Da hier noch gar nichts steht will ich nun mal die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise für die Bevölkerung ansprechen.
In einem anderen Kontext bin ich erneut auf Lazarsfeld gestoßen. Die Studie über Marienthal ist ein "Klassiker" der Sozialforschung und gehört als "Referenz" in jede bessere Lehrveranstaltung im Rahmen der "Methodenlehre".
Die Studie hat eine bemerkenswerte Relevanz, weil sie deutlich macht, dass die Integration von Gesellschaften durch ein komplexes Zusammenspielen von Familie, Ausbildung, Beruf, sozialen und organisierten Kontakten und den kommunalen Einrichtungen geleistet wird. Und das Wegbrechen der "Arbeit" mit anschließender Arbeitslosigkeit
Mit der Schließung der einzigen Textilfabrik in Marienthal waren von 478 Familien plötzlich 358 arbeitslos. Die Arbeitslosigkeit wirkte sich gravierend auf die Familien aus, die Männer begannen zu trinken und es verbreitete sich eine "Lethargie", die das soziale Leben weitgehend zum Erliegen brachte.
Die Strukturlosigkeit der Tage war ein wichtiger Grund, der für das Erliegen des sozialen Lebens verantwortlich war. Das betraf die sozialen Kontakte, aber auch die Situation in der Kommune. Angebote, die eine mobilisierende Wirkung - wie beispielsweise die öffentlichen Büchereien - hätten haben können, wurden nicht genutzt.
Diesem negativen Beispiel stehen allerdings auch eine Reihe von Gegenbeispielen gegenüber, in denen die Arbeitslosigkeit während der Weltwirtschaftskrise zu solidarischem Handeln führte.
Ein Beispiel ist das Zeltlager "Kuhle Wampe", das von Arbeitslosen am Müggelsee errichtet worden ist und im Zeichen einer "proletarischen Solidarität" organisiert war. Entstanden aus dem Umstand, dass viele Arbeitslose in Berlin nicht mehr in der Lage waren, ihre Mieten zu zahlen.
Eine Verarbeitung fand das Beispiel im Film "Kuhle Wampe", für das Brecht das Drehbuch geschrieben hatte.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kuhle_Wampe_oder:_Wem_gehört_die_Welt?
Ähnliche Beispiele finden sich für diese Zeit beispielsweise in den Altonaer Erwerbslosensiedlungen in Lurup und Osdorf. (vgl. Sywottek: Das andere Altona; Tenfeld: Arbeiter im 20. Jahrhundert; Evans & Geary Eds: The German Unemployment)
Diese brillante Studie war für Lazarsfeld das "Ticket" für ein Stipendium der Rockefeller Stiftung und führte ihn in die USA. Er wurde einer der wichtigsten empirisch orientierten Kommunikationsforscher in die USA bzw. weltweit.
Jahoda, Marie: Lazarsfeld, Paul F.; Zeisel, Hans (1975): Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag.