Auf dem Papier wäre ein Bündnis zwischen beiden Staaten sehr erfolgsversprechend gewesen. Großbritannien hätte durch die Royal Navy die Meere und Überseegebiete kontrolliert während das deutsche Kaiserreich mit dem Heer in Europa maßgeblich den Ton angegeben hätte. Beide Staaten konnten außerdem eine enorme Wirtschaftsleistung und technologische Fortschritte vorweisen.
Lange Rede, kurzer Sinn. Großbritannien und das deutsche Kaiserreich hätten sich zumindest theoretisch perfekt ergänzt, aber dennoch kam es nie zu einem Bündnis. Stattdessen hatte das deutsche Kaiserreich immer nach Russland geschielt. Eine Nation, die weder wirtschaftlich, noch militärisch auch nur ansatzweise mit Großbritannien mithalten konnte. Wieso kam es nie zu einem Bündnis zwischen dem UK und dem Kaiserreich wie im Sieben Jährigen Krieg zwischen Preußen und Großbritannien? Woher kam die Faszination für Russland und der Naive Glaube, dass die Royal Navy geschlagen werden konnte?
Ein (frühzeitiges) Deutsch-Britisches Bündnis hätte wegen der Dauerrivalität zwischen Großbritannien und Russland, bis zum russisch-japanischen Krieg 1904/1905 aber auch bedeutet, Russland eine Einigung mit Frankreich nahe zu legen und damit eine französisch-russische Allianz noch stärker zu provozieren.
Ein Zusammengehen mit GB hätte Deutschland mehr Möglichkeiten in Übersee geboten, daraus konnte innerhalb Europas durch eine gestärkte russisch-französische Zusammenarbeit dann aber auch Gefahr entstehen.
Ein gutes Verhältnis zu Russland bedeutete demgegenüber, dass man innerhalb Europas nicht angreifbar war, zumal so lange es geland die Interessen Österreich-Ungarns und Russlands irgendwie auszutarieren.
Der siebenjährige Krieg ist eine vollkommen andere Geschichte.
Mitte des 18. Jahrhunderts ist Frankreich mehr oder minder in einer halbhegemonialen Stellung und Großbritannien hat damals mit den Territorien des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg, dass sich damals in Personalunion mit Großbritannien befand, noch ein kontinentales Anhängsel.
Ergo suchte GB damals eine Macht, mit der sich in Europa gegen ein Frankreich paktieren ließ, das übermächtig zu werden drohte, zumal Österreich nach der neuerlichen Annäherung an Frankreich aus dieser traditionellen Rolle ausgefallen war und idealer Weise im Konfliktfall noch bei der Verteidigung der niedersächsischen Territorien mitwirken konnte.
Da bot sich Preußen nachgerade als Partner an.
Nach der Reichsgründung sieht das aber völlig anders aus. Mit der Britisch-Hannoveranischen Personalunion ist es 1838 zu Ende und danach hat Großbritannien auf dem europäischen Festland nichts mehr, was nocht verteidigt werden müsste.
Nachdem mit Deutschland ein Akteur die Bühne betreten hatte, der potentiell mächtiger war als Frankreich, viel Frankreich als Rivale für GB mehr und mehr aus, weil es seine Kräfte gegen Deutschland brauchte. Also gab es für Großbritannien auch keinen Sachzwang mehr mit irgendwem gegen Frankreich zu koalieren.
Btw. welcher naive Glaube, dass die Royal Navy militärisch zu besiegen wäre?
Das dem nicht so sein würde, schon weil man überhaupt nicht die Werft-Kapazitäten hatte da dauerhaft mithalten und nachlegen zu können, wussten auch Tirpitz und Konsorten.
Die gingen nicht davon aus, die Royal Navy tatsächlich versenken zu können, sondern dass die Kosten des Wetrüstens und die zu erwartenden Verluste der RN bei einer Konfrontation für die Briten so verheerend wirken mussten, dass Britannien Deutschland seine Ambitionen lieber durch politische Zugeständnisse abkaufen würde.
Deutschland und Großbritannien sind ja in dieser Zeit nicht die einzigen Mächte, die sich einen Nenneswerte Marine zugelegt haben, auch Frankreich hat eine ansehnliche Flotte, Russland würde wieder eine haben, die Vereinigten Staaten und Japan hatten angefangen in dieser Hinsicht aufzurüsten und auch Österreich-Ungarn und Italien hatten durchaus eine ansehnliche Marine, die sich alleine sicherlich nicht mit der RN messen konnte, aber Großkampfschiffe konnten die auch.
Dementsprechend, um den Briten in einer anderen politischen Konstellation ganz empfindlich weh zu tun, musste die deutsche Flotte die RN überhaupt nicht entscheidend schlagen.
Hätte gereicht, wäre sie selbst versenkt worden und hätte dabei noch die halbe britische Flotte mitgenommen um die Briten nicht gegen sich selbst, aber gegenüber anderen Mächten ganzempfindlich zu schwächen und das Empire damit ins Wanken zu bringen, denn zu verteidigen war das mit Britanniens Möglichkeiten, wenn sie Seemacht ausfiel, nicht.
Die Konzeption war nicht die Briten schlagen zu wollen, sondern sie derart zu erschrecken, dass sie freiwillig Zugeständnisse machten.
Klingt auf den ersten Blick komisch, aber gar nicht mehr so sehr, wenn man sich anschaut nach welchem Säbelgerassel Frankreich und Russland zu ihren jeweiligen Einigunen und Abkommen mit Großbritannien kamen. Der Fehler bei dieser Konzeption war viel mehr, dass man seine Möglichkeiten den Briten solche Probleme machten, dass die es für nötig hielten Deutschland die eigenen Ambitionen abzukaufen, massiv überschätze und deswegen nicht den erhofften machtpolitischen Gewinn bekam, sondern einem die kalte Schulter gezeigt wurde.