Zweigs Fouché-Biographie

tvinnefossen

Mitglied
Habe derzeit das kurzweilige Vergnügen mich mit Stefan Zweigs "Joseph Fouché: Bildnis eines politischen Menschen" auseinanderzusetzen (als Hörbuch in ungeklürzter Fassung auf meinem langen Arbeitsweg)

Wie bewerten Historiker diese Biographie. Es ist ja nunmal eine Biographie von einem Literaten verfasst und nicht von einem Historiker,

Stimmt man Zweigs Einordnungen und Charakterisierungen zu oder meint man heute Joseph Fouché anders beschreiben zu müssen?
 
Wenn Du wissen willst, wie Zweigs Fouché-Biographie bewertet wird bzw. wurde, dann ist es am besten Sekundärliteratur zu Autor und zu diesem Werk zu suchen, wobei es ganz nützlich sein könnte, auf Bücher zu spezialisieren, die sich auch mit seinen anderen Romanbiographien befassen. (Neben neuerer, aktueller Sekundärliteratur würde ich auch ein paar ältere Werke zuziehen, allerdings solche, die auf einer für ihre Entstehungszeit seriösen Grundlage aufgebaut sind, auch wenn sie heute überholt wirken. Eventuell können auch Rezensionen helfen.

Wenn Du Dir selbst eine Meinung bilden willst, würde ich sehen, ob es zu Fouque aktuelle Biographien bzw. Sekundärliteratur gibt, die auf einer seriösen Quellenlage aufbaut. Da Zweig seinerzeit ein sehr bekannter Dichter war bzw. noch immer ist, kann ich mir gut vorstellen, dass auch wissenschaftliche Biographien zumindest auf seine Biographie eingehen. (Und daneben Du kannst auch selbst Zweig auch ein wenig kritisch hinterfragen, indem Du z. B. auf Informationen achtest, die Dir auch schon als Stereotype untergekommen, die auch in seinen anderen Biographien vorkommen und einiges über seine eigene Sicht auf Geschichte verraten könnten und Ähnliches.)
 
Hm.... dachte eher so an kurze Frage, kurze Antwort unter Erwachsenen. Ich war an Meinungen interessiert!

Ich bin kein Pennäler, der eine pädagogisch-didaktische Hilfestellung zur Annäherung zum Thema benötigt. Mich interessiert weniger Fouché als Person, sondern Zweig als Biograph. Ich stellte diese Frage eben genau deshalb, weil ich es mir in diesem Falle eben nicht selbst erarbeiten wollte, sondern mich am Wissen derer, die in dieser Zeit und in diesem Thema auch das Steckenpferd ihres historischen Interesses sehen,"heimtückisch bereichern" wollte.
Dennoch vielen Dank für die lieb gemeinten antworten. Hier sind mittlerweile ja auch so viele Schüler unterwegs, die etwas für ihre Hausaufgaben mitnehmen wollen, daß man auf eine Kamingesprächfrage gar nicht mehr eingestellt ist:D

Stelle mir das gerade bildlich vor: thanepower, Teresa C. und tvinnefossen sitzen am knisternden Kamin. Der Feuerschein spiegelt sich am Rotweinglas und auf keine unserer Fragen bekommt der andere eine erwachsene Antwort, dafür aber jede Menge Gegenfragen und gut gemeinte Ratschläge alles selbst herauszufinden, während die mitgereiste Schulklasse längst in den Gemäuern der mittelalterlichen Jugenherberge schläft (einer von den 3 Diskutanten ist definitiv Lehrer oder hat eine Ader dafür)...:pfeif:

Ich habe mich mit Fouché "befaßt", nicht weil mich Fouché sonderlich interessieren würde, sondern weil ich Stefan Zweig außerordentlich mag; seinen Umgang mit Sprache sowie seine Fähigkeit mit Worten ein plastisches Bild entstehen zu lassen. Ich habe mich dem Thema also von der literarischen Seite genähert. Die Antwort auf meine gestellte Frage, wäre für mich eine Randnotiz gewesen. Ich lese Zweig nur für mich, sonst nichts.

Da mein historisches Interesse ganz woanders als bei der französischen Revolution liegt, dachte ich mir: "Wäre interessant zu erfahren, wie jene, die dieses Thema zum Steckenpferd haben und sowohl Fachbücher als auch Zweigs Werk zum Thema kennen die Sache sehen bzw. was sie berichten können, wie es heutzutage die Fachwelt wertet."

Wie gesagt, sehr nett gemeint, aber historisch halte ich mich hauptsächlich beim Thema Brandenburg auf und werde das Thema Fouché nicht vertiefen. Das Thema Zweig aber sehr wohl.

Es wäre für mich nur interessant gewesen, ob Zweigs finstere Darstellung Fouchés als Wendehals, der immer mit der Mehrheit geht und annähernd ohne politisches Gewissen aber immer voller Kalkül war, so auch von den Historikern bestätigt wird? Interessant auch für die Einordnung seiner weiteren Biographien oder eben auch für die Einordnung der Sicht zur Entstehungszeit der Werke im Vergleich zum Heute. Es wäre interessant aber nicht wichtig. Mir geht es ja um den Literaten Zweig und nicht um Zweig als Historiker.

Vielleicht weiß es ja doch noch einer?:still:
 
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@tvinnefossen:

Wenn Du ein Problem mit ersten Reaktionen auf ein Thema haben solltest, wäre es sinnvoll, Dein Anliegen einfach nochmal zu erläutern.

Wie so eine Anfrage zu verstehen ist, erschließt sich Dritten manchmal nicht ganz. Nachfragen sind auch per se keine Unterstellungen. Niemanden bricht ein Zacken aus der Krone, eine kleine Erläuterung - ohne Nicklichkeiten - nachzuschieben und die Ebene klarzustellen, auf der die Anfrage gestellt ist.

Mod: Damit bitte weiter ohne weitere Metadiskussionen über Schulklassen etc. (die gelöscht werden).
 
@tvinnefossen:

Wenn Du ein Problem mit ersten Reaktionen auf ein Thema haben solltest, wäre es sinnvoll, Dein Anliegen einfach nochmal zu erläutern.

Wie so eine Anfrage zu verstehen ist, erschließt sich Dritten manchmal nicht ganz. Nachfragen sind auch per se keine Unterstellungen. Niemanden bricht ein Zacken aus der Krone, eine kleine Erläuterung - ohne Nicklichkeiten - nachzuschieben und die Ebene klarzustellen, auf der die Anfrage gestellt ist.

Mod: Damit bitte weiter ohne weitere Metadiskussionen über Schulklassen etc. (die gelöscht werden).

Okay, verstanden!

Mir geht es im Prinzip nur darum, wie die Leute, die sich mit der französischen Revolution auskennen (also anders als ich), denen Fouché daher ein Begriff ist und die auch mal Zweigs Fouché-Biographie gelesen haben. Diese Biographie werten würden. (meine aber das im Eröffnungspost mit anderen Worten gefragt zu haben)

Bitte um Verzeihung für meine etwas überspitzte Reaktion, demnächst wieder mehr Höflichkeit und weniger Ehrlichkeit :pfeif:
 
Habe derzeit das kurzweilige Vergnügen mich mit Stefan Zweigs "Joseph Fouché: Bildnis eines politischen Menschen" auseinanderzusetzen (als Hörbuch in ungeklürzter Fassung auf meinem langen Arbeitsweg)

Wie bewerten Historiker diese Biographie. Es ist ja nunmal eine Biographie von einem Literaten verfasst und nicht von einem Historiker,

Stimmt man Zweigs Einordnungen und Charakterisierungen zu oder meint man heute Joseph Fouché anders beschreiben zu müssen?

Stephan Zweig war sehr an Historiographie und Geschichte interessiert. Seine "Sternstunden der Menschheit" gehörten seinerzeit zu den meistgelesenen literarischen Produkten, und für seine Biographie der Marie Antoinette (Marie Antoinette-Bildnis eines mittleren Charakters) verwertete er eine Reihe von Originalquellen und seine Biographie ist immer noch lesenswert, auch wenn sein Geschichts- und Menschenbild überholt ist. Stephan Zweig war ein Kind seiner Zeit, und Geschichte ist für ihn vor alllem die Geschichte "großer" und "genialer" Akteure wie Napoleon oder Beethoven.
Marie Antoinettes Tragik besteht darin, dass sie ein mittelmäßiger Charakter ist, den das Schicksal zu einer Hauptakteurin der Geschichte macht, die ihr Format und ihre Größe erst gewinnt, als sie Macht, Glanz und Luxus verliert.

Nach modernen geschichtswissenschaftlichen und psychologischen Maßstäben sind Stephan Zweigs Marie Antoinette Biographie und andere historiographische Werke Zweigs unzweifellos überholt wie auch seine psychologisierenden Erklärungen als überholt gelten dürfen. Die Anfang des 20. Jhds weit verbreiteten Thesen, "Geschichte werde-von- großen/ genialen- Persönlichkeiten gestaltet" und Antriebskräfte historischer Prozesse seien quasi schicksalhaft werden kaum noch vertreten. Die moderne Geschichtswissenschaft ist über den Status der bloßen Geschichts(be)schreibung längst hinausgewachsen, und Sozial-, Wirtschafts- und Mentalitätsgeschichte haben die Antriebskräfte historischer Prozesse entmysthifiziert. Stefan Zweigs historische Werke, darunter die "Sternstunden der Menschheit" gehörten zu den erfolgreichsten literarischen Veröffentlichungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch wenn sich Psychologie und Geschichtswissenschaft seitdem weiterentwickelt haben, sind Zweigs Werke noch immer interessant und durchaus lesenswert. Er verzichtet darauf, Dinge zu erfinden oder um der Spannung willen, sich literarische Freiheiten heraus zu nehmen. Stefan Zweig verarbeitete eine ganze Reihe von Originalquellen vor alllem aus Memoirenquellen, die er mit großer Sicherheit und spürbarer Lust am historischen Detail zu zitieren weiß. Dank seiner Erzählkunst haben solche Passagen eine im wahrsten Sinne des Wortes große literarische "Dichte".
 
Die moderne Geschichtswissenschaft ist über den Status der bloßen Geschichts(be)schreibung längst hinausgewachsen, und Sozial-, Wirtschafts- und Mentalitätsgeschichte haben die Antriebskräfte historischer Prozesse entmysthifiziert.

In einem anderen Kontext wurde auf die Theorie von Foucault hingewiesen. Er beschreibt, ähnlich wie Elias, die Anpassung des Menschen an die veränderten Rahmenbedingungen der Vergesellschaftung.

Die zunehmend komplexer werdenden Gesellschaften, die zunehmend durch zentrifugale Tendenzen gekennzeichnet sind, erfordern administrative Institutionen, die der nationalstaatlichen Industriealisierung den notwendigen Rahmen zur Entwicklung bieten (vgl. M. Mann: The sources of social power. Vol. 2, S. 167ff)

Diese Sichtweise beschreibt beispielsweise Foucault in "Überwachen und Strafen", in der im 19. Jahundert ein neues "Machtgeflecht" sich entwickelt, das weder "gut" noch "böse" ist, sondern "gefährlich" in seinen Konsequenzen für die Einwohner eines Staates. Und grenzt es deutlich gegen das durch "feudale" Werte geprägte monarchistische Frankreich und sein Repressions- bzw. Gefängnissystem des 17. Jahrhunderts ab.

Vor diesem Hintergrund kann man beispielsweise Fouche als einer der handelnden Protagonisten einordnen, der dieser allgemeinen Entwicklung speziell für Frankreich eine "neuartige Richtung" gegeben hat.

Verbrechen werden nicht mehr "gegen den König" ausgeführt, so die Umdeutung der Definition von Kriminalität (vgl. zur Frage der Definitionsmacht auch: z.B. Nietzsche: Zur Genealogie der Moral). Sondern in der Folge der "Aufklärung" als Handlung gegen das Volk und somit entswickelt sich ein neues Modell der Legitimierung von Handlungen, das sich auf das Volk bezieht und im "Volksgerichtshof" - aber es gibt auch andere Beispiele - zu einer pervertieren Entwicklung geführt hatte (vgl. z.B. in der Art der Auswirkung dieser "unpersönlichen Machtausübung durch das "Volk" auch Kaffka: Der Prozess).

Und man fragt sich dabei unwillkürlich, wer ist eigentlich das Volk im Prozess dieser Legitimation bzw. Selbstermächtigung, wenn wenige behaupten "Wir sind das Volk". Wie beispielsweise im NS-Regime passiert.
 
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Stephan Zweig war sehr an Historiographie und Geschichte interessiert. Seine "Sternstunden der Menschheit" gehörten seinerzeit zu den meistgelesenen literarischen Produkten, und für seine Biographie der Marie Antoinette (Marie Antoinette-Bildnis eines mittleren Charakters) verwertete er eine Reihe von Originalquellen und seine Biographie ist immer noch lesenswert, auch wenn sein Geschichts- und Menschenbild überholt ist. Stephan Zweig war ein Kind seiner Zeit, und Geschichte ist für ihn vor alllem die Geschichte "großer" und "genialer" Akteure wie Napoleon oder Beethoven. ......

Vielen Dank für Ihre Antwort. Hat meine Frage vortrefflich beantwortet!
 
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