Warum lebten/arbeiteten die Handwerker eines Berufs alle in einem Viertel?

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Hallo, leider finde ich auf folgende Frage keine Antwort:

Warum hatten die Handwerker eines Berufs üblicherweise in einem Viertel/in einer Straße/an einem Platz ihre Wohn- und Werkstätten? Das die in Zünften organisierte waren, ist klar. Aber warum geballt an einem Ort in der Stadt?

Habe schon das Internet bemüht, diverse Schulbücher sowie Felicitas Schmieders "Die mittelalterliche Stadt", beides leider vergeblich.

Ich bin echt verlegen um eine Antwort, da ich in Kürze zum Thema Handwerk im Mittelalter eine Lehrprobe geben muss...

Hier übrigens eine toller Bildersammlung mittelalterlicher Berufe: Die Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen

Vielen Dank schonmal an alle Experten!
 
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Neben der leichteren Kontrolle kam auch Logistik und Infrastruktur dazu. Viele Handwerke benötigten Zugang zu Wasser, manche speziell zu Fließgewässer. Insofern war schon das ein Grund der Ansiedlung bestimmter Gewerke an bestimmten Orten der Stadt. Dann wurden die Zünfte/Gaffeln/Gilden in die Stadtverteidigung eingebunden. (Kein Wunder, da die Zunftorganisation an sich ja schon eine Form der Emanzipation von der Herrschaft des Adels war.) Mauerabschnitte wurden den Zünften zugeteilt und so war es auch aus diesem Grund sinnvoll, wenn zugeteilter Mauerabschnitt und Quartier in Beziehung zueinanderlagen, einerseits infrastrukturell (wie schnell kann man an seinem Platz sein) andererseits von der Verteidigungsbereitschaft her.
 
Hallo, leider finde ich auf folgende Frage keine Antwort:

Warum hatten die Handwerker eines Berufs üblicherweise in einem Viertel/in einer Straße/an einem Platz ihre Wohn- und Werkstätten? Dass die in Zünften organisierte waren, ist klar. Aber warum geballt an einem Ort?

Habe schon das Internet bemüht, diverse Schulbücher sowie Felicitas Schmieders "Die mittelalterliche Stadt", beides leider vergeblich.

Ich bin echt verlegen um eine Antwort, da ich in Kürze zum Thema Handwerk im Mittelalter eine Lehrprobe geben muss...

Hier übrigens eine toller Bildersammlung mittelalterlicher Berufe: Die Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen

Vielen Dank schonmal an alle Experten!

Hie gibt es gleich mehrere Antworten:

Zum einen sind hier die kürzeren Transportwege zu nennen. Bei der Herstellung bzw. Verarbeitung vieler Produkte waren schließlich mehrere Arbeitsschritte nötig. Bei der Stoffherstellung waren dies z. B. spinnen, Färben, weben und walken. Um sich Transportwege zu ersparen war es natürlich günstig die verschiedenen Produktions- und Verarbeitungsstätten an einem Ort zu haben. Die kontinuierliche Arbeit vieler kleiner Betriebe gewährleistete so einen halbwegs beständigen Warenstrom.

Weiterhin konnte auch der Zugang zu bestimmten Rohstoffen oder die Notwendigkeit des Gebrauchs von Wasser zwangsläufig zur Entstehung von Ballungsräumen führen.
Auch unangenehme Begleiterscheinungen - wie z. B. Geruchsbelästigung – führten dazu, dass bestimmte Handwerke eher auf einem Fleck zu finden waren. Ich denke hier vor allem an Gerber und Abdecker. (Ohm, et. Al.: Ferne Welten- Freie Stadt: Dortmund im Mittelalter, 2006, S. 224.)

Letztendlich wird aber auch der soziale Status eine nicht zu verachtende Rolle gespielt haben. (Welcher Zimmerermeister wollte schon in der Nähe eines Gerbers wohnen?) Die Abgrenzung diente nicht nur der Selbstorganisation, sondern auch der Selbstdefinition. (Schubert: Geschichte Niedersachsens, 1997, S.: 1252.)

Hoffe es hilft etwas. Kannst ja mal erzählen wie das Vortanzen ausgegangen ist.

Grüße,
D. K.
 
Zuvorderst würde ich zwei psychologische Gründe nennen, auch wenn die oben genannte Abhängigkeit von Resourcen in einigen Berufen die Hauptrolle gespielt haben dürfte.

1. Wo der Eine hingeht, muss auch der Andere hingehen, sonst hat er das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Dieses Verhalten lässt sich bereits bei Kindern gut beobachten.

2. ›Risikofreudlosigkeit‹. Bewährte Standorte werden auch von der Konkurrenz bevorzugt. Bsp. alte Bankviertel (sofern sie nicht Teil der Stadtplanung waren, bzw. heute von der Einzonung der Bauhöhe abhängig sind.)


Hinzukommt die soziale Sicherheit, wie bereits angetönt. Gruppierungen von Menschen mit den gleichen Interessen bieten mehr Einfluss innerhalb einer Gesellschaft und erleichtern den Austausch untereinander. (Bsp. Rue de Cléry in Paris im 18. Jh., die Strasse der Möbelbauer) Hierzu gehören auch ethnische Gruppierungen, die einen Beruf bevorzugt haben. (Diamond District in Manhattan, mit hauptsächlich von Juden betriebenen Geschäften.)
 
Speziell bei Juden hat die Gruppierung aber auch andere Gründe, nämlich einerseits die erzwungenene Ghettoisierung, zum anderen die Mindestanzahl von zehn Männern, die notwendig ist, um den Gottestdienst feiern (Minjan). Und da man am Shabbat ruhen soll, sind Arbeit und weite Wege nicht erwünscht.
Das sind also weniger ökonomische Gründe, wie bei den Gaffeln/Gilden als vielmehr religiöse Gründe, welche zu eigenen Judenstraßen oder Judenvierteln führten.
 
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Es war ja keine freie Marktwirtschaft. Im Gegenteil: Regelmäßig wurde vorgeschrieben, wo, wann und was verkauft werden durfte. Und wenn die Metzger nur an der Ostseite der Western Straße verkaufen durften, war es ein entscheidender Nachteil dort nicht zu wohnen und zu produzieren. Denn die dazu nötigen Stätten waren ja noch nicht getrennt.

Die am Markt ansässigen Bürger konnten sogar finanzielle Vorteile haben, wenn sie Platz für einen Marktstand hatten. Das Franziskanerkloster in Paderborn hat sich z.B. das Standrecht bis heute erhalten und dank der Marktwirtschaft verkaufen sie dort seit sicher schon über 15 Jahren an jedem Wochentag Obst und Gemüse.

Ähnlichen Regelungen verdanken sich die Arkaden am Prinzipalmarkt in Münster.
 
Speziell bei Juden hat die Gruppierung aber auch andere Gründe, nämlich einerseits die erzwungenene Ghettoisierung, zum anderen die Mindestanzahl von zehn Männern, die notwendig ist, um den Gottestdienst feiern (Minjan). Und da man am Shabbat ruhen soll, sind Arbeit und weite Wege nicht erwünscht.
Das sind also weniger ökonomische Gründe, wie bei den Gaffeln/Gilden als vielmehr religiöse Gründe, welche zu eigenen Judenstraßen oder Judenvierteln führten.
Stimmt, aber gerade deswegen hab ich als Beispiel den Diamond District in Manhattan gebracht, wo von einer »erzwungenener Ghettoisierung« nicht die Rede sein kann. Dass zu den zusammenschweißenden Gemeinsamkeiten auch die Religion gehören kann, ist klar; auch der Diamond Dealers Club hat seine eigene Synagoge.
 
Danke!

Liebe Leute,

vielen Dank für die Anregungen. Manche meiner Vermutungen wurden somit bestärkt. Tolles Forum!

Hier gibt es noch weitere Handwerksbilder von Hans Sachs: amman Index
 
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