Wie genieße ich als römischer Gourmet?

Strabon erwähnt in seiner Beschreibung des diesseitigen Galliens (Norditalien) (Strab 5,1,12):
"Des Weines Überfluss aber beurkunden die Fässer, welche hölzern sind, und größer als Häuser; viel trägt auch des Peches Menge zu seiner Wohlfeilheit bei." Anscheinend erwähnt werden Holzfässer für Wein bei Plinius nat 14,132. In de Nordwestprovinzen wird Wein in keltisch-germanischer Tradition in Holzfässern verhandelt. Bei der Untersuchung in England gefundener Holzfässer stellte man fest, dass diese überwiegend aus Weißtanne, Lärche oder Fichte hergestellt wurden (nur zwei der gefundenen Fässer waren aus"einheimischer" Eiche). Nach den auf Faßböden eingekritzelten Graffiti keltischer Namen in Britannien und Germanien wird die Herkunft des Weins aus Südgallien angenommen.
Hopf, Bemerkungen zu römerzeitlichen Fässern, S. 213; Küster (Küster, Hansjörg: Weizen, Pfeffer, Tannenholz.
Botanische Untersuchungen zur Verbreitung von Handelsgütern in römischer Zeit, in: MBAH XIV,2 (1995).
Galsterer, Brigitte: Stempel und Graffiti auf Holzfässern aus Oberaden, in: Kühlhorn, Johann-Sebastian, Das Römerlager in Oberaden III, Münster, 1992.
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Da die Römer wussten, was gut ist und auch recht findig Innovationen anderer Kulturen aufgenommen haben, dürften sie darauf gekommen sein, dass Holz bessere Aromen bewahrt, als Keramik. Fragt sich bloß wann

Es könnte sich auch die Frage stellen, ob die römische Offenheit zur Übernahme von Innovationen beim Wein vielleicht mit ihrer Traditionspflege “kollidierte“?
Ich habe keine Ahnung wie sich das bei Strabon erwähnte Pech auf den Geschmack ausgewirkt hat, speichelflussfördernd wirkt diese Vorstellung bei mir erst mal nicht.
Angesichts all dessen was die Römer ihren Weinen beim Konsum beimischten (Honig, Gewürze, Kräuter, Harze, etc.) könnten feine aromagebende Noten (Tannine) die die Lagerung bzw. der Ausbau von Wein in (Eichen-)Fässern hervorbringt vielleicht nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben.
Columella scheint allerdings ein Befürworter unverfälschten Genusses gewesen zu sein.
Weinverbessung in der römischen Antike

So könnte der “Siegeszug“ des Fasses eventuell mehr auf robusten Pragmatismus beim Transport, weniger zerbrechlich als Amphoren, zurückzuführen sein. Ohne konkrete Belege nennen zu können, bin ich wiederholt nur auf Aussagen gestoßen, dass sich das Fass während der hohen Kaiserzeit gegenüber der Amphore durchgesetzt haben soll, nicht nur in nördlichen Provinzen, wo das Küferhandwerk schon einheimische Tradition hatte. Das Neumagener Weinschiff aus dem dritten Jahrhundert würde sich da gut einfügen. Einige weitere Darstellungen wie archäologische Funde hier:
Weintransport in der römischen Antike

Auch auf der Trajanssäule gibt es Szenen zu den Daker-Kriegen auf der eindeutig Fässer zu erkennen sind. Über deren Inhalt kann natürlich nur spekuliert werden, wie wohl auch bei manch anderer antiken Darstellung von Fässern.
Monumentbrowser zur Trajanssäule

Trotz lobender Erwähnung besonderer Reben wie Jahrgänge die noch Jahre später die Gaumen erfreuen konnten, scheint die Weinlagerung recht diffizil gewesen zu sein, was zeitnahes Konsumieren ratsam machte, sofern man nicht auf “Essig“ stand.
Weinlagerung in der römischen Antike, alter Wein der Römer

Edit und OT:
Die Bezeichnung “Barrique“ geht ursprünglich auf eine südfranzösische Maßeinheit von Fässern zurück, und erfährt erst später eine Bedeutungserweiterung zu Veredlung von Weinen und Spirituosen. Dass sich “Barrikade“ davon ableitet war mir jedoch neu.
Barrique – Wikipedia
Barrikade – Wikipedia
 
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Leider ist Holz nicht reaktionär genug sondern allzu vergänglich...
Wer weiß, vielleicht bestand einst so manche Wallkrone römischer Marschlager aus Dauben (quasi dem Vorläufer der Barrikade), sobald ein findiger Legat heraus gefunden hatte, dass die contubernia weitaus motivierter waren, wenn das Muli anstatt der Schanzpfähle ein Weinfass auf dem Rücken hatte... sozusagen: “duobus in unum“.
Aus irgendeinem Grund muss ich gerade an Galeottos Zeichenkünste denken... ;o)
 
In der Tat wurden Fässer von den Römern gerne mal im Bau weiterverwendet (in späteren Zeiten im Übrigen auch), wobei weniger bei Befestigungen als viel mehr bei Brunnen. Es gibt diverse Brunnen, die aus ineinandergesteckten Fässern bestanden.
 
Und sie wurden schon “früh“ dafür verwendet. Das Lager Oberaden fällt mir dazu ein, ebenso ein Brunnen in Markt Pilsing, wie auch Waldgirmes. Der Pferdekopf der Reiterstatue wurde in einem Weinfass am Fuße eines Brunnens gefunden. Diesem Fass (oder einem weiteren) wurde als Herkunftsort die Provence zugeordnet.
Bleibt jedoch die Frage offen, ob es sich bei deren jeweiligem Inhalt um Fusel oder edle und durch die Fasslagerung besonders gourmethafte Tropfen gehandelt haben könnte.
 
Nur: die Fässer aus Gallien waren wohl meist aus Weißtanne und Lärche, Weißtanne wurde wohl auch bevorzugt wegen seiner fehlenden Harzkanäle; wodurch das Faß weniger den Weingeschmack veränderte. Aber grundsätzlich wurden Fässer in den Norwestprovinzen bevorzugt, weil sie leichter waren (Eigengewicht zu Frachtgut), weniger leicht zerbrochen sind, und sich auch rollen lassen - also wegen effektiverem Transport, nicht, weil die Lagerung einen geschmacklichen barrique-Effekt hatte. (Manche halten den barrique-Hype auch für eine Modeerscheinung des 20.Jahrhunderts). Die Autorin nachfolgenden französischen Textes sieht Hinweise, dass die Allobroger (bei Lyon, entlang der Rhone) für die Verwendung von Fässern zur Belieferung der Nordwestprovinzen im 1.Jahrhundert n.Chr. verantwortlich sind.
Le tonneau en Gaule romaine - Persée Die Nähe zum Alpenraum und deren Beständen von Weißtanne und Lärche können auch dafür sprechen. Sie erfasst alle bis 2001 gefundenen Fässer in den Norwestprovinzen (Britannien, Belgica, Germania), auch die Oberradener.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da just im Garten reife Pflaumen und Zwetschgen die Äste bis zum Boden biegen und u.a. zu Mus wie Marmelade verarbeitet werden wollen, bin ich im Wiki-Artikel zu “Marmelade“ (leider ohne Quellenbeleg) auf folgendes gestoßen:
1937 seien bei Ausgrabungen in Italien römische Tongefäße gefunden worden, die Reste von Zwetschgenmus in Verbindung mit Zuckerrohr enthalten hätten.

Seneca (Epist. 84) berichtet, es solle in Indien an Schilf eine Art Honig zu finden sein.
Plinius schreibt, dass aus Indien ein aus Rohr gewonnenes Sakcharon käme, von weißer Farbe, das zwischen den Zähnen zerbrechlich sei, höchstens von der Größe einer Haselnuss, und dass dieses nur in Arzneien Verwendung findet (NH XII, 17).
Ähnliches findet sich bei Dioskuridis, der Sakcharon als eine Art aus Schilfrohr gewonnenen Honigs beschreibt, mit wohltuender Wirkung für Magen und Darm, hilfreich bei Nierenleiden wie in Pulverform bei Trübungen der Augen (De materia medica I, 130).

Wenn es sich dabei um Rohrzucker handelt, fände ich es etwas verwunderlich, wenn diese Substanz nur als Arznei Verwendung gefunden hätte, ein bisschen Schleckermaul-Mentalität sollte den Römern zuzutrauen sein. Wenn wohl auch nur für jene mit großer Sesterzentruhe, denn billig dürfte dieser Schilfhonig wohl kaum gewesen sein.
Beim ersten Bemühen von Googelus konnte ich leider nichts zu dieser Zwetschgenmus-Ausgrabung finden.
 
Zuckerrohr war seit dem Alexanderzug bekannt, und Handelsbeziehungen mit Indien bestanden, seit die Monsunwinde bekannt waren.

Auch Honig wurde gerne als Bestandteil für Salben und Diätikum verwendet, fand aber auch weithin als Süßstoff Verwendung. Es ist unwahrscheinlich, dass Zuckerrohr und Rohrzucker alleine für Medikamente verarbeitet wurde.
Manchmal bieten Lebensmittelabteilungen Zuckerrohrstangen als Süßware an, in der Regel zu einem stattlichen Preis, wenn man bedenkt, dass Zuckerrohr in Herkunftsländern spottbilig ist. Der überhöhte Preis für Rohrzucker im Vergleich zu Rübenzucker liegt an Schutzzöllen die die heimische Zuckerindustrie fördert.

in der frühen Neuzeit war Zucker enorm teuer, und dass Europa auf die Zuckerrübe kam, war indirekt auf die Kontinentalsperre zurückzuführen.

Im antiken Rom war raffinierter Zucker noch unbekannt. Zucker ließ sich nur aus eingetrocknetem Zuckerrohrsaft gewinnen, oder man konnte Zuckerrohr kauen, wie es noch heute in Ländern üblich ist, die Zuckerrohr anbauen. Dass römische Gourmets Zuckerrohrstangen als Snack kauten, ist wahrscheinlich, Zuckerrohrstengel verderben aber leicht.
 
Meines Wissens wurde Zucker erst im 6ten Jahrhundert von den Persern in Form von Kegeln ins römische Reich gebracht. Vorher wussten angeblich selbst die Inder nicht, wie man aus Zuckerrohrsirup Zucker macht.

Was Seneca da beschreibt, hört sich aber schon nach Zucker an. Könnte aber auch Was Anderes sein.
 
Meines Wissens wurde Zucker erst im 6ten Jahrhundert von den Persern in Form von Kegeln ins römische Reich gebracht. Vorher wussten angeblich selbst die Inder nicht, wie man aus Zuckerrohrsirup Zucker macht.

Das ist wohl der Punkt mit der Zucker-Raffination. Wundert mich eigentlich nicht. Zuckerrohrsirup dürfte doch alleine von der Konsistenz her dem bekannten Honig viel ähnlicher sein als kegelförmige (oder gekörnte) Zuckerraffinade.
 
Vor ein paar Tagen publizierten zwei Forscher über ihre Erkenntnisse zum Thema Wein in Rom.
Making wine in earthenware vessels: a comparative approach to Roman vinification | Antiquity | Cambridge Core

Sie gehen davon aus, dass der römische Wein eher nicht gefiltert wurde und darum eine Mazeration stattfinden konnte und Weine in all den für Wein möglichen Farben hergestellt wurden.

Sie nehmen im Weiteren an, dass die Weine "slightly spicy" und nach "toasted bread, apples, roasted walnuts and curry" geschmeckt hätten.
Da wüsste ich gerne, als was die Römer den Curry Geschmack wahr nahmen, falls sie ihn als Besonderheit festgestellt hatten.
 
Kreuzkümmel, Koriander, Nelke, Anis - was davon kannten die Römer und in welcher Mischung? (Paprika, Pepperoni kannten weder sie noch die Inder, Ingwer?).
 
Bockshornklee u. Pfeffer, letzterer zumindest der römischen Oberschicht bekannt, werden wie Kreuzkümmel u. Koriander zu grundlegend geschmacksbildenden Zutaten von Currys gezählt.
Wenn ich recht erinnere, sind bei Plinius d. Ä. auch Zimt u. Muskatnuss aufgeführt.
 
Wie genieße ich als römischer Gourmet?

Kenntnisreich vor allem, und gerne eingeladen von meinen Freunden. Mit gutem Kontakt zum Weinhändler, Kenntnis des Gemüsemarktes, gut und vertrauensvoll einkaufenden Sklaven (oder meiner huldvollen Gattin), meiner Gastfreundschaft und der meiner Gastgeber.
Ein guter Arzt als Freund, der mich vor der Völlerei und vor Gallensteinbeschwerden bewahrt.

Und fernab der Heimat? Dann mit kleinen Briefen auf dünnem Birkenholz die Freunde um Mitbringsel und Rezepte bitten.

römische Ernährung - Kräuter und Gewürze in der römischen Küche
 
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@Pardela_cenicienta in dem Link wird u.v.a. Kreuzkümmel abgebildet (aufgelistet), im Text darunter taucht er (wie etliche andere Kräuter/Gewürze) nicht auf. Kannten die Römer Kreuzkümmel oder war der ihnen unbekannt?
 
Kannten die Römer Kreuzkümmel oder war der ihnen unbekannt?
"Kreuzkümmel fand sich in 3000 bis 4000 Jahre alten Küchenresten im heutigen Syrien; auch im Alten Ägypten des zweiten Jahrtausends v. Chr. wurde das Gewürz bereits in der Küche verwendet. Im Römischen Reich war Kreuzkümmel ebenfalls als Gewürz- und Heilpflanze beliebt."
Kreuzkümmel – Wikipedia
 
Plinius erwähnt Cuminum, auch in Rezepten des Apicius tritt Kreuzkümmel öfter auf, bspw.:

"Eine scharfe Sauce: 2 Unzen (ca. 55 g) Cumin, 1 Unze (ca.
27 g) Ingwer, 1 Unze grüne Weinraute, 6 Skrupel (ca. 6,8 g) So-
da, 12 Skrupel (ca. 14 g) dicke Datteln, 1 Unze Pfeffer, 9 Unzen
(ca. 246 g) Honig. Gib Äthiopischen, Syrischen oder Libyschen
Cumin in Essig, lasse ihn trocknen und zerreibe ihn. Danach
binde ihn mit dem Honig. Wenn es nötig sein wird, verwende
es als Oxygarum."
(De re coqinaria, I 32)

und wird vom Wiesenkümmel unterschieden:

"Oxygarum, das die Verdauung fördert: 1. Eine halbe Unze
(ca. 14 g) Pfeffer, 3 Skrupel (ca. 3,4 g) gallischen Silphiums (oder
Sesels?), 6 Skrupel (ca. 6,8 g) Cardamom, 6 Skrupel Cumin,
1 Skrupel (ca. 1,1 g) Gewürzblätter, 6 Skrupel getrocknete Min-
ze. Das alles zerreibe und siebe es durch und binde es mit Ho-
nig. Wenn es nötig ist, gib Liquamen und Essig dazu. 2. Auf
andere Art: 1 Unze (ca. 27 g) Pfeffer und je eine Unze Petersilie,
Wiesenkümmel und Liebstöckel werden mit Honig gebunden.
Wenn es nötig ist, gib Liquamen und Essig dazu."
(ebda. I 34)

https://www.reclam.de/data/media/978-3-15-019383-9.pdf

Als exotische Gewürze werden hier zudem Ingwer und Cardamom benannt.
 
Waren diese Mischungen, wie Oxyporum und Oxygarum, einzigartigen Geschmackes, den man auch im Wein entdecken konnte, wenn man denn wollte oder waren das mehr Oberbegriffe für Mischungen mit gleicher Wirkung, die ganz unterschiedlich geschmeckt haben konnten?
Mich interessiert, ob überhaupt antike Beschreibungen zu einzelne Geschmacksnoten im Wein überliefert sind und ob man allenfalls dafür Namen von Gewürzmischungen benutzte.
 
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