Wertung historischer Leistungen

Ich muss gestehen: Es juckt mich schon in der Tastatur, wenn ich das alles so lese. Die innere Stimme warnt allerdings: Begib Dich nicht in der derart vermintes Gelände bzw. in eine Diskussion, in der "ca. 5-6 Dinge" miteinander vermischt werden (weil sie mE in einer geschichtspolitischen Diskussion, und um eine solche handelt es sich hier, schwerlich auseinander gehalten werden können).

Sei's drum. Aus meiner Sicht sind es wenigstens vier Stichworte, die hier eine Rolle spielen:

  • Objektivität, so wie es Ranke und seinesgleichen verstanden haben, andere wiederum nicht
  • Parteilichkeit - oder besser: die historische Bewertung des objektiv Festgestellten, ggf. verbunden mit der Prognose des Zukünftigen
  • Moralische Betrachtung der Geschichte (als Sonderfall der Parteilichkeit?)
  • Sprachgebrauch

Der letzte Punkt ist vielleicht der einfachste. Er wird am sinnfälligsten, wenn es um das leidige Thema des politisch-historischen Vergleichs geht. Beispiele kennt jeder genügend (Kohl: "Gorbatschow=Goebbels" usw.), und es vergehen mitunter keine vier Wochen, dass nicht wieder irgend jemand kräftig ins Fettnäpfchen tritt.

Dass die Analogie des Soldaten zum Verbrecher Protest erzeugen würde, war klar, obwohl - soo neu ist das nun wieder nicht. Die Älteren erinnern sich ja noch, dass die These "Soldaten sind Mörder" vor einigen Jahren die Emotionen hochkochen ließ; das Bundesverfassungsgericht stellte schließlich klar, dass es sich um eine (noch) zulässige Meinungsäußerung handelt. Hierbei hat zweifellos eine Rolle gespielt, dass die Hypothese, ein Soldat könne in einem Vernichtungskrieg wie 1941/45 eine klare Abgrenzung zwischen Kampfauftrag und Mordauftrag vornehmen, widerlegt ist - er kann/tut es im Zweifelsfall eben nicht. (Das ist kein deutsches Problem - man kann das auch an Vietnam zeigen!)

Es kommt natürlich immer darauf an, in welchem Kontext man tätig ist. Als Martin Walser in seiner Friedenspreisrede von der "moralischen Keule" sprach, die wider die Deutschen und ihr Vaterland geschwungen werde, hat das zu Recht internationale Aufmerksamkeit gefunden. Wenn hier, in einem relativ gut versteckten Forum, jemand militärische Aktionen aus 1944/45 für "Meisterleistung" oder "bewundernswert" hält, mag man das degoutant finden, jedenfalls fällt in China davon kein Sack Reis um. Für unsere Zwecke müsste es eigentlich genügen, sich des gegenseitigen Respekts zu versichern und verbale Blähungen nach Möglichkeit zu vermeiden.
 
Bist nicht laut Profil Jahrgang 1982? Und da bist du der Meinung, deine Lebenswelt entspräche in ihren Grundzügen der des 2. Weltkrieges?

Ja und Nein, natürlich bedeutet der Weltkrieg eine besondere Dimension, in die ich mich nicht gänzlich hineinversetzen kann, aber die Lebenswelt hat sich in ihren Grundzügen nicht verändert. Damit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich den nahezu gleichen Maßstab anlegen kann, um Handlungen von damals zu beurteilen. Wir reden ja nicht über einen Zeitabstand von 500 Jahren. Da spielt mein Jahrgang keine Rolle :yes: auch wenn das gute Recherche war.

@jschmidt: Es war mutig das vermischte Minenfeld zu betreten. Die angegebenen 4 Stichworte helfen ja nun etwas mehr Ordnung hier reinzubringen. Wobei es weniger um politische Auslegung, als um eine Wertung der Historie geht.

Ein sensibler Umgang mit den Ereignissen der NS Zeit in Wort und Schrift kann denke ich eingefordert werden. Gerade das ist eine der Stärken der deutschen Geschichtsschreibung.

(...heute schreib ich lieber nicht weiter, bevor durch meine verbahlen Blähungen der Sack Reis in China doch noch ins Wanken gerät....:eek:fftopic:)
 
Geschichte moralisch bewerten zu wollen scheitert doch alleine schon daran, dass nicht jeder die gleichen Moralvorstellungen hat. Alleine in Deutschland gibt es schon gewaltige Unterschiede z.B. zwischen Berlin und einem kleinen Dorf aufm bayerischen Land. Dadurch werden geschichtliche Ereignisse zu subjektiven Meinungen degradiert und anstatt Diskussionen über das Tatsächliche wird über verschiedene Meinungen gestritten. Moral subjektiviert Geschichte und nimmt sie damit aus dem wissenschaftlichen Kontext. Das kann meiner Meinung nach nicht das Ziel sein.

Eine kurze anmerkung zu dem Ausgangstheme:
Als ich beim Bund war haben wir unsere Grundausbildung parallel zu einer amerikanischen Rangers-Einheit erhalten - die haben sich damals auf Afghanistan vorbereitet. Konnten alle gut deutsch, das sie seit Jahren hier stationiert waren. Haben uns oft mit denen unterhalten. Die haben es nie verstanden warum wir Deutschen nicht auf die Leistungen der Wehrmacht stolz sind. Die konnten sehr gut trennen zwischen der objektiven militärischen Leistung, auf die man, ihrer Meinung nach, durchaus stolz sein könne, und der moralischen Bewertung der sich zum Teil aus diesen ergebenden Verbrechen. Damals hab ichs nicht verstanden. Heut würde ich dieser Sichtweise zustimmen.
 
Herje, die Moral!

Ich habe versucht, aufmerksam die langen und schönen Beiträge von kwschaefer und jschmidt zu lesen und zu verstehen.

Bei einer moralischen Bewertung wie Robert Craven sie gern einfordern würde, bliebe mir so manches "Ja aber...", welches jschmidt bewusst ausließ.
Zuallererst will ich gern ganz frank und frei zugeben, dass ich sicherlich in meinen Themen und Ausführungen nicht frei jeglicher moralischer Bewertung oder Bewertung überhaupt bin. Die Herkunft derselben hat kwschaefer und sehr plastisch D'Argens im Zeitalter der Aufklärung verdeutlicht. Natürlich bemühe ich mich selbst die "moralische Keule" so klein wie möglich zu halten, aber ohne die Meinung/Bewertung in den eigenen Beiträgen, würde man sich Zitate oder Fakten anderer Natur pur um die Ohren hauen und das wäre sicherlich auch ermüdend zu lesen.

Eine sehr philosphische Frage wäre, was ist die Moral? Hat nicht jeder seine eigene Moral? Hat sich die Gesellschaft denn auf einen moralischen Kanon geeinigt? Wie soll die Moral eine Messlatte sein, mit der jeder etwas anfangen kann, wenn jeder etwas anderes unter moralisch wertvoll oder nicht auffässt?
Eine ähnliche Diskussion wie diese hier finden wir auch immer wieder unter Historikern. (Ich denke gerade an Czoks Vorwürfe gegenüber Blaschke in seinem Vorwort zu "August der Starke und seine Zeit".)

Ich nehme an, es kommt für unser Forum hier auf das Augenmaß an. Es nützt niemanden wenn man endlose Diskussionen lostritt, ob nun Louis XIV mit dem Spanischen Erbfolgekrieg moralisch einwandfrei oder im Gegenteil verwerflich handelte und man damit einen im Anfang anders in der Fragestellung ausgerichteten Thread OT weiterführt...
 
Die konnten sehr gut trennen zwischen der objektiven militärischen Leistung, auf die man, ihrer Meinung nach, durchaus stolz sein könne, und der moralischen Bewertung der sich zum Teil aus diesen ergebenden Verbrechen.

Hier genügt es wohl auf das Urteil des Verfassungsgerichtes zu verweisen, welches jschmidt beschrieb. Wenn selbst die Soldaten der Wehrmacht nicht zwischen Kampfbefehl und Mordauftrag unterscheiden konnten, so sollten wir das auch nicht tun.

Im Übrigen finde ich es sehr verwunderlich, dass weiter mit dem falsch verstandenen Ausdruck "Moral" herumgedoktert wird. Moral ist gerade nichts subjektives! Ebensowenig, wie ein Gesetz subjektiv zu verstehen ist.

Ich habe mein Anliegen, denke ich, schon oben genauer und unmissverständlicher präzesiert - möchte es aber noch einmal versuchen. Es geht bei der Wertung historischer Ereignisse um eine Sensibilität. Eine Sensibilität, bezüglich der Worte, die man gebraucht und eine Sensibilität bezüglich der Perspektive, die man wählt.

Um das anschaulicher zu machen:
Unsensibel ist es in meinen Augen das militärische Handeln der Wehrmacht zu bewundern - diese Perspektive klammert scheuklappenartig die Verbrechen der Wehrmacht und die Verbrechen im Rücken der Wehrmacht aus. Erwähnt man jedoch die Verbrechen, so ist es legitim auch die "Leistungen" der Wehrmacht zu erwähnen. Etwa die Logistik. Die Perspektive ist dadurch erweitert und wird der Ambivalenz der Historie gerecht.

Außerdem gebietet die Sensibilität eine Wortwahl, die sachlich und nüchtern bleibt und darum bemüht ist dieser Ambivalenz gerecht zu werden. Unsensibel ist es etwa von "Meisterleistungen" der Wehrmacht zu sprechen, oder gar auf deren Leistungen "stolz" zu sein. Hiermit wird nicht nur eine positiv belegte Wertung vorgenommen, sondern auch das Handeln der Wehrmacht als Ganzes (inkl. der Verbrechen) gefasst.

Diese Sensibilität gebietet die Moral - als Verstandesgesetz, dem unabhängig von Alter, Kultur und Religion jeder vernunftbegabte Mensch zustimmen müsste.
 
@Robert: Moral ist gerade nichts subjektives!
Das sehe ich anders. Moralvorstellungen sind keineswegs universell, endgültig oder gar uns in die Wiege gelegt. Sie sind das Ergebnis eines langen, schmerzhaften Prozesses beginnend bei den 10 Geboten bis hin zu den aktuellen eurozentrisch geprägten Menschenrechtsdiskussionen.
Ich will damit den Begriff nicht kleinreden, aber aber ein objektives Maß aller Dinge ist Moral eben nicht. Andere Völker, andere Zeiten - andere Sitten.

Ebensowenig, wie ein Gesetz subjektiv zu verstehen ist.
Dann frage ich mich, woher die Heerscharen von Juristen ihre Existenzberechtigung ableiten. :fs:
 
Zuletzt bearbeitet:
Geschichte moralisch bewerten zu wollen scheitert doch alleine schon daran.

Es zählt zu den ersten Geboten eines modernen Historikers, Menschen aus ihrer Zeit heraus zu beurteilen und keine heutigen moralischen Maßstäbe anzulegen. Historische Prozesse müssen objektiv und vorurteilslos analysiert werden, da man nur so zu einem angemessenen Urteil gelangt.

Das gilt besonders für Epochen, die zeitlich so weit entfernt sind, dass man sich tief in die Menschen und ihr Weltbild hineinversetzen muss, um Beweggründe und Taten beurteilen zu können. Antike und Mittelalter seien hier genannt, die mit heutigen moralischen Maßstäben kaum zu fassen sind.

Das Prinzip gilt aber ebenso für die Neuzeit, denn Moral und objektive Bewertungen sind zwei verschiedene Dinge. So kann ich z.B. die Meinung vertreten, dass Hitler die Westmächte in unglaublich geschickter Art und Weise getäuscht und gegeneinander ausgespielt hat. Das bedeutet jedoch längst nicht, dass ich seine Ziele und Vorgehensweise billige.

Also: Moral und Geschichte verträgt sich wenig. Richard Wagner war erklärter Antisemit und ein ziemlich übler noch dazu. Sollen seine Opern deshalb künftig nicht mehr gespielt werden?
 
...wie schön, dass mein eben noch unternommener Versuch mich zu konkretisieren und die Diskussion ein wenig von der Auslegung der "Moral" abzulenken im Sande zu verlaufen scheint.....:weinen:
 
Lieber @Robert, du hast die Wahrheit nicht allein gepachtet und der Diskussionsverlauf ergibt sich aus den Beiträgen aller.

Eigentlich sind wir doch alle einig, dass Geschichtsschreibung objektiv sein sollte. Verbrechen muss man beim Namen nennen, Leistungen würdigen. Das ist in der Praxis ein Januskopf. Deshalb sollte man nicht das eine tun und das andere auszuklammern. Ich denke, das können wir alle unterschreiben.

EDIT: Danke, @Robert, habe noch berichtigt.
 
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Eigentlich sind wir doch alle einig, dass Geschichtsschreibung objektiv sein sollte. Verbrechen muss man beim Namen nennen, Leistungen würdigen. Das ist in der Praxis ein Januskopf. Deshalb sollte man nicht das eine tun ohne das andere auszuklammern. Ich denke, das können wir alle unterschreiben.

Jo! Du meintest sicher: ... nicht das eine tun und das andere ausklammern.... ;)
 
Um das anschaulicher zu machen:
Unsensibel ist es in meinen Augen das militärische Handeln der Wehrmacht zu bewundern - diese Perspektive klammert scheuklappenartig die Verbrechen der Wehrmacht und die Verbrechen im Rücken der Wehrmacht aus.

Meine Vorrdner haben unmissverständlich klar gemacht, dass von einer "Bewunderung" militärischer Leistungen in deinem Sinne nicht die Rede sein kann.

Es muss aber möglich sein festzustellen, dass z.B. eine Armee (gleich welche) unter äußerst widrigen Umständen und gegen jede Erwartung ein bestimmtes militärisches Ziel erreicht hat. Wer solche Fakten ausblendet, kann historische Ereignisse nicht wahrheitsgetreu schildern und bewerten.

Erwähnt man jedoch die Verbrechen, so ist es legitim auch die "Leistungen" der Wehrmacht zu erwähnen. Etwa die Logistik. Die Perspektive ist dadurch erweitert und wird der Ambivalenz der Historie gerecht.

Die Verbrechen der Wehrmacht sind unbestritten, wurden längst ausführlichst diskutiert und sind allen beteiligten Usern gewiss bekannt

Unsensibel ist es etwa von "Meisterleistungen" der Wehrmacht zu sprechen, oder gar auf deren Leistungen "stolz" zu sein.

Weil die Wehrmacht für eine schlechte Sache kämpfte, muss es dennoch nicht ausgeschlossen sein, die ungeheuren Opfer an Menschenleben zu respektieren oder taktisch brillante miliärische Operationen anzuerkennen.

Dabei muss nicht in jedem Satz erneut versichert werden, dass das Nazi-Regime verbrecherisch war - das wissen alle Leser ohnehin.
 
Mir ging es ähnlich wie @jschmidt, ich wollte mich zunächst ebenfalls nicht so recht auf das Minenfeld wagen. Die interessante Diskussion hat das geändert :winke:


Da sich die hier diskutierten Werturteile allein auf die Militärgeschichte bezogen haben, rührt die Diskussion doch an der Frage, welche Stellung die Militärgeschichte innerhalb der Geschichtswissenschaft einnehmen kann.

Das wird umso brisanter, wenn ein Vorgang wie hier - Kurland, Wehrmacht - auch in der Vergangenheit durchaus instrumentalisiert worden ist (in einem Literaturbeitrag wurde zu Recht beklagt: "der späte Sieg des LANDSERS" - gemeint war die breite Wahrnehmung des Zweiten Weltkriegs).

Wenn man das Thema aus einer "rein technischen" Sicht betrachtet, also die Verwertung der Analysen und Erkenntnisse in einem Generalstabs-Lehrgang, kann man sich wohl auf die militärischen Ereignisse beschränken. Das grenzt zugleich jede Frage nach Moral aus, die spielt in dem Zusammenhang keine Rolle. Beispiele:

- in den amerikanischen und kanadischen Militärschulen wurden mW die Abwehrschlachten der Division "Großdeutschland" bei Targul Frumos im Mai 1944 (und des I. SS-Panzerkorps an der Normandiefront) als Musterbeispiele für Abwehrleistungen und den Panzerkrieg angesehen. Targul Frumos diente als Fallstudie für die Abwehr großer Panzermassen, vor dem Hintergrund des Kalten Krieges. Wenn nun hier die umstrittenen Wertungen gebracht werden, muss man das unter dieser speziellen, begrenzten Zielstellung betrachten.

Nun kann man die Frage stellen: bleiben solche Wertungen problemlos, wenn sie eben nicht den handwerklichen Fragestellungen dienen, sondern eher hobbymäßiger militärgeschichtlicher betrachtung? Hier beginnt schon die Grauzone.

Eindeutig wird das Bild, wenn man sich dem Thema aus anderem und umfassenden Blickwinkel nähert: die Rolle der Wehrmacht im Dritten Reich, und das ist eben mehr als strategische Kartenanalyse und logistische Statistiken. Auch solche Abwehrleistungen gehören dann in den Kontext einer Militärführung, die bis zur Besetzung ihres Hauptquartiers und in die größte militärische und menschliche Katastrophe hinein Befehle befolgt und daneben auch agiert hat. Solche "Abwehrleistungen", eben noch Gegenstand vielleicht handwerklicher, vielleicht auch hobbymäßiger Beschäftigung, geraten in einen weiteren Kontext, der dann eben andere Bewertungsmaßstäbe mit sich bringt. (Ganz nebenbei: was ist mit einem Schörner in Kurland, der in einem verlorenen Krieg exekutieren und unmenschlich führen läßt und führt, um solche Abwehrleistungen "für seine Brillianten" zu erzielen)

Ob nun professionell oder hobbymäßig: ich glaube, in diesem Forum ist klar, aus welchem Blickwinkel ein konkretes Urteil abgegeben wird, ein (im engeren Blickwinkel) abgegebenes Werturteil zu einem militärischen Ereignis sollte nicht gegen den Strich gebürstet auf eine andere - gar nicht angesprochene - Ebene gehoben werden. Die politische/historische Betrachtung der militärgeschichtlichen Ereignisse sollte dies respektieren. Damit wird imho auch nicht ein weitergehendes moralisches Urteil in Frage gestellt.

Allerdings sollte man ebenso angesichts der Vorgeschichte der Wahrnehmung der Wehrmacht (in der Nachkriegszeit) dafür Verständnis haben, dass sensibel reagiert wird, wenn die militärgeschichtlichen Betrachtungen etwa faszinierend wirken könnten - und das ist leider wohl nicht selten der Fall, siehe das heutige Interesse an Militaria und Waffen-SS, wenn jeglicher Rahmen der historischen Vorgänge ausgeblendet wird. Diese Sensibilität ist mir gut verständlich, ich halte sie für sehr berechtigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Repo
6 Schlachten von Oktober 1944 bis März 1945 sprechen eigentlich eine deutliche Sprache.
Schon der Rückzug der gesamten Heeresgruppe Nord, nach dem Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte, über das Nadelöhr Riga, fast ohne Verluste, ist eine Muster dt. Generalstabsarbeit.
Es wurde auch eine ganz erhebliche Menge an russ. Truppen gebunden, das 6-10fache der deutschen.

rsorgung und Nachschub über die Ostsee war übrigens (Oktober 1944-April1945!)ebenfalls eine logistische Meisterleistung!

Da meine beiden obigen Aussprüche zum Auslöser dieser Diskussion wurden, möchte ich mich hier doch noch kurz äußern.

Vielleicht sind meine Äußerungen tatsächlich im Kontext etwas unglücklich. Ich verfüge über private Aufzeichnungen die sich mit Teilen der Vorgänge um die Heeresgruppe Kurland beschäftigen, entstanden ca. 1950. Die benutzten Ausdrücke entsprechen teilweise nicht mehr den heute üblichen, es "steckt aber vermutlich etwas an," wenn man diese Aufzeichnungen zuvor liest.

Die erbrachten Leistungen logistischer Art faszinieren mich aber sehr.
Davon rücke ich auch nicht ab.

Die Moral kann in der Beurteilung solcher Ereignisse lediglich für die einzelner individueller Verbrechen, die es sicher gegeben hat, herangezogen werden, aber niemals darüber hinaus.


Noch ein Beispiel, aus der selben Zeit, aus der selben Gegend, weitgehend dieselben Handelnden betreffend:

Die Heeresgruppe Nord hat im Spätsommer 1944 überall Erntekommandos aufgestellt, da die Einbringung der Ernte existenziell für die Versorgung der Heeresgruppe im kommenden Winter war.
Mit anderen Worten: Die nachstoßende Rote Armee fand vermutlich keinen Halm mehr. Aber die ansässige Zivilbevölkerung auch nicht.

Und? Wie ist das moralisch zu werten?
 
Und? Wie ist das moralisch zu werten?

Das würde ich in Anbetracht der Umstände nicht als Kriegsverbrechen auffassen, vorausgesetzt es war überlebensnotwendig. Auch die Moral :haue:hätte mit dieser spezifischen Handlung (Mundraub in größerem Ausmaß) kein Problem. Sie hätte ein Problem mit den Ursachen, die zu dieser Situation führten. Aber so möchte ich die Moral historisch nicht gebrauchen. Das hat wirklich nichts mit Geschichtsschreibung zu tun. Mir ging es um die nun eingelöste Sensibilität, bei der rückwärtigen Betrachtung dieser Ereignisse.
 
Zustimmung zu Deinem Beitrag, den ich zuvor noch nicht gelesen hatte.
Die von mir gewählten Ausdrücke, die ich sonst an mir auch nicht kenne:red:, sind wirklich unglücklich.

(Ganz nebenbei: was ist mit einem Schörner in Kurland, der in einem verlorenen Krieg exekutieren und unmenschlich führen läßt und führt, um solche Abwehrleistungen "für seine Brillianten" zu erzielen)

OT: Es klingt mir noch in den Ohren: "Man kann gegen Schörner sagen was man will, ihm verdanke ich mein Leben." Und das trotz Kenntnis seiner feigen Flucht 1945.

Schörner hat übrigens im 1. WK den Pour le Mérite bekommen. Für den selben Berg wie Rommel. Schörner sofort, Rommel musste darum streiten.
 
@Repo, ich kann das ja voll verstehen, was dein Vater erzählte und dass er froh über sein Überleben war. Dabei ist heute allgemein bekannt, was für ein Verbrecher und Riesena...loch Feldmarschall Schörner bei aller Befähigung als Truppenführer war.
Aber sorry, das erinnert mich irgendwie an dieses berühmt-berüchtigte Foto...
 

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@Repo, ich kann das ja voll verstehen, was dein Vater erzählte. Dabei ist heute allgemein bekannt, was für ein Verbrecher und Riesena...loch Feldmarschall Schörner, bei aller Befähigung als Truppenführer war.
Aber sorry, das erinnert mich irgendwie an dieses bekannte Foto.


Tja, einem Vetter von mir, bis vor ein paar Jahren Richter an einem Oberlandesgericht, hat der "Führer" irgendwann mal das "Bäckchen" getätschelt, hat er sich ein paar Tage immer "drumrum" gewaschen.

Die Faszination muss gewaltig gewesen sein.
Können wir heute nicht mehr nachvollziehen, und auch nicht werten.
 
Hier genügt es wohl auf das Urteil des Verfassungsgerichtes zu verweisen, welches jschmidt beschrieb. Wenn selbst die Soldaten der Wehrmacht nicht zwischen Kampfbefehl und Mordauftrag unterscheiden konnten, so sollten wir das auch nicht tun.

Im Übrigen finde ich es sehr verwunderlich, dass weiter mit dem falsch verstandenen Ausdruck "Moral" herumgedoktert wird. Moral ist gerade nichts subjektives! Ebensowenig, wie ein Gesetz subjektiv zu verstehen ist.

Ich habe mein Anliegen, denke ich, schon oben genauer und unmissverständlicher präzesiert - möchte es aber noch einmal versuchen. Es geht bei der Wertung historischer Ereignisse um eine Sensibilität. Eine Sensibilität, bezüglich der Worte, die man gebraucht und eine Sensibilität bezüglich der Perspektive, die man wählt.

Um das anschaulicher zu machen:
Unsensibel ist es in meinen Augen das militärische Handeln der Wehrmacht zu bewundern - diese Perspektive klammert scheuklappenartig die Verbrechen der Wehrmacht und die Verbrechen im Rücken der Wehrmacht aus. Erwähnt man jedoch die Verbrechen, so ist es legitim auch die "Leistungen" der Wehrmacht zu erwähnen. Etwa die Logistik. Die Perspektive ist dadurch erweitert und wird der Ambivalenz der Historie gerecht.

Außerdem gebietet die Sensibilität eine Wortwahl, die sachlich und nüchtern bleibt und darum bemüht ist dieser Ambivalenz gerecht zu werden. Unsensibel ist es etwa von "Meisterleistungen" der Wehrmacht zu sprechen, oder gar auf deren Leistungen "stolz" zu sein. Hiermit wird nicht nur eine positiv belegte Wertung vorgenommen, sondern auch das Handeln der Wehrmacht als Ganzes (inkl. der Verbrechen) gefasst.

Diese Sensibilität gebietet die Moral - als Verstandesgesetz, dem unabhängig von Alter, Kultur und Religion jeder vernunftbegabte Mensch zustimmen müsste.


jschmidt und kW Schäfer haben bereits darauf verwiesen, dass historische Objektivität eine Fiktion ist. Leistungen als solche sind moralisch neutral, ob sie dem Guten oder Bösen dienen ändert also nichts an der Qualität der Leistungen. Zur Frage hatten wir hier im Forum schon einige gut durchdachte Beiträge bei Diskussionen zu "historischer Größe" gegeben. Die Annahme, dass Moral eine feste angenommene Größe ist, die gerade nicht subjektiv ist und für alle Zeiten gilt, muss zwangsläufig zu Fehlurteilen führen, wenn man sich mit der römischen Gladiatur beschäftigt und diese Kämpfe auf Leben und Tod einzig unter dem Aspekt ihrer moralischen Verwerflichkeit beurteilt. Denn das, was vielen modernen betrachtern geradezu als Perversion erscheint, galt den Römern sozusagen als Inbegriff der "romanitas".

Wie wir wissen, kosteten die Kriege Friedrich II. zahllose Menschenleben, und in seiner manchmal recht offenen art gab der Preußenkönig zu, dass er den 1. Schlesischen Krieg nur aus Gier nach Ruhm vom Zaun gebrochen habe. Petersburg wurde buchstäblich auf Gebeinen errichtet, ebenso wie beim Bau von Versailles Tausende von Arbeitern ums Leben kamen, wie im Kolosseum Hunderttausende gestorben wurden. Es ist durchaus ehrenhaft, sich einmal die Kosten historischer Größe vor Augen zu führen, und noch niemals gab es irgendeine Größe der Geschichte, der nicht nicht irgendwann die Finger dreckig machte.



Ähnliches gilt auch für die Institution der Sklaverei, und kürzlich gab es im Forum eine ganz interessante Diskussion um Sklaverei und Leibeigenschaft. Sie hatte aber auch einige recht wirre Beiträge, deren Schwäche nicht zuletzt im moralisierenden Anspruch lag. Oft genug wurden dabei Äpfel mit Birnen verglichen und der historischen Objektivität war das nicht gerade sehr zuträglich.


Ich denke, im GF besteht durchaus eine Bereitschaft, die Wehrmacht überaus kritisch zu beurteilen. Dass die Wehrmacht einen Vernichtungskrieg entgegen aller Konventionen geführt hat, dass zahlreiche Kriegsverbrechen verübt wurden, dass der Hungertod von Millionen Zivilisten und Kriegsgefangenen zumindest billigend in Kauf genommen wurde und die Wehrmacht bürokratische und materielle Hilfe beim Holocaust geleistet hat wird von den meisten Geschichtsforianern sicher nicht bestritten. Respekt vor militärischen oder logistischen Leistungen der Wehrmacht zu haben, bzw. diese zu würdigen, muss ja durchaus nicht bedeuten, dass damit Verbrechen der Wehrmacht ausgeblendet oder glorifiziert werden
 
Hier genügt es wohl auf das Urteil des Verfassungsgerichtes zu verweisen, welches jschmidt beschrieb. Wenn selbst die Soldaten der Wehrmacht nicht zwischen Kampfbefehl und Mordauftrag unterscheiden konnten, so sollten wir das auch nicht tun.

Doch sollten wir, das Verfassungsgericht wertet nämlich. Wir sollten das nicht.

Im Übrigen finde ich es sehr verwunderlich, dass weiter mit dem falsch verstandenen Ausdruck "Moral" herumgedoktert wird. Moral ist gerade nichts subjektives! Ebensowenig, wie ein Gesetz subjektiv zu verstehen ist.

Moral ist Subjektiv - genauso wie Gesetze im Übrigen sehr subjektiv zu verstehen sind. Ein Deutscher hat andere Moralvorstellungen als ein Chinese, Palästinenser oder gar ein Franzose. Selbst innerhalb Deutschlands gibt es verschiedene Moralvorstellungen. Wie kann man da behaupten Moral wäre etwas subjektives? Moral ergibt sich, wie auch Ethik, immer aus der Kulturgeschichte und dem momentan herrschenden Zeitgeist.

Ich habe mein Anliegen, denke ich, schon oben genauer und unmissverständlicher präzesiert - möchte es aber noch einmal versuchen. Es geht bei der Wertung historischer Ereignisse um eine Sensibilität. Eine Sensibilität, bezüglich der Worte, die man gebraucht und eine Sensibilität bezüglich der Perspektive, die man wählt.

Um das anschaulicher zu machen:
Unsensibel ist es in meinen Augen das militärische Handeln der Wehrmacht zu bewundern - diese Perspektive klammert scheuklappenartig die Verbrechen der Wehrmacht und die Verbrechen im Rücken der Wehrmacht aus. Erwähnt man jedoch die Verbrechen, so ist es legitim auch die "Leistungen" der Wehrmacht zu erwähnen. Etwa die Logistik. Die Perspektive ist dadurch erweitert und wird der Ambivalenz der Historie gerecht.

Wieso ist das unsensibel? Man betrachtet die Fakten. Und das militärische Handeln der Wehrmacht war zum Teil vorbildhaft - wie bereits erwähnt wurde/wird es von anderen Nationen zur Ausbildung verwendet. Das sind Fakten. Da ist keine Wertung drin. Natürlich darf man die Verbrechen nicht vergessen an denen die Wehrmacht beteiligt war, aber wenn man die Wehrmacht historisch betrachtet darf da durchaus unterschieden werden.

Außerdem gebietet die Sensibilität eine Wortwahl, die sachlich und nüchtern bleibt und darum bemüht ist dieser Ambivalenz gerecht zu werden. Unsensibel ist es etwa von "Meisterleistungen" der Wehrmacht zu sprechen, oder gar auf deren Leistungen "stolz" zu sein. Hiermit wird nicht nur eine positiv belegte Wertung vorgenommen, sondern auch das Handeln der Wehrmacht als Ganzes (inkl. der Verbrechen) gefasst.

Meisterleistungen ist nicht unsensibel, denn man kann ein gewisses militärisches Handeln welches offensichtlich aussergewöhnlich war durchaus Meisterleistung nennen und damit sachlich sein. "Stolz" wäre in der tat wertend was hier nicht gewünscht ist, war aber ein Zitat eines US-Soldaten und somit war das auch keine Wertung sondern "nüchtern". Und nein weder bei dem einen noch bei dem anderen wird das Handeln der Wehrmacht als ganzes erfasst. Du scheinst der einzige zu sein, der nicht in der Lage ist das zu trennen.


Diese Sensibilität gebietet die Moral - als Verstandesgesetz, dem unabhängig von Alter, Kultur und Religion jeder vernunftbegabte Mensch zustimmen müsste.

Diese Sensibilität ist unserem Zeitgeist geschuldet und damit sicherlich weder ein Verstandesgesetz noch unabhängig von Alter, Kultur oder Religion - auch wenn du es hier gerne dogmatisieren würdest. Diese "Sensibilität" würde ich auch gerne als Konfliktunfähigkeit bezeichnen. Denn anstatt sich mit einem Thema auseinanderzusetzen wird versucht bei der Handhabung des Themas ja nur niemandem auf den Schlips zu treten und sich "politisch korrekt" zu verhalten. Egal ob das nun der Sache gerecht wird oder nicht. Zeitgeist halt, ist (leider) überall in unserer Gesellschaft so. Nur niemandem auf den Schlips treten, immer um ein Problem rumarbeiten anstatt sich mit ihm auseinanderzusetzen und nicht mehr in der Lage sein einen Konflikt auszutregen ist heutzutage die Devise.
 
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