Wer war der erste Ochse?

Lukullus

Aktives Mitglied
Angeregt durch den Thread-Verlauf “Tierhaltung im Westen des Römischen Reiches“ folgende Fragen:

Wie weit lässt sich entlang von schriftlichen Quellen die Kastration von (Nutz-)Tieren zurückverfolgen?

Bietet die archäologische Forensik Möglichkeiten bspw. entlang anatomischer Merkmale noch weiter in die Vergangenheit zu blicken?
 
Castration: An Abbreviated History of Western Manhood, S. 168:

Some researchers claim that castrated cattle can be identified in eastern Europe circa 4500-4000 B.C.E., and they undoubtedly existed in Babylon by 2300 B.C.E.

Current Issues in Priestly and Related Literature, S. 70:

According to Brian Hesse, domestication of large cattle in the Near East began before 5000 BCE, and the use of oxen for plowing is already characteristic of the fourth millenium BCE.

Foragers and Farmers: Population Interaction and Agricultural Expansion in Prehistoric Europe, S. 103:

Müller (1964) identified bones from castrated cattle at an Early Neolithic site in Central Germany, and Bogucki (1982:108) argues that such bones are present at an Early Neolithic site in the Polish lowlands.

(Frühneolithikum in Deutschland ca. 5500-4700 BCE)

Die vorgenannte früheste Datierung des Beginns der Bullenkastration, die ich gefunden habe, wird in diesem Wiki-Artikel bestätigt (Bandkeramik ca. 5600-4900 BCE):

Transport in der Vor- und Frühgeschichte – Wikipedia

Die seit der Bandkeramik belegte Kastration von Stieren beseitigte ihre Aggressivität und machte die enorme Kraft lenkbar.

Verwiesen wird dafür auf folgende Werke, darunter ein in "Foreagers and Farmers" (vorheriges Zitat) ebenfalls referiertes Werk von H.H. Müller:

Schmitzberger: Haus- und Jagdtiere im Neolithikum (...), 2009, S. 97


Müller: Die Haustiere der mitteldeutschen Bandkeramiker, 1964
 
Zuletzt bearbeitet:
Wer war der erste Ochse?
Möglicherweise Thomas von Aquin:
"Thomas von Aquino sagt es,
Den man nennt den großen Ochsen
Der Gelehrsamkeit (...)"
Heine, Disputation
Eine ältere Quelle, die eindeutig eine nachweisliche Person als Ochsen nennt, fällt mir ad hoch nicht ein. ;):D
 
Bei der Betrachtung von Ochsen sollte man aber auch die natürlich vorkommenden Zwitter-Rinder beachten - bei uns im Alpenraum „Zwick“ genannt. Während nämlich Ochsen durch die Kastration von Stieren vom Menschenhand gemacht werden, kommen die Zwicke natürlich vor. Sie entstehen bei gemischtgeschlechtlichen Zwillingsschwangerschaften. Der Hormonhaushalt des Stierkalbes stört dabei die Entwicklung des Kuhkalbes und es bilden sich bei ihm keine Eierstöcke aus.

Der Zwick ist ebenso kräftig wie ein Ochse, aber noch etwas umgänglicher und friedlicher. Deshalb waren Zwicke sehr beliebte Zugtiere. Ein Zwick leistet mindesten so viel wie zwei Pferde, ist aber deutlich genügsamer und anspruchsloser in der Haltung.
Bei uns wurden Zwicke zum Pflügen und Holzschleifen verwendet und vor schwere Lastwagen gespannt.

Gruss Pelzer
 
Dem von @Chan genannten Schmitzberger zufolge scheint es, dass osteologische Befunde recht verlässlich auf Kastration bereits im Frühneolithikum hinweisen können:

“Gerade am Beckenknochen sind Kastraten relativ verlässlich bestimmbar (vgl. PUCHER 2004b: 369ff.) und auch Hornzapfen und Mittelfußknochen zeigen sexualspezifische Proportionen, die bei Kenntnis der Variationen innerhalb einer Population ohneweiters den Geschlechtern zugeordnet werden können. Auf diese Weise wurden inzwischen von zahlreichen frühneolithischen Fundorten
morphologische Nachweise von Ochsen erbracht. Die Rinderkastration war daher mit Sicherheit bereits in den ältesten jungsteinzeitlichen Kulturen Europas bekannt (vgl. z. B. BENECKE 1994; BÖKÖNYI 1984b, 1988; LÜNING 2000; MÜLLER 1964; NOBIS 1986a).“


Allerdings verweist Schmitzberger zuvor darauf, dass bei etlichen Knochenfunden von Rindern im Donauraum oftmals nicht nur zwischen unterschiedlichen Arten, seien es nun Wildrinder (Auerochsen, Wisente) oder eingeführte bereits domestizierte Formen, nur schwer unterschieden werden könne, sondern dass mitunter sogar nicht mal eindeutig eine Zuordnung des Geschlechts möglich sei. (S. 69ff)
Für genaueres muss man wohl an die von Schmitzberger angeführten Literaturverweise ran.

@pelzer: Das klingt spannend - könnte eine erschwerende “Zwick“-Mühle bei osteopathischen Interpretationen sein.
 
Wer war der erste Ochse?
Möglicherweise Thomas von Aquin:
"Thomas von Aquino sagt es,
Den man nennt den großen Ochsen
Der Gelehrsamkeit (...)"
Heine, Disputation
Eine ältere Quelle, die eindeutig eine nachweisliche Person als Ochsen nennt, fällt mir ad hoch nicht ein. ;):D

Eine Quelle die um einige Hornlängen näher an den neolithischen Ochsen rückt:

Cicero wirft in seiner Kritik an den Epikureern die rhetorische Frage auf “Was hätte man sonst auf das Grab eines Ochsen schreiben sollen?“* wenn der (sagenhafte) assyrische König Sardanapal sich folgende (von Alexander dem Großen gelesene) Inschrift habe setzen lassen: „Anchiale und Tarsos hat Sardanapal an einem Tag begründet; Du aber, Fremdling, iss, trinke, liebe; was sonst der Mensch hat, ist der Rede nicht wert.“**

* Cicero Tusc. Disp. V 35 (Übersetzung nach Vom Geist des Bauches S. 126)
** Sardanapal – Wikipedia

Edit:
Mehr zu Sardanapal bei W. Burkert: Das Grab in Kilikien. In: Antike Mythen S. 502-516
 
Zuletzt bearbeitet:
Im lateinischen Original steht das allerdings nicht so eindeutig: "Quid aliud in bovis, non in regis sepulcro inscriberes?" Es wird also nur allgemein das Wort bos=Rind verwendet.
 
Eine ältere Quelle, die eindeutig eine nachweisliche Person als Ochsen nennt, fällt mir ad hoch nicht ein

Auf das Risiko einer Löschung hin kann ich mich nicht enthalten, diesen Witz zum Besten zu geben.

Angeklagter:

"Herr Richter, ist es verboten, einen Richter ´Ochse´ zu nennen?"

Richter:

"Ja, das ist verboten."

Angeklagter:

"Herr Richter, ist es auch verboten, einen Ochsen ´Herr Richter´ zu nennen?"

Richter:

"Nein, das ist nicht verboten."

Angeklagter:

"Danke, Herr Richter."
 
Zuletzt bearbeitet:
Dem von @Chan genannten Schmitzberger zufolge scheint es, dass osteologische Befunde recht verlässlich auf Kastration bereits im Frühneolithikum hinweisen können:

“Gerade am Beckenknochen sind Kastraten relativ verlässlich bestimmbar (vgl. PUCHER 2004b: 369ff.) und auch Hornzapfen und Mittelfußknochen zeigen sexualspezifische Proportionen, die bei Kenntnis der Variationen innerhalb einer Population ohneweiters den Geschlechtern zugeordnet werden können. Auf diese Weise wurden inzwischen von zahlreichen frühneolithischen Fundorten morphologische Nachweise von Ochsen erbracht. Die Rinderkastration war daher mit Sicherheit bereits in den ältesten jungsteinzeitlichen Kulturen Europas bekannt (vgl. z. B. BENECKE 1994; BÖKÖNYI 1984b, 1988; LÜNING 2000; MÜLLER 1964; NOBIS 1986a).“

Allerdings verweist Schmitzberger zuvor darauf, dass bei etlichen Knochenfunden von Rindern im Donauraum oftmals nicht nur zwischen unterschiedlichen Arten, seien es nun Wildrinder (Auerochsen, Wisente) oder eingeführte bereits domestizierte Formen, nur schwer unterschieden werden könne, sondern dass mitunter sogar nicht mal eindeutig eine Zuordnung des Geschlechts möglich sei. (S. 69ff)
Für genaueres muss man wohl an die von Schmitzberger angeführten Literaturverweise ran.
Ein frühzeitig kastrierter Jungbulle steckt in seiner Pubertät die Wachstumskraft nicht mehr in die Reproduktionsorgane. Ochsen sind daher nicht nur deutlich weniger aggressiv, sie sind auch größer und kräftiger als die aus demselben Genmaterial stammenden Stiere. Insbesondere an erhaltenen Langknochen mit geschlossenen Wachstumsfugen, aber auch an den Muskelansätzen (mehr Muskeln erfordern größere Muskelansatzflächen) sollten Unterschiede in einer lokalen Rinderpopulation deutlich werden, nebst Stressmarkern, denen man die unnatürliche Arbeitsbelastung ansehen kann. Das erfordert natürlich immer, dass hinreichend Knochenmaterial erhalten ist, was natürlich wiederum abhängig ist von Tierkadaverentsorgung und Bodenchemie.
 
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