Zur Situation Germaniens in der Zeit von 9 - 16 n. Chr.

Jedenfalls hat er das Begonnene abgebrochen. Und das ist immerhin eine wichtige Information. Es gab eine Änderung der Pläne. Verhandlungslösung, militärische Schlappe, die totgeschwiegen wurde, oder neue Befehle von Augustus? Vielleicht ist noch anderes denkbar.

Denkbar wäre auch das Gegenteil: Es wurden keine Pläne geändert, vielmehr hat Tiberius damals schon längerfristig gedacht und die ersten Vorbereitungen für einen später geplanten Marserfeldzug getroffen.
 
Zumindest mit den Infrastrukturmaßnahmen in dieser Gegend ist er dann nicht weiter gekommen. Verheerungen sind aber andere Maßnahmen ...

Noch eine Möglichkeit:

Schneisen müssen nicht ausschließlich "positive Infrastrukturmaßnahmen" sein, sie können auch Maßnahmen zur Störung der feindlichen "Infrastruktur" sein.[FONT=Times New Roman, serif]

[/FONT]Frontin. Strat. 1.3.10:
Imperator Caesar Domitianus Augustus, cum Germani more suo e saltibus et obscuris latebris subinde impugnarent nostros tutumque regressum in profunda silvarum haberent, limitibus per centum viginti milia passum actis non mutavit tantum statum belli, sed et subjecit ditioni suae hostes, quorum refugia nudaverat
=
Weil die Germanen nach ihrer Gewohnheit aus Wäldern und dunklen Schlupfwinkeln die Unseren wiederholt angriffen und einen sicheren Rückzug in die Tiefen der Wälder hatten, legte der Imperator Caesar Domitianus Augustus Schneisen über 120 Meilen an und veränderte nicht nur den Stand des Kriegs, sondern unterwarf auch die Feinde seiner Gewalt, deren Zuflucht(smöglichkeiten) er entblößt hatte.
 
Noch eine Möglichkeit:

Schneisen müssen nicht ausschließlich "positive Infrastrukturmaßnahmen" sein, sie können auch Maßnahmen zur Störung der feindlichen "Infrastruktur" sein.[FONT=Times New Roman, serif]

[/FONT]Frontin. Strat. 1.3.10:
Imperator Caesar Domitianus Augustus, cum Germani more suo e saltibus et obscuris latebris subinde impugnarent nostros tutumque regressum in profunda silvarum haberent, limitibus per centum viginti milia passum actis non mutavit tantum statum belli, sed et subjecit ditioni suae hostes, quorum refugia nudaverat
=
Weil die Germanen nach ihrer Gewohnheit aus Wäldern und dunklen Schlupfwinkeln die Unseren wiederholt angriffen und einen sicheren Rückzug in die Tiefen der Wälder hatten, legte der Imperator Caesar Domitianus Augustus Schneisen über 120 Meilen an und veränderte nicht nur den Stand des Kriegs, sondern unterwarf auch die Feinde seiner Gewalt, deren Zuflucht(smöglichkeiten) er entblößt hatte.

Heißt saltus nicht 'kaiserliche Domäne'? Die Germanen griffen immer aus kaiserlichen Domänen und dunklen Schlupfwinkeln an? :rofl:
 
Ich dachte immer, wie wissen fast NIX über die Zeit zwischen Varus und Germanicus. Aber anscheinend lag ich da falsch. Mein Browser zeigt schon stattliche 3 Seiten an. Ernüchternde Seiten allerdings. Warum rollt man ein Thema wieder auf, über das es Nix Neues zu sagen gibt?

Bin mir nicht sicher ob es nix neues gibt. Zumindest wenn man nicht nur die Quellen, sondern auch die Archäologie heranzieht.
Ich habe u.a. ja auch Waldgirmes angesprochen:

Wolters:

Der überwiegende Teil der Forschung scheint die Datierung des Platzes bis in die Zeit des Germanicus schnell akzeptiert zu haben.

und weiter:

Die Spätdatierung von Waldgirmes macht auch ein Bestehen des Lagers von Dorlar sowie gleich mehrerer anderer Plätze dieses Raumes bis in die Zeit des Germanicus möglich oder wahrscheinlich.

Meiner (bescheidenen) Meinung nach, weist Wolters in diesem Zusammenhang auch zurecht darauf hin, daß hinsichtlich einzelner Anlagen in Haltern eine Datierung bis in die Germanicuszeit wieder denkbar ist.

Für eher unwahrscheinlich halte ich mittlerweile, daß schon Tiberius zwischen 10 und 13 n. Chr. entsprechende (feste) Kastelle rechtsrheinisch angelegt hat. Die Quellen - und da lasse ich mich ja auch gerne belehren - geben das wohl eher nicht her.

Im Zusammenhang der Situation nach 9 n. Chr. im Maingebiet weist Wolters darauf hin, dass die Situation im Gebiet der Chauken und Friesen ahnlich gewesen sein dürfte. Also auch hier könnten Stützpunkte der Römer über 9 n. Chr. erhalten geblieben seien. Allerdings fallen mir momentan zumindest keine festen Kastelle in deren Gebiet ein.:S

Zu Aliso:
Zurecht wurde auf den entsprechenden Thread hingewiesen.
Aber Aliso spielt natürlich eine Rolle.
Nur kurz:
Aliso wird in den Quellen für 9/10 n. Chr. erwähnt. Den Lesern unserer geschätzten Geschichtsschreiber war dieser Ort also offensichtlich bekannt - ebenso wie ein saltus teutoburgiensis.
Dann wird ein Aliso für das Jahr 16 n. Chr wieder erwähnt. Warum sollte dieses Aliso ein anderes sein, unabhängig davon ob es erhaleten war oder neu errichtet wurde? - nur eine Frage.
Und archäologisch weise ich noch einmal auf den Zerstörungshorizont in Haltern hin, insbesondere auch hinsichtlich der Gräberstrasse. Wie sollte man diesen einordnen? Die Römer selbst haben diese Zerstörung sicherlich nicht herbeigeführt. Bleiben also die Germanen. Aber wann? Im Zuge der Varusniederlage - oder früher, also immensum bellum?

Ja, früher habe ich immer gemeckert über die Spekulatius im September. Jetzt ist es erst März. Ich werde älter...
 
Zuletzt bearbeitet:
;) ein: Wenn die Schneisen verhindern sollten, dass kaiserliche Domänen von den Germanen genutzt wurden, muss das Gebiet zwischen Rhein und Aliso wesentlich intensiver genutzt worden sein, als bisher gedacht. Es war dann wohl auch nicht soweit her mit der Vertreibung der Römer nach der Varusschlacht. Handelte es sich um einen innenpolitischen Aufstand? ;) aus

@ Sepiola: Ja, längerfristige Planungen wären Tiberius fraglos zuzutrauen. Und den Wegschneisen wohnt natürlich das Moment inne, dem Feind die Deckung zu rauben. Die Verheerungen sind aber mit anderen Beispielen dargestellt und die Schneisen bleiben Infrastruktur. Der Abbruch des Baus ist weiter zu erklären.
 
Ich fürchte wir haben da einen kleinen chronologischen Bock geschossen. Die Quellen beziehen sich auf unterschiedliche Jahre: (Der Faulheit halber habe ich aus Sepiolas Post kopiert.)

10 n. Chr.:

Velleius 2,120:

[Tiberius] wurde nach Germanien entsandt; [...] und kehrte mit größtem Ruhm, vollzählig mit allen, die er hinübergeführt hatte, ins Winterlager zurück."


11-13 n. Chr.:

Velleius 2, 121:
" Mit der gleichen Tatkraft und dem Kriegsglück wie zu Anfang drang der Imperator Tiberius in der folgenden Zeit in Germanien ein. Er brach die Macht des Feindes durch Kriegszüge mit der Flotte und mit dem Landheer, ordnete die schwierigen Verhältnisse in Gallien und besänftigte die erhitzten Gemüter der aufständischen Bürger von Vienna, und zwar mehr durch strenges Auftreten als durch Strafen. [...Tiberius bekommt dieselbe Vollmacht in den Provinzen wie Augustus...] Nach Rom zurückgekehrt [...] feierte er [Tiberius] den Triumph über Pannonier und Dalmatier. [... Velleius erwähnt, dass er und sein Bruder am Triumphzug teilnahmen ...] Und als er nach seiner Adoption in einer dreijährigen ununterbrochenen Kampagne Germanien unterworfen hatte – hätte er da nicht die gleichen Ehren erhalten und annehmen müssen? Und als sich nach der Niederlage des Varus die Dinge rascher als erwartet zum Guten wandten und Germanien vernichtend geschlagen war – hätte da nicht dieses Germanien dem großen Feldherrn zur Zierde seines Triumphes dienen müssen?"

10 n. Chr.:
Sueton, Tiberius:
18. Im folgenden Jahre ging er von neuem nach Germanien, [...], worauf ihm dann das Geständnis der beabsichtigten Frevelthat durch die Folter erpreßt wurde.
(Kaiserbiographien von Sueton - Text im Projekt Gutenberg)


9 n. Chr. ? (Es wird meist 10 n. Chr. angegeben. Nach den anderen Quellen kann das nicht stimmen):

Zonaras 10, 37:
"Tiberius zog es vor, nicht über den Rhein zu gehen, sondern verhielt sich ruhig und gab darauf acht, dass die Barbaren das nicht taten. Aber auch sie wagten nicht den Übergang, da sie von seinen Anwesenheit wussten."

11 n. Chr.:

Dio 56,25:

Unter dem Konsulat des Marcus Aemilius und Statilius Taurus [11 n. Chr.] fielen Tiberius und Germanicus, [...] nach Hause zurück.

Das mit dem Triumphzug habe ich übersetzt, der Rest meiner Ergänzung ist von der clades-variana-Seite.
 
Hallo,
11-13 n. Chr.:

Velleius 2, 121:
"Mit der gleichen Tatkraft und dem Kriegsglück wie zu Anfang drang der Imperator Tiberius in der folgenden Zeit in Germanien ein. Er brach die Macht des Feindes durch Kriegszüge mit der Flotte und mit dem Landheer, ordnete die schwierigen Verhältnisse in Gallien und besänftigte die erhitzten Gemüter der aufständischen Bürger von Vienna, und zwar mehr durch strenges Auftreten als durch Strafen. [...Tiberius bekommt dieselbe Vollmacht in den Provinzen wie Augustus...] Nach Rom zurückgekehrt [...] feierte er [Tiberius] den Triumph über Pannonier und Dalmatier. [... Velleius erwähnt, dass er und sein Bruder am Triumphzug teilnahmen ...] Und als er nach seiner Adoption in einer dreijährigen ununterbrochenen Kampagne Germanien unterworfen hatte – hätte er da nicht die gleichen Ehren erhalten und annehmen müssen? Und als sich nach der Niederlage des Varus die Dinge rascher als erwartet zum Guten wandten und Germanien vernichtend geschlagen war – hätte da nicht dieses Germanien dem großen Feldherrn zur Zierde seines Triumphes dienen müssen?"


Achtung bei den zugeordneten Jahreszahlen

Hildisvini
 
11-13 n. Chr.:

Velleius 2, 121:
"Mit der gleichen Tatkraft und dem Kriegsglück wie zu Anfang drang der Imperator Tiberius in der folgenden Zeit in Germanien ein. Er brach die Macht des Feindes durch Kriegszüge mit der Flotte und mit dem Landheer, ordnete die schwierigen Verhältnisse in Gallien und besänftigte die erhitzten Gemüter der aufständischen Bürger von Vienna, und zwar mehr durch strenges Auftreten als durch Strafen.

Velleius berichtet das im Anschluss an die Verteidigung Alisos durch Caedicius. Er springt also offensichtlich in der Zeit vor und zurück.

Bezieht sich 2,121 wirklich auf eine andere Zeitstellung als 2,120? "Er festigte die gallischen Provinzen" - "er ordnete die schwierigen Verhältnisse in Gallien" - sind das zwei zeitlich getrennte Aktionen?
 
Ja, längerfristige Planungen wären Tiberius fraglos zuzutrauen. Und den Wegschneisen wohnt natürlich das Moment inne, dem Feind die Deckung zu rauben. Die Verheerungen sind aber mit anderen Beispielen dargestellt und die Schneisen bleiben Infrastruktur. Der Abbruch des Baus ist weiter zu erklären.

Wir wissen natürlich, wie die eine erwähnte Schneise genutzt wurde: Sie diente Germanicus als Einfallstor für einen schnellen Feldzug gegen die Marser, und sie eignete sich auch prima, um ein Marschlager darauf zu bauen.

Das könnte auch das von Tiberius beabsichtigte Nutzungskonzept gewesen sein, wie ich selber ja schon schrieb. Ich wollte nur ergänzen, dass man auch mit destruktiver Absicht Schneisen in vom Feind genutzte Wälder hauen kann. (Beim Verwüsten von Feldern steht die destruktive Absicht außer Frage.)

Natürlich bleibt die Frage, warum Tiberius die Schneise nur begonnen hat. Es gibt mehrere Erklärungsmöglichkeiten. Die definitive Antwort werden wir in den Quellen nicht finden. Und die Archäologie tut sich, wie El Quijote richtig bemerkte, mit dem Nachweis von Schneisen ziemlich schwer...
 
Tiberius kehrte Anfang 13 n. Chr. nach Rom zurück. Wenn die erste Stelle (9 und) 10 n. Chr. beschreibt, was zunächst einmal anzunehmen ist, da er schon 9 n. Chr. in Germanien eintraf, Velleius aber keine Aktionen für ein weiteres Jahr einfügt, müssen die weiter summarisch aufgeführten Taten von 11 bis 13 n. Chr. eingeordnet werden.

Ich betone: "zunächst einmal anzunehmen ist". Velleius ist ja nicht ganz neutral. Und im Grunde steht der Rheinübergang unverbunden da. Aber ich muss hier ja erst mal naiv bleiben, um nicht meine eigene Interpretation hineinzubringen.

Bei Zonaras habe ich mir den Hinweis erlaubt, da offensichtlich ist, dass irgendwo etwas mit der Chronologie nicht stimmt. Bei Velleius wäre es nur eine Vermutung, die erst noch diskutiert werden müsste.

(Auf das 'immensum bellum', auf das Velleius anspielt bist Du ja nicht hereingefallen? Das ist hier wichtig, da auch dafür Tiberius keinen Triumph bekam.)
 
Velleius berichtet das im Anschluss an die Verteidigung Alisos durch Caedicius. Er springt also offensichtlich in der Zeit vor und zurück.

Bezieht sich 2,121 wirklich auf eine andere Zeitstellung als 2,120? "Er festigte die gallischen Provinzen" - "er ordnete die schwierigen Verhältnisse in Gallien" - sind das zwei zeitlich getrennte Aktionen?

Dir ist doch klar, dass man nicht einfach Stellen aus dem Zusammenhang reißen sollte. Velleius unterbricht die Schilderung, nachdem Tiberius wieder im Winterlager ist, um Asprenas und einige Andere trotz der Niederlage zu loben. Danach nimmt er den Faden wieder auf. "Mit gleicher Mannhaftigkeit und Glück wie zu Anfang" muss er sich auf die Schilderung seiner ersten Aktionen in Germanien beziehen. Es waren seine ersten Aktionen in diesem Krieg. Dies auf frühere Kriege zu beziehen, zeugt von geringer Lesekompetenz. Er sagt nämlich eindeutig, dass es um die folgende Zeit geht, als er thematisch zu Tiberius zurückkehrt und der Exkurs beendet ist.

Zudem widerspräche er sich sonst mit den Kriegszügen von Flotte und Heer. Und er müsste sich auf die ersten Aktionen des Tiberius beziehen, die dieser nicht als imperator begann. Das trifft nur auf die Aktionen nach der Varusschlacht zu, da sein Triumph verschoben war.

Das Ordnen von Verhältnissen ist normalerweise eine Aktion, die erst dann folgt, wenn man die Situation unter Kontrolle gebracht hat. Du willst hier also zwei Dinge gleichsetzen. Dass das ein Unterschied ist, ist so elementar, dass Militärgeschichte ohne dem nicht zu verstehen ist. Selbst die Funktionsweise der Demokratie kann man nicht ohne diesen Unterschied verstehen.

Ehrlich gesagt, habe ich gerade den Verdacht verarscht zu werden, weil das alles so grundlegend ist.
 
Guten Abend,

@ Hildesvini

die Stelle des Velleius bei II-121 zu Lande und zu Wasser passt perfekt für die Operationen des Tiberius 10/12 n. Chr. und den archäologischen Gegebenheiten vom Bentumersiel und Kalkriese. Das Fundmaterial vom Bentumersiel, Kalkriese und Haltern beinhaltet u.a. Augenfibeln vom Typ Almgren A45/46, jedoch gibt es zwischen Haltern einerseits und Kalkriese/Bentumersiel andererseits signifikante Unterschiede bezüglich der Fibelform. Während die beiden Halterner Stücke (Varus-Horizont) einen Fibelfuß mit durchbrochenem Nadelhalter vom Spätlaténetypus aufweisen (Form A), besitzt die Augenfibel von Kalkriese und auch die von Bentumersiel bereits einen voll ausgebildeten geschlossenen Nadelhalter (Form B). Das ist insofern chronologisch wichtig, da ja auch die Gegenstempel TIB 193 und CA58 in Kalkriese anzutreffen sind, jedoch in Haltern gänzlich fehlen. Bereits Bernd Steidl vermutete 2013 schon, dass die Kalkrieser Augenfibel chronologisch später einzuordnen ist - blieb aber bei 9 n. Chr. ohne die Münzen in seine Überlegungen mit einzubeziehen.

Ich vermute schon lange das das Gefecht des Tiberius bei Sueton am Kalkrieser Berg stattfand.
 
Ich vermute schon lange das das Gefecht des Tiberius bei Sueton am Kalkrieser Berg stattfand.

Und wurdest oft genug darauf hingewiesen, dass es kein "Gefecht des Tiberius" bei Sueton gibt.


Nein, das sagt Sueton nicht.
Hast Du die Fakten schon wieder vergessen?
Zur Erinnerung - es ist noch gar nicht so lange her - aus dieser Diskussion:

http://www.geschichtsforum.de/767248-post4579.html



"Doch wäre er nach glücklicher Beendigung des Feldzuges beinahe von einem Brukterer ermordet worden, der sich unter seine nächste Umgebung gemischt, aber durch sein scheues Benehmen verraten hatte, worauf ihm dann das Geständnis der beabsichtigten Frevelthat durch die Folter erpreßt wurde. "
http://gutenberg.spiegel.de/buch/kaiserbiographien-8675/5


Nicht "bei" einem Gefecht, sondern nach Beendigung des Feldzugs.

:autsch:
 
Zuletzt bearbeitet:
Dir ist doch klar, dass man nicht einfach Stellen aus dem Zusammenhang reißen sollte. Velleius unterbricht die Schilderung, nachdem Tiberius wieder im Winterlager ist, um Asprenas und einige Andere trotz der Niederlage zu loben. Danach nimmt er den Faden wieder auf. "Mit gleicher Mannhaftigkeit und Glück wie zu Anfang" muss er sich auf die Schilderung seiner ersten Aktionen in Germanien beziehen. Es waren seine ersten Aktionen in diesem Krieg. Dies auf frühere Kriege zu beziehen, zeugt von geringer Lesekompetenz. Er sagt nämlich eindeutig, dass es um die folgende Zeit geht, als er thematisch zu Tiberius zurückkehrt und der Exkurs beendet ist.

Also: Gerade noch hat Velleius noch von Asprenas, Aliso usw. berichtet, nun spricht er von der unmittelbar darauffolgenden Zeit (subsequenti tempore), der Zeit der Tiberius-Aktionen ab anno 9/10.

"Mit gleicher Mannhaftigkeit und Glück wie zu Anfang" muss er sich auf die Schilderung seiner ersten Aktionen in Germanien beziehen.
Das unterschreibe ich natürlich.

Es waren seine ersten Aktionen in diesem Krieg.
Bist Du sicher?
Ich gebe gern zu, dass ich nicht sicher bin.


Das Ordnen von Verhältnissen ist normalerweise eine Aktion, die erst dann folgt, wenn man die Situation unter Kontrolle gebracht hat. Du willst hier also zwei Dinge gleichsetzen.
Dann müssen wir nochmal den lateinischen Text anschauen. Das "Ordnen" finde ich da nämlich gar nicht. "Res Galliarum maximae molis ... mollisset" besagt nicht mehr als: Er hat die höchst schwierigen Angelegenheiten der gallischen (Provinzen) abgemildert/besänftigt.

Wo ist da bitte der elementare Unterschied?
 
Bei Zonaras habe ich mir den Hinweis erlaubt, da offensichtlich ist, dass irgendwo etwas mit der Chronologie nicht stimmt.
Was kann denn bei Zonaras nicht stimmen?

Anno 10 sichert Tiberius erst einmal die Rheingrenze, erst 11 überschreitet er den Rhein. Laut Dio zusammen mit Germanicus, den Velleius hier mit Schweigen übergeht.

Wobei Velleius an keiner Stelle irgendwelche konkreten militärischen Zusammenstöße erwähnt. "Germania excisa" kann man mit "Germanien vernichtend geschlagen" übersetzen, genaugenommen heißt es nur: "Germanien zerstört". Freilich, die Felder waren verwüstet und die Dörfer in Schutt und Asche gelegt - was wurde sonst noch zerstört?

Da, wo er die feindlichen Streitkräfte (viribus ist Plural, was eine Übersetzung "Streitkräfte" nahelegt) erwähnt, bleibt er bestenfalls zweideutig:

Qui concussis hostium viribus classicis peditumque expeditionibus

Concutere heißt eigentlich "erschüttern", "erschrecken" - ist die Übersetzung "Er brach die Macht des Feindes" wirklich zutreffend? Wäre der Satz nicht sinnvoll mit "Er versetzte die Streitkräfte des Feindes in Angst und Schrecken" zu übersetzen?

Oder hapert es schon wieder mit meiner Lesekompetenz?
 
Guten Morgen,

@ Sepiola,

dann unterstellst du Wilhelm Capelle Unwissenheit.

Quelle: Wilhelm Capelle - Das alte Germanien

Im Langenscheid heißt pugna/pugnare auch nicht Feldzug.

Zum anderen gibt es nun mal archäologisch/numismatische Unterschiede. Kalkriese gehört nicht zum Haltern-Horizont. Beschäftige dich doch endlich mal mit den archäologischen Fakten. Wenn man aber keine Ahnung davon hat, sollte man besser leisere Töne anschlagen.
 
Hallo,
II/120 : unmittelbare römische Reaktion auf die Varusniederlage ( 9-10 AD)
--Schadensbegrenzung--


II/121 : ist die abschließende Zusammenfassung des römischen "Ausfluges" nach Germanien.(10-17AD) beschreibt aber die Germanicusfeldzüge unter dem Oberbefehl Tiberius.
--Neubewertung der Situation Germanien und versuchte Wiederherstellung der Machtverhältnisse--


II/122 : Ist die Auswertung der politischen Auswirkungen in Anlehnung an II/121
--Ende des Expansionsbestrebens Roms in Fortsetzung der Politik Augustus durch Tiberius--

Hildisvini
 
Im Langenscheid heißt pugna/pugnare auch nicht Feldzug.
Kannst du mal sagen, auf welche Stelle du dich beziehst? Weder bei Sueton noch bei Velleius steht an den betreffenden Stellen der tiberianischen Rheinüberquerung nach der Varusschlacht das Wort pugna.

Zum anderen gibt es nun mal archäologisch/numismatische Unterschiede. Kalkriese gehört nicht zum Haltern-Horizont. Beschäftige dich doch endlich mal mit den archäologischen Fakten.
Es ist mir nicht erklärlich, wie du Kalkriese mit seinen Klinenresten, seinem Weinsieb etc. Tiberius zuweisen kannst, der, folgt man Sueton selber überwachte, dass unnotwendiges Gepäck am Rhein zurückgelassen wurde und auch für sich selber auf jeden Luxus und explizit auf Sitzmöbel und Zelt verzichtete. (Suet. Tib. 18)

Wenn man aber keine Ahnung davon hat, sollte man besser leisere Töne anschlagen.
Was du hier Sepiola [meines Erachtens zu Unrecht] vorwirfst, hältst du selber im Umgang mit den Quellen nicht ein. Also bitte, wer im Glashaus sitzt, sollte die Steine liegen lassen.
 
@ Sepiola,

dann unterstellst du Wilhelm Capelle Unwissenheit.

Quatsch.
Das hatten wir doch auch schon:

An der Übersetzung "Gefecht" ist nichts auszusetzen. Der Stelle ist zu entnehmen, dass Tiberius zum Gefecht entschlossen war. Mehr nicht.


Im Langenscheid heißt pugna/pugnare auch nicht Feldzug.
Und weiter?

Liest Du bei Sueton hier irgendwo das Wort "pugnare"?
Oder meinst Du eine andere Stelle?

18 Proximo anno repetita Germania cum animadverteret Varianam cladem temeritate et neglegentia ducis accidisse, nihil non de consilii sententia egit; semper alias sui arbitrii contentusque se uno, tunc praeter consuetudinem cum compluribus de ratione belli communicavit. Curam quoque solito exactiorem praestitit. Traiecturus Rhenum commeatum omnem ad certam formulam adstrictum non ante transmisit, quam consistens apud ripam explorasset vehiculorum onera, ne qua deportarentur nisi concessa aut necessaria. Trans Rhenum vero eum vitae ordinem tenuit, ut sedens in caespite nudo cibum caperet, saepe sine tentorio pernoctaret, praecepta sequentis diei omnia, et si quid subiti muneris iniungendum esset, per libellos daret; addita monitione ut, de quo quisque dubitaret, se nec alio interprete quacumque vel noctis hora uteretur. 19 Disciplinam acerrime exegit animadversionum et ignominiarum generibus ex antiquitate repetitis atque etiam legato legionis, quod paucos milites cum liberto suo trans ripam venatum misisset, ignominia notato. Proelia, quamvis minimum fortunae casibusque permitteret, aliquanto constantius p322inibat, quotiens lucubrante se subito ac nullo propellente decideret lumen et exstingueretur, confidens, ut aiebat, ostento sibi a maioribus suis in omni ducatu expertissimo. Sed re prospere gesta non multum afuit quin a Bructero quodam occideretur, cui inter proximos versanti et trepidatione detecto tormentis expressa confessio est cogitati facinoris.

Zum anderen gibt es nun mal archäologisch/numismatische Unterschiede. Kalkriese gehört nicht zum Haltern-Horizont.
Von Kalkriese habe ich nichts geschrieben, Kalkriese-Diskussionen haben wir außerdem schon genug.
Haltern ist natürlich interessant. Stephan Berke hat versuchsweise eine Germanicus-zeitliche Belegung der Nekropole Haltern zur Diskussion gestellt.
Wenn Du da neue Informationen hast, immer her damit.
 
Hallo,

kurzer Nachtrag:

II/121 : ist die abschließende Zusammenfassung des römischen "Ausfluges" nach Germanien.(10-17AD) beschreibt aber die Germanicusfeldzüge unter dem Oberbefehl Tiberius.
--Neubewertung der Situation Germanien und versuchte Wiederherstellung der Machtverhältnisse--

In Anbetracht der Quellenlage ( keinen nennenswerten Zusammenstöße) bis ca 14 AD wäre hier Einschränkung auf 15-17 AD statthaft.

Hidisvini
 
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