Wallfahrtsort, ein Jahrtausende altes Kontinuum?

Stimmt - die Erstbesiedlung oder die Besiedlung in größerem Stil der Berge geschah wahrscheinlich zur Zeit der Römer.

Nein, Kelten und Räter (bitte das Rätische nicht mit dem Rätoromanischen verwechseln) lebten schon vorher dort.

Ob das Ladinische keine Spuren der keltischen Sprache enthält, wage ich zu bezweifeln

Das hat Sepiola auch nicht geschrieben. Dass das Alpenkeltische und Rätische ausgestorben sind und dass das Ladinische möglicherweise ein Keltisches Substrat aufweist sind zwei Paar Schuh!

Da waren noch keltische Kulte lebendig und die keltische Sprache hätte es nicht mehr gegeben?
Hier verwechselst du etwas, nämlich Sprache und Kult. Es ist nicht erforderlich, dass die Angehörigen einer Religion sich einer Sprache bedienen bzw. sich ihrer im Alltag bedienen. Der Kult macht also den Sprachwandel mit (Bsp. Christentum) oder aber die Kultsprache erhält sich als im Grunde tote rituelle Sprache (Judentum seit der babylonischen Gefangenschaft bis zur Reaktivierung des Neuhebräischen im Rahmen des Zionismus) oder aber eine Sprache wird aus rituellen Gründen gebraucht aber von einem Großteil der Religionsangehörigen gar nicht verstanden (Christentum und Latein, Islam und Arabisch).
 
Und wenn sich Sprachinseln einer alten Sprache bis ins heutige Zeit erhalten haben

Die Alpen waren in vorrömischer Zeit besiedelt, da gab es mehrere vorrömische Sprachen.

Von diesen ist keine einzige Sprachinsel übriggeblieben. Die Alpen wurden komplett romanisiert.

Dann kamen die Slawen und die Germanen. Die haben das Romanische in die südlichen und westlichen Regionen zurückgedrängt.

In Kärnten gab es besonders viele Sprachwechsel: Das Keltische wurde vom Latein verdrängt, das Latein vom Slawischen, das Slawische vom Deutschen (zumindest großteils, eine slowenische Minderheit gibt es bis heute).
 
In Kärnten gab es besonders viele Sprachwechsel: Das Keltische wurde vom Latein verdrängt, das Latein vom Slawischen, das Slawische vom Deutschen (zumindest großteils, eine slowenische Minderheit gibt es bis heute).

Sicher, dass das Lateinische/Romanische in Kärnten vom Slawischen verdrängt wurde? Wurde dieses nicht erst vom Deutschen, dieses dann vom Slawischen und dieses dann wiederum erneut vom Deutschen verdrängt?

Ich bin da an dieser Stelle nicht ganz so firm.
 
Sepiola: Die Alpen wurden komplett romanisiert.

Vermute. daß einige Zentren romanisiert wurden, nicht der gesamte Alpenraum.
 
Sicher, dass das Lateinische/Romanische in Kärnten vom Slawischen verdrängt wurde? Wurde dieses nicht erst vom Deutschen, dieses dann vom Slawischen und dieses dann wiederum erneut vom Deutschen verdrängt?

Du meinst die Zeiten der gotischen und fränkischen Herrschaft? Die hat m. W. zu keiner "Eindeutschung" der Bevölkerung geführt.

Erst die bajuwarische und slawische Besiedlung verdrängte ab dem 6. Jahrundert das Romanentum. Die Bajuwaren kamen von Norden (über den Seefelder Sattel nach Nordtirol), die Slawen von Osten (Kärnten und Osttirol).
Die slawische Westgrenze war 769 bei Anras in Osttirol ("usque ad terminos Sclauorum, id est ad rivolum montis Anarasi").



EDIT
Hab noch was gefunden:

Das südwestliche Gebiet der Ostalpen kam in der Völkerwanderungszeit wiederholt unter germanische Herrschaft, so beherrschten die Langobarden weite Teile Italiens, woran heute noch viele Namen erinnern, u.a. die Landschaftsbezeichnung Lombardei. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Ostgoten und Langobarden auch in Kärnten siedelten, aber es wird sich dabei nicht um eine planmäßige Besiedlung gehandelt haben, sondern eher um militärische Vorposten. Die erste planmäßige Besiedlung Kärntens erfolgte (seit dem 9. Jhdt.) durch die Baiern unter fränkischer Oberhoheit in einem Land, in dem seit dem ausgehenden 6. Jhdt. bereits Slawen ansässig waren. Die bairischen Siedler ließen sich vornehmlich in Gegenden nieder, die noch nicht besiedelt waren, was zu einer bairisch-slawischen Mischbevölkerung im Mittelalter geführt hat. Die bereits anwesenden Alpenslawen wurden also nicht verdrängt, sondern sind nach und nach in der bairischen Bevölkerung aufgegangen.
http://wwwg.uni-klu.ac.at/spw/oenf/name1.htm
 
Zuletzt bearbeitet:
Vermute. daß einige Zentren romanisiert wurden, nicht der gesamte Alpenraum.

Soweit der Alpenraum besiedelt war, war er auch romanisiert. Das belegen die vielen Orts- und Flurnamen, die auf lateinische oder romanisierte Formen zurückgehen - z. T. bis zu den hochgelegenen Almen.

Belege für Gegenden mit einer nicht-romanisierten Bevölkerung sind mir nicht bekannt.
 
Ich lag dann zeitlich etwas zu spät... ich hab an Außeinandersetzungen zwischen Arnulf von Kärnten und Zwentibold gegen Ende der ostfränkischen Karolinger gedacht.
 
Dass das Alpenkeltische und Rätische ausgestorben sind und dass das Ladinische möglicherweise ein Keltisches Substrat aufweist sind zwei Paar Schuh!
Klar. Was ich sagen wollte: Ladiner haben vermutlich mehr „Altes“ bewahrt, weil sie aufgrund der schwer zugänglichen Gebietes, in dem sie siedelten und siedeln, fremden Einflüssen weniger ausgesetzt waren als z.B. die Bewohner der leichter erreichbaren Poebene. Natürlich blieben auch sie nicht unbeeindruckt von diesen Einflüssen – die oben erwähnten Untersuchungen des Roland Bauers zeigen das ganz deutlich: Die weiter nördlich siedelten Ladiner haben mehr von ihren deutschsprachigen Nachbarn übernommen, und die im Süden mehr von den italienischsprachigen.


Es ist nicht erforderlich, dass die Angehörigen einer Religion sich einer Sprache bedienen bzw. sich ihrer im Alltag bedienen. Der Kult macht also den Sprachwandel mit …
Schon klar. Nur ist anzunehmen, dass die Kelten, die ja vor den Römern die Alpen – und den Raum rundherum – besiedelten, auch nach der Ankunft der Römer weiter ihre Sprache benutzten und ihren Göttern huldigten, weil die Römer zumindest in Kultdingen bis zum Auftreten des Christentums sehr tolerant waren. Dass 400 Jahre nach der Gründung Aquileias durch die Römer die keltischen Gottheiten dort noch vorherrschend sind, ist daher kein Zufall. Ebenso dürfte kein Zufall sein, dass Oberitalien, d.h. dort wo einst Kelten siedelten, einem sprachlichen Fleckerlteppich gleicht: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ae/Linguistic_map_of_Italy.png


In Kärnten gab es besonders viele Sprachwechsel: Das Keltische wurde vom Latein verdrängt, das Latein vom Slawischen, das Slawische vom Deutschen (zumindest großteils, eine slowenische Minderheit gibt es bis heute).
Zu den Slawen in Kärnten schreibt Stefan Eichert in „Frühmittelalterliche Strukturen im Ostalpenraum“ (Verlag des Geschichtsvereins für Kärnten, 2012) – Zitat:

Bis weit in das 6. Jahrhundert hinein kann man im Arbeitsgebiet [Kärnten] von einem Fortbestehen der römischen bzw. romanisch geprägten Verwaltung über Binnennorikum ausgehen. Damals besteht eine gut ausgebaute Kirchenstruktur mit zahlreichen frühchristlichen Gotteshäusern. In Auguntum (Osttirol), Teurnia und Virunum sind zudem auch spätantike Bischofssitze überliefert. Gleichermaßen finden sich sehr viele, meist befestigte Höhensiedlungen dieser Zeit.
[…]
In der aktuellen Forschung geht man nun eher davon aus, dass im 6. Jahrhundert die römisch geprägte Organisation mit staatlicher, militärischer, kirchlicher und wirtschaftlicher Verwaltung ohne slawische Einwirkung ihr Ende fand. So gibt es in den spätantiken Anlagen kaum stichhaltige Hinweise auf eine Zerstörung durch slawische Verbände. Des Weiteren belegen Kleinfunde, dass noch bis ins späte 6. Jahrhundert hinein eine romanische Elite, vermutlich in kleiner Zahl, im Land ansässig war.
[…]
Ein plausibles Modell erklärt diesen Umstand dadurch, dass slawische Bevölkerungsteile im späten 6. und frühen 7. Jahrhundert als vermutlich militärisch geführte Gruppe ins Land kommen und sich an die Stelle der zuvor abgekommenen romanischen Elite setzen und/oder mit diesen verschmelzen. Machtpolitisch müssen sie ein bedeutender Faktor gewesen sein und so passten sich die „Alteingesessenen“ in sprachlicher und politischer Ansicht der neuen Eliten an, so dass das ehemalige Noricum Mediterraneum nun nach außen hin „slawisch“ wirkte.
Dieses Modell wird auch durch die Namensforschung gestützt. So formulierte Eberhard Kranzmayer bereits 1956 die These von einer friedlichen Durchmischung slawischer Einwanderer mit autochthoner Bevölkerung, die er anhand übernommenen vorslawischen Orts-, Fluss-, Berg- und Gegendnamen feststellen konnte.


Später kamen noch Bayern hinzu. Dazu schreibt Stefan Eichert weiter – Zitat:

In den vierziger Jahren des 8. Jahrhunderts sind Kampfhandlungen in Karantanien überleifert. Hierzu wird berichtet, dass Awaren Karantanien bedrängten. Der Karantanenfürst Boruth wendet sich deshalb an den Bayernherzog Odilo um Hilfe. Dieser interveniert erfolgreich militärisch und bindet die Karantanen in einer gewissen Abhängigkeit an Bayern. Daraufhin beginnt die von Salzburg bzw. vermutlich auch von Freising/Innichen und Aquileia ausgehende Missionierung. Offensichtlich regt sich massiver Widerstand gegen diese und mehrere Jahre lang scheinen Aufstände an der Tagesordnung zu sein. In den siebziger Jahren werden die aufsässigen Karantanen von Herzog Tassilo III. besiegt und unter seine Oberhoheit gezwungen. […] Die heidnische, antibayerische bzw. proawarische Bevölkerung und deren Anführer wurden entmachtet. In der Folgezeit sind zwar noch eigenständige slawische Fürsten an der Macht, diese sind jedoch gezwungenermaßen Christen und dem westlichen Einfluss angepasst.

Wie sicherlich bekannt, wurde Tassilo kurz darauf entmachtet, so dass Karantanien sich dem westlichen Einfluss für ca. 40 Jahre wieder entziehen konnte. Bis eben die Franken kamen. Dazu schreibt Stefan Eichert weiter – Zitat:

Spätestens 828, vielleicht auch schon kurz nach der Niederschlagung der Aufstände Liutewits, wird Karantanien in eine karolingische Grafschaft umgewandelt und die slawischen Fürsten werden durch fränkische Grafen ersetzt.

Die werden aber vielfach gar nicht dort wohnen, sondern schicken Verwaltungsleute und eigene Bauern/Kolonisten. Diese letzten siedelten jedoch anfangs in neuen, nicht von Slawen besetzten Gegenden, so dass in Kärnten ein Nebeneinander von Germanen und Slawen entstand, das praktisch bis in unsere Tage fortdauert. Das galt auch für die Steiermark und die Mark Krain, dem heutigen Slowenien. Das erklärt, wieso sich in diesen Ländern die slawische Sprache trotz der über 1000-jährigen germanischer Herrschaft bis heute halten konnte.

Aber das bedeutet auch: Für die Übernahme einer fremden Sprache reicht es nicht, wenn nur die Eliten sie sprechen bzw. übernehmen.
 
Klar. Was ich sagen wollte: Ladiner haben vermutlich mehr „Altes“ bewahrt, weil sie aufgrund der schwer zugänglichen Gebietes, in dem sie siedelten und siedeln, fremden Einflüssen weniger ausgesetzt waren als z.B. die Bewohner der leichter erreichbaren Poebene.

Auf die Ladiner bist Du wegen ihrer Sprache gekommen.

In dieser Hinsicht gibt es keinen wesentlichen Unterschied zu den Bewohnern der Poebene.

Die Gallia Cisalpina wurde nach der Eroberung durch die Römer komplett romanisiert.
Und dabei ist es bis zum heutigen Tag geblieben.

Nur ist anzunehmen, dass die Kelten, die ja vor den Römern die Alpen – und den Raum rundherum – besiedelten, auch nach der Ankunft der Römer weiter ihre Sprache benutzten
Eine Zeitlang schon.
Aber irgendwann gaben auch in den Alpen die letzten Sprecher des Keltischen ihre Sprache auf - zugunsten des Lateinischen.

Die römischen Provinzen Raetia und Noricum dürften vollständig latinisiert worden sein
Lexikon der Romanistischen Linguistik II, 2, S. 69
 
Natürlich blieben auch sie nicht unbeeindruckt von diesen Einflüssen – die oben erwähnten Untersuchungen des Roland Bauers zeigen das ganz deutlich: Die weiter nördlich siedelten Ladiner haben mehr von ihren deutschsprachigen Nachbarn übernommen, und die im Süden mehr von den italienischsprachigen.

Das hat aber nichts damit zu tun, ob es sich beim Ladinischen um eine dem Italienischen besonders nah verwandte romanische Sprache handelt, oder eben nicht (was du ja in Abrede gestellt hast). Man spricht in der Linguistik auch von Isoglossen. Das sind Grenzen zwischen eigentlichen Dialektmerkmalen. Natürlich hat das Ladinische, dass mit dem Deutschen viel intensiver in Berührung kam, ganz andere Einflüsse, als das Toskanische. Umgekehrt versteht auch nicht jeder Deutsche alles, was er in Wien hört, selbst wenn der Wiener sich der Standardsprache bemüht. Deshalb würde niemand auf die Idee kommen und sagen, dass der eine von beiden kein Deutsch spreche.


Dass 400 Jahre nach der Gründung Aquileias durch die Römer die keltischen Gottheiten dort noch vorherrschend sind, ist daher kein Zufall.
In römischen Lagern bis hoch zum Hadrianswall findest du Mithräen, weil der Mithraskult bei den Legionären besonders beliebt war. Sprachen die nun alle Phrygisch? Am Rhein findest du in römischen Legionärslagern einheimische Matronenkulte. Mit der Sprache der Anhänger dieser Kulte hat das aber nichts zu tun. Man hat die Götter einfach übernommen. Der Isis-Kult in Rom war nicht mit einer Ägyptisierung Roms verbunden, in der Cestius-Pyramide liegt kein Pharao und Obelisken hat man auch einfach nur schön gefunden.

Aber das bedeutet auch: Für die Übernahme einer fremden Sprache reicht es nicht, wenn nur die Eliten sie sprechen bzw. übernehmen.
Das hat auch niemand behauptet. Im wesentlichen bestätigt doch dein Eichert-Exzerpt genau das, was Sepiola vorher geschrieben hat.
 
Schon klar. Nur ist anzunehmen, dass die Kelten, die ja vor den Römern die Alpen – und den Raum rundherum – besiedelten, auch nach der Ankunft der Römer weiter ihre Sprache benutzten und ihren Göttern huldigten, weil die Römer zumindest in Kultdingen bis zum Auftreten des Christentums sehr tolerant waren. Dass 400 Jahre nach der Gründung Aquileias durch die Römer die keltischen Gottheiten dort noch vorherrschend sind, ist daher kein Zufall.
Allerdings geht aus Herodian auch klar hervor, dass Beles in Aquileia nicht mehr in "Reinform" verehrt wurde, sondern seine Anhänger ihn mit Apollo identifizierten. Das ist ein Phänomen, das wir z. B. auch in Gallien und an der Rheingrenze häufig finden, dass gallische oder regionale germanische Gottheiten mit römischen identifiziert wurden und sie dann in Inschriften auf Weihgaben z. B. als "Mars [+ Name eines keltischen/germanischen Gottes]" bezeichnet wurden. Die Romanisierung machte also auch vor der Götterverehrung keineswegs halt.
 
Nein. Sepiola schrieb, dass die eine Sprache die andere verdrängt hätte, was in Kärnten eben nicht der Fall war bzw. ist.
Das steht auch bei Eichert:
Machtpolitisch müssen sie ein bedeutender Faktor gewesen sein und so passten sich die „Alteingesessenen“ in sprachlicher und politischer Ansicht der neuen Eliten an, so dass das ehemalige Noricum Mediterraneum nun nach außen hin „slawisch“ wirkte.
Aus deinem Zitat.
 
Nein. Sepiola schrieb, dass die eine Sprache die andere verdrängt hätte, was in Kärnten eben nicht der Fall war bzw. ist.

Geschrieben habe ich:

In Kärnten gab es besonders viele Sprachwechsel: Das Keltische wurde vom Latein verdrängt, das Latein vom Slawischen, das Slawische vom Deutschen (zumindest großteils, eine slowenische Minderheit gibt es bis heute).

Was davon war oder ist in Kärnten nicht der Fall?
 
In Kärnten gab es besonders viele Sprachwechsel: Das Keltische wurde vom Latein verdrängt, das Latein vom Slawischen, das Slawische vom Deutschen (zumindest großteils, eine slowenische Minderheit gibt es bis heute).
Was davon war oder ist in Kärnten nicht der Fall?
Das ist alles richtig. Allerdings ist das Slowenische erst in den 2 letzten Jahrhunderten zu deutlicher Minderheit geworden – durch den erhöhten Assimilierungsdruck im 19. und 20. Jahrhundert. Dazu ein Zitat aus Kärntner Slowenen ? Wikipedia :

Ende des 19. Jahrhunderts machten die Kärntner Slowenen ungefähr ein Viertel bis ein Drittel der Gesamtbevölkerung Kärntens aus. Im Laufe des 20. Jahrhunderts reduzierte sich ihre Anzahl vor allem aufgrund des Assimilierungsdrucks auf offiziell 2,3 % der Gesamtbevölkerung.

Das hatte es vorher so nicht gegeben – Zitat aus dem oben angegebenen Buch Stefan Eicherts:

Mit der Eingliederung des slawischen Fürstentums Karantanien in das Karolingerreich und der Umgestaltung in eine Grafschaft, spätestens um 828, endet die eigenständige politische Entwicklung. Bis in das 11. Jahrhundert hinein spielt Karantanien eine wichtige Rolle in der Politik der Karolinger und Ottonen. Slawische und bayerische Bevölkerungsteile leben neben- und miteinander im Land, was sich etwa in den Orts- oder Personennamen widerspiegelt.


Das steht auch bei Eichert:

Machtpolitisch müssen sie ein bedeutender Faktor gewesen sein und so passten sich die „Alteingesessenen“ in sprachlicher und politischer Ansicht der neuen Eliten an, so dass das ehemalige Noricum Mediterraneum nun nach außen hin „slawisch“ wirkte.


Aus deinem Zitat.
Mit dem Satz (in meinem Beitrag gestern 13:26)

Für die Übernahme einer fremden Sprache reicht es nicht, wenn nur die Eliten sie sprechen bzw. übernehmen.


bezog ich mich klar auf den unmittelbar davor stehenden Absatz, in dem ich schrieb – Zitat:

Die [neuen fränkischen/bayerischen Grundherren] werden aber vielfach gar nicht dort wohnen, sondern schicken Verwaltungsleute und eigene Bauern/Kolonisten. Diese letzten siedelten jedoch anfangs in neuen, nicht von Slawen besetzten Gegenden, so dass in Kärnten ein Nebeneinander von Germanen und Slawen entstand, das praktisch bis in unsere Tage fortdauert. Das galt auch für die Steiermark und die Mark Krain, dem heutigen Slowenien. Das erklärt, wieso sich in diesen Ländern die slawische Sprache trotz der über 1000-jährigen germanischer Herrschaft bis heute halten konnte.

Es ist nicht gerade die feine Art, El Quijote, diesen Bezug nicht sehen zu wollen und stattdessen etwas anzuführen, das gar nicht zur Debatte stand.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Während die lateinische Sprache in Kärnten mit der Einwanderung der Slawen wahrscheinlich innerhalb von 100 oder 200 Jahren verschwand, reichten nach der Einwanderung der Franken/Bayern 1000 Jahren nicht, um die slawische Sprache zum Verschwinden zu bringen. Und das obwohl die Eliten die deutsche Sprache ziemlich schnell übernommen hatten.

Was war der Grund für diese Diskrepanz? Waren die (keltischen) Noriker gar nicht so sehr romanisiert, wie es den Anschein hat? Oder anders gefragt: Übernahmen während der römischen Herrschaft nur die keltischen Eliten die lateinische Sprache, während das einfache Volk weiter ihre Sprache behielt wie später die Slawen unter Germanen?
 
Es ist nicht gerade die feine Art, El Quijote, diesen Bezug nicht sehen zu wollen und stattdessen etwas anzuführen, das gar nicht zur Debatte stand.

Wenn die Botschaft beim Empfänger falsch ankommt, ist es nicht immer die Schuld des Empfängers. Auf mich, ganz subjektiv, wirkte es so, als wolltest du mit Eichert Sepiolas Aussage, die du zuvor zitiert hast, widerlegen. Wenn dies nicht der Fall war, geschenkt. Ein absichtliches und boshaftes Missverstehen, also eine unfeine Art, lag meiner Antwort jedenfalls nicht zugrunde.

Für mich stellte sich unsere Debatte so dar:
Im wesentlichen bestätigt doch dein Eichert-Exzerpt genau das, was Sepiola vorher geschrieben hat.
Nein. Sepiola schrieb, dass die eine Sprache die andere verdrängt hätte, was in Kärnten eben nicht der Fall war bzw. ist.

Das steht auch bei Eichert:
Machtpolitisch müssen sie ein bedeutender Faktor gewesen sein und so passten sich die „Alteingesessenen“ in sprachlicher und politischer Ansicht der neuen Eliten an, so dass das ehemalige Noricum Mediterraneum nun nach außen hin „slawisch“ wirkte.
Aus deinem Zitat.

Aber, wie gesagt, wenn's ein Missverständnis war: Geschenkt!
 
Aber, wie gesagt, wenn's ein Missverständnis war: Geschenkt!
Ja, geschenkt.

Aber was sagst Du – oder andere - zu den zuletzt gestellten Fragen? Ich meine diese 2 Absätze aus meinem letzten Posting:

Während die lateinische Sprache in Kärnten mit der Einwanderung der Slawen wahrscheinlich innerhalb von 100 oder 200 Jahren verschwand, reichten nach der Einwanderung der Franken/Bayern 1000 Jahren nicht, um die slawische Sprache zum Verschwinden zu bringen. Und das obwohl die slawischen Eliten die deutsche Sprache ziemlich schnell übernommen hatten.

Was war der Grund für diese Diskrepanz? Waren die (keltischen) Noriker gar nicht so sehr romanisiert, wie es den Anschein hat? Oder anders gefragt: Übernahmen während der römischen Herrschaft nur die keltischen Eliten die lateinische Sprache, während das einfache Volk weiter ihre Sprache behielt wie später die Slawen unter Germanen?


Wenn es, wie die neuere Forschung meint, wahr ist, dass die slawische Landübernahme des südlichen Noricums weitgehend friedlich vor sich ging, dann blieb die autochthone, romanisierte keltische Bevölkerung im Land – und sprachen wahrscheinlich weiter lateinisch. Oder eben keltisch, falls das Latein nur ihre Eliten sprachen - oder wer das aus beruflichen Gründen sprechen musste.

Die Frage ist: Wie stellt man fest, ob ein Volk eine fremde Sprache (z.B. Latein) so übernommen hat, dass man überhaupt von einer Übernahme sprechen kann?

Jedenfalls: Dass die Alpenvölker zur Zeit der Römer alle romanisiert waren, wie Sepiola meint, wage ich aufgrund dieser Überlegungen zu bezweifeln.
 
Wenn es, wie die neuere Forschung meint, wahr ist, dass die slawische Landübernahme des südlichen Noricums weitgehend friedlich vor sich ging,...

Das schreibt Eichert zwar, und macht das an dem lateinisch-romanischen Substrat in der Geographie fest, aber das ist imho nicht ausreichend. Niemand würde, weil beispielsweise in den USA indianische Namen für Flüsse, Gebirge und andere geographische Einheiten weiter bestehen, annehmen, dass die Besiedlung Amerikas friedlich verlaufen sei. (Potomac, Appalachen, Yosemite, Erie, Chicago, Milwaukee, Mississippi, Dakota, Missouri, Arkansas, Kansas...)

Die Frage ist: Wie stellt man fest, ob ein Volk eine fremde Sprache (z.B. Latein) so übernommen hat, dass man überhaupt von einer Übernahme sprechen kann?

Alpenromanische Dialekte (Ladinisch, Rätoromanisch) haben wir bis in die Gegenwart erhalten. Von Keltischen oder anderen vorrömischen Dialekten in den Alpen haben wir letzte Zeugnisse in der frühen römischen Kaiserzeit.
 
Das schreibt Eichert zwar, und macht das an dem lateinisch-romanischen Substrat in der Geographie fest, aber das ist imho nicht ausreichend.
Eichert macht das nicht nur an Namen fest, sondern auch an dem Fehlen einer Brandschicht. Eine solche Brandschicht gibt es in Kärnten zuvor, als im 5. Jahrhundert die heidnischen Kultstätten durch Christen gezielt zerstört wurden – Zitat aus dem Buch „Vierbergelauf“ von Helge Berndt:

Archäologische Zeugen dafür sind zunächst einmal die systematisch zerstörten heidnischen Kultstätten. In überall gleicher Weise wurden die Bauten abgebrannt, die Reste abgetragen; das Inventar zerschlagen und in Gruben geworfen.

Zu Ulrichsberg, wo ebenfalls eine heidnische Kultstätte war, vermutet er mit anderen, dass sich da der Kult noch länger halten könnte – Zitat:

Sollten diese Vermutungen zutreffen, dann könnte sich der römisch-keltische Kult an diesem Ort relativ lang gehalten haben; entweder, weil das Heiligtum zu einsam lag oder weil man es wegen seiner besonderen Anziehungskraft zunächst nicht zu zerstören wagte.


Die Frage ist: Wie stellt man fest, ob ein Volk eine fremde Sprache (z.B. Latein) so übernommen hat, dass man überhaupt von einer Übernahme sprechen kann?
Alpenromanische Dialekte (Ladinisch, Rätoromanisch) haben wir bis in die Gegenwart erhalten. Von Keltischen oder anderen vorrömischen Dialekten in den Alpen haben wir letzte Zeugnisse in der frühen römischen Kaiserzeit.
Das ist klar. Aber die Frage zielte auf etwas Anderes: Wie sicher können wir sein, dass die Noriker tatsächlich romanisiert waren? Zumindest Noricum Mediterraneum – also auch Kärnten - war zwar 400 Jahre eine römische Provinz, aber ob die ausgereicht haben, ihnen allen das Latein beizubringen?

Das ist insofern wichtig, weil die lateinische Erstmissionierung des Noricum Mediterraneum von Aquileia aus verhältnismäßig kurz dauerte und zudem mit Arianismus der Ostgoten konkurrieren musste, so dass man sich fragen muss, ob das Christentum dort im Volk schon fest verankert war als die Slawen um 600 herum die dortigen ostgotischen Eliten ablösten. War das nicht der Fall, dann wäre es denkbar, dass die Noriker zumindest punktuell zu ihrem Heidentum zurückfanden – wenn sie es je wirklich verließen? -, was die ebenfalls an viele Götter glaubenden Slawen nicht stören dürfte. Das würde auch besser erklären, warum die slawische Landnahme Kärntens verhältnismäßig friedlich verlaufen war.
 
Das ist klar. Aber die Frage zielte auf etwas Anderes: Wie sicher können wir sein, dass die Noriker tatsächlich romanisiert waren? Zumindest Noricum Mediterraneum – also auch Kärnten - war zwar 400 Jahre eine römische Provinz, aber ob die ausgereicht haben, ihnen allen das Latein beizubringen?
Um ehrlich zu sein, bin ich über den Zweifel daran erstaunt. Aber Zweifel sind immer gut, führen sie uns doch dahin, dass wir sicher geglaubtes Wissen hinterfragen.
Also: Gibt es einen Anlass dafür, ein Weiterleben des Keltischen zu postulieren, als Substrat im Slowenischen etwa?
Gibt es dagegen ein romanisches Substrat?
Was sagen uns die historischen Quellen? Die Vita Sancti Severini spricht von der Deportation der romanischen Bevölkerung aus dem Noricum nach Italien unter Odoaker. Von einer keltischen Bevölkerung ist dort keine Rede. Das Pseudo-Maurikion spricht ebenfalls von einer lateinisch-sprachigen Bevölkerung in der Region.
Wenn wir uns Dakien anschauen: Die Ecke war viel kürzer und sicher auch viel oberflächlicher romanisiert, als Noricum, trotzdem sprechen die Rumänen heute eine romanische Sprache.

Eine solche Brandschicht gibt es in Kärnten zuvor, als im 5. Jahrhundert die heidnischen Kultstätten durch Christen gezielt zerstört wurden – Zitat aus dem Buch „Vierbergelauf“ von Helge Berndt:

Archäologische Zeugen dafür sind zunächst einmal die systematisch zerstörten heidnischen Kultstätten. In überall gleicher Weise wurden die Bauten abgebrannt, die Reste abgetragen; das Inventar zerschlagen und in Gruben geworfen.

Möglicherweise hat Helge Gerndt die Zerstörungen falsch gedeutet. Im 5. Jhdt. stand das Noricum unter dem Druck völkerwanderungszeitlicher Stämme, wie beispielsweise der Heruler oder der Rugier, die teilweise auch als scamarae, 'Räuberbanden' bezeichnet werden. Die römischen Donauprovinzen standen unter dem ständigen Druck durch diese Stämme, welche die Städte regelmäßig plünderten (was ja schließlich auch zur bereits erwähnten Deportation der Bevölkerung nach Italien führte). Zerstörungen in der Region im 5. Jhdt. würde ich erst einmal in diesem Zusammenhang sehen.
Die Deportation erklärt auch das leichte Eindringen der Slowenen, ohne dass es zu im archäologischen Befund regelhaft sichtbaren Zerstörungsprozessen kam. Es gab einfach keine nennenswerte Bevölkerung mehr.
 
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