Was löste die Domestizierung von Pflanzen durch den Menschen aus?

Immerhin haben es die Hobbyjäger geschafft, z. B. den Auerochsen auszurotten, obwohl sie ja auch Kühe aus eigener Produktion hätten essen können.
Das kann man den Neolithikern nicht ankreiden. An die Substanz ging es beim Wild erst im Mittelalter, als die meisten Wälder gerodet waren und der Adel zum Vergnügen das Wild abschlachtete.
 
Das kann man den Neolithikern nicht ankreiden. An die Substanz ging es beim Wild erst im Mittelalter, als die meisten Wälder gerodet waren und der Adel zum Vergnügen das Wild abschlachtete.

So ist es! Den Aspekt hatte ich glatt vergessen.

Noch in der Bronze- und Eisenzeit war Europa wildreich, wobei es ein gewisses Gefälle zwischen dem dichter besiedlten SO-Europa und dem erheblich dünner besidelten Zentral- und Nordeuropa gab. Noch Tacitus schildert das kaiserzeitliche Germanien als wildreiches Land, das auf weiten Strecken von Urwald, Sümpfen und Ödland bedeckt ist.
 
Wir uns uneins über den Appetit den 10 Mio Einwohner auf der Fläche Europas entwickeln.Binnen kurzem wäre jedes Wild gegessen oder vergrämt.
Vorstellungen von wäldern voller Rehwild und Wisenten sind einfach nur romantisch.


=)
Lieber Lonneman....
du wärst erstaunt , die heutige Wilddichte zu erfahren !
ZB. gibt es vermutlich mehr Wildschweine denn jemals in früheren Zeiten .

Und 60 % des Wildes werden per Auto erlegt ........

quote: Dieter:
" Noch Tacitus schildert das kaiserzeitliche Germanien als wildreiches Land, das auf weiten Strecken von Urwald, Sümpfen und Ödland bedeckt ist. "

Gibt es eigentlich historische Forschungen , welche sich mit Rückschluss
auf die frühere Geographie befasst hat ?
Eine Übersicht vielleicht um die Jahre 1000 und auch 1 wäre doch sehr interessant !

Ich meine bei Sümpfen / Mooren kennt man ja einige Aktionen , welche
durch Klöster , Friedrich II. oder auch den RAD abliefen.
Das ist bei Waldrodungen wahrscheinlich weniger nachspürbar ?
Und welches Ödland ist gemeint ?
Die Berliner und Mecklenburger Sandwüste ?=)=)
 
Also , die Heutige Wilddichte ist m.W. höher heute als zu Tacitus Zeiten.
Damals gab es eben noch nicht die aufgegliederte Landschaft mit offenen Flächen und begehbaren Wäldern. Und es gab mehr Beutegreifer.
Das Wisent und Elch verschwunden sind, liegt eben genau daran.
Ur und Wildpferd wurden allerdings ausgerottet, weil sich deren männliche Tiere an die Haustiere rangemacht haben. Und da dann günstigstenfalls die Zucht versaut, schlimmstenfalls die Stuten entführt, bzw, den Bullen umgebracht und die Kühe weggelockt haben.

Im Neolithikum noch nicht so das Thema, aber so gewaltig ist der Jagderfolg im Urwald denn doch nicht, das man auf den Anbau von Getreide und co hätte verzichten können. Die Bevölkerungszahlen sollen ja denn doch sehr zu genommen haben nach der Einführung des Ackerbaus
 
Ein Europa, das so extrem dünn wie im Neolithikum bevölkert war - riesige Flächen unbewohnt bei lediglich 10 Millionen Einwohnern europaweit - gab es gewiss keinen Mangel an jagdbarem Wild.
Schlussfolgerung : Wenn jetzt 10 Millionen Europäer beschließen würden, sich ausschließlich von selbstgejagtem Wild zu ernähren, würde dies gar nicht auffallen, denn
Wilfried schrieb:
die Heutige Wilddichte ist m.W. höher heute als zu Tacitus Zeiten.
 
Wieviele Europäer gibts heute?
Könnte sein, das das sogar klappen könnte. Es dürfte in Europa deutlich mehr als 10 mio. Freizeit jäger etc geben.
 
Von der heutigen Wilddichte kann man nicht auf die damalige schliesssen.In
natunahen Wäldern Mitteleuropas kommt fast kein Rehwild vor.Wir haben das Land
in eine völlig überdüngte Kultursteppe verwandelt.Davon profitieren auch Rot-Schwarzwild etc.

Einer meiner Vorredner hat Herrn Tacitus zitiert.Seine Äußerungen sind pure römische
Proaganda.Seine Leser werden ihm gerne geglaubt haben.Mit der Wirklichkeit hatten
sie nichts zu tun
 
Insgesamt gesehen muss man sich aber wohl von dem Gedanken an eine revolutionäre Umstellung der Lebensweise vom Jäger/Sammler zum Ackerbauern verabschieden.
Küster [1] schreibt dazu: "Kulturpflanzen, Haustiere, die seßhafte Lebensweise hatten sich aber in Wirklichkeit nicht in einem revolutionären Prozeß entwickelt, sondern Schritt für Schritt nach den Gesetzen der Evolution".

Was Europa betrifft, gibt dieser Autor eine Skizze, die bei Geschichte der Landschaft in ... - Google Books einsehbar ist. Ist das noch aktueller Diskussionsstand?

Keineswegs, denn es waren die Männer die jedes Getreidekorn fleissig auflasen. Um anschliessend Bier zu brauen. Der nächste Schritt war dann das Unkraut zu entfernen um mehr saufen zu können. (Diese witzige und schlüssige These ist von einem Herrn Reichholf)
Reichholfs Kernfrage ist: Was ereignete sich während der "Neolithischen" Revolution"? [2] Im Kapitel über die Wurzeln des Ackerbaus entwickelt er die - typisch bayerische? - These [3] "Die Nutzung von Getreide hing somit anfänglich nicht wesentlich mit der Ernährung zusammen. Die gesammelten Körner dienten der Erzeugung von Bier." Bei den Sumerern, die wohl zu den ersten Brauern gehörten, wurde das Damenbier aus Emmer hergestellt, das Herrenbier aus Gerste.


[1] Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa. München 1995, S. 73
[2] Warum die Menschen sesshaft wurden. Liz. Frankfurt 2009, S. 25 - offensichtlich für Laien wie mich geschrieben!
[3] aaO, S. 258
 
Wenn jetzt 10 Millionen Europäer beschließen würden, sich ausschließlich von selbstgejagtem Wild zu ernähren
Könnte sein, das das sogar klappen könnte. Es dürfte in Europa deutlich mehr als 10 mio. Freizeit jäger etc geben.
Die ernähren sich aber nicht ausschließlich von Wild.

Ich bin nicht der Meinrung, dass es im Neoplithikum "reichlich" Wild gab gegenüber vernachlässigbar wenigen (10 Mio) Menschen, sondern dass der Wildbestand durchaus limitiertend für die Bevölkerungszahl war und dass mit der Neolithischen Revolution dieses Nahrungslimit durchbrochen und auf ein höheres Niveau gebracht wurde.
 
Das soll heißen, dass damals in Europa etwa 10 Millionen Menschen lebten,

Europa ist 10.532.000 km² groß, also das Gebiet, was wir heute so bezeichnen. Da fallen aber noch ein paar Gebiete rauß, die ungeeignet für die dauerhafte Besiedelung sind. Bei geschätzten 10 Mill. Einwohnern gäbe das eine Bevölkerungszahl von etwa 1 Mensch pro km². Für eine überwiegend von der Jagd lebende Gemeinschaft kaum einzuhalten, außer, es gab wirklich Wild im Überfluß.
 
Küster [1] schreibt dazu: "Kulturpflanzen, Haustiere, die seßhafte Lebensweise hatten sich aber in Wirklichkeit nicht in einem revolutionären Prozeß entwickelt, sondern Schritt für Schritt nach den Gesetzen der Evolution".

Was Europa betrifft, gibt dieser Autor eine Skizze, die bei Geschichte der Landschaft in ... - Google Books einsehbar ist. Ist das noch aktueller Diskussionsstand?

Ja, das ist aktuell. Wobei es in Europa nur um die Übernahme des neolithischen Pakets ging, was auch längere Zeit in Anspruch nahm. Domestiziert, und darum geht es ja in diesem Thread, wurde das mitgebrachte Saatgut bereits weiter südlich.
 
Europa ist 10.532.000 km² groß, also das Gebiet, was wir heute so bezeichnen. Da fallen aber noch ein paar Gebiete rauß, die ungeeignet für die dauerhafte Besiedelung sind. Bei geschätzten 10 Mill. Einwohnern gäbe das eine Bevölkerungszahl von etwa 1 Mensch pro km². Für eine überwiegend von der Jagd lebende Gemeinschaft kaum einzuhalten, außer, es gab wirklich Wild im Überfluß.

Das kommt darauf an was man unter "überwiegend von der Jagd lebend" versteht.

Tiere jagen na klar.
Aber auch Pflanzen sammeln?
Fische im See fangen?
Vögel aus der Luft?
Honig?

Ein Quadratkilometer ist durchaus eine recht grosse Fläche für eine einzelne Person, das kann vollkommen ausreichen um jemanden zu ernähren. Es würde wahrscheinlich nicht ausreichen um sich komplett von Reh und Wildschwein zu ernähren. Aber es bedingt noch lange keine Landwirtschaft.
 
Das kommt darauf an was man unter "überwiegend von der Jagd lebend" versteht.

Tiere jagen na klar.
Aber auch Pflanzen sammeln?
Fische im See fangen?
Vögel aus der Luft?
Honig?

Ein Quadratkilometer ist durchaus eine recht grosse Fläche für eine einzelne Person, das kann vollkommen ausreichen um jemanden zu ernähren. Es würde wahrscheinlich nicht ausreichen um sich komplett von Reh und Wildschwein zu ernähren. Aber es bedingt noch lange keine Landwirtschaft.

Bei der Ausgangsfrage "Was löste die Domestizierung der Pflanzen durch den Menschen aus" bringt uns die Betrachtung der Jagdreviere kaum weiter. Gedanklich sind wir beim Thema Jagd zu sehr in den späteiszeitlichen Kältesteppen mit ihren auf die Grosswildjagd spezialisierten Jägern. Deren kulturgeschichtliche Nachfolger müssen wir wahrscheinlich viel weiter im Norden bei den Inuit suchen. In Gegenden, wo pflanzliche Ernährung keine Alternative war, weil es nur wenige, für die menschliche Ernährung geeignete Pflanzen gab.
Die frühesten Sapiens-Weltbesiedler lebten küstennah und ernährten sich sammelnd und fischend überwiegend aus Meer und Gewässern in sub-/tropischen Regionen. Darüberhinaus könnten Pflanzen gesammelt und gegessen worden sein. Welche Pflanzen kämen da in Frage?

Kann man sich der Frage vielleicht von der ernährungsphysiologischen Seite nähern. Menschen benötigen Nahrung, die die 3 Hauptkomponenten Eiweiß, Fett, Kohlehydrate und etliche Vitamine, Spurenelemente enthält. Wir scheinen bei der Herkunft und Zusammensetzung dieser Inhaltsstoffe ziemlich flexibel zu sein. So ist vom reinen Fleischesser bis zum totalen Vegetarier alles möglich, nur was davon ist optimal?

Kann bei Nahrungsengpässen die optimale Zusammensetzung einen Vorteil, also eine erhöhte Überlebensrate der Kinder bis zur Fortpflanzung, gesichert haben.

Wahrscheinlich bin ich gerade auf dem falschen Trip. Wenn ich mir die Pflanzen anschaue, die weltweit betrachtet der Ernährung dienen, kann man auch die 3 Gruppen unterscheiden. Kohlehydratlieferanten wie Kartoffeln, Getreide, Reis, Yams, Maniok usw und Eiweißlieferanten wie die fast weltweit vertretene Bohnen-Wickengruppe und die Ölsaaten und -früchte. Tierische Fette sind einfacher zu erhalten, unter diesem Gesichtspunkt kann man die Notwendigkeit von Jagd und Fischfang vielleicht auch betrachten. Fleisch und Fisch sind weiterhin eine wichtige Eiweißquelle. Die Leguminosengruppe mit ihrem hohen Proteinanteil gehörte weltweit zu den ersten domestizierten Pflanzen. Zum Beispiel in China die Sojabohne ? Wikipedia , in Afrika die Augenbohne ? Wikipedia , weiter nördlich Kichererbse ? Wikipedia , Ackerbohnen etc.

Die Zentren der Domestizierung (@kwschaefer Beitrag 13) liegen alle in den Tropen und Subtropen, das waren auch die Regionen, in die Sapiens bei seiner Ausbreitung über die Erde als erstes gelangte. Australien und Europa haben erst sehr viel später, wenn überhaupt, Beiträge zur Domestizierung von dort einheimischen Pflanzen geleistet.
Dieses Muster gibt mir zu denken, was fällt anderen Mitgliedern dazu ein?
 
Die frühesten Sapiens-Weltbesiedler lebten küstennah und ernährten sich sammelnd und fischend überwiegend aus Meer und Gewässern in sub-/tropischen Regionen. Darüberhinaus könnten Pflanzen gesammelt und gegessen worden sein. Welche Pflanzen kämen da in Frage?

Da fallen die Vorstellungen sicherlich verschieden aus.

Wenn ich mal die out of africa -These nehme , dann sind unsere Vorfahren
grundsätzlich wie alle Primaten Gemischtköstler gewesen.
Innerhalb ihrer Wanderung / Gebietsbesiedlung haben sie bestimmt immer
neue vegatarische Kost kennengelernt - vielleicht durch Beobachtung , was andere Tiere sich einverleibten.
Ich denke da zuerst an Früchte - vielleicht versuchte man auch nach und nach die Äsungspflanzen der Huftiere und bezog eben nach und nach
Verschiedenes ins Nahrungsspektrum ein.
Wie es mit Insekten/ Käfern/ Larven / Maden gelaufen ist - da hab ich keine Vorstellung - in Asien ist es ja gängige Kost .....

Gut, das kann in einzelnen Fällen auch mit Vergiftung etc geendet haben - aber das verkraftet eine lernfähige Spezies.

Die Jagd und Fischerei blieb sicherlich durchweg eine stets weitergegebene
Fertigkeit . Könnte man als Konstante absehen , von der ausgehend sich
die Lebenserhaltung grundsätzlich sicherte und vegetarische Anteile
nach und nach erschlossen wurden.

Domestizierung im Sinne von Verbesserung/ Auslese bekannter vegetarischer Pflanzen kann der " frühe Mendel " durch aufmerksame
Beobachtung begonnen haben . Vielleicht weil irgendwas an Kotplätzen
von Wildtieren oder bei der Senkgrube des Nomadenlagers besonders gut aufwuchs ? Oder an feuchteren Standorten grössere Früchte hatte ?
Wer weiss .....;)
 
Da wir für die Kartoffel keinen eigenen thread haben, füge ich die Meldung zu dem frühesten Nachweis der Domestizierung (bemerkenswert ist die Höhe der Besiedlung, evt. auch ein Kontext der Domestizierung?) hier an:

High-Altitude Archaeology Uncovers Earliest Evidence of Potato Consumption | UC Merced

"Because the wild ancestor of the domesticated potato is toxic, people had to find ways of reducing or eliminating the toxins; grinding them may be one way to do that. Manipulating crops to breed out toxins is another.

“Every plant we’ve domesticated has undergone lots of changes,” Rumold said.
Every scrap of evidence, including potato remains, helps researchers get a more sophisticated picture of the history of our ancestors.
“Archaeology makes a context for these kinds of studies to be conducted,” Aldenderfer said. “The point of studying this site was to explore the process of hunter-gatherers becoming sedentary, agrarian people who cultivated plants and animals. By the time this site was abandoned in 1300 B.C., the potato had been domesticated.”
 
NEWS

Und weiter Neues zur Kartoffel, diesmal der derzeit früheste Nachweis in Nordamerika, North Creek Shelter/Utah.

Dort hat man Stärkekügelchen gefunden, die den Nachweis für frühen Kartoffelanbau 10. - 11.000 BP bedeuten sollen. Erschienen ist der Artikel in der neuen Ausgabe der PNAS.

Abstract:
"The prehistory of wild potato use, leading to its domestication and diversification, has been well-documented in, and confined to, South America. At least 20 tuber-bearing, wild species of Solanum are known from North and Central America, yet their importance in ancient diets has never been assessed from the archaeological record. Here, we report the earliest evidence of wild potato use in North America at 10,900–10,100 calendar years (cal) B.P. in the form of well-preserved starch granules extracted from ground stone tools at North Creek Shelter, southern Utah. These granules have been identified as those of Solanum jamesii Torr. (Four Corners potato), a tuber-bearing species native to the American Southwest. Identification was based on applying five strictly defined diagnostic characteristics (eccentric hilum, longitudinal fissure, lack of fissure branching, fissure ratio, and maximum granule size) to each of 323 archaeological granules. Of those, nine were definitively assigned to S. jamesii based on possession of all characteristics, and another 61 were either likely or possibly S. jamesii depending on the number of characteristics they possessed. The oldest granules were found in substratum 4k (10,900–10,100 cal B.P.). Younger deposits, dating to ∼6,900 cal B.P., also contained tools with S. jamesii granules, indicating at least 4,000 y of intermittent use. Ethnographic and historical accounts extend the period of use to more than 10,000 y. The question then arises as to whether some S. jamesii populations could have undergone transport, cultivation, and eventual domestication over such a long period of time."
Starch granule evidence for the earliest potato use in North America

Presse:
scinexx | Älteste Kartoffeln Nordamerikas entdeckt: Knapp 11.000 Jahre alte Stärkereste belegen frühe Nutzung einer Wildkartoffelart
https://phys.org/news/2017-07-utah-home-earliest-wild-potato.html
 
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