Hallo,
hiermit ein kleiner Beitrag zum Prager Frühling.
Bekanntlich gab es 1968 in der Tschechoslowakei eine politische Entwicklung die für Moskau und die anderen Warschauer Vertragsstaaten besorgniserregend war. Man sprach von einer vom Westen gesteuerten „Konterrevolution“.
Es wurde befürchtet, dass die Tschechoslowakei aus dem Warschauer Vertrag ausscheren könnte, was erhebliche negative militär – strategische Auswirkungen mit sich bringen würde. Dieser Entscheidung musste Einhalt geboten werden. Ausgehend davon wurden die erforderlichen politischen und militärischen Maßnahmen eingeleitet.
1. Vom 19. bis 30.Juni fand die gemeinsame Kommandostabsübung „Sumava“ (Böhmerwald) unter Leitung des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages, Marschall der Sowjetunion, Jakubowski, statt.
Teilnehmer an dieser Übung waren Stäbe und Truppen
- der Sowjet – Armee
- der Tschechoslowakischen Armee
- der NVA der DDR
- der Polnischen Armee und
- der Ungarischen Armee.
Der Leitungsstab mit Marschall Jakubowski und rund 100 Generalen und Offizieren der Bruderarmeen befand sich in Milowice in der Nähe von Prag.
Stellvertreter des Leitenden für die NVA der DDR war General Streletz, der sich mit 15 Generalen und Offizieren bei Marschall Jakubowski befand. ( die über 100 Generale und Offiziere hatten die Möglichkeit sich im Verlaufe von 3 Wochen auf dem Territorium der CSSR mit „Land und Leuten“ vertraut zu machen)
General Streletz und seine Operative Gruppe verließen am 7. Juni wieder die Tschechoslowakei.
2. Am 25. Juli 1968 erfolgte in Legnica ( Polen) wo sich die Führungsstelle des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages befand, eine Einweisung durch Marschall Jakubowski.
Er schätzte die Lage in der Tschechoslowakei als „äußerst bedenklich“ ein und unterstrich, dass auch bestimmte militärische Maßnahmen eingeleitet werden müssen.
2 Divisionen der NVA sollten in diese vorgesehenen militärischen Maßnahmen einbezogen werden.
Die 7. Panzer – Division Standort Dresden und die 11. mot. Schützen – Division, Standort Halle. Beide Divisionen haben in den befohlenen Konzentrationsräumen bis zum 29.Juli 1968 die Gefechtsbereitschaft herzustellen.
3. Auf der Grundlage dieser Aufgabenstellung haben auf Befehl des Ministers für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Hoffmann die festgelegten Divisionen die Konzentrationsräume bezogen:
Die 7. Panzer – Division den Raum :
Hoyerswerda – Muskau – Niesky
ca. 70 bis 80 km von der Grenze zur CSSR entfernt.
Die 11. mot. Schützen – Division den Raum
Gera –Jena – Zeulenroda
ca. 60 bis 70 km von der Grenze zur CSSR entfernt, 50 bis 60 km von der Grenze zur BRD entfernt.
Beide Divisionen wurden im Verlauf des Monats August
- politisch – ideologisch
- Militär – fachlich und
- Materiell – technisch
auf die bevorstehenden möglichen Aufgaben auf dem Territorium der Tschechoslowakei vorbereitet. Zur besseren und einheitlichen Kennzeichnung der für den Einsatz vorgesehenen Truppen wurde die Kampftechnik und die Fahrzeuge mit einem senkrecht verlaufenden weißen Farbbalken markiert.
4. In den späten Abendstunden des 20.August überschritten die ersten Einheiten der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland die Staatsgrenze zur CSSR.
Gemeinsam mit ihnen handelten die Truppen der polnischen Armee, der Ungarischen Armee und der Bulgarischen Armee.
Am 21. August 1968, ab 1.30 Uhr wurden alle Grenzübergangsstellen zwischen der DDR und der CSSR für den zivilen Verkehr geschlossen.
Um 1.30 Uhr wurde durch den Minister für Nationale Verteidigung die „Erhöhte Gefechtsbereitschaft“ für die NVA und die Grenztruppen, auf der Grundlage der Weisung von Marschall Jakubowski, ausgelöst.
Ein Marschbefehl für die 7. Panzer – Division und die 11. mot. Schützen- Division wurde jedoch nicht gegeben. Beide Verbände verblieben in ihren Konzentrierungsräumen auf dem Territorium der DDR.
In der Nacht vom 20. zum 21. August 1968 und in den nachfolgenden Augusttagen hat
- kein Panzer
- kein Schützenpanzerwagen
- kein Kraftfahrzeug und
- kein Soldat der NVA der DDR
die Staatsgrenze der DDR zur CSSR überschritten.
Alle anderen Meldungen entsprechen nicht der Tatsache
Was die annährend 20 Nachrichten – Spezialisten in Milowice (bei Prag) betrifft, sollte nach meiner Kenntnis folgendes berücksichtigt werden.
Diese Kräfte verlegten nach mit dem Führungsstab von Legnica (Polen) in den neuen Führungsstab nach Milowice. Sie hatten mit den beiden Divisionen nichts zu tun.
Ihre Aufgabe bestand darin die Funk- und Richtfunkverbindung mit dem Stab in Milowice und dem Verteidigungsministerium in Strausberg sicherzustellen.
Bis Mitte Oktober verblieben beide NVA – Divisionen in den Konzentrationsräumen auf dem Territorium der DDR. Bis 18.Oktober 1968 erfolgte die Rückverlegung der Einheiten und Truppenteile in ihre Stammobjekte.
5. Schlußfolgernd kann festgestellt werden
1. Beide Divisionen der NVA waren allseitig auf einen Einsatz in der Tschechoslowakei vorbereitet. Hätte es dazu einen Befehl des OK der VSK des WV, Marschall Jakubowski, gegeben, dann hätten sicherlich beide Verbände die ihnen übertragenen Aufgaben vorbildlich erfüllt.
2. Die Entscheidung darüber, dass die NVA der DDR nicht eingesetzt wurde, erfolgte nach meinen Informationen in Moskau.
Eine Konsultation darüber, hat es nach meiner Einschätzung mit der Führung der DDR nicht gegeben.
3. Die Behauptung, die NVA sei 1968 in die Tschechoslowakei einmarschiert könnte aus meiner Sicht 2 Ursachen haben.
Erstens war die Berichterstattung in den Massenmedien der DDR nach dem 21.August 1968 so abgefasst, als wenn die NVA der DDR gemeinsam mit den anderen Armeen in die Tschechoslowakei einmarschiert wäre.
Nach meiner Einschätzung wollte die Partei- und Staatsführung dem entgegenwirken, dass die DDR mit Rumänien gleichgesetzt wird, zum anderen wollte man in der Öffentlichkeit nicht zu geben, Moskau war gegen den Einmarsch der NVA in die CSSR.
Zweitens trug die „Entschuldigung“ der letzten Volkskammer der DDR über den Einsatz der NVA im August 1968 in der CSSR gegenüber der Regierung der CSSR dazu bei, von einem Einmarsch der NVA auszugehen.
Leider haben der damalige Ministerpräsident der DDR Modrow und der Verteidigungsminister Admiral Hoffmann, ohne tiefere Sach – und Fachkenntnis einer solchen „Entschuldigung“ ihre Zustimmung gegeben.