deren politische - extrem neo-liberale und extrem nationalistische - Programmatik diesen Prozess eher beschleunigen, kann man wohl als Beleg irrationaler politischer Orientierungen interpretieren.
Inwiefern trägt dies zum Verhältnis von Thatcher, Schmidt und Kohl bei? Auch im Sozialstaat sind Populisten möglich.
 
Wieso wirfst du in den Klammern die Fragen auf und löst sie nicht auf,

Weil es ein Nebenstrang für die Diskussion ist und keine Rolle gespielt hat.

Das Verhalten zwischen Thatcher, Schmidt und Kohl lässt sich aber eher strukturell durch die politische Lage erklären, als dass Ideologische Gemeinsamkeiten oder Differenzen ausschlaggebend wären.

Geschickt abgelenkt. Sind die ganzen Fragen an mich der Versuch, einer eigenen Beantwortung aus dem Weg zu gehen?

Ansonsten, meine Antwort kommt.

Tipp: Würde Schimmelpfennig hinsichtlich M. Weber doch noch mal in Ruhe lesen!
 
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Aufschlussreich für das Vertrauenskapital von Schmidt und für ihre Einschätzung des „Restes“ ist Thatchers sinngemäße Äußerung, „nur die Amerikaner und Schmidt“ würden aufstehen und für etwas fighten, wenn es die Lage erfordere.

Man sollte aber solche Einschätzungen und Herzeleien nicht überstrapazieren, oder besser: sie stets im Kontext interpretieren. NATO-Nachrüstung ist da zB eine andere Hausnummer als EU-Einigungsbestreben, Presse- und memoirenbasierte Schriften etwas anderes als Quellen der Auswärtigen Ämter (IfZ stellt in Kürze die Akteneditionen der BRD bis 1983 in den Open Access).

Apropos Vertrauen im (Geschäfts-)Leben: das ist der Grund, warum Verträge in der Praxis immer dicker werden.:D

Zum letzten Punkt ließe sich eine recht kurzweilige Diskussion führen..:D:D


..ich nehm das eigentliche Thema derzeit zum Anlass den lange schlummernden Wälzer von MT nochmal zu lesen.
Was den Nato-Doppelbeschluss angeht lässt sich Thatcher hierzu ab S.239 unter der Überschrift „INTERMEDIATE-RANGE NUCLEAR WEAPONS (INF)“ aus.
Diese stark verkürzten, um es milde zu umschreiben, Einlassungen beschwören eine postulierte militärische und technologische Überlegenheit des Warschauer Paktes in wahrhaft grellen Mustern.
„NATO knew that the Warzaw Pact forces would never held for more than a short time..“
(das geht teilweise bis ins wirklich groteske) Die vorhandenen nuklearen Streitkräfte in Europa seien „vulnerable to a Soviet first strike“. Diese Situation habe sich im fraglichen Zeitraum durch die Installation von sovietischen Mittelstrecken ergeben. (Das ist schlicht irreführend, denn diese wurden ja modernisiert)
Und weil die SU nun (mittlerweile) eine weitgehende Ebenbürtigkeit „broad parity“ erreicht hatte, „there where many in Europe who suggested that the United States would not risk their own cities in defence of Europe“. (Das ist sozusagen das Lied seit dem Erscheinen der ICBM, über das wir schon diskutiert haben)
Indes „with Britain and Germany remaining solid the West's strategy could be accounted a success“. Jedoch habe der mit ihr übereinstimmende Schmidt bereits selbst mit internem Widerspruch zu kämpfen gehabt, und dieser sei wesentlich auf die Wirkung sovietischer Propaganda zurückzuführen gewesen.
Ja, der Gegner habe schon vorher in geradezu brillanter Weise „popular feelings against the neutron bomb“ bewirkt. (S.241) Und wenn das sich schon ein wenig seltsam anhört, so ist die Kalte Kriegerin durchaus noch steigerungsfähig:

Auf S. 247 fürchtet sie 1981 gar, die nukleare Abschreckung könnte durch die SU auch mithilfe von Laser-Waffen ausgehebelt werden „.. my unease about implications for the strategic deterrent of Soviet developments in anti-ballistic missile defence, including particle beams and laser weapons....
Eine mögliche Gefahr, die sie schon seit Jahren alarmiert habe.
Das ist ja schon mindestens ein bisserl spinnert, wenn man es flapsig formulieren will.
(Realitätsfern wollte ich sagen:))

Jedenfalls mit Reagan ging alles leichter und insbesondere auch die Umsetzung des Nato-Doppelbeschlusses.
Und letzteres auch für den Initiator Schmidt, der, wenn ich es recht verstehe, ebenso wie Thatcher den vorherigen US-Partner Carter als eher schwierig beschrieb.
 
Die spannende Frage ist hier, was Thatchers (&Co) Akten dazu hergeben.

Eigene und „authorisierte“ Biographien dienen wohl eher dem eigenen Bild beim geneigten Publikum, als der Bildung des Publikums.
 
Die spannende Frage ist hier, was Thatchers (&Co) Akten dazu hergeben.

Eigene und „authorisierte“ Biographien dienen wohl eher dem eigenen Bild beim geneigten Publikum, als der Bildung des Publikums.
Auf jeden Fall. :D
Vor dem Hintergrund muss man das sehen.
Dennoch kann man vor diesem das Bild gewinnbringend betrachten, eben weil es nicht unabhängig gemalt wurde, sondern den Geist der Zeit spiegelt. Wenn auch verzerrt.
 
Aufschlussreich für das Vertrauenskapital von Schmidt und für ihre Einschätzung des „Restes“ ist Thatchers sinngemäße Äußerung, „nur die Amerikaner und Schmidt“ würden aufstehen und für etwas fighten, wenn es die Lage erfordere.
Wissen wir denn auch ungefähr, was Schmidt von Thatcher dachte? Beim blutigsten innenpolitischen fight Thatchers, dem Bergabeiterstreik 1984/85 war Schmidt schon nicht mehr im Amt; eine Meinung dazu dürfte er trotzdem gehabt haben.
Ich weiß nicht, wie Schmidt sich beim außenpolitischen fight der eisernen Lady um die Falklands verhalten hat. Ich schätze neutral und abwartend, versuchend sich herauszuhalten, bestenfalls die Vermittlungsversuche der USA passiv unterstützend.
 
Vertrauen und gemeinsame Interessen sind durchaus wichtige Faktoren im politischen Leben. Aber man kann auch durch die Lage gezwungen werden, unangenehme Entscheidungen mit unangenehmen Partnern zu treffen. Das Verhalten zwischen Thatcher, Schmidt und Kohl lässt sich aber eher strukturell durch die politische Lage erklären, als dass Ideologische Gemeinsamkeiten oder Differenzen ausschlaggebend wären. Denn selbst die gleiche Ideologie schützt nicht vor unsympathie.
Thanepower hat übrigens mehr Fragen aufgeworfen als Lösungen vorgeschlagen - aus meiner Sicht

Ich dachte , die wären eher von den persönlichen Eigenschaften zum Teilen sehr ähnlich und sie schätzte ja Schmidt wegen den Eigenschaften(Weisheit, Aufrichtigkeit etc.)
 
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