Weimar: Reichswehr Staat im Staat?

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Gast

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Hi,

es geht um die Reichswehr während der Weimarer Republik. Auf Wikipedia und auch anderen Seiten steht ja oft, sie sei ein Staat im Staate gewesen und hätte nicht auf Befehle von der Regierung gehorcht (Kapp Putsch). Außerdem gibt es ja einige Zitate von Seeckt, die das belegen..

Aber nun zur Frage: Lag dieser Umstand an der mangelnden Verfassung oder war es eher die Unerfahrenheit mit der Demokratie in der Regierung und Reichswehr? In der Verfassung war ja, so viel ich weiß, die Reichswehr an das Reichswehrministerium und den Reichspräsidenten als Oberbefehlshaber gebunden. Oder gibt es doch Schwachstellen der damaligen Verfassung in dem Gebiet, vor allem verglichen mit heute?

Schon mal Danke für Antworten
 
daß die Reichswehr Staat im Staate war, sehe ich nicht ganz so.
Der Kapp-Putsch war nach meiner Meinung eine Aktion weninger aus der Reichswehr. Diesen Putsch sollte man nicht auf die gesamte Reichswehr verallgemeinern. Der überwiegende Teil stand schon hinter der Regierung und hat dies auch öffentlich bekundet.

Auf der anderen Seite hat die Reichwehr nach dem Versailler Vertrag dessen Bedingungen natürlich versucht auszuhebeln und zu unterlaufen. Das wurde aber schon in einem anderen Thema erläutert.

Arthur
 
Der Kapp-Putsch war sicher nicht eine Aktion der Reichswehr. Aber dass die Reichswehr bei diesem Putsch hinter der Regierung gestanden haben soll (öffentliche Bekundungen mal beiseite gelassen - was sind die wert?), kann ich so nicht sehen. Immerhin weigert sich die Reichswehrführung, der Bitte um Hilfe durch die Regierung nachzukommen und der Putsch wird - im Gegensatz zu Aufständen von links - nicht niedergeschlagen.
 
Erst einmal galt unverändert die Formel: "Feldgrau schießt nicht auf Feldgrau". Die frühere Konsequenz dieser Formel hatte bei Gründung der Republik einen möglichen Kampf der Monarchie gegen die Revolution gelähmt, war nun schon in diesem Sinne "konstruktiv".

Die Formel ist allerdings in der Reichswehrführung konserviert und zum Prinzip worden, und sie wendete sich nun gegen die Verteidiger der Republik gegen den Kapp-Putsch. Nachvollziehen kann man das in der Weise, dass sich die Reichswehr als Garant der Nation, des Staates selbst sah, unabhängig von irgendwelchen kommenden und gehenden Regierungen in wandelnden politischen Konstellationen. Schüddekopf (Heer und Republik, Quelle zur Reichswehrführung 1918-1933) spricht hier von einer nahezu unheimlich anmutenden Konsequenz.

Undurchsichtig war diese Haltung zunächst aus Sicht der Regierung: die Konsequenz der Passivität ist Mißtrauen, zumal sich ein Teil der Befehlshaber auf die Seite der Kapp-Regierung stellte, ein Teil abwartende Haltung einnahm und währenddessen die Regierung Berlin verließ. Hülsen, Kommandeur der Berliner Reichswehrbrigade, äußerte: Wenn sich die Brigade Ehrhardt bewegt, werden wir uns "auch ein wenig" in Bewegung setzen. General von Oven, Nachfolger von Lüttwitz, warnte zudem vor einem Kampf bei Einrücken der Brigade Ehrhardt in Berlin.
http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Ehrhardt

Dieses soll einen Bluff dargestellt haben. Die Marinebrigade Ehrhardt holte "sich dann ihre Ehre wieder" bei einem wüsten Niederschlagen der Aufstände im Ruhrgebiet zum "Dampfablassen". Der Zusammenbruch des Kapp-Putsches ist zu einem Teil nun auch gerade der undurchsichtigen Haltung der Reichswehr zum Putsch zuzuschreiben. Bezeichnend dafür ist, dass Seeckt in diesen Tagen einfach zu Hause blieb, und mit den ihm unterstellten Offizieren die Geschäfte eiskalt in Zivil erledigen ließ,
http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_von_Seeckt

während Maercker eifrig zwischen den Parteien vermittelte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Ludwig_Rudolf_Maercker


alles ebenda mit Quellen, S. 82-110
 
Bei der Beschäftigung mit den Freikorps als innenpolitisches Phänomen stellt sich mir zunehmend eine andere Frage, zur Außenpolitik.

Wilson hatte die Demokratisierung in Deutschland zur expliziten Voraussetzung für Verhandlungen gemacht. Was wäre eigentlich passiert, wenn es in einem unbesetzten Deutschland plötzlich einen erfolgreichen Militärputsch gegeben hätte, der teilweise ehemaligen kaiserliche Generale wieder in hohe Staatsämter befördert hätte. Und damit eine Restaurierung des preußischen Militarismus im Rahmen einer Militärdiktatur erfolgt wäre.

Petain wäre wohl durchaus bereit gewesen am Kriegsende nach Deutschland einzumarschieren, sofern Deutschland sich den Bedingungen des Waffenstillstands verweigert hätte. Es setzte aber auch eine rasche Demobilisierung ein bzw. die Rückführung der US-Truppen, sodaß bereits ca. Mitte 1919 das militärische Potential der Alliierten sehr eingeschränkt war, um eine Besetzung durchzuführen.

Gab es ein - symbolisches oder reales - "Drohpotential" gegen eine Militärdiktatur als potentieller Nachfolger von Weimar Anfang der zwanziger Jahre durch den Westen? Literaturtipps etc.???? (Steiner, MacMillan, Tooze, Kershaw hätte ich zu dem Thema)
 
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Ich denke, dass die Franzosen und vor allem die Briten eine Militärdiktatur im deutschen Reich eher akzeptiert hätten als ein sozialistisches Regime. Wenn ein solcher Putsch also preväntiv gegen das Abrutschen in eine Revolution gedient hätte, hätten sie diesen m.M.n. akzeptiert.
 
Das kann durchaus sein. Einen Hinweis für die Richtigkeit der These findet sich beispielsweise in den Tagebüchern von Harry Graf Kessler (Bern, 16. März 1920).

"Die Engländer stünden der Sache sympathisch gegenüber, weil sie eine reaktionäre Regierung in Deutschland gegen Rußland zu verwenden hofften."

Und diese Aussage bezog sich auf die Meinung des einflussreichen britischen Generals Malcolm

Allerdings:
Mir ging es um konkrete Einschätzungen und offizielle bzw. halboffizielle Reaktionen beispielsweise auf den Kapp-Putsch. Und einem eventuellen Druck auf die Regierung bzw. Reichswehr, diesen zu verhindern. Zumal die Franzosen sicherlich eine andere Sicht darauf hatten oder die liberale amerikanische Öffentlichkeit.
 
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