Was lernen wir aus Geschichte?

Kurz vor dem letzten Börsencrash 2008 sprach ich mit einem Börsianer. Er mokierte sich, teils belustigt, teils resigniert, über einen Slogan, der gerade aufgekommen war : "This time it's different". Sollte heißen : Dieses Mal kommt es nach einem starken Anstieg der Kurse nicht zu einem Crash, sondern alle werden gewinnen & alle werden glücklich.
Obwohl der Slogan offensichtlich falsch war, wollten alle daran glauben und kauften fröhlich weiter Aktien.

Und die Moral von der Geschicht ? - Ehm... habe ich leider vergessen (Mist, Pointe versaut)
 
Obwohl der Slogan offensichtlich falsch war, wollten alle daran glauben und kauften fröhlich weiter Aktien.
Bei der Habgier hört bei den meisten Menschen ohnehin jede Lernfähigkeit auf. Mittlerweile müsste der Letzte begriffen haben, dass die versprochenen Gewinnsummen, bei Kaffeefahrten ein reines Märchen sind und die Fahrt in einer Absteige im Nirgendwo endet, wo die Rentner so lange in Geiselhaft bleiben, bis eine gewisse Menge des vollkommen überteuerten Schrotts und der angeblichen Wunderpillen gekauft wurden.Trotz aller Warnungen davor, die seit Jahren in den Medien gepredigt werden, fahren immer wieder eine ganze Menge Leute zu diesen zweifelhaften Vergnügungsfahrten, manche immer wieder und stimmen dann ein lautes Klagelied darüber an, dass sie ihren schönen Geldgewinn nicht bekommen haben.
 
Irgendwie unbefriedigend:

Aus der Geschichte lernen.jpg

Die, die keine Geschichte studieren, sind dazu verdammt, sie zu wiederholen. Jedoch sind diejenigen, welche Geschichte studieren, dazu verdammt, hilflos dabei zu stehen, wie alle anderen sie wiederholen.
 
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Das ist einfach nicht korrekt. In einem anderen Zusammenhang hatte ich auf JFK hingewiesen, der Tuchman (August 1914) gelesen hatte und ihm der Mechanismus der Eskalation im Juli 1914 im Zusammenhang mit der Kuba-Krise deutlich wurde.

Dass er den Mechanismus der Eskalationsspirale in Richtung Krieg verstanden hatte, verdanken wir der Darstellung von Tuchmann, einer Historikerin!

Damit hat sie als Historikerin einen atomaren Holocaust, beginnend an den Stränden von Kuba, da die sowjetischen Truppen taktische atomare Gefechtsfeldwaffen zur Verfügung hatten, verhindert. Und somit verdanken wir ihr indirekt, dass wir nicht 1961 atomar verglüht sind!

https://books.google.de/books?id=GDo1CdsGZ8IC&redir_esc=y

Wem das noch nicht als ausreichende Rechtfertigung für das Lernen aus der Geschichte ausreicht, der mag sich die Entwicklung der "Realistischen Theorie" der Außenpolitik ansehen (vgl. z.B. Morgenthau: Politics among Nations). In ihr wird die Erfahrung mit dem Ausbruch des WW1 seit den dreißiger Jahren (vgl. z.B. E.H. Carr: The Twenty Years Crisis) systematisiert.

https://de.wikipedia.org/wiki/Realismus_(Internationale_Beziehungen)

Diese Theorie war für das Verständnis von Außenpolitik von Leuten wie Kennan, Kissinger oder auch H. Schmidt prägend. Und hat das Verständnis der Kalten Krieges aus der Sicht der Nato maßgeblich beeinflusst.

Systematischer geht MacMillan das Thema an und zeigt, dass die Politik an vielen Punkten Bezüge zur Geschichte vornimmt.

https://books.google.de/books?id=H2Fdb04-In4C&printsec=frontcover&dq=the+uses+and+abuses+of+history&hl=de&sa=X&ved=0CCMQ6AEwAGoVChMIoo7y9p2dyQIVaphyCh19Vg3s#v=onepage&q=the%20uses%20and%20abuses%20of%20history&f=false

Ein besonders "tragischer" Fall der Fehlinterpretation von Geschichte liegt beispielsweise bei Stalin vor, der das Vorbild Bismarck auf das Agieren von Hitler projizierte und annahm, dass Hitler aus den Erfahrungen eines Zweifrontenkrieges gelernt hätte und das politische Augenmass eines Bismarck hätte. Ein fataler Irrtum, der - auch - mit verantwortlich ist für den Tod von vielen Russen nach 1941.

Es gibt somit eine Vielzahl von Beispielen, die sehr gravierend sind, bei denen aus Geschichte "gelernt" wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hab aus der Geschichte gelernt dass die heutigen Krisengebiete Syrien und Irak samt östlichem Bergland Krisengebiete sind seit es historische Aufzeichnungen gibt, eine "Sollbruchstelle" der Geschichte.
 
Wobei zu fragen ist, ob das nicht eine eher rezente Sichtweise ist, geboren aus den Umbrüchen in dieser Region seit dem Ersten Weltkrieg und aus nichteinheimischer Perspektive.
 
kommt drauf an in welchem Maßstab man "rezent" sieht, gemessen an der Entwicklung der Erde sind 5000 Jahre sicher "rezent" und seit damals wird dort gewütet, ein mehr oder weniger Stadtstaat gegen den anderen, dann gegen die Bergler etc, längere Ruhe war dort nur wenn eine starke Macht von außen dafür gesorgt hat.
 
Das ist Geschichte im Zeitraffer betrachtet, mit Schwerpunkt auf Kriegen und Konflikten. Das wird der Region nicht gerecht. Es ist die Region, der wir die Landwirtschaft zu verdanken haben, die Schrift etc. Es ist die Region aus der auch unsere Zivilisation stammt.
 
Und es ist sehr auf den heutigen Westen bezogen. Bis zum Westfälischen Frieden war doch auch hier der Frieden die Ausnahme. Und bis zum Spanischen Erbfolgekrieg, gab es in Europa mehr Kriegsjahre als die Chronologie eigentlich hergibt.

Ob das moderne Völkerrecht das Osmanische Reich später erreichte, kann ich nicht sagen. Dass sein Auseinanderbrechen für Konflikte sorgte, wird man angesichts der andauernden Kriege in Europa jedenfalls nicht für ein vorbestimmtes Schicksal der Region nehmen.

Die Frage ist eher, woher die Konflikte seit dem 1. Weltkrieg kommen. Ein großer Teil geht auf die Kolonialgeschichte zurück. Die ist aber eine Folge des 1. Weltkriegs und nicht in der Region angelegt. Glaubenskonflikte gibt es auch woanders, daher kann man sie auch nicht dort monopolisieren. Kolonialismus gefolgt von Diktaturen ist auch woanders nicht unüblich.

Bleibt Israel. Aber das ist 1 Problem. (Nicht Israel ist das Problem, sondern, dass der Konflikt nicht gelöst werden kann.)

Es ist doch eher die Frage, warum in West-, Mittel- und dem größten Teil Osteuropas so lange Frieden herrscht.

Ich will sagen, die Frage, warum Krieg herrscht, ist aus einer friedlichen Gesellschaft geboren. Versucht man objektiv zu sein, muss man doch erkennen, dass Frieden eher die Ausnahme ist. Kriegsgründe und Ursachen wird man für jeden Krieg andere finden. Auch im Nahen Osten. Aber was führt in der Geschichte zu Frieden? Und ich meine wirklichen Frieden, nicht die Überlegenheit einer Macht oder ein Mächtegleichgewicht verschiedener Mächte oder Bündnisse.
 
@ balkanese:

Ist dann nicht fast jede Region eine "Sollbruchstelle", jedenfalls extrem viele?
Mir fielen da høchstens abgelegene Gegenden ein, die diese Kriterien nicht erfüllen, ansonsten: Europa, Rund um's Mittelmeer: Alles Sollbruchstellen!

Oder anders gesagt, die Geschichte der Menschheit ist kriegerisch, leider.

Gruss, muheijo
 
Vielleicht. Jedenfalls haben sich schon die alten Römer darüber beschwert, dass man dank Augustus nicht mehr über interessante Kriege berichten könne.

Mir ist ja bewusst, dass man Ursachen, Verlauf und Folgen von Kriegen nicht außer acht lassen darf. Ich beschwere mich aber darüber, dass Frieden für selbstverständlich gehalten wird, und dass die Faktoren, die ihn wirklich begünstigen nicht ausreichend untersucht werden.

Als sich die Legionen bei Brundisium weigerten zu kämpfen, führte dass nur zu einem längeren und vor allem blutigeren Krieg. Also: 'Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.' funktioniert so nicht. Jedenfalls, wenn die Ursachen nicht beseitigt werden.

Als Friedrich II. im Heiligen Land Frieden schloss, tat er es, indem er den Kreuzzügen die Grundlage entzog. Er wurde König von Jerusalem, aber der Sultan hielt dort die reale Macht in Händen und schützte die Pilger. Hier haben beide Seiten ihr eigentliches Ziel erreicht. Denn ursprünglich ging es nicht um ein Königreich Jerusalem. Beide Seiten haben überlegt, worum es wirklich ging und: miteinander gesprochen.

Als in Kandia Gespräche abgelehnt wurden, zog sich der Deutsche Orden zurück. Plötzlich verhandelte man doch, und es kehrte Frieden auf Kreta ein.

Zum Thema obiger Karikatur: Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie vor dem Fernseher geschimpft habe, als gewisse angebliche Pazifisten sagten, es sei nicht möglich mit den Taliban zu verhandeln, als die längst bewiesen hatten, dass man sie nicht ausrotten kann.
 
ich streit der Region die kulturellen Errungenschaften ja nicht ab, ich weiß, die haben die 6-ährige Gerste oder so entwickelt, Streitwagen erfunden, tolle Kanäle gebaut, andere tolle Sachen auch, Schrift erfunden, 360° erfunden, Fabelwesen, die es heute noch als Logos gibt, erfunden etc. etc. Bier, aber angeblich kein gutes, Abwasserkanäle, Kontakte zum Indus, wie auch immer.
 
Die Erfahrungen und Fehler, die man nach dem 1. Weltkrieg begangen hat, hat man zumindest nach dem 2. nicht wiederholt. Prinzipiell ist es möglich, aus Geschichte zu lernen, sofern man denn daraus lernen will.

Was auf dem Sektor der Politik möglich ist, scheint aber auf dem Gebiet der Ökonomie unmöglich zu sein, da die Wirtschaft die Politik in Geiselhaft genommen hat. Bei den Immobilien-Banken-, Schuldenkrisen handelt es sich in Wirklichkeit um eine einzige Kapitalismuskrise, und die Staaten haben sich aus ihrer Verantwortung verabschiedet.

Investmentbanken müssen keine Minimaldeckung an Kapital nachweisen, können extrem riskante Geschäfte machen, ohne befürchten zu müssen, wegen Veruntreuung von Vermögen zur Verantwortung gezogen zu werden. Rating-Agenturen werden nicht staatlich kontrolliert. Banken, die mit Immobilien spekuliert haben, spekulieren weiter mit Staatsanleihen. Kommunen, die sich riskante Wertpapiere haben andrehen lassen, müssen Schwimmbäder schließen.

Die Lehren die aus der Immobilienkrise gezogen wurden lauteten "Wir müssen wieder Vertrauen in die Finanzmärkte aufbauen", "wir dürfen die Finanzmärkte nicht beunruhigen", "was wir brauchen ist Wachstum, Wachstum und nochmals Wachstum".

Es gilt das Motto "Privatisierung der Gewinne, Vergesellschaftung der Verluste" und nach wie vor wird weiter gezockt, im Vertrauen darauf, dass im schlimmsten Fall die Staatsmacht und die Allgemeinheit haftet. Die staatstragenden Parteien sind zu Erfüllungsgehilfen des Kapitals verkommen. Solange sich da nichts ändert, wird Europa weiterhin von einer Finanzkrise in die nächste taumeln.
 
Aus Geschichte lernen ..

Wenn man sich mit Geschichte beschäftigt,
dann fragt man sich ja, was man denn selbst meint dabei gelernt zu haben.
Und es ist nicht unangebracht diese Frage an sich selbst zu stellen, als Teil des „wir“.
(Ich persönlich z.B. fand damit einen Zugang zum Phänomen Religion, das mir vorher unbegreiflicher war.)

Ich denke man lernt (hoffentlich) Folgendes:
Die eigenen Deutungen zu hinterfragen, indem man übt die Ursprünge derselben zu untersuchen (Quellenkritik).
Zu verstehen, dass sich Zusammenhänge bei näherer Betrachtung vielfältiger und widersprüchlicher
darstellen, als zunächst vermutet, und es erheblicher Mühe bedarf diese verstehen zu wollen.
Das kann man vernünftig auf Gegenwärtiges übertragen (aus Geschichte lernen), welches unvermeidlich noch nicht in einer Rückschau gedeutet werden kann, indes eine Unmittelbarkeit hat, welche einem nützlich distanzierten Blick im Wege steht.
Das Erlernen des distanzierten Blicks scheint mir ein besonderer Gewinn zu sein.

Nicht soll man den Fehler machen, zu meinen Geschichte habe sich so entwickeln müssen wie geschehen. Dann lernt man nichts daraus.
 
Man kann schon aus der Geschichte lernen. Aber nicht in dem Sinne, dass man lernt, Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Das liegt offenbar nicht in der menschlichen Natur: man lernt nur aus der Erfahrung, d.h. aus selbst gemachten Fehlern. Und geschichtliche Fehler sind eben nur "fremde" Fehler, wir bestehen aber immer darauf, bereits gemachte Fehler selbst ebenfalls machen zu dürfen.
Dennoch können wir aus der Geschichte lernen - und zwar insofern, als das wir durch die Kenntnis der Geschichte gegenwärtige politische und kulturelle Gegebenheiten erklären können. Durch die Geschichte werden diese verständlich.
Die Geschichte kennen, heisst, die Gegenwart zu verstehen.
 
Natürlich kann man aus der Geschichte lernen, Fehler anderer zu vermeiden.

Auch die 'Väter des Grundgesetzes' - oder wo auch immer die Bestimmung steht - haben von dem Problem der Redezeiten nur gehört, dennoch sind sie im Bundestag beschränkt. Und wir alle haben doch in der Schule von Cato gehört, der Senatssitzungen blockierte bis sie wegen Sonnenuntergangs aufgelöst werden mussten. Nicht selbst erlebt, aber gelernt, dass solche Redezeiten besser begrenzt werden und wie man es tut.

Somit: Q.e.d.! Es gibt Fälle, in denen man aus der Geschichte lernt, Fehler der Vergangenheit zu vermeiden, ohne, dass man sie selbst gemacht hat.

Dass die US-Amerikaner das bis heute nicht gelernt haben, zeigt nur, dass es keinen Zwang zum Lernen gibt und die Geschichte mitunter ignoriert wird.

Wenn wir alle Fehler erst selbst machen müssten, würden wir heute als deutsche Nation Krieg führen, um die Welt zu dominieren. Oder vielleicht eher blutige Fehden mit dem Nachbarn austragen, weil dessen Kinder die Musik zu laut drehen. Dass Foltern müssten unsere Strafverfolgungsbehörden auch jeden neuen Beamten ausprobieren lassen, und, und, und.

Wieder gilt: Das die US-Amerikaner foltern, und der IS allen den Islam bringen möchte, zeigt nur, dass es beides gibt.

Damit muss aber gesagt werden, dass man aus nicht selbst erlebten Fehlern der Vergangenheit lernen kann, aber nicht lernen muss.
 
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