Wo siedelten die Hermunduren?

Wie bitte? Wie ware es mit Munitium und Hannoversch-Münden bzw. Hedemünden.
Die regressive i-Umlautung /u:/ > /ü/ bei Mounition hat schon was für sich, aber es wäre eher eine Fortsetzung als Münzen wahrscheinlich. Zumal zwar regelmäßig die germanischen /b-d-g/ ins deutsche /p-t-k/ verhärtet werden, aber nicht umgekehrt. Also aus /d/ würde /t/ und nicht aus /t/, aus dem i.d.R. /ts/ wird, /d/.

Oder Bogadium->Boke, 2km westlich Anreppen.
Ich würde hier eher ein Bokate oder Bokäte/Bokete (regressive I-Umlautung) als Fortsetzung erwarten.
Dass Boke auf das bei Ptolemaios überlieferte Bogadium zurückgehen soll, fällt mir schwer mir vorzustellen, weil ich der - möglicherweise auch falschen - Auffassung bin, dass die Betonung auf der mittleren Silbe liegen müsste. Dass ausgerechnet die dann verschluckt würde, wäre schon sonderbar.

Ich gebe aber zu, dass die Ortsnamen und die jeweilige Nähe zu Römerlagern und namentlich ähnlichen Orten sehr verführerisch sind.

In Westfalen kommt dann noch die Entvölkerung im Zuge der Völkerwanderungszeit hinzu und die nur allmählich stattfindende Wiederaufsiedlung, so dass eine Namensfortsetzung auch nicht gerade wahrscheinlicher wird.
 
Dann sind da noch die Ortsnamen auf -lar, für die frühgermanischer oder gar keltischer Ursprung angenommen wird [Kommentare zu dieser Annahme sind explizit erwünscht - die Information stammt aus dem Wikipedia-Artikel zur Geschichte Wetzlars]. In jedem Fall gibt es für Wetzlar, Fritzlar und Uslar Siedlungsbelege aus der späten Eisen- bzw. frührömischen Kaiserzeit, im Falle Goslars sollte es mich auch sehr wundern, wenn der Rammelsberg komplett geräumt worden wäre..

Zu den Endungen auf -lar haben wir sogar einen kleinen Thread:

Da hat sich noch jemand, wie mir scheint, sehr eingehend mit dem Problem befasst:
Die Lar-Namen

http://www.meiningen.de/media/custom/1226_113_1.PDF

Laut der von Mercy zitierten Homepage, deren Qualität ich nicht beurteilen kann und will, sind das Namen fränkischer Herkunft, also dann in der Späten Antike bzw. frühes MA anzusiedeln. Zumindest ist aus der Literatur zitiert worden.

Falls das -lar ein keltisches Überbleibsel ist, so würde ich solche oder ähnliche Ortsnamenendungen auch in anderen ehemals keltischen Gebieten vermuten.
 
Dass Jordanes im gleichen Werk auch die Thuringi (oder besser ihre Pferdezucht) nennt, spricht das meiner Erachtens dafür, dass sie mit den Hermundoli nicht identisch sind.
Das sehe ich nicht so kritisch. Iordanes nennt die Hermundoli, die Thyringi und die Thuringi jeweils in unterschiedlichen Zusammenhängen und Zeiten. Die Hermundoli (Kap. 22) erwähnt er für die erste Hälfte des 4. Jhdts., die Zeit des Gotenkönigs Geberich und des asdingischen Wandalenkönigs Visimar. Die Thyringi (die Sache mit den Pferden) erwähnt er in Kap. 3 beiläufig anlässlich einer Beschreibung von Scandza für die (seine) Gegenwart. Die Thuringi erwähnt er in Kap. 55 für die Zeit des Ostgotenkönigs Thiudimir (2. Hälfte 5. Jhdt.) bzw. seine Zeit, und in Kap. 58 erwähnt er Herminefred als den Thüringerkönig, dem Theoderich d. Gr. seine Nichte Amalaberga verheiratete.
Somit könnte also Iordanes bewusst für das frühe 4. Jhdt. Hermundoli geschrieben haben, weil ihm bekannt war, dass sie damals noch nicht in den Thüringern aufgegangen waren. Oder er nannte sie, weil es so in den Quellen zum (aus dem) 4. Jhdt. stand und ihm die Kontinuität zu den Thüringern gar nicht bekannt war. Oder er nannte sie, weil es eben tatsächlich keine Kontinuität/Identität gab.

Damit will ich aber nichts Grundsätzliches zu einer möglichen Kontinuität Hermunduren-Thüringer geschrieben haben.
 
nun, Münden hat seinen Namen in erster Näherung von seiner Lage, das Hannoversch kam nach einer Volksabstimmung im 19.Jhdt dazu. Es liegt eben an der Mündung von Werra und Fulda in die Weser, Hedemünden hieß 1047 Hademinni und war ein "Hof" , also kein Dorf oder so.
Uslar hieß früher Huslere, da kann man sich jetzt streiten , ob das "ohne Häuser" oder an der Uessel gelegen bedeuten soll. Bei Goslar liegt die Sache auf der Hand, durch Zusammenschluß von mehreren Dörfern durch Kaiser Heinrich I entstand Goselah, der Ort , der an der Gose liegt. Also nichts mit Spätlatene oder römische Eisenzeit ...

Was natürlich nicht heißt, das andere Orte mit -lar am Ende nicht keltische oder fränkische Reste im Namen haben. Nur bei Uslar und Goslar scheint das sehr unwahrscheinlich, denn es gibt das sächsische Wort leri "frei, unbewaldet, wenig bewohnt" und auch -lahe-> -lage , was schlicht liegt bei/an bedeutet. Schandelah sollte man meinen , gehört irgendwie auch dazu, aber nö, die Herren dazu hießen im MA Scanlesche, was denn so garnicht in Richtung -lar geht.

Und in der Nähe von Gaesmere schlug Bonifatius ne Donareiche um und baute eine Kirche in Friedeslar. Hätte es den Ort schon vorher gegeben, hätten die Biografen von Bonifatius bestimmt nicht die Ortsangabe bei Gaesmere gewählt.

Also , Namensähnlichkeit heute bedeutet nicht, das das auch früher namensähnlich gewesen wäre.
 
Laut der von Mercy zitierten Homepage, deren Qualität ich nicht beurteilen kann und will, sind das Namen fränkischer Herkunft, also dann in der Späten Antike bzw. frühes MA anzusiedeln. Zumindest ist aus der Literatur zitiert worden.

Falls das -lar ein keltisches Überbleibsel ist, so würde ich solche oder ähnliche Ortsnamenendungen auch in anderen ehemals keltischen Gebieten vermuten.
Danke für den Hinweis!
Die These von der frühmittelalterlichen (6./7.Jh) fränkischen Herkunft überzeugt zumindest im Falle des sächsischen Goslar nicht. Vgl. für eine umfassende Kritik an vermuteten "fränkischen" Ortsnamen in Niedersachsen und angrenzenden Gebieten (einschl.Thüringen), die auch "-lar"-Orte kurz abhandelt:
Jürgen Udolph: Fränkische Ortsnamen in Niedersachsen
[Hier sei auch kurz auf die für Thüringen relevanten "-leben" und "-stedt" eingegangen. Aufgrund des gehäuften Vorkommens in Nordschleswig (Hadersleben, Tinglev, Bolderslev etc.) werden Orte auf -leben allgemein mit den Angeln in Verbindung gebracht.
"-stedt" bzw. Englisch "-stead" gilt als altsächsich und wird üblicherweise auf vor das 8. Jh., nördlich der Elbe (rechtselbisch von Altona:winke:) teilweise auf das 2.-4. Jh. zurückgeführt.
]

Nach der von Mercy genannten Publikation finden sich "-lar"-Namen westlich der germanisch-romanischen Sprachgrenze bis kurz vor Paris, Beispiele werden dort nicht genannt, in Frage kommt aber u.a. die karolingische Pfalz von Longlier in der belgischen Provinz Luxemburg. Ich stelle ansonsten mal das irische Rosselare in den Raum, über dessen Etymologie ich auf die Schnelle nicht viel finden konnte.

Das kontinentalkeltische Adjektiv lar soll so breit, flach, eben bedeutet haben, hierzu past gaelisch clár = Ebene, Tisch, Brett. Dann wäre Goslar die Gose-Niederung, Sieglar (bei Bonn) die Sieg-Niederung, Uslar die feuchte, oder auch die Ues(sel)-Niederung , etc. Passt schon.
Auffällig bei Sieglar, Goslar und Wetzlar ist auch, dass da jeweils noch eine Burg (Siegburg) bzw. ein Berg (Rammelsberg, Dünsberg) von einiger eisenzeitlicher Relevanz in der unmittelbaren Umgebung liegt, so dass keltisch briga <> lar (Berg<>Niederung) durchaus ein korrespondierendes Begriffspaar gewesen sein mag. Ob die "-lar"-Niederung zu Keltenzeiten bereits urbane Züge trug, oder lediglich ein Gemarkungsname war, der auf spätere Siedlungen übertragen wurde, ist zugegebenermaßen eine andere Frage.
Alternativ wird "-lar" als altgermanisch "Wohnsitz" interpretiert, verwandt mit dem griechischen larion = Flecken, vicus. Grimms Wörterbuch kennt jedoch kein hiermit in Verbindung stehendes deutsches Wort. Auch scheint "-lar" nie in Verbindung mit Personennamen, häufig jedoch zusammen mit Toponymen (v.a Gewässernamen) vorzukommen, was die Deutung "Wohnsitz" unwahrwscheinlich macht. Die geographische Verteilung der "-lar" Namen liegt deutlich näher an ehemals keltischen denn griechischen Siedlungsgebieten.

Ein weiteres deutsches Beispiel, dass uns zurück zu einem der vermuteten Siedlungsräume der Hermunduren bringt, ist Lohr (Lare) am Main, möglicherweise Ptolemäus Locoritum. Keltische Besiedlung ist archäologisch gesichert, über kaiserzeitliche Siedlungsspuren meine ich auch gelesen zu haben, finde den Link aber derzeit nicht.

Wilfried:
Münden hat seinen Namen in erster Näherung von seiner Lage (..) Es liegt eben an der Mündung von Werra und Fulda in die Weser, Hedemünden hieß 1047 Hademinni und war ein "Hof" , also kein Dorf oder so.
Eben deshalb ist Ptolemäus "Munitium" (und nicht lateinisch confluentia, oder wie immer das griechische Analogum lautet), so interessant. Der Verweis auf Hedemünden bezog sich lediglich auf Carolus Anmerkung zu "fehlenden antiken Funden".

EQ: Ich würde hier eher ein Bokate oder Bokäte/Bokete (regressive I-Umlautung) als Fortsetzung erwarten.
Dass Boke auf das bei Ptolemaios überlieferte Bogadium zurückgehen soll, fällt mir schwer mir vorzustellen, weil ich der - möglicherweise auch falschen - Auffassung bin, dass die Betonung auf der mittleren Silbe liegen müsste. Dass ausgerechnet die dann verschluckt würde, wäre schon sonderbar.
Gutes Argument! Allerdings muss man Boke im Kontext der beiden Ortsteile Kirchboke und Ringboke sehen. Kann es sein, dass sich im Laufe der Zeit zunächstt die Betonung auf die erste Silbe (Kirch- bzw. Ring-) verlagerte, und dann ein paar mundfaule Westfalen die Endsilbe fallen liessen? Oder ware dann eher ein "Bogde" zu erwarten?

EQ: In Westfalen kommt dann noch die Entvölkerung im Zuge der Völkerwanderungszeit hinzu und die nur allmählich stattfindende Wiederaufsiedlung, so dass eine Namensfortsetzung auch nicht gerade wahrscheinlicher wird.
Na, da haben wir ja zum Beispiel Soest und Werl (Du erinnerst Dich:winke:), wo Siedlungskontinuität durchaus wahrscheinlich ist.
Soest ? Wikipedia
Die Herkunft des Namens „Soest“, um die eine frühere Debatte wieder aufgeflammt ist, verweist möglicherweise auf eine uralte (vorgermanische) Siedlungstradition. Gängig ist bisher allerdings die Ableitung von „Sod-saten“ (etwa: die an der Quelle ansässigen).
Selbst wenn der Name germanisch ist - wie würdest Du den Namen "Sosat" (erste urkundliche Nennung, 836) datieren?
Im übrigen würde mich (ich hoffe, ich sprenge diesen Faden nicht) Deine Meinung zur Entstehungszeit des Namens Faldera (altsächsischer Gausitz, Vorläufer und heutiger Stadtteil Neumünsters) interessieren.
 
Danke für den Hinweis!
Die These von der frühmittelalterlichen (6./7.Jh) fränkischen Herkunft überzeugt zumindest im Falle des sächsischen Goslar nicht. Vgl. für eine umfassende Kritik an vermuteten "fränkischen" Ortsnamen in Niedersachsen und angrenzenden Gebieten (einschl.Thüringen), die auch "-lar"-Orte kurz abhandelt:
Jürgen Udolph: Fränkische Ortsnamen in Niedersachsen

Allerdings überzeugt auch die These vom hermundurischen Ursprung dieser Ortsnamen nach Udolph nicht: "klar ist in jedem Fall, daß die damit [mit -lar] gebildeten Namen weit vor der Herausbildung westgermanischer Einzelstämme entstanden sein müssen. Das gilt auch für den Namen Goslar."


Wilfried schrieb:
Münden hat seinen Namen in erster Näherung von seiner Lage (..) Es liegt eben an der Mündung von Werra und Fulda in die Weser, Hedemünden hieß 1047 Hademinni und war ein "Hof" , also kein Dorf oder so.

Eben deshalb ist Ptolemäus "Munitium" (und nicht lateinisch confluentia, oder wie immer das griechische Analogum lautet), so interessant. Der Verweis auf Hedemünden bezog sich lediglich auf Carolus Anmerkung zu "fehlenden antiken Funden".

Nee, dannn wäre statt eines Μουνίτιον ein Μουνθιον anzusetzen. Und wahrscheinluch auch eher eine weibliche denn eine männliche Endung. Das Passt nicht. Münden bedeutet nebenbei bei Hedemünden/Hannoversch Münden ausnahmsweise mal nicht Mündung.

Gutes Argument! Allerdings muss man Boke im Kontext der beiden Ortsteile Kirchboke und Ringboke sehen. Kann es sein, dass sich im Laufe der Zeit zunächstt die Betonung auf die erste Silbe (Kirch- bzw. Ring-) verlagerte, und dann ein paar mundfaule Westfalen die Endsilbe fallen liessen? Oder ware dann eher ein "Bogde" zu erwarten?
Eine Akzentverschiebung kann natürlich dafür sorgen, dass eine zunächst akzentuierte Silbe am Ende doch vernachlässigt wird und dann ausfällt. Allerdings sollte man sich dazu mal die Überlieferung von von Boke ansehen. Wann wurde es notwendig Ring- und Kirchboke voneinander zu unterscheiden? Ringboke scheint ja seinen Namen von der Fluchtburg aus dem 10. Jhdt. zu haben. Dies wäre also der terminus post der Umbenennung. Wie lauten die dokumentarischen Benennungen Bokes aus dem 9. und 10 Jhdt.? Hierzu wäre es dann deine Aufgabe, zur Falsifizierung deiner Hypothese mal ins Westfälische Urkundenbuch zu sehen.

Na, da haben wir ja zum Beispiel Soest und Werl (Du erinnerst Dich:winke:), wo Siedlungskontinuität durchaus wahrscheinlich ist.
Soest ? Wikipedia
Wieso ist dort Siedlungskontinuität wahrscheinlich? Menschen haben immer wieder günstige Siedlungsplätze aufgesucht. Und genau das kannst du auch dem von der verlinkten Wikipedia-Artikel entnehmen. Von Siedlungskontinuität steht dort vor dem 6. Jhdt. n. Chr. nichts.

Selbst wenn der Name germanisch ist - wie würdest Du den Namen "Sosat" (erste urkundliche Nennung, 836) datieren?
Gar nicht. Das kann ich seriös nicht. Nebenbei: Was heißt "selbst wenn"? Das müssen wir zunächst einmal als am wahrscheinlichsten annehmen. Was nicht heißt, dass dem so sein muss.

Einige Ortsnamenforscher haben den Ortsnamen mittelniederdeutsch zu erklären versucht (etwa: 'süßer Sitz' (das ist stark von mir vereinfacht)) oder 'Sitz am Brunnen/an der [Salz]quelle'), dem ist von anderen widersprochen worden. Flöer/Korsmeier nehmen einen voreinzelsprl. idg. Ursprung des Ortsnamen an.
https://rep.adw-goe.de/bitstream/ha...-1/Ortsnamen des Kreises Soest.pdf?sequence=1

Im übrigen würde mich (ich hoffe, ich sprenge diesen Faden nicht) Deine Meinung zur Entstehungszeit des Namens Faldera (altsächsischer Gausitz, Vorläufer und heutiger Stadtteil Neumünsters) interessieren.
Auf Basis welcher Informationen sollte ich das tun?
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei Goslar kann man eine fränkische Bezeichnung auch trotz des späten Gründungsdatums nicht ausschließen. Es ist eine sächsisch-fränkische "Mischgründung".

Ausschließen kann man die Bedeutung "Ebene Fläche" , obwohl ja alles relativ ist, aber Goslar ist alles, aber an der Gose nicht eben. Außerdem kann ja auch noch ein Bedeutungswandel der Endung -lar in Richtung "liegt an/bei" stattgefunden haben. Also ich bin da von Prof.Udolphs Argumentation nicht überzeugt. Außerdem gibts bergbautechnisch von der Antike zum späten Frühmittelalter/Hochmittelalter keine Kontinuität. Die Bergbautätigkeit wurde meines Wissens erst wieder Anfang des 10 Jhdts aufgenommen.
 
Dann schauen wir uns doch mal Goslar an:

201002_luftfoto_goslar.jpg

Der Altstadtkern ist doch wunderbar zu erkennen.
Rundherum Berge liegt Goslar wo? In einer Niederung. Womit ich jedoch nichts über die Bedeutung der Endung -lar gesagt haben möchte.
 
Niederung ja, "ebene Fläche" nein, wobei das Bild das moderne Goslar zeigt ...
Die Pfalz liegt am Hang.

Also "Goseniederung" , da gehe ich mit, was allerdings dann auch auf -lar als Verballhornung von -lah passen würde. Ob das jetzt nicht auch schon bei der Gründung so gesehen wurde, bleibt spekulativ. Die Franken meinten "Niederung" die Sachsen "an der .." Klingen tut s in beiden Sprachen ja gleich, nur die Bedeutung ist eine andere. Wobei man dann auch nicht vergessen darf, das -lah(e) im Übergang sächsisch /Niederdeutsch auch "Lager" meinen kann, was dann auf eine nur zeitweise Besiedelung deuten würde. Also Pingenbergbau vom Frühling bis in den Herbst und im Winter wird wo anders gewohnt. Da ist denn der Spekulation Tür und Tor geöffnet.

Sicher ist, das das belgische Bier Geuse von dem goslarschen Bier seinen Namen hat, aber das ist eine ganz andere Geschichte
 
Hann. Münden:
Nee, dannn wäre statt eines Μουνίτιον ein Μουνθιον anzusetzen. Und wahrscheinluch auch eher eine weibliche denn eine männliche Endung. Das Passt nicht. Münden bedeutet nebenbei bei Hedemünden/Hannoversch Münden ausnahmsweise mal nicht Mündung.
Die erste urkundliche Nennung scheint im frühen 9. Jh. gimundi für Altmünden (gegenüber der Altstadt am linken Fuldaufer) zu sein. Hann. Münden: Kleine Hann. Mündener Chronik - Touristik Naturpark Münden e. V.
Gemünde ist Neutrum, wie auch die lateinische Prolemäus-Transkription "Munitium" Eine d<>t Wechsel hat es öfter gegeben, vgl. im Grimmschen Wörterbuch unter "Gemünde (Spanne)" den Verweis auf ahd. "munt", oder auch das gotische "munths" (mit englischen "th") und mhd. "munt" für "Mund". Wenn Ptolemäus Quelle also aus dem späteren hochdeutschen Sprachraum stammte, kann sie durchaus von (Ge-)munte gesprochen haben.

Boke:
Eine Akzentverschiebung kann natürlich dafür sorgen, dass eine zunächst akzentuierte Silbe am Ende doch vernachlässigt wird und dann ausfällt. Allerdings sollte man sich dazu mal die Überlieferung von von Boke ansehen. Wann wurde es notwendig Ring- und Kirchboke voneinander zu unterscheiden? Ringboke scheint ja seinen Namen von der Fluchtburg aus dem 10. Jhdt. zu haben. Dies wäre also der terminus post der Umbenennung. Wie lauten die dokumentarischen Benennungen Bokes aus dem 9. und 10 Jhdt.? Hierzu wäre es dann deine Aufgabe, zur Falsifizierung deiner Hypothese mal ins Westfälische Urkundenbuch zu sehen.
Das mit dem Westfälischen Urkundenbuch schaffe ich nicht, glücklicherweise gibt es aber auch recht verlässliche online-Quellen:
Boke ? GenWiki
Kirchgründung erfolgte vor 836, womit dann die Datierung der Fluchtburg erst ins 10. Jh. ein paar Fragen aufwirft. Die erste Namensnennung ist "Boca" in 1101, dann im 12. Jh. Boka, Boken, Boke. Die früheste Form ist offensichtlich lateinisiert, hier war wohl weniger der Sprachgebrauch der ansässigen Westfalen, sondern eher der der Paderborner Obrigkeit maßgebend. Ob diese, der schönen lateinischen Analogie wegen, ein nachfolgendes "-d/t" vernachlässigten? Mit Sicherheit werden wir dies wohl nie wissen.
Ein anderer Ansatz ist, sich mal Ptolemäus "Bogadium" anzusehen. Offenbar eine "-ithi" (Ort, an dem es xxx gibt)-Bildung. Das Bestimmungswort mag böke (Buche) oder böge (Flussbiegung) gewesen sein. Die deutsche Betonung liegt bei beiden auf der ersten Silbe, so daß ein Wegfall der Schlussilbe möglich erscheint.

Soest:
Wieso ist dort Siedlungskontinuität wahrscheinlich?
Für die in der Innenstadt ergrabenen Salinen konnte kein Ursprungsdatum festgestellt werden. Ihre Zeitstellung wird explizit als nach unten offen bezeichnet, gesichert ist Betrieb ab dem 6. Jahrhundert. Für Soest-Ardey, 1,5 km westlich der Stadtbefestigung, ist kontinuierliche Besiedlung von Eisenzeit bis Merowingerzeit archäologisch gesichert. Das Westfälische Ortsnamenbuch (danke für den Link!) führt im Anschluß an die mögliche Namensableitung von uridg. "Siedlung" bzw. urbalt. *sosta = Sitz aus:[FONT=CenturyExpdBT,Italic][FONT=CenturyExpdBT,Italic]
[/FONT]
[/FONT]
Motivation [der Namensgebung] waren nicht Eigenarten der Umgebung (Wasser, Gelände), sondern die Funktion des Ortes als früher, zentraler Siedlungsplatz. Vielleicht beruht vor diesem Hintergrund sogar der Name des nahegelgenen Ardey, zu umschreiben mit "Ort mit bewirtschaftbarem Land", auf einer alten Unterscheidung zwischen der Siedlung und dem angrenzenden, zur Versorgung wichtigen Umland.
51 der 431 betrachteten Ortsnamen des Kreis Soest, also rund ein Achtel, sind Suffixbildungen, die allgemein als früh-oder vorgermanisch angenommen werden und "einer sehr alten Sprachschicht angehören (können)". Im übrigen war Pollenanalysen zufolge Westfalen während der Völkerwanderungszeit ein Zuwanderungsraum (v.a. Sachsen), das Besiedlungsminimum liegt im späten 3. und 4. Jh.
[Beim nahegelegenen Werl, wo Salzgewinnung am Ende der vorrömischen Eisenzeit belegt ist, führt das Ortsnamenbuch den Namen übrigens auf idg. "*wer= erhöhte Stelle" zurück. Die angeführten gotischen und altenglischen Belege dieser Wurzel vermitteln einen Eindruck, wie weit die Namensgebung wohl zurückreichen dürfte. Das Ortsnamensbuch verweist ausdrücklich auf die Namensparallele zur im Forum schon mehrfach besprochenen Kaiserpfalz Werla bei Goslar].

Goslar:
Wilfried: (.) -lar als Verballhornung von -lah (..). Wobei man dann auch nicht vergessen darf, das -lah(e) im Übergang sächsisch /Niederdeutsch auch "Lager" meinen kann, was dann auf eine nur zeitweise Besiedelung deuten würde.
Die Gründungssage vom (kaiserlichen) "Lager an der Gose", von dem aus das Silber des Rammelsbergs entdeckt wurde, ist, was das Silber betrifft, längst als Mythos entlarvt. Ich habe die ältesten Benennungen von Goslar jetzt nicht parat, aber im Mittelalter erscheint es alternativ als "Goslaria" und "Goslere". Die zweite, wohl plattdeutsche (sächsische) Variante ist doch recht weit von "lah" entfernt. Falls Goslar ursprünglich "Gosla(h)" hieß, warum hat es dann nicht die gleiche Namensentwicklung wie Braunlage (1253 "holtmarke to deme brunenlo", 1631 "huete to dem brunlohe") durchgemacht?
Nach dem Grimmschen Wörterbuch hieß Lager altsächsich "legar". Eine entsprechende Wurzel mag man vielleicht für Leer (-Loga), am Emsoberlauf gegenüber des römerzeitlichen Fundorts Bentumersiel, und somit im vermuteten Landungsbereich des Germanicus gelegen, in Betracht ziehen - aber wie -legar zu -lere werden soll, ist mir nicht klar.

Von Vereinigung mehrerer Dörfer unter Heinrich I (bekanntermaßen Sachse, nicht Franke!) habe ich auch noch nie gehört - wo hast Du die Information her, Wilfried?
http://de.wikipedia.org/wiki/Goslar#Geschichte
Wahrscheinlich aus mehreren, in dem ursprünglich mit dem Flurnamen „Goslar“ bezeichneten Auetal des Harzflüsschen „Gose“ am Nordrand des Harzes gelegenen Siedlungen entstanden, tritt der Ort seit dem 10. Jahrhundert langsam in das Licht der Schriftquellen. Um das Jahr 1000 wird der Flurname als Ortsname übernommen. Die erste urkundliche Erwähnung ist erst für Otto II. für das Jahr 979 belegt.
++
Das Thüringer Ortsnamen-Register von Namenforscher Udolph | MDR.DE
Der gute Prof. Udolph hat sich auch einiger Thüringer Ortsnamen angenommen. Ich habe dort ein paar weitere Hinweise auf angelsächsische Zuwanderung, z.B. [Burg]tonna, von dänisch tinde=schwellen, vgl. Tondern, und Geisthede (Öffnung im Hang, vgl. engl. gate, [Salz-]gitter), gefunden. Eisenach spiegelt einen keltischen Flußnamen auf "is"=reißend (Isar, Isére, Eisack etc,) wieder, Walldorf (982 Walachdorf) spricht für sich selbst, Wei-mar hat ein sonst eher in Nordhessen (Chatten) beheimatetes Grundwort. Sodann einiges altgermanisches (-da, -r, -rn), und nach Osten hin natürlich eine Menge slawische Wurzeln.
Nur nach Süd(-ost)en, von wo die Hermunduren her gekommen sein müssten, zeigt nicht wirklich viel - vieleicht noch Gumperda (ahd Gumpe = Strudel). Dies spricht nicht gerade für eine herausragende Rolle der Hermunduren bei der Ethnogenese der Thüringer.
Allerdings ist es verführerisch, den Namen der Hermunduren mit der Mündung der Gera in die Unstrut nördlich Erfurts zu verbinden. Das wäre dann aber wohl eher das Siedlungsgebiet um die Zeitenwende denn im 4./5. Jahrhundert gewesen. Der Salzfluß, an dem die Schlacht mit den Chatten stattfand, könnte dann die Salza, die nahe Langensalza in die Unstrut mündet, gewesen sein.
 
Gemünde ist Neutrum, wie auch die lateinische Prolemäus-Transkription "Munitium" Eine d<>t Wechsel hat es öfter gegeben, vgl. im Grimmschen Wörterbuch unter "Gemünde (Spanne)" den Verweis auf ahd. "munt", oder auch das gotische "munths" (mit englischen "th") und mhd. "munt" für "Mund".
Die Entwicklung th > d hat nichts mit t > d zu tun. -th- ist eben -þ/θ-
Deshalb schrieb ich ja, dass für Münden Μουνθιον anzusetzen ist.
Was die harte Schreibung von Mund im ahd./mhd. angeht (munt), so ist das kein Konsonantenwechsel sondern ein Produkt der Auslautverhärtung. Μουνίτιον hätte sich in Münzen verwandelt. Vgl. auch moneta > Münze.

to/tom/ten - zu
two/twee - zwei
tegula - Ziegel (diachron)
Tolbiacum - Zülpich (diachron)
to sweat - schwitzen
Tick - Zecke
tabula - Zabel (nur noch in einer literarischen Gattung erhalten, den Schachzabelbüchern) (diachron)
Geschütte (niederdeutsch) - Geschütz
Tyr - Ziu (vgl. Tuesday) (diachron)
Tiden - Gezeiten
Getal - Zahl
Und zuletzt das Wort, anhand dessen sich wohl einige Leute die Umlautung am besten merken können, und in dem sowohl die Umlautung t > z als auch die Umlautung tt > tz vorkommt, was allerdings im heutigen Deutschen als Vulgarismus erhalten ist:
Titte - Zitze.
etc.

Dagegen:
thing - Ding
thumb - Daumen
thief - Dieb
thorn - Dorn
thistle - Distel
brother Bruder,
smith - Schmied
etc.

Dagegen
deaf - taub
dove - Taube
door - Tür
etc.

Wenn Ptolemäus Quelle also aus dem späteren hochdeutschen Sprachraum stammte, kann sie durchaus von (Ge-)munte gesprochen haben.
400 Jahre vor der Lautverschiebung? Du revolutionierst hier doch nicht etwa en passant die Altgermanistik?

Boke:

Das mit dem Westfälischen Urkundenbuch schaffe ich nicht, glücklicherweise gibt es aber auch recht verlässliche online-Quellen:
Boke ? GenWiki
Kirchgründung erfolgte vor 836, womit dann die Datierung der Fluchtburg erst ins 10. Jh. ein paar Fragen aufwirft. Die erste Namensnennung ist "Boca" in 1101, dann im 12. Jh. Boka, Boken, Boke. Die früheste Form ist offensichtlich lateinisiert, hier war wohl weniger der Sprachgebrauch der ansässigen Westfalen, sondern eher der der Paderborner Obrigkeit maßgebend. Ob diese, der schönen lateinischen Analogie wegen, ein nachfolgendes "-d/t" vernachlässigten? Mit Sicherheit werden wir dies wohl nie wissen.
Ein anderer Ansatz ist, sich mal Ptolemäus "Bogadium" anzusehen. Offenbar eine "-ithi" (Ort, an dem es xxx gibt)-Bildung. Das Bestimmungswort mag böke (Buche) oder böge (Flussbiegung) gewesen sein. Die deutsche Betonung liegt bei beiden auf der ersten Silbe, so daß ein Wegfall der Schlussilbe möglich erscheint.

Die Fluchtburg ist archäologisch datiert. Sie ist in den Zeitraum der Ungarnkriege einzuordnen.
Die frühere Gründung der Kirche hat da gar nichts zu sagen. Die ältesten Nennungen von Boke zeigen aber, dass Kirch- und Ringboke rezentere Namensformen sind und daher nicht für Akzentverschiebungen, welche den Verlust der akzentuierten Silbe wahrscheinlich machen würden, verantwortlich sind


Soest:

Für die in der Innenstadt ergrabenen Salinen konnte kein Ursprungsdatum festgestellt werden. Ihre Zeitstellung wird explizit als nach unten offen bezeichnet, gesichert ist Betrieb ab dem 6. Jahrhundert. Für Soest-Ardey, 1,5 km westlich der Stadtbefestigung, ist kontinuierliche Besiedlung von Eisenzeit bis Merowingerzeit archäologisch gesichert.

Wo hast du das her?
Ich finde bei Gabriele Isenberg, Salzsieder in Soest (Archäologie in Nordrhein-Westfalen, 1990) die Angabe 7. Jhdt. Allerdings ist dieser Beitrag 24 Jahre alt, in 24 Jahren kann in der Stadtarchäologie viel passieren.

Augusto schrieb:
Das Westfälische Ortsnamenbuch (danke für den Link!) führt im Anschluß an die mögliche Namensableitung von uridg. "Siedlung" bzw. urbalt. *sosta = Sitz aus:

Motivation [der Namensgebung] waren nicht Eigenarten der Umgebung (Wasser, Gelände), sondern die Funktion des Ortes als früher, zentraler Siedlungsplatz. Vielleicht beruht vor diesem Hintergrund sogar der Name des nahegelgenen Ardey, zu umschreiben mit "Ort mit bewirtschaftbarem Land", auf einer alten Unterscheidung zwischen der Siedlung und dem angrenzenden, zur Versorgung wichtigen Umland.
Der Originaltext ist vorsichtiger: Dort steht wären. Und vorher: Ihre semantische Interpretation ist schwierig und hat hypothetischen Charakter.
Das kann man natürlich ignorieren.

So, ich muss hier Schluss machen.
 
Zuletzt bearbeitet:
OT
Nun , die Liudolfinger sind eben keine authochtonen Sachsen, obwohl sie eben als "Stammesherzöge" anerkannt wurden. Goslar selbst war wegen des Bergbaus von Sachsen und Franken bewohnt. Was die Sprache des Harzgos angeht, unterscheidet die sich vom altsächsischen der Küste doch ein wenig. Was ich mit meinen Beispielen zeigen will, ist, das man sehr vorsichtig mit der Namensdeutung sein sollte. Eine Herleitung über das Frühmittelalter hinaus ist bei unbewiesener Siedlungskontinuität für mich meist schlicht reinste Spekulation. Zum Thema -la/lar etwas nördlich von Goslar liegt die Werla, auch hier gibts eine Siedlungslücke und eine frühere Besiedlung mit Trichterbecher benutzenden Menschen... Der Ort wurde im Frühmittelalter nach den Funden nur im Winter "voll" besiedelt. Später entstand da die Vorläuferpfalz von Goslar.
Besiedelt war die Gegend von "Eingeborenen", nichtkarolingischen Franken, Sachsen und nach KdG auch noch von später hinzugekommen Franken aus dem Karolinger Reich. Da jetzt sicher einen Namen zuordnen zu wollen ...
OT off
 
@EQ: Ich sehe Deinen Punkt zu Hann. Münden. Auch Ptolemäus eingestreutes "i" in "Munitium" ist seltsam, könnte jedoch ein "th"/"z" wiederspiegeln, dass dann irgenwann wieder verloren ging. Egal, wir kommen ab, lass uns die Diskussion vielleicht an anderer, geigneter Stelle weiterführen.
Ich wollte keinesfalls die Germanistik revolutionieren, aber über die Hochdeutsche Lautverschiebung wissen wir ja, mangels Schriftquellen vor dem 9./10. Jh. nur sehr wenig, ausser dass sie sich von Südosten her ausbreitete. [Hierzu als Hinweis: Die österreichische Diskussion über "Ostalpenindoeuropäisch" (als Versuch, von den politisch besetzten Termini Venetisch und Illyrisch wegzukommen) ist beachtenswert, ebenso "untypische" Lautverschiebungen im Ostalpenraum wie Verona/Bern, ital. Veneto/ slov. Benecji, oder "Pozza die Fassa".]
Bei der Ringboker Wallburg hatte ich nicht an die Ungarnkriege gedacht, in der Region geht meine Vermutung immer erstmal zu den Sachsenkriegen. Danke für den Hinweis.
Die Abänderung des Zitats zu Soest war nicht beabsichtigt. Das "pasten" aus der PDF hat nicht richtig funktioniert, so dass ich das Zitat per Hand einfügen musste, dabei habe ich den Umlaut übersehen. Die Quelle zur nach unten offenen Zeitstellung für die Soester Salzsiederei ist mir nicht mehr present, es könnte die Kulturlandschaftsanalyse NRW (im saltus-thread verlinkt) gewesen sein, wo auch die kaiserzeitlichen Bleibarrenfunde in Soest und die These, Salzsieden wäre wie in Britannien in Bleipfannen erfolgt, diskutiert werden.

@Wilfried:Werla ist kein "lar"-Name. Das Soester Ortsnamenbuch (Uni Gottingen) deutet den Namen, wie Werl bei Soest, als "Simplex zu einem nicht weiter belegten Appelativ *werla = erhöhte Stelle".

Siedlungskontinuiät ist für diverse Orte im Harzvorland, beispielsweise Ahlten b.Hannover, Schöningen b. Helmstedt, Quedlinburg, Halberstadt-Emersleben und Haldensleben, belegt, daneben u.a.auch für Wetzlar, Werl und Gera. Wir wissen von kaiserzeitlicher Metallverhüttung bzw- -verarbeitung um Osterode, Gottingen, Uslar und Nordhausen. Udolph weist mehreren Orts- bzw. Flurnamen, die gehäuft sowohl in Norddeutschland und Hessen, als auch in England und (fallweise) Skandinavien vorkommen, darüberhinaus Parallelen im slawischen und baltischen Sprachraum haben, vor- bzw., frühgermanischen Ursprung zu. Hierzu zählen Namen auf

  • - struth (=Sumpfwald, Häufung in Nordhessen, Ostwestfalen und im Weser-/Leineraum)
  • -bröke (Bruch, evtl. Brücke, v.a. in NW-Deutschland und Niederlanden),
  • - mar (=[heiliges] Moor, v.a. Nordhessen und West-Thüringen), durchgehende Besiedlung von Geismar b. Fritzlar seit 200 v.Chr. archäologisch belegt,
  • "-ithi"-Namen (Ort, wo es xxx gibt), mit ihren regionalen Variationen auf -te, -ze, -da, teilweise auch -en, etc. Hierzu gehören u.a. Düna (Dunede) bei Osterode, oder Apolda (eisenzeitliche Besiedlung belegt).
"-lar" hatten wir schon. Auch sehr alt sollen Namen auf "-ungen" sein (z.B. die latenezeitliche Amelungsburg NO von Höxter), jedoch nicht notwendigerweise "-ingen". Letztere sind z.T. frühgermanisch (Schöningen, Thüringen), können aber auch noch bis ins Mittelalter entstanden sein.

Nimmt man dies alles zusammen, habe ich wenig Zweifel an grundsätzlicher Siedlungskontinuität im Raum zwischen Unterelbelbe, Ilmenau, Saale, Main und Rhein. Pollenanlysen aus diesem Gebiet zeigen, mit Ausnahme der Nordseeküste (Sturmfluten?) keinen völkerwanderungszeitlichen Siedlungsrückgang, im Gegenteil teilweise sogar Siedlungsverdichtung (nördl. Münsterland, Albersdorf/ Dithmarschen). Im nördlichen Mittelgebirgsraum ist jedoch teilweise eine deutliche Siedlungsdepression ab dem späten 3. Jh. zu beobachten, die sicherlich z.T. klimatische Gründe hat, aber auch zeitlich zum römischen Vorstoß nach Herzhorn und darüber hinaus past.
 
Wie jetzt die einzelnen Namen gedeutet werden, und ob das so allgemein Konsens sein kann, ist eigentlich für diesen Thread unerheblich. In der von mir genannten Region gibt es menschliche Siedlungen seit der Altsteinzeit, viele Ote wurden immer wieder besiedelt, aber eine Siedlungskontinuität wie in Köln oder Trier kann nun keiner zeigen, obwohl die Menschen selbst z.T. in der Gegend blieben. Z.T. änderte sich die "kulturelle" Zugehörigkeit, Aus Elbgermenen wurden Wesergermanen und umgekehrt.
Man kann jetzt natürlich mutmaßen, das ein Ort, der 2-3 km "verlegt" wurde, seinen Namen behielt. Auf der anderen Seite aber auch, das die Orte nicht den selben Namen hatten. Mir ist es lieber, nicht zu behaupten, das Chikti oder Leri schon zur römischen Eisenzeit so hießen. (Sickte und Lehre) , obwohl es in den Gemarkungen dieser Dörfer natürlich Siedlungsspuren gibt
 
Ich sehe Deinen Punkt zu Hann. Münden. Auch Ptolemäus eingestreutes "i" in "Munitium" ist seltsam, könnte jedoch ein "th"/"z" wiederspiegeln, dass dann irgenwann wieder verloren ging. Egal, wir kommen ab, lass uns die Diskussion vielleicht an anderer, geigneter Stelle weiterführen.

Ptolemaios hätte ein germanisches <þ> einfach mit einem griechischen <θ> wiedergegeben, das ist derselbe Laut. Hat er aber nicht. Das kann man zur Kenntnis nehmen oder ignorieren. Anstatt nun wacklige Hypothesen zu bilden, er hätte das -i- eingestreut, um das "th"/"z" widerzuspiegeln, um mittels dieser Hypothesen eine Kontinuität zwischen Mounition und Münden noch zu retten, sollte man eher einsehen, dass der Name, den Ptolemaios verwendet offenbar nichts mit dem deutschen Mund/Mündung und seinem germanischen Vorläufer zu tun hat.
Kleineberg et al. weisen in ihrem Buch (Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios 'Atlas der Oikumene', Darmstadt 2010, S. 47) zur Entzerrung der ptolemaiischen Karte auf folgendes hin:

Der Name Munitium deutet auf einen lateinischen Ursprung und könnte von munire ("befestigen, verschanzen...") bzw. munitio ("Befestigung, Verschanzung") abgeleitet sein. Dazu passt die Tatsache, dass die entzerrten Koordinaten in die Nähe der Römerlager von Hedemünden [...] führen."​
 
Kleineberg et al. verorten in Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios 'Atlas der Oikumene', Darmstadt 2010, S. 35 die ptolemaiische Elbquelle nach Melnik:

Anhand der transformierten antiken Koordinaten lässt
sich die ptolemäische Elbquelle […] am Zusammenfluss von Moldau und Elbe bei
Melnik lokalisieren.​
 
Zum Thema Bogadium-Boke:

Kleineberg et al.: Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios 'Atlas der Oikumene', Darmstadt 2010:

S. 26: Von großer Bedeutung für die Lokalisierung sind schließlich die
Verkehrswege in Germanien. Obwohl sie in der Beschreibung des Ptolemaios keine Rolle spielen, spiegeln sie sich dennoch in den Ortsangaben wider. So können elf von Ptolemaios gennante Orte mit dem Hellweg in Verbindung gebracht werden: […] Bogadium /bei Salzkotten […]​

S. 46: Dieser Ort könnte, wie die Analyse der antiken Koordinaten ergeben hat, bei Salzkotten gelegen haben und somit ein Ort am Hellweg gewesen sein. [...versch. hist. Auflösungsversuche...] Zur Gleichsetzung mit Bockum führt MEHLIS auch die Namensähnlichkeit an.​

Ich gebe das hier nur ohne eigene Wertung wieder.
 
Kleine moderative Anmerkung: Ich will in den nächsten Tagen mal versuchen, diesen Thread auseinanderzuklamüsern, sprich die Beiträge zum Thema Ortsnamenendung -lar in den entsprechenden Thread packen, die Beiträge zu Munitium und Bogadium und westfälischen Verhältnissen in eigene Threads packen, um hier das eigentliche Thema, nämlich das hermundurische Siedlungsgebiet wieder hervorzuheben. Deshalb habe ich die letzten Statements in mehreren Beiträgen und nicht nur einem gepostet. Es würde das Asueinanderklamüsern unheimlich erleichtern, wenn Antworten ebenfalls thematisch getrennt gegeben würden.
 
@Wilfried,

du gehst sehr stark bauchgefühlsbetont und wenig methodisch an die Ortsnamen heran.
Zunächst einmal wäre festzustellen, dass es eine Reihe an -lar-Namen gibt. Das bedeutet noch nicht, dass es in allen Fällen dasselbe Morphem ist, aber der Verdacht drängt sich zunächst mal auf. Es kann natürlich im Einzelfall auch sein, dass ein Ortsname wegen der bekannten Schablone mit -lar umgedeutet wird, obgleich er etymologische einen anderen Ursprung hat, aber das müsste man dann im Zuge der Überprüfung der alten Namensformen feststellen.
Damit ist schon eine der wichtigen Methoden genannt, wie man dem Ursprung der Ortsnamen näher kommt: Es gilt, die ältesten nachweisbaren Namensformen zu finden. Früher als bis in die karolingische Zeit kommen wir für den größten Teil Deutschlands kaum zurück, auch wenn viele meinen, in der Karte des Ptolemaios ein geeignetes Instrument zu finden. Die Entzerrung ist doch viel zu unsicher.
Eine zweite Methode ist es, die Ortsnamen auf -lar, existente, wie aufgegebene, kartographisch zu verzeichnen, um festzustellen, ob es regionale Schwerpunkte dieser Ortsnamen gibt.
Weiter wäre zu schauen, ob die Orte weitere gemeinsame Namenbildungselemente haben. Also beispielsweise, ob das -lar an einen Personennamen, einen Flussnamen o.ä. angehängt ist. Bei Goslar etwa fließt die Gose. Gilt ähnliches auch für andere Ortsnamen mit -lar, dann kann man einen Zusammmenhang mit dem jeweilgen Fließgewässer herleiten.
Nicht genuin linguistisch wäre dann der Versuch herauszufinden, ob die Orte, welche -lar-Namen tragen, etwa aus derselben Zeitstellung stammen.
Sprich, ob es eine archäologisch nachweisbare Siedlungskontinuität gibt, welche in dieselbe Zeitstellung zurückreicht und archäologisch aufgrund bestimmter Formen von archäologischem Fundgut eine kulturelle Nähe zwischen den Bewohnern der -lar-Orte nahelegt. Solche außerlinguistischen Feststellungen können die linguistischen Argumente untermauern und ggf. auch widerlegen (wobei das Problem der Stadtarchäologie eben das ist, dass nur ein Bruchteil, Archäologen schätzen etwa 5 %, der Städte überhaupt archäologisch erforscht werden können).

Nach diesen vorbereitenden Überprüfungen kann man dann versuchen in die Tiefe zu gehen und der Bedeutung von -lar nachspüren.
 
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Zum Thema Bogadium-Boke:

Kleineberg et al.: Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios 'Atlas der Oikumene', Darmstadt 2010:
S. 26: Von großer Bedeutung für die Lokalisierung sind schließlich die
Verkehrswege in Germanien. Obwohl sie in der Beschreibung des Ptolemaios keine Rolle spielen, spiegeln sie sich dennoch in den Ortsangaben wider. So können elf von Ptolemaios gennante Orte mit dem Hellweg in Verbindung gebracht werden: […] Bogadium /bei Salzkotten […]​
S. 46: Dieser Ort könnte, wie die Analyse der antiken Koordinaten ergeben hat, bei Salzkotten gelegen haben und somit ein Ort am Hellweg gewesen sein. [...versch. hist. Auflösungsversuche...] Zur Gleichsetzung mit Bockum führt MEHLIS auch die Namensähnlichkeit an.​
Ich gebe das hier nur ohne eigene Wertung wieder.

Wobei sich dann noch die Frage stellt, ob Bockum-Hövel (Stadtteil von Hamm) oder Bockum bei Erwitte gemeint ist. Am Hellweg liegen beide nicht wirklich..

Ich habe schon länger versucht, herauszufinden, was sich hinter "Tulli-" in Ptolemäus Tullifurdum und Tullisurgum (-burgum?) verbergen mag. Inzwischen bin ich auf die mittelalterliche Gaugrafschaft Tullifeld zwischen Werra und Ulster (um Bad Salzungen) gestossen. Der altsächsische Tilithigau lag zwischen Weser und Deister bei Hameln. Noch bis ins frühe 19.Jahrhundert hiessen die (inzwischen wohl dem Stromausbau zum Opfer gefallenen) drei Mündungsarme der Weser Westertill, Nordertill und Ostertill. "Tulli" könnte also ein alternativer Name der Weser gewesen sein.

Bei Weserfurt denkt man natürlich zuerst an Minden. Die Entzerrer lagen dann offensichtlich mit der Lokalisierung von Tullifurdum bei Hannover gut 60 km zu weit östlich, aber zumindest auf der richtigen Breite. Geht man von der Lokalisierung Tullisurgiums, also Braunschweig, gut 60 km westlich, findet sich dort u.a. die ins 3. Jh. vor Chr. zurückdatierte Kukesburg, die die Verbindung von Hameln Richtung Hannover dominiert. Etwas weiter südlich, oberhalb Coppenbrügge, liegt die vermutlich eisenzeitliche, bislang noch nicht ergrabene Barenburg, die die Passage des Hellwegs vom Weser- ins Leinetal nördlich des Iths kontrolliert (übrigens auch mein persönlicher Favorit für die Lokalisierung von Idistovisio). Was sagt Dein schlaues Buch denn diesbezüglich? [Ortsnamenkontinuität ist natürich in beiden Fallen nicht gegeben, aber auch nicht zu erwarten, falls Tulli ein verlorengeganger Name der Weser sein sollte].


Tullifeld ? Wikipedia
Tilithigau ? Wikipedia
Kukesburg ? Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Barenburg_(Osterwald)
 
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