Winde und Strömungen des 17. Jahrhunderts

Wie einige Leute mitbekommen haben, interessiere ich mich seit einiger Zeit für maritime Geschichte. Im Forum habe ich schon sehr viele nützliche Literaturhinweise oder Museumstipps erhalten - danke nochmal dafür! :)

Nun möchte ich herausfinden, wie die Winde und Strömungen in bestimmten Gegenden die Route der Segelschiffe bestimmten.
Also ich suche möglichst detaillierte Informationen, wie z.B. das man im März von x nach y reisen konnte, im August dagegen nicht und auf Teilstrecke z sich mit Rudern behelfen musste, bis man an irgendeinem Punkt wieder auf irgendetwas (Wind, Strömung) gestoßen ist, um mit weniger oder gar keiner Ruderkraft weiter zu fahren.

Ist es überhaupt möglich, solche Naturgegebenheiten vor ca. 350 Jahre zu rekonstruieren? Welche Forscher haben sich damit beschäftigt / dazu publiziert?
Oder gibt es in einem weiter gefassten Buch ein Kapitel, dass sich schön detailliert damit beschäftigt?


Manchmal stehe ich mit Google auf Kriegsfuss - mehrfache Suche hat leider nichts ergeben und bisher habe ich in keinem maritimen Geschichtsbuch so detaillierte Informationen gefunden.

Hat jemand von euch einen Recherche-Tipp für mich?


PS: Wie schon in der Überschrift zu sehen, 17. Jahrhundert, und mich interessieren die Routen Nordeuopa - Karibik und zurück oder Indischer Ozean gerne auch noch dabei.
 
Vielen Dank für den Buchtipp, das werde ich mir mal zu Gemüte führen :)

balkanese, danke für die Übersetzung. Für heutige Verhältnisse fällt es mir leicht, da etwas zu finden, aber sind das auch die Gegebenheiten in der 2. Hälfte des 17. Jh.?
Ich habe schon herausgefunden, das Temperatur und Salzgehalt sehr wichtig ist. Aber ich hatte eigentlich gehofft, mir das nicht selbst auseinander zu rechnen / schätzen müssen (= Schätzungen über damalige Temperatur/Salzgehalt finden und dann aus den heutigen Verhältnissen schließen, was damals anders war), das hat doch sicher schon irgendjemand gemacht, viel besser als ich es könnte (mehr Ressourcen zum Nachlesen und so weiter).

Dann schaue ich erstmal nach dem jetzigen Status, führe mir oben genannte Bücher zu Gemüte, falls ich da etwas auf Englisch oder Deutsch zu finde, und hoffe auf weitere Literaturangaben :)

Danke schonmal für eure Hilfe.
 
Der Tradewind heißt so weil er den Welthandel ermöglicht hat, das grundlegende System ist seit langer Zeit funktionierend, wahrscheinlich seit der letzten Eiszeit.
 
Wie einige Leute mitbekommen haben, interessiere ich mich seit einiger Zeit für maritime Geschichte. Im Forum habe ich schon sehr viele nützliche Literaturhinweise oder Museumstipps erhalten - danke nochmal dafür! :)

Nun möchte ich herausfinden, wie die Winde und Strömungen in bestimmten Gegenden die Route der Segelschiffe bestimmten.
Also ich suche möglichst detaillierte Informationen, wie z.B. das man im März von x nach y reisen konnte, im August dagegen nicht und auf Teilstrecke z sich mit Rudern behelfen musste, bis man an irgendeinem Punkt wieder auf irgendetwas (Wind, Strömung) gestoßen ist, um mit weniger oder gar keiner Ruderkraft weiter zu fahren.

Ist es überhaupt möglich, solche Naturgegebenheiten vor ca. 350 Jahre zu rekonstruieren? Welche Forscher haben sich damit beschäftigt / dazu publiziert?
Oder gibt es in einem weiter gefassten Buch ein Kapitel, dass sich schön detailliert damit beschäftigt?


Manchmal stehe ich mit Google auf Kriegsfuss - mehrfache Suche hat leider nichts ergeben und bisher habe ich in keinem maritimen Geschichtsbuch so detaillierte Informationen gefunden.

Hat jemand von euch einen Recherche-Tipp für mich?


PS: Wie schon in der Überschrift zu sehen, 17. Jahrhundert, und mich interessieren die Routen Nordeuopa - Karibik und zurück oder Indischer Ozean gerne auch noch dabei.


Ein Indiz aus dem 18. Jhd., is ja net ganz so weit weg.
Barbara Tuchman (Der erste Salut - Seite 294):
„Der Golfstrom verläuft in einer eigenartigen nördlichen Kreisrichtung, und seine Strömung verlangsamte Schiffe, die von Europa kamen und auf direktem westlichen Kurs in die Karibik segelten,....
Die ersten Seefahrer, die die Wirkung des Stroms erkannten, waren Walfänger aus Nantucket, die den Zügen der Wale folgten, und einer von ihnen war ein Vetter Benjamin Franklins, Captain Timothy Folger aus Nantucket.“
Der Folger erklärt dem Franklin was er herausfand. Benjamin Franklin ist gerade als Generalpostmeister für Postschiffe zuständig und veröffentlicht 1769 (1770?) eine Karte mit einem Teilverlauf des Golfstroms.
Who first charted the Gulf Stream?
(Nantucket findet sich auch auf der Karte)
Das ist für die nordamerikanische Ostküste recht gut das was den heutigen Verlauf darstellt.
 
vielleicht interessant:
August Wolkenhauer "Beiträge zur Geschichte der Kartographie und Nautik des 15. bis 17. Jahrhunderts"

Willem Ysbrandszoon Bontekoe van Hoorn und Maria R. C. Fuhrmann-Plemp van Duiveland "Journal der ostindischen Reise: Logbuch holländischer Seefahrer im 17. Jahrhundert" (Edition Erdmann)

Hermann Wagner "die Entwicklung der Nautik von ihren Anfängen bis ins 19. Jahrhundert."

(das sind nur meine "Fundstücke", vom Thema selbst verstehe ich wenig; also sorry, wenn nichts passendes dabei ist. :rotwerd: )
 
Ein Indiz aus dem 18. Jhd., is ja net ganz so weit weg.
Barbara Tuchman (Der erste Salut - Seite 294):
„Der Golfstrom verläuft in einer eigenartigen nördlichen Kreisrichtung, und seine Strömung verlangsamte Schiffe, die von Europa kamen und auf direktem westlichen Kurs in die Karibik segelten,....
Die ersten Seefahrer, die die Wirkung des Stroms erkannten, waren Walfänger aus Nantucket, die den Zügen der Wale folgten, und einer von ihnen war ein Vetter Benjamin Franklins, Captain Timothy Folger aus Nantucket.“
Der Folger erklärt dem Franklin was er herausfand. Benjamin Franklin ist gerade als Generalpostmeister für Postschiffe zuständig und veröffentlicht 1769 (1770?) eine Karte mit einem Teilverlauf des Golfstroms.
Who first charted the Gulf Stream?
(Nantucket findet sich auch auf der Karte)
Das ist für die nordamerikanische Ostküste recht gut das was den heutigen Verlauf darstellt.

Nantucket war bis ins 19. Jahrhundert der Walfanghafen Nordamerikas. Die wechselhaften Tiefen des Nantucket Sounds machten dann allerdings die Insel schwieriger für die immer größeren Walfangschiffe, und New Bedford lief Nantucket den Rang ab. Trotzdem hatte Nantucket immer noch einen großen Nimbus, und der Ich-Erzähler Ishmael und sein Freund Quequeg in Herman Melvilles Moby Dick heuern daher auch auf der Pequot in Nantucket an. In einem Kapitel schreibt Melville, dass die See den Walfänger Nantuckets gehöre und alle anderen Seefahrer nur ein Wegerecht hätten. Ende des 17. Jahrhunderts wurden Pottwalkadaver angespült, und es waren amerikanische Walfänger, die sich auf die Jagd auf Pottwale spezialisierten. Der Tran diente als Laternenbeleuchtung und hochwertiges Schmieröl für Maschinen. Aus Walrat wurden die hochwertigsten Kerzen hergestellt, und die Ambra des Pottwals diente zur Parfumherstellung. In Nantucket und New Bedford dominierten Quäker das öffentliche Leben, und die beiden Städte wurden auch zu Zentren des Abolitionismus. Bei einer Abolitionistenversammlung in New Bedford entdeckte William Lloyd Garrison 1841 das Talent des ehemaligen Sklaven und Bürgerrechtlers Frederick Douglass.

In Moby Dick streut Melville immer wieder geographische und philosophische Informationen ein. Er schrieb, dass Pottwale im Nordpazifik erlegt wurden, die kurz zuvor in atlantischen Gewässern harpuniert wurden und vermutete, dass Pottwale die Nordwestpassage lange vor den Menschen kannten. Kapitän Ahab zeigt Starbuck eine Seekarte, auf die er aus alten Logbüchern Wanderwege der Pottwale einzeichnet. Es ist daher gar nicht so abwegig, dass die Entdeckung der Windverhältnisse und Meeresströmungen den Meeressäugern zu verdanken sind, auf die es die Seeleute abgesehen hatten.
 
Die Strömungen und Windverhältnisse sollten sich die letzten Jahrhunderte nicht groß verändert haben. Was interessant sein dürfte sind die typischen Abfahrtzeiten der Konvois der diversen Ostindischen und auch Westindischen Handelskompanien gewesen sein.
Das Wissen über die Winde, Ströme war Geschäftsgeheimniss und damit Herrschaftswissen.
Die Portugiesen haben meines Wissens unter Heinrich dem Seefahrer Logbuchauswertungen gemacht. Der nächste könnte Kapitän Murray (?) der US Navy gewesen sein, Mitte des 19. Jahrhunderts.
Interessant sind die diversen Seehandbücher der Kaiserlichen Deutschen Seewarte aus Hamburg. Sie gibt oder gab es als Nachdrucke.
Ansonsten Segelliteratur, wie World Cruising Routes von Jimmy Cornell. Von anderen Autoren gibt es inzwischen ähnliche Werke.

Apvar
 
Die Veränderungen in einem Gebiet kannst Du feststellen,wenn Du die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Portolankarten studierst- da sind Segelanweisungen,Strömungs- und Windverhältnisserelativ genau verzeichnet
 
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Die Portugiesen haben meines Wissens unter Heinrich dem Seefahrer Logbuchauswertungen gemacht. Der nächste könnte Kapitän Murray (?) der US Navy gewesen sein, Mitte des 19. Jahrhunderts.
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Dazwischen gab es schon noch einige. Im 17. Jahrhundert eine Reihe von Kartographen in der Niederlande (darunter ein paar emigrierte Deutsche) die zum Teil erstaunlich präzise Karten produzierten, auf der Grundlage der Mitteilungen die ihnen die Seefahrer machten. Im 18. Jahrhundert gab es dann erstmals ausdrückliche Wissenschaftliche Expeditionen sowohl von französischen, spanischen und britischen Seeleuten, die dabei auch ausdrücklich die Strömungen untersuchten. Der spanische Admiral Alava empfahl ende des 18. Jahrhunderts eine neue Route für das Manila-Schiff, basierend auf den Ergebnissen dieser Expeditionen z.B. der von Malaespina.
 
Vielen Dank! Ich habe in einem Museum eine Karte der Windströmungen von etwa 1750 gefunden, das nehme ich erstmal als Grundlage.

Mit dem Stichwort "Portolan" habe ich auch 2 gute Bücher gefunden (nehme ich zumindest an, noch nicht gekauft / geliehen), so dass für mich persönlich dieses Recherche-Thema abgeschlossen ist.


Vielen herzlichen Dank für eure Hilfe :)
 
...so dass für mich persönlich dieses Recherche-Thema abgeschlossen ist.

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Das ist aber schade.
Wolfgang Reinhard geht darauf in seinem gerade erschienen Buch "Die Unterwerfung der Welt" sehr ausführlich darauf ein und nennt neben den Wetterverhältnissen der Atmosphäre, und Gegebenheiten der Meeresströmungen, auch typische Abfahrts- und Ankunftszeiten der einzelnen Seefahrerrouten im 16. und 17. Jhd..

Die Strömungen und Windverhältnisse sollten sich die letzten Jahrhunderte nicht groß verändert haben. Was interessant sein dürfte sind die typischen Abfahrtzeiten der Konvois der diversen Ostindischen und auch Westindischen Handelskompanien gewesen sein.
Das Wissen über die Winde, Ströme war Geschäftsgeheimniss und damit Herrschaftswissen.
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Das ist wohl so gewesen..
Wobei ich mich frage, inwiefern man davon ausgehen kann, dass "Strömungen und Windverhältnisse" keine erheblichen Wandlungen, in relativ kurzen Zeiten, erfuhren. Betrachtet man das wunderbare Video der NASA dazu (perpetual ocean auf YT), dann erkennt man zahlreiche chaotische Wirbel und etwa in der Küstennähe Floridas kurzfristige Strömungsumkehrungen.
 
Chaos hin oder her, ich war schon oft in der Nordadria, rund um Ostern pendelt sich da immer die Genua- Antizyklone ein, manchmal früher, manchmal kälter, manchmal trockener, manchmal fast gar nicht, aber eigentlich immer. So ist es mit allen Segelwinden, der Passat funktioniert einfach so vor sich hin, manchmal stört el Nino, meistens nicht, das ist alles altbekannt, nur in Europa halt nicht so. Die Portugiesen haben ewig lang gebraucht Afrika hinunter zu kommen und dann rüber in den indischen Ozean. Dort sind sie dann auf eine entwickelte Seefahrt gestoßen mit Karten und Kapitänen denen der riesige indische Ozean bestens bekannt gewesen ist und mit Hilfe angeheuerter Lotsen waren sie dann innerhalb von 2 Jahren quer durch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Anmerkung zu Deiner Karte:
Die Erde dreht sich von West nach Ost und daher erscheint die Sonne morgens im Osten und geht abends im Westen unter. Morgenland, Abendland..
Ein Körper der sich mit geringer Reibung nach Norden, oder Süden, vom Äquator wegbewegt, wird, je weiter er sich, unter dieser Voraussetzung, von diesem entfernt, nach Osten gelenkt und wird zum "Weststrom", der als Begriff nicht seine Richtung angibt, sondern seinen Ursprung.
Eine solche Richtungsablenkung beschreibt Coriolis.

Das gilt für Flugzeuge, Tanker, und für den Verschleiß von Schienenwegen senkrecht zum Äquator.
Wenn es nun weiter oben, oder unten, tendenziell nach Osten geht, also Westwind, muss das sich irgendwie in einem geschlossenem System Erde ausgleichen, also bevorzugt weiter unten oder oben, nahe des größten Umfangs der rotierenden Kugel, ausgleichen.
Damit hätten wir ein Grundprinzip, welches sich in der, von Dir gezeigten, Karte abbildet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Immerhin wird diese Scheinkraft in 2,7 Mrd Jahren aufgrund der Gezeitenreibung bei 0 angekommen sein. Dann wird das Wetter wieder einfacher zu berechnen sein.
 
Ich bin Segler und mit einem Segelschiff kann man auch gegen Wind und Strömungen segeln. Dauert halt nur länger, weil man kreuzen muss. Grob zu den vorherrschenden Windrichtungen empfehle ich diese Karte:
https://en.wikipedia.org/wiki/Wind#/media/File:Map_prevailing_winds_on_earth.png

Dabei auch berücksichtigt das die Schiffe des 17. Jahrhunderts nur auf etwa 70° an den Wind kammen, mit gehöriger abdrift? Und dann noch Strom der einen nach Lee versetzt, da bleibt kaum weg nach Luv über nach 24 Stunden.
Am Kap Hoorn gab es sogar Segler, die mehrere Monate versuchten zu runden und dann abdrehten weil sie nicht rum kamen. Beispiel Bligh und seine Bounty.

Apvar
 
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