Wie waren die Kelten bewaffnet bzw. sahen aus wenn sie in die Schlacht zogen

Wieso sind wir jetzt bei den Griechen gelandet? Aber jut... ;)

Die üblischen Darstellungen griechischer Panzer zeigen Soldaten in einer Rüstung für die es IMHO keine archäologischen Funde gibt, sie waren also nicht aus Bronze. Die Spekulation zählt 1 und 1 zusammen und macht aus dem nicht durch Funde nachweisbaren Fantasy-Panzer der hellenistischen Kunst eben eine Leinenrüstung... das ist eine zulässige Rekonstruktion.

Ich weiß nicht, welche "übliche Darstellung" Du meinst; antike Vasen oä? Da sind die oft genug nackt (wie bei den Kelten...). Oder heutige Rekonstruktionen? Da ist der Leinenpanzer die übliche Darstellung.
Wie Du darauf kommst, es gäbe keine Funde von Panzern aus Metall (meist Bronze), verstehe ich auch nicht. MWn gibt es solche Funde, sowohl Glockenpanzer als auch Muskelpanzer; ob die im einzelnen aus dem griechischen "Kernland" stammen, aus Kleinasien oder Magna Graecia, kA, spielt mE keine Rolle.

Diese Kürasse haben aber nichts mit dem Leinenpanzer zu tun (aus welchem Material der auch immer war, dazu später). Das eine ist ein starrer Metallkürass; das andere ist flach und wird angelegt, indem es "um den Leib geschlungen" und dann an einer Seite geschlossen wird. So zeigt es eine Vasenabbildung aus dem 6. Jh., wo Hopliten sich rüsten (Peter Connolly, Die griechische Armee). Einen Kürass so anzulegen ist unmöglich, und auch die Schulterteile machen bei einem Kürass eher keinen Sinn. Interessant vielleicht: Nicht angelegt war ein Leinenpanzer völlig flach, ohne jede Wölbung. So konnten die Dinger (oder auch die Teile, aus denen sie hergestellt wurden), recht platzsparend aufbewahrt werden, und es war nicht nötig, technisch irgend eine Wölbung an dem Material anzubringen.

EDIT Nach Bdaians Beitrag: ist nicht die Abbildung, aber eine recht ähnliche; definitv kein Metallkürass. EDIT Ende

Nun zu diesem: Ich bin tatsächlich skeptisch, ob die Idee der vielen übereinander geklebten Leinenschichten wirklich der Realität entspricht; es ist in jedem Fall eine Spekulation (wie auch jede andere Vermutung). Ebenso möglich wäre leinenüberzogenes Leder oder eine Kombination, oder etwas ganz anderes. Alleine der Name könnte irre führend sein. Auch ist Leinen kein billiger Werkstoff. Viele Schichten, also eine sehr große Menge davon, könnten sehr kostspielig gewesen sein.

Auf vielen Abbildungen sieht man, dass Leinenpanzer (oä) ganz oder teilweise mit Schuppen (vermutlich aus Metall) belegt sind. Interessant dabei: Die Schulterteile sind nur selten von Schuppen bedeckt (zumindest kenne ich keine einzige entsprechende Abbildung, oder Rekonstruktion). Oft bilden diese Schuppen nur einen recht schmalen Reif um den Bauch, schützen aber nicht die Brust, was auf eine besondere Gefährdung dieser Region schließen lässt. Ist auch genau die Höhe, die ein unter dem Schild vorgestoßener Spieß hätte...

Fraglos handelt es sich bei Leinenpanzer und Glockenpanzer (mit dem Muskelpanzer als Spezialfall) um zwei gänzlich verschiedene Rüstungsarten. Ich sehe keinen Grund, nicht von einem parallelen Gebrauch auszugehen. Dabei wird die metallene Variante der eher seltenere "Luxuspanzer" gewesen sein, der auch oder va der Repräsentation diente, speziell in der Schwarzenegger-Form. Die Variante für den Kleon-Normal-Hoplit wird der Leinenpanzer gewesen sein (aus welchem Material auch immer, vielleicht gab es auch da verschiedene Varianten), der dann mehr oder minder mit Schuppen oder Plättchen bedeckt war, je nach Kassenlage etc. Gleiches gilt auch für Beinschienen (es gab mE sehr schlichte Exemplare, und welche, die den Muskelpanzern vergleichbar gearbeitet waren; bzw Funde von beidem), und besonders für Helme; von schlicht bis teuer waren alle möglichen Varianten vertreten, Hauptsache der Hoplit blieb nicht ohne Helm.
Wobei: Die Leibrüstung wurde im ganzen Verlauf der Entwicklung kontinuierlich leichter. Waren anfangs nicht diverse Armschienen in Gebrauch, verzichteten die Spartaner später zT ganz auf einen Leibpanzer, und auch Isokrates reformnierte im 4. Jh. die athenischen Truppen, indem er die Peltasten (leichte Speerwerfer) schwerer, die Hopliten aber leichter machte: Kleinere Schilde, leichtere bzw weniger Rüstung, aber dafür längere Spieße. Könnte man als Vorläufer oder Vorbild für die makedonische Phalanx ansehen, was die Ausrüstung angeht.

Da es ja eigentlich um Kelten gehen sollte: Ich halte Leinenpanzer, wie die Griechen sie trugen, bei den Kelten für eher unwahrscheinlich. Wenn diese Rüstung bzw schützende Kleidung trugen, die nicht aus Metall war*, ist hier Leder das Material der Wahl. Die Viehhaltung spielte bei allen keltischen Kulturen eine recht große Rolle, so auch die Wollverarbeitung; aber Leinen? Klar werden Kelten auch Leinen gekannt und verwandt haben, aber als Schutzmaterial lag da Leder einfach näher. Bei den Griechen, bei denen die Viehwirtschaft insgesamt eine geringere Rolle spielte, die aber über eine (für damalige Verhältnisse) recht produktive Agrarwirtschaft und va über eine blühende städtische Kultur zur Verarbeitung derselben verfügt, sah das anders aus, und macht Textilpanzer mE wahrscheinlicher (wenn auch wie gesagt nicht unbedingt wahrscheinlich...).

* Allgemein gehe ich natürlich auch davon aus, dass dem so ist; also Kelten Leder nutzten, um daraus Schutzwaffen zu fertigen. Ich halte allerdings die metallenen Rüstungen und Helme für ungleich wichtiger, da gegen direkte Waffeneinwirkung des Feindes viel effektiver. Die erwiesenermaßen vorhandene hochentwickelte keltische Rüstschmiedtechnik inkl effizienter Helme und natürlich Kettenhemden werden dies mE die Dinge gewesen, auf die jeder Kelte zurückgriff, der militärische Ausrüstung benötigte, und sich welche aus Metall leisten konnte. Diejenigen, die das nciht konnten, werden über jeden Lederhelm etc froh gewesen sein; und das es solche gab, sowohl Angehörige des Kriegerstandes (jugne, wenig erfolreiche, etc), als auch in anderer Form, liegt eigentlich auch auf der Hand.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Reinecke: schau mal bei der Naturgeschichte von Plinius: er bezeichnet ganz Gallien als Leinenwebend, und beschreibt sogar die häusliche Produktion in den bekannten Grubenhäusern (den Band weiß ich gerade nicht). Zu aktuellen Funden: bei den archäobotanischen Untersuchungen zum Umfeld einer keltischen Holzbrücke in Mittelhessen (Nähe Oppidum Amöneburg / Ohmniederung) "fielen wiederholt die zahlreichen Rückstände aus der Verarbeitung der Ölpflanzen Lein und Leindotter auf. ..
Sie weisen darauf hin, dass der Anbau und die Verarbeitung von Lein und Leindotter (Raps der Eisenzeit) als Faser - und Ölpflanze eine große Rolle gespielt haben " (Archäologische Landesforschung Hessen 10 2008/2009). Angela Kreuz hat in ihrem Artikel "Landwirtschaft und Umwelt im keltischen Hessen" im Sammelband "Das Rätsel der Kelten vom Glauberg" Leinen und Leindotter als wichtige Kulturpflanze in Vor und Frühgeschichte bezeichnet, (Lein wurde als pflanzlicher Großrest in den Gräbern vom Glaubberg gefunden), und bei vier von fünf keltischen Fundstellen in Hessen gefunden.
Daher kann eine Verwendung von Leinen auch für Rüstungen nicht von den landwirtschaftlichen Voraussetzngen ausgeschlossen werden.
 
Zum Leinenpanzer allgemein ein Zitat aus einer Website "Zum Kimmererproblem" mit meiner Ansicht nach guter Zusammenfassung von ersten Erwähnungen und Quellen:
Die früheste Erwähnung eines leinenen Panzers in der griechischen Literatur findet sich in der Ilias (Hom. Il. II 529.830). Auch der um 600 v.Chr. lebende Lyriker Alkaios beschreibt einen "Panzer aus Leinen" als Bestandteil einer Hoplitenrüstung (Alk. Frg. 54 D.). Leinene Panzer werden auch von Herodot an mehreren Stellen seines Werkes erwähnt. So soll der ägyptische Pharao Amasis solche Rüstungen als Geschenke an die Spartaner bzw. an das Heiligtum der Athene in Lindos geschickt haben; diese Panzer aus Leinen sollen mit vielen eingewebten Figuren und mit goldenen und baumwollenen Einschlägen verziert gewesen sein (Hdt. III 47; vgl. II 182). Auch zur Ausrüstung der phoinikischen Schiffsbesatzungen der persischen Expeditionsflotte, die sich am Feldzug des Xerxes gegen Griechenland beteiligte, sollen nach dem Bericht Herodots derartige "leinene Panzer" gehört haben (Hdt. VII 63), ebenso wie Herodot von den Assyrern berichtet, daß sie "leinene Panzer" getragen hätten (Hdt. VII 89,1). Jedoch können berechtigte Zweifel aufkommen, ob Herodot in jedem dieser Fälle berechtigterweise von einer "Panzerung" aus Leinen ausgeht 75.
Ein schriftlicher Vertrag aus der Zeit des Dareios II., der unter anderem auch die Verpflichtung eines der Vertragspartner enthält, einen bewaffneten Reiter mitsamt Pferd zur Verfügung zu stellen, zum Gegenstand hat und die einzelnen Ausrüstungsgegenstände dieses Soldaten auflistet, erlaubt die Rekonstruktion der typischen Rüstung eines babylonischen 76 Panzerreiters (Ebeling 1952). Auffälligerweise stimmt diese Rekonstruktion mit der Beschreibung Herodots der assyrischen Teilnehmer am Griechenlandfeldzug des Xerxes bis auf das angegebene Material des Panzers überein. Diese Abweichung erklärte E. Ebeling jedoch dadurch, daß der Panzer des Reiters aus einem mit Eisenplättchen besetzten Leinenwams bestanden habe (Ebeling 1952, 208.209). E.V. Cernenko ging davon aus, daß auch die Skythen die Anregungen für ihre Schuppenpanzer - kleine Metallschuppen auf einer Lederunterlage - durch Kontakte mit dem Orient erhielten (Cernenko 1991, 131). Möglicherweise deutete auch Herodot bisweilen das leinene Unterkleid als Panzerung. Zwar scheint die Ausstattung eines etruskischen Kriegers im sogenannten "Tomba del guerriero", das in die Zeit um 700 v.Chr. datiert wird, die Verwendung von Leinenpanzern im etruskischen Bereich klar zu belegen (Alföldi 1967, 32), aber auffälligerweise fehlen in diesem in der Nähe Tarquinias ungestört aufgefundenen Grab auch weitere Defensivwaffen wie Helm und Beinschienen 77, während mit Schwert, Lanze und Streitaxt die Angriffsbewaffnung vollständig erscheint (vgl. Helbig 1905, 288-292). Folglich ist nicht auszuschließen, daß der vorgefundene "Leinenpanzer" eventuell nur als Unterkleid und Auflage der eigentlichen Panzerung diente. Bestätigung findet diese Vermutung in bildlichen Darstellungen: Auf etruskischen Tempelterrakotten der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts v.Chr. tragen die Krieger deutlich erkennbar knielange Gewänder unter ihrer Panzerung. Darstellungen von Hopliten auf in Etrurien gefundenen Gefäßen des späten sechsten und frühen fünften Jahrhunderts v.Chr. zeigen ebenfalls etwa hüftlange Unterkleider (Stary 1981, 72 Taf. 36,1). Die auf dem "Panzer" des "Tomba del guerriero" festgestellten, jedoch stark korrodierten Bronzebleche, die von der Brust über die Schulter bis zum Rücken reichten (Helbig 1905, 290), könnten der Befestigung der eigentlichen Panzerung gedient haben. Eventuell weist diese im "Tomba del guerriero", das durch die Mitgabe von zwei bronzenen Pferdetrensen zudem als Reitergrab ausgewiesen ist, beobachtete Rüstungstechnik auf eine vor allem Reitern eigene Art der Bekleidung bzw. Bewaffnung hin. Wenn Arrianus von Gewändern spricht, die den üblichen Panzern völlig entsprochen haben (Arr. takt. 34,6), so hatte er eventuell nur den Zustand beschrieben, daß bei den Reiterübungen zur Gewichtsreduzierung auf das Anlegen der eigentlichen Panzerung über der polsternden Leinenunterlage verzichtet worden ist. "


Tja, manchmal würde man sich gerne in eine Zeitmaschine setzen und einfach mal nachfragen können.... :grübel:
 
Um einen griechisch - hellenistischen Einfluss auf die Keltische Bewaffnung darzustellen, zitiere ich aus einem Text von Martin Schönfelder (RGZM): Zurück aus Griechenland! Spuren keltischer Söldner in Mitteleuropa, Germania 85, 2007: er geht Einflüssen bei der Panzerung, Helmformen, Schildern und Lanzeschuhen nach.
"An dieser Stelle soll jedoch auf weitere spezielle Aspekte jenes Rückstroms im mi
litärischen Bereich hingewiesen werden, der Mitteleuropa erreicht hat. Griechische und etruskische Bewaffnung haben ihre Spuren beispielsweise bei der Schutzpanzerung hinterlassen, man denke nur an die Leinenpanzer, die am Glauberg auf denSteinstelen und dem Figürchen auf der Schnabel- kanne aus Grab 1 abgebildet sind;insbesondere O.-H. Frey hat darauf hingewiesen. Betrachtet man die Details, so ist nicht eine einfache Adaption, sondern eine Transformation zu beobachten, wieder für die griechische Welt atypische Dekor auf den Steinstatuen sowie die auf dem Figürchen abgebildeten, überkreuzten Schulterklappen zeigen.....Um weitere Bereiche der Bewaffnung aufzuführen, sei noch auf die Diskussion um Schilde mit metallbeschlagener, spindelförmiger Mittelrippe hingewiesen. Hier steht der spindelförmige Bronzeschildbuckels aus Gualdo Tadino, Prov. Perugia, als bislang angeblich ältester Vertreter seiner Gattung für das letzte Drittel des 5. Jahrhunderts v.ªChr. zur Diskussion. Gleichwohl bleibt die Quellenbasis gerade für Italien gering – und neben hölzernen Schildbuckeln mit metallenen Schildfesseln und Ziernägeln, wie sie in der Stufe Latène A weit verbreitet sind, treten neben das Stück aus Umbrien nun auch immer mehr zeitgleiche Exemplare aus Mitteleuropa; die Stücke vom Glauberg – Original und Darstellung – und aus Bad Nauheim sind hierbei u. a. zu nennen. Damit bleibt die Richtung der Beeinflussung bis zur Vorlage neuer Funde unklar. Ein Übergewicht des Nordens ist aber zu vermuten. Jedoch zeigt sich deutlich ein anderer Traditionsstrang von Schilden ohne metallbeschlagene Mittelrippe. Bei diesen Schilden der Stufe La Tène A, die zahlreich aus der Champagne, aber auch aus dem Gebiet der Hunsrück-Eifel-Kultur und darüber hinaus, zu vermelden sind, besteht die Schildfessel mit zwei großen Nieten, die auch von außen sichtbar bleiben,aus Metall. Dieses Konzept wird allerdings in der Stufe Lt B, zumindest ab Lt B1b,nicht mehr weiter verfolgt. Ein weiterer Einfluss der hellenistischen Bewaffnung auf die keltische zeigt sich in einem späteren Zeithorizont. Zwei Eisenhelme, die unter laienhaften Bedingungen am Unterlauf der Seine in Frankreich geborgen wurden, lassen sich an den Beginn der spätlatènezeitlichen Helmentwicklung zum Typ Alésia stellen. Sie stammen aus dem Forêt de Louviers (Dép. Eure) und dem Forêt de Rouvray (Dép. Seine-Maritime). Diesen beiden Helmen ist eine sehr deutliche Fältelung der seitlichen Krempe gemeinsam, die ihren Ursprung nicht in der Entwicklung keltischer Eisenhelme hat, sondern in hellenistischen Helmen u.ªa. vom böotischen Typ, wie sie Waurick zusammengestellt hat – wenngleich deren Zahl an Originalfunden sehr gering bleibt. Auch die späte Variante des Pylos-Typs ab dem 2. Jahrhundert v.ªChr. zeigt die seitliche Fältelung. Der hellenistische Einfluss bei den beiden Stücken aus der Normandie spiegelt sich auch in den nur hier auftretenden spitz ausgezogenen Wangenklappen,wie sie sich vor allem am phrygischen Typ, allerdings häufig in einer bärtigen Form finden. Die Datierung der hellenistischen Vorbilder ist äußerst problematisch, da Originalfunde in datierten Fundzusammenhängen selten sind und die Darstellungen den breiten Datierungsrahmen vom 5.ª/ª4. bis 2. Jahrhundert v.ªChr. einnehmen. Aufgrund der Herstellung der Kalotte aus einem Stück und des markant umlaufenden Knicks, beides Charakteristika der späten, westkeltischen Eisenhelme („Typ Alésia“),wird man allerdings die Exemplare aus der Normandie eher in das zweite vorchristliche Jahrhundert stellen wollen als in das vierte, wo noch die keltischen Eisenhelme mit angesetztem Nackenschutz vorherrschten. Damit ist dieser Einfluss aus der hellenistisch-griechischen Bewaffnung nicht sofort übernommen worden. Die erwähnten Belege vom Unterlauf der Seine finden sich darüber hinaus in einer Region, für die keine bevorzugten Kontakte mit der Mittelmeerwelt überliefert sind.
.....Es existieren jedoch in der Stufe LatèneA einige Exemplare aus Mitteleuropa, die in ihrer Gestaltung Stücken aus Griechenland ähneln. Nach einem bei Homer verwendeten Begriff wird der Lanzenschuh im
griechischen Bereich als Sauroter bezeichnet. H.ªBaitinger unterteilt in seiner Aufarbeitung der Angriffswaffen aus Olympia die Saurotere in bronzene und eiserne,und diese in einzelne Typen ein.... Für mitteleuropäische Augen bemerkenswert ist ihre ungewöhnliche Größe von meist über 20ªcm,gelegentlich sogar über 40ªcm Länge. Diese Saurotere waren die Lanzenschuhe der Hoplitenlanzen und besaßen neben der obligaten Eigenschaft, eine Spitze darzustellen, um in den Boden gerammt zu werden, die Aufgabe, den Schwerpunktder Lanze nach hinten zu verlagern. In der Regel haben sie eine massive vierkantige Spitze, einen Zwischenwulst sowie eine runde Tülle. Exemplare vergleichbarer Größe sind in Mitteleuropa weitgehend unbekannt – was wohl gegen die These einer allgemeinen Adaption der mediterranen Infanterietaktik spricht. Hinzuweisen bleibt nur auf die fünf Krieger mit antiquierten Schüsselhelmen auf der Situla von Bolognaª/ªCertosa, deren gesenkt getragene Lanzen am hinteren Ende breite, fast blattförmigeLanzenschuhe tragen. Sie bilden auch im Bereich der Situlenkunst eine Ausnahme. Aus unterschiedlichen Bereichen der Latènekultur liegen nun Lanzenschuhe vor,die diesem formalen Aufbau der Spitze folgen, sich jedoch nicht an die Maße und das Gewicht der griechischen Vorbilder halten. Gleichzeitig unterscheiden sie sich von einfachen, konischen Exemplaren, die gerade beginnen, in den Kanon der Bewaffnung aufgenommen zu werden. Ein erstes Beispiel für einen Lanzenschuh nach griechischem Vorbild stammt aus einem Brandgrab in Dorna (Kr. Grimma) in Sachsen, mit einer Doppelvogelkopf-Drahtfibel der Stufe Latène A und einer Urne mit Deckschale, die dem Jastorf-Milieu entspricht; Nachweise vgl. Listeª2).Weitere derartige Lanzenschuhe stammen von der Steinsburg bei Römhild (Kr. Meiningen) in Thüringen
(Abb.ª5,5–9). Hier kann nur vermutet werden, dass sie demdort reichen Materialbestand der Stufe Latène A anzuschließen sind. Für jene Exemplare haben bereits R.ªSpehr und U.ªOsterhaus in jeweils unpublizierten universitären Arbeiten den Zusammenhang mit den griechischen Vorbildern erkannt. Die Lage beider Fundorte am Rande der Frühlatène-Kernzone verwundert, trotzdem ist anzunehmen, dass dorthin Personen zurückgekehrt sind, die in den Süden aufgebrochen waren und Kontakt mit griechischer Bewaffnung gehabt hatten. Ein Exemplar aus dem Grab 8 von Wien-Leopoldau mit einer Schnabelschuh-Bronzefibel und einer profilierten, schlecht erhaltenen Tülle sowie einer rhombischen Lanzenspitze vonnoch 24,6ªcm Länge datiert noch in Latène A. Eine Tülle aus dem Grab 30 der StufeLatène B2 von Holubice in Mähren wurde zusammen mit einer auffallend großen Lanzenspitze gefunden, deren kurze (ca.ª6ªcm) und mit zwei verzierten Bronzenieten versehene Tülle bei einer Gesamtlänge von 57ªcm auf eine besondere Funktion der Waffe hinweist. Mit diesem Stück sowie einem Exemplar aus Kosd in Ungarn ist der klassische Zeithorizont der keltischen Expansion und des Söldnertums erreicht. Auch der Fundort entspricht dem Gebiet, für das wir intensive Kontakte mit dem Mittelmeergebiet vermuten. Grabfunde der Stufe Latène A aus der Champagne, ausMairyª/ªSogny-aux-Moulin (Abb.ª6,1), Suippes (beide Dép. Marne) und Bucy-le-Long(Dép. Aisne), erstaunen ebenfalls nicht, ist dies doch eine Region, die als Ausgangspunkt für bestimmte Abschnitte der keltischen Wanderungen zumindest in das westliche Mittelmeergebiet gilt.Von J.ªNothdurfter wurden bereits einige Lanzenschuhe aus undatierten Kontexten in Sanzeno sowie Ortiseiª/ªCol de Flam, Südtirol, in Zusammenhang mit Sauroteren gebracht, wobei jedoch von ihm nur die Exemplare vom ersten Fundort abgebildet wurden...... Es stellt sich natürlich die Frage, ob es sich bei den mitteleuropäischen Stücken überhaupt um Lanzenschuhe und nicht um Spitzen anderer Verwendung, etwa Geschossspitzen handelt, wie sie für spätere Katapultbolzen überliefert sind. DieseWaffen sind allerdings klar auf ihre Spitzen hin gearbeitet – diesen Eindruck machen hingegen die sich stetig verjüngenden Saurotere nicht, die erst am Schluss eine deutliche Spitze ausbilden. Eindeutige Kontexte der besonderen Lanzenschuhe mitzugehörigen Lanzenspitzen liegen bisher nur aus Wien und Holubice vor. Die Analogie zu den griechischen Sauroteren scheint damit überzeugend zu sein.
Die direkten Vorbilder für alle oben erwähnten Exemplare sind schwerlich aufzuzeigen, da Verbreitung und genaue Typologie beispielsweise der Exemplare aus dem etruskischen Gebiet nicht näher bekannt sind. Der überwiegende Teil der Stücke aus Griechenland – egal ob aus Bronze oder Eisen – stammt aus Heiligtümern, zuvorderst Olympia, aber auch von der Athener Agora (als Beute von den Lesbiern, evtl.gegen 428ª/ª427 v.ªChr. datiert), aus Lindos, aus der Gegend von Patras, vom Athena-tempel in Vouni (Zypern) etc. Ein in das Jahr 403 v.ªChr. datierbares, eisernes Exemplar stammt aus einem Grab der Athener Keramaikos-Nekropole – es steckte in derBrust eines (spartanischenª?) Hopliten, der bei einem historisch überlieferten Gefecht in Piräus getötet worden sein soll.
Mit den erwähnten Leinenpanzern und Lanzenschuhen ist man also Kulturkontakten im militärischen Bereich auf der Spur, die vielfach noch vor die große Zeit der Wanderungen und vor der allgemeinen Kulturausbreitung der Phase Latène B2 datieren,also einem Rückstrom von Einflüssen aus der Phase der ersten Kontakte darstellen.Diese Einflüsse sind gleichwohl nicht besonders tiefgreifend. Die Schutzbewaffnung entwickelt sich durch das Aufkommen des Kettenhemdes unabhängig von den organischen Panzerungen, die Lanzenschuhe folgen dann weiter der unscheinbaren Tüllenform ohne zusätzliche gestalterische Elemente.Weitere Bereiche der Integration hellenistischer und mediterraner Elemente in die materielle und geistige Kultur der Kelten darzustellen, würde hier zu weit führen. Es ist festzuhalten, dass trotz des offensichtlich nur geringen materiellen Rückstroms in der klassischen Zeit der Wanderungen eine Vielzahl von Entwicklungen vom Süden her angestoßen wurde, und dies auch auf dem den Kelten scheinbar ureigensten Gebiet, der Bewaffnung. Davon unberührt bleibt die zeitweise Überlegenheit keltischer Bewaffnung und Schlachtverbände und ihre Attraktivität für die Anwerbung als Söldnertruppen hellenistischer Herrscher. Vielleicht ist gerade diese Bereitschaft zur Adaption auch Bestandteil des Erfolges der keltischen Truppen gewesen, von der die Waffen nur ein äußerlich sichtbarer Teil gewesen sind und die sich sicher auch auf die Kriegsführung und -organisation erstreckt hat. "

 
Im Verlauf dieses Blogs hatte ich die Frage gestellt, wie teuer denn eine römische Bewaffnung im Milizheer des frühen Rom gewesen ist, um einen Anhaltspunkt zu haben, welche Schichten sich dies leisten konnten.
Bei Klaus Bringmann "Geschichte der römischen Republik" fand ich den Hinweis auf eine athenische Quelle aus dem 6.Jahrhundert für den Preis der Phalanxbewaffnung aus Bronzeschild - helm, Brustpanzer und Beinschienen, Schwert und Lanze, der Gegenwert in einer noch von Tauschwirtschaft geprägten Gesellschaft betrug 30 Schafe. Bringmann beschreibt diese Kosten als Ursache für Verschuldung der freien Bauern in der republikanischen Frühzeit, und die harte Schuldengesetzgebung bis in 3.Jahrhundert. Auf die keltische Gesellschaft lässt sich dies sicher nicht umstandslos übertragen,
doch wir gehen auch von einer Heeresverfassung aus, die den Kriegseinsatz auf die Phase zwischen Ernte und Wintereinsaat beschränken konnte, oder in der immer die Hälfte der Wehrfähigen eingesetzt wird bzw. die Jungmannschaften, d.h. die Erhaltung der keltische Agrarverfassung wird eine Bedingung der Heeresverfassung gewesen sein, und auch hier konnte die Selbstfinanzierung der Bewaffnung / Ausfall der Arbeitskraft in der Subsistenzwirtschaft zur Verschuldung und Abhängigkeiten geführt haben.
Die römische Republik "löste" diese Verschuldungsfalle und wirtschaftliche Belastung für die Bauern über die militärischen Erfolge im 4. und 3.Jahrhundert, die in Folge Beute und Land für die Veteranen einbrachten. Die innerrömsichen sozialen Spannungen "lösten" sich bis zur Krise nach dem 2.Punischen Krieg (2.Jahrhundert) durch außenpolitische Erfolge und innere Integration der Plebejer in die militärisch -politische Organisiation des frühen Stadtstaats.
 
Soweit ich weiß, sind die Kelten nicht nur unter einem Kriegsherren in die Schlacht gezogen, der das gesamte Heer befehligt, sondern sie hatten mehrere, die alle ihre Truppen unabhängig voneinander kommandierten. Zudem benutzten die Kelten, abgesehen von den Keltiberern, als Fernkampf lediglich Wurfspieß und Steinschleuder.:fs:
 
Fast drei Jahre später. Und dann nur, um einen Link anzuhängen.
Grund ist die längere Diskussion in diesem Blog um die "keltische" Panzerung: es wurden verschiedene Panzerungen gegeneinander abgewogen, insbesondere der Leinenpanzer stieß auf Skepsis. Das Buch von Leif Hansen zur keltischen Panzerung ist zwar von 2003, er fasst aber umfänglich den damaligen Forschungsstand und die Funde zusammen.
L. Hansen, Die Panzerung der Kelten. Eine diachrone und interkulturelle Untersuchung eisenzeitlicher Rüstungen (Kiel 2003). | Leif Hansen - Academia.edu
 
Wer Muse hat und den Text von Leif Hansen gelesen hat, wird feststellen, dass man durch direkte Funde weder Leder noch Leinen eindeutig und zwingend als organisches Panzerungsmaterial nachweisen konnte:"Anhand der wenigen Reste bzw. Anhaltspunkte Panzer aus organischen Materialien rekonstruieren zu wollen, erscheint sehr schwierig. Die Bronzescheiben oder Zierknöpfe können durchaus zu einem Panzer gehört haben, müssen es aber nicht zwingend. Ohne gut erhaltene, eindeutig zu verifizierende Panzerreste aus organischem Material bleibt dieser Themenbereich ein Forschungsdesiderat" (Seite 30).Trotzdem steht für Hansen außer Frage, "dass sowohl in der Hallstatt- als auch in der Latènezeit Bewaffnungselemente aus organischen Materialien in Gebrauch waren. Die Vergänglichkeit dieser Substanzen erschwert einen archäologischen Nachweis - folglich sind nach heutigem Forschungsstand kaum Belege zu finden"(S.29). Belegt sind die Bewaffnugselemente in erster Linie durch ikonographische Zeugnisse, von denen die Glauberger Funde sicher die bei uns bekanntesten sind. Wer im Südfrankreich einmal gallische Zeugnisse sehen will, dem sei das Musée Granet in Aix en Provence empfohlen, dort findet man eindrucksvolle latenezeitliche Steinstatuen aus dem Oppidum Entremont und von anderen Orten.
 

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