Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg 1904 - 1908 in Namibia und sei

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Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg 1904 - 1908 in Namibia

Kurzbeschreibung
Am 12. Januar 2004 jährt sich zum hundertsten Mal der Ausbruch des Krieges zwischen dem Deutschen Reich und den Herero und Nama im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg, einer der blutigsten seiner Zeit, veränderte die politischen und ökonomischen Machtverhältnisse in der Kolonie grundlegend: Die besiegten Afrikaner verloren nicht nur ihr Land und ihren Viehbesitz, sondern wurden fortan auch einem rigiden Kontrollsystem unterworfen, das sie zu einer Schicht willfähriger Arbeiter für die koloniale Wirtschaft machen sollte. Während auf deutscher Seite fast 1700 Menschen den Tod fanden, fielen dem Genozid auf afrikanischer Seite Zehntausende zum Opfer: In den landesweit eingerichteten Konzentrationslagern kam nahezu jeder zweite afrikanische Gefangene um. International renommierte Autorinnen und Autoren beleuchten in dem Sammelband Ursachen, Verlauf und Folgen dieses Kolonialkrieges. Dabei findet die historische Perspektive der Deutschen wie der Afrikaner gleichermaßen Berü cksichtigung. Der antikoloniale Widerstand sowie die Bemühungen der Herero und Nama, ihre Gesellschaft in der Nachkriegszeit wieder aufzubauen, werden eingehend dokumentiert. In einem eigenen Kapitel zur Erinnerungskultur geht es darum, wie der Kolonialkrieg in afrikanischen und deutschen Denkmälern und Gedenkritualen behandelt wird. Im kollektiven Bewußtsein der Deutschen ist dieser erste deutsche Völkermord weitgehend in Vergessenheit geraten, in Namibia dagegen stellt er bis heute ein nationales Trauma dar und wird seinen Niederschlag noch in internationalen Entschädigungsprozessen finden.

Jürgen Zimmerer, Joachim Zeller • Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg 1904 - 1908 in Namibia und seine Folgen • Links, Berlin • 2003 • 300 Seiten


Neue Zürcher Zeitung, 21.1.04
Wer diesen ausgewogenen und sorgfältig erarbeiteten Band liest, wird verstehen, warum Geschichte auch nach hundert Jahren noch schmerzen kann. Kersten Knipp

Rezension der NZZ
Das historische Buch Mit Strömen von Blut Ein Sammelband zum deutschen Kolonialkrieg in Namibia Fünfzigtausend Tote: Erschossene, Verdurstete. Ein Krieg, den knapp zwei Drittel der aufständischen Hereros nicht überlebten. – War der vor hundert Jahren geführte Krieg deutscher Soldaten in Südwestafrika ein Genozid? Die Herausgeber und Autoren des Bandes «Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904 bis 1908) in Namibia und seine Folgen» sehen es so. Es habe sich, so Jürgen Zimmerer, um einen «Massenmord an Männern, Frauen und Kindern, Kriegern und Nicht-Kriegern, Alten und Jungen» gehandelt; um einen Massenmord, «den auch die militärischen Verantwortlichen in Berlin (...) als völlig normal empfanden und den keiner zu vertuschen suchte». Die Äusserungen der deutschen Militärs belegen diese Einschätzung. Nicht anders als «mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit» sei den Aufständischen beizukommen, befand der Oberbefehlshaber der deutschen Truppen, Lothar von Trotha; «mit Strömen von Blut» werde man «die aufständischen Stämme» vernichten. Rassistische Vernichtungspolitik Durchaus, so die Herausgeber weiter, lasse sich der Feldzug gegen die Hereros auch als Vorspiel der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik deuten. Denn der Massenmord fand erst statt, als der eigentliche Aufstand der gegen ihre fortschreitende Vertreibung aufbegehrenden Hereros längst niedergeschlagen war. Nach der entscheidenden Schlacht im August 1904 trieben die deutschen Truppen die Hereros in die Omaheke, ein trockenes Sandgebiet, um sie dort verdursten zu lassen. Die Wüste, so ein Zeitzeuge, sollte fortsetzen, «was die deutschen Waffen begonnen hatten: die Vernichtung des Hererovolkes». Und wer diesem Massensterben entkam, auf den warteten die zahlreichen im Land errichteten Konzentrationslager, in denen menschenverachtende Lebensumstände nochmals Tausende zu Tode brachten. Kaum weniger schockierend als die Verbrechen selbst sind die kolonialistischen und rassistischen Stereotypen, mit denen die Deutschen ihre Taten vorbereiteten, legitimierten und verherrlichten. «Eingeborene sind sämtliche Blutsangehörige eines Naturvolkes», urteilte etwa das Bezirksgericht Windhoek 1907, weshalb es Ehen zwischen Kolonisten und Einheimischen mit der Begründung verbot, «dass der mit einer Angehörigen einer tieferstehenden Rasse dauernd zusammenlebende Weisse nicht Letztere zu sich emporzieht, sondern von ihr herabgezogen wird; er ‹verkaffert›, wie man hier sagt». Und wie mit den Angehörigen dieses «Naturvolks» im Kriegsfall umzugehen sei, auch daran konnten keine Zweifel bestehen: Man müsse «aufräumen, aufhängen, niederknallen bis auf den letzten Mann, kein Pardon» geben, empfahl etwa ein deutscher Missionar – ungeachtet der Bedenken eigener Art, die die hohe Opferzahl gelegentlich hervorrief: «Wirtschaftlich bedeutet der Tod so vieler Menschen allerdings einen Verlust», urteilte das Gouvernement Windhoek in einem Schreiben an die Berliner Kolonialabteilung. Vergangenheit, die nicht vergeht Doch der Band beschäftigt sich nicht nur mit der eigentlichen Kriegszeit. Er zieht ebenso eine Linie bis in die Gegenwart, zeigt auf, wie sich die Erinnerung an den Krieg gehalten und zugleich gewandelt hat. Deutlich wird das etwa an den von den Besatzern errichteten Denk- und Ehrenmälern: das des stolzen germanischen Reiters in Windhoek etwa – Abgesandter jenes deutschen Reichsadlers, der Tausende Kilometer weiter nördlich, in Dresden, auf einem Globus thront und den Herrschaftswillen des Deutschen Reichs unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Während derartige Monumente in Deutschland, wie etwa das Kolonialdenkmal in Bremen, offiziell zu Mahnmalen umgewandelt wurden, vollzog sich solcher Wandel in Namibia ohne amtliche Nachhilfe. Nach der Unabhängigkeit 1990 verzichtete die namibische Regierung darauf, die entsprechenden Monumente abzureissen: Längst hatte die Zeit deren ursprüngliche Aussagen in ihr Gegenteil verkehrt, hatte sie – auch in den Augen des grössten Teils der deutschstämmigen Bevölkerung – die Ehren- längst zu Schandmälern werden lassen. Der Krieg ist noch nicht Geschichte geworden: Im September 2001 reichten Vertreter der Hereros eine Sammelklage gegen zwei damals in den Krieg verwickelte deutsche Unternehmen ein, zwei Jahre später folgte eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs. Zwar erkannte Bundesaussenminister Fischer 2001 die deutsche Schuld und die daraus erwachsende Verantwortung an. Doch noch im Oktober vergangenen Jahres lehnte er eine «entschädigungsrelevante Entschuldigung» ausdrücklich ab. Entsprechend ungehalten zeigt sich bisweilen die namibische Seite, entsprechend heikel ist das deutsch-namibische Verhältnis bis heute. – Wer diesen ausgewogenen und sorgfältig erarbeiteten Band liest, wird verstehen, warum Geschichte auch nach hundert Jahren noch schmerzen kann.
 

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