Sie machten sich einen Namen

Joinville

Aktives Mitglied
Zu meinen liebsten Beschäftigungen beim studieren von Literatur die um das Thema "Mittelalter" kreisen, gehört das suchen nach besonders markanten Beinamen, die sich die Protagonisten jener Ära, durch ihr Handeln erworben haben.
Damit meine ich nicht solche Bezeichnungen wie, "der Große" oder "der Jüngere", deren Bedeutung ja offensichtlich ist. Nein, es sollten schon etwas außergewöhnliche "Ehrennamen" sein die mein Interesse wecken.
Und da ich nie genug davon zu lesen bekomme, möchte ich die geehrten Forenmitglieder doch darum bitten, in ihren Büchern zu schmöckern und den ein oder anderen "Teufel" oder "Heiligen" des Mittelalters ausfindig zu machen und dazu auch bitte eine Erläuterung dazu zu schreiben, wie derjenige welche zu seinem Beinamen gekommen ist.
Und da ich schon mal so schön dabei bin auf meinem Tastaturenbrett herumzudrücken, fange ich mit zwei Persönlichkeiten an.


Erik "Blutaxt" (König von Norwegen 931 - 933) :

In einer Zeit, in der in anderen Reichen Europas die ersten Knospen, von dem was wir heut Rechtsstaatlichkeit nennen, zu sprießen beginnen, machten die Nordmannen in Norwegen nicht viel Federlesen darum, wenn es heißt sein Recht durchzusetzen.
Besonders Erik, seines Zeichen einer der Söhne König Harald "Schönhaars", sah nicht ein warum er in der Thronfolgefrage auch nur einen Kompromis machen sollte. Er war nicht der Älteste der vielen Brüder die er hatte, aber immerhin war auch seine Mutter von königlichem Blut. Was seine (Halb)Brüder von ihren Müttern nicht behaupten konnten. Das spielte aber bei den Wikingern keine große Rolle.
Und so musste Erik seinem "Recht" ein wenig nachhelfen. Eventuele Skrupel ersetzte er durch seine Streitaxt und spaltete mit ihr die Schädel seiner Brüder und Neffen. Der Erfolg gab ihm Recht und er wurde nach seines Vaters Tod König.


Fulk "Nerra" (Graf von Anjou 987 - 1040) :

Schon seine Mutter soll eine Tochter des Teufels gewessen sein.
Jedenfalls soll sie ihrem Ehemann, auf schwarzen Flügeln schwingend, davongeflogen sein. Diese Hexe.
Fulk sollte das nich passieren. Er verbrannte seine (erste) Frau, Elisabeth von Vendôme, in ihrem Brautkleid an einem Pfal gebunden. Was musste sie ihn auch mit einem Ziegenhirten betrügen.
Unbotmässige Vasallen züchtigte er, indem er deren Töchter vergewaltigte.
Er plünderte, branntschatzte und mordete sich durch die Länderein seiner Feinde mit solch ungeheurer Brutalität, dass diesen (selbst auch nicht gerade zimperlich) das Blut in den Adern gefrohr.
Ein Kerl mit solchem Ruf kam für den König gerade recht, für seinen Kampf gegen die Grafen von Blois-Champagne.
Selbst vor den Häusern des Herren und seinen Dienern machte er nicht halt.
Doch die Kirche drückte beide Augen zu.
Was sind schon die aufgeschlitzten Leiber der Mönche und zertrümmerten Köpfe der Nonnen (die freilich noch vergewaltigt wurden) im Gegensatz zum Gold des Grafen, mit dem er sich beim Bischof Absolution erkaufte.
"Nerra" hinterließ bei seinen Zeitgenossen wirklich bleibenden Eindruck.
Zu seinen Nachkommen gehörten die Könige von England aus dem Hause "Plantagenet", denen er die berüchtigte "schwarze Galle" vererbte, was so manches erklären würde.
 
Es gibt da ein populärwissenschaftliches Buch, das sich mit dem Thema beschäftigt: War Karl der Kahle wirklich kahl? Historische Beinamen und was dahinter steckt. Von Reinhard Lebe, kostet 8,50 €.
 
Wilhelm "Eisenarm" (auch Guillaume Bras-de-Fer oder William Iron-arm; geb. v. 1010, gest. 1046). Einer der ersten Hauteville in Italien, die sich dort vor allem als Söldner wahlweise auf byzantinischer oder lombardischer Seite verdingten. Seinen Namen verdiente sich Wilhelm, als er bei der Belagerung von Syrakus mit einer Hand den Emir vom Pferd zog und tötete.
 
HEINRICH III. - der Hinkende

Nach Ottos III. Tod ließ sich der Markgraf von Ivrea, Irduin, mit Einverständnis lombardischer Magnaten zum König erheben. Heinrich dachte nicht daran ihm Italien zu überlasen und schlug sich brav anno 1004 bis Pavia durch, wo ihn Magnaten als König anerkannten.

Nach einem Trinkgelage und Streit zwischen Deutschen und Italienern kam es zu Straßenschlacht, die in Niederbrennung der Pavia seitens Heinrichs Truppen ausuferte. Daraufhin belagerte die empörte Bevölkerung den Palast, aus dem sich Heinrich mit einem Hechtsprung durchs Fenster rettete und zum Hinkenden wurde.
 
Also ich hab gerade einen wirklich guten "Namen" gefunden.

Fulk "das Gänschen" (Vizegraf von Limoges 1028 - 1032 und 1056 - 1066)

Leider hab ich keinerlei Informationen darüber wie er zu diesem einmahligen Namen gekommen ist. Vieleicht kennt einer von euch ihn etwas näher.
Ich weiß nur das er ein Enkel von Fulk "Nerra" war und das er scheinbar nichts von dessen "Qualitäten" geerbt hat.
Er wurde von seinem Verwandten, Gottfried "Martell" von Anjou, aus Limoges verdrängt.
Scheint wohl ein richtiges Sensibelchen gewessen zu sein der Kleine.

Oder es war einfach nicht seine Zeit.:D
 
Zuletzt bearbeitet:
Schade das Heinrich II. heilig gesprochen wurde.
Ein hinkender Kaiser wäre schon etwas außergewöhnliches in den Herrscherlisten.
 
Joinville schrieb:
Schade das Heinrich II. heilig gesprochen wurde.
Ein hinkender Kaiser wäre schon etwas außergewöhnliches in den Herrscherlisten.
Schade um sein Bein. Ob hinkendes Bein seiner Heiligkeit schadet, mag ich nicht urteilen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kaiser Heinrich II. wird ja, aufgrund seiner Heilgsprechung, in allen Herrscherlisten auch als "der Heilige" genannt.
Heinrich II. "der Hinkende" klingt doch viel verwegener.
Dazu fällt mir ein das seine Frau, Kunigunde, auch "die Heilige" gennat wurde.
Jetzt stell dir vor sie hätte sich auch ein Bein gebrochen.
 
Schön finde ich
Albrecht der Entartete, später Markgraf von Meißen, 1240 bis 1314. Allerdings weiß ich nicht, woher er den Beinamen hatte. Klingt nicht, als wäre er ein netter Zeitgenosse gewsen.

Da kann aber auch sein Sohn mithalten, Friedrich der Gebissene oder auch der Freidige, 1257 bis 1323. Keine Ahnung, woher der "Freidige" kommt, der "Gebissene" soll daher stammen, daß ihn seine Mutter, die den "entarteten" Vater flüchten mußte, ihn vor Abschiedsschmerz aus Versehen in die Wange gebissen haben soll.

Am allerbesten gefällt mir immer noch
Heinrich Jasomirgott, Herzog von Österreich, 1107 bis 1177. Bei ihm soll sich der Beiname aus seinem angeblichen Lieblingsspruch "Ja, so mir Gott helfe" ableiten.

Nettes Thema, ich finde diese Beinamensache sehr interessant. Und hilfreich, in Familien, wo sie alle gleich heißen.
 
Moin Joinville

Kaiser Heinrich II. wird ja, aufgrund seiner Heilgsprechung, in allen Herrscherlisten auch als "der Heilige" genannt.

Die Heiligsprechung hatte er sich auch verdient, aufgrund des Feldzuges, den er anno 1024 mitsamt Lothringern, Bayern, Schwaben und Benedikt VIII. siegreich gegen die Griechen (Morgenland vertretend) und Sarazenen unternahm. Von Eugen III. heiliggeschprochen.

Heinrich II. "der Hinkende" klingt doch viel verwegener.

Sich ein Bein zu brechen nenne ich Pech gehabt, und nicht Verwegenheit.

Dazu fällt mir ein das seine Frau, Kunigunde, auch "die Heilige" gennat wurde.

So heißt sie heute noch.

Jetzt stell dir vor sie hätte sich auch ein Bein gebrochen.

Von Fensterbänken wird sie wohl keine Sprünge unternommen haben.
 
Mercy schrieb:
Heinrich II. der Zänker, ein waschechter Baier?
Die Herkunft des Beinamens: wegen seiner rebellischen Haltung gegen seinen Vetter, König Otto II. nannte man ihn "den Zänker". Der Beiname ist erst seit Aventin (~ 15. Jahrhundert) belegt.

http://www.phil.uni-passau.de/histhw/stadtgeschichte/deutsch/Heinrich_der_Zaenker.html


Jaja, die armen bayerischen Herzöge... ;)

Auch dem Luitpoldinger Arnulf (907-937) wurde ein negativer Beiname gegeben. Verantwortlich dafür waren die ottonischen Histographie und die kirchliche Geschichtsschreibung. Er hatte Auseinandersetzungen mit den Konradinern, was man dann unter den Ottonen als Auflehnung gegen das Königtum im allgemeinen sah. Im wurde der Beiname "der Böse" gegeben und man warf ihm vor, Kirchengut säkularisiert zu haben. Otto von Freising nennt ihn sogar einen Tyrann.
 
Die Maultasch

Eine österreichischen Landesfürstin im Mittelalter.
Margarethe von Tirol - Görz (* 1318 in Südtirol; † 3. Oktober 1369 in Wien) war die Tochter von Herzog Heinrich von Kärnten und Tirol aus seiner Ehe mit Adelheid von Braunschweig und Gräfin von Tirol.
Die "erste Ehescheidung des Mittelalters" sicherte der streitbaren Gräfin einen Platz unter den "Frauen des Mittelalters".
So eine schöne Frau muss man/frau natürlich auch gesehen haben:
http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_III/Geschichte/Lehre/s2002vsmm37.html

Für ein Werk der Barmherzigkeit ist es nie zu spät:
http://www.phil.uni-erlangen.de/~p2gerlw/instit/personal/warp.html
 
Gottfried der Bucklige war der Sohn von Gottfried dem Bärtigen.

Die Vermutung liegt nahe, dass der Vater keinen Buckel hatte und der Sohn keinen Bart....

(Es handelte sich um Gottfried IV., bzw. Gottfried III. von Niederlothringen).

Jacobum
 
Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit, mich einiger Wettiner anzunehmen...

Dietrich der Bedrängte (1162/1221)
Markgraf von Meißen 1198/1221
"Der Bedrängte" meint, daß er sich nahezu während seines ganzen Lebens vieler Feinde erwehren mußte.
Er sah sich seinerzeit vielen Konkurrenten gegenüber: seinem Bruder Albrecht I. (im Streit um die Markgrafschaft Meißen 1190/94), Kaiser Heinrich VI. (der die Markgrafschaft Meißen 1195/97 besetzte), Otto IV. (weil Dietrich Philipp von Schwaben unterstützte), danach der Stadt Leipzig und dem meißnischen Adel. Außerdem kämpfte er - ganz Rittersmann seiner Zeit - im Heiligen Land gegen die Sarazenen (1195)...

Interessant natürlich auch sein Bruder Albrecht I. der Stolze (1158/95) (Markgraf von Meißen 1190/95) - denn er beharrte auf seinem Geburtsrecht, die Markgrafschaft Meißen zu erben und nicht mit seinem Bruder Dietrich zu teilen...
"Der Stolze" bezieht sich also auf seine Beharrlichkeit bezüglich des Erbes.

Triere schrieb:
Albrecht der Entartete, später Markgraf von Meißen, 1240 bis 1314. Allerdings weiß ich nicht, woher er den Beinamen hatte. Klingt nicht, als wäre er ein netter Zeitgenosse gewsen.

Albrecht II. der Entartete (1240/1314)
Markgraf von Meißen 1288/92 und 1265/1293 Landgraf von Thüringen
"Der Entartete" meint, daß er bezüglich seiner Familienbindung "aus der Art schlug" und aufgrund dessen die eigenen Ländereien aufs Spiel setzte.
Er bekriegte sich mit seinen Söhnen, da er die thüringischen Lande seinem illegitimen Sohn vererben wollte. Der Tod von Albrechts Vater (Heinrich der Erlauchte - Sohn Dietrichs des Bedrängten, vgl.o.) ließ Albrecht zusätzlich die Markgrafschaft Meißen zufallen, so daß sich das "Streitobjekt" noch vergrößerte.
Als er die Fehde gegen seine Söhne letztlich unterlag und sogar in Gefangenschaft geriet, verlor er seine gesamten Ländereien.

Triere schrieb:
Da kann aber auch sein Sohn mithalten, Friedrich der Gebissene oder auch der Freidige, 1257 bis 1323. Keine Ahnung, woher der "Freidige" kommt, der "Gebissene" soll daher stammen, daß ihn seine Mutter, die den "entarteten" Vater flüchten mußte, ihn vor Abschiedsschmerz aus Versehen in die Wange gebissen haben soll.

Friedrich I. der Freidige, auch Friedrich I. der Gebissene (1257/1323)
Markgraf von Meißen 1292/1323 und 1293/1323 Landgraf von Thüringen
Der Sage nach soll ihn seine Mutter in die Wange gebissen haben - wie geschrieben; aber es ist eben eine Sage...
"Der Freidige" bedeutet soviel wie "der Tapfere", was eine Legendenbildung späterer Zeit (etwa 100 Jahre nach seinem Tod) ist. Sie bezieht sich auf seine kaiserliche Herkunft (seine Mutter Margaretha war die Tochter Kaiser Friedrichs II.) sowie seinen hartnäckigen Kampf gegen seinen Vater Albrecht sowie danach gegen die Könige Adolf von Nassau und Albrecht von Habsburg, welche Meißen und Thüringen als erledigte Lehen einziehen wollten (vgl. die merkwürdige Erbschaftsregelung von Albrecht dem Entarteten)...
 
@Absolut beginer:
Natürlich weiß ich das Heinrich II. und sein überkeusches Eheweib ihre Heiligekeit verdient haben.

@Triere:
Albrecht "der Entartete" verpfändete fasst das gesamte Lebenswerk seines Vaters, Heinrichs dem Erlauchten (Markgraf von Meißen, Landgraf von Thüringen).
Das dadurch gewonnene Geld warf er für Saufgelage, Glücksspiel und Huren raus. Er war wohl das schwärzeste Schaf das die Wettinersippe je hervorgebracht hatte.
Schließlich spielte er mit dem Gedanken seine tugendhafte Frau, Margarethe von Hohenstaufen, zu töten um eine Mätresse zu heiraten.
Diese bekam Wind davon und musste flüchten.
Als sie sich von ihren beiden Söhnen, Friedrich und Dietrich "Diezmann", verabschiedete küsste sie Friedrich so doll auf die Wange, das sie ihn biss.
"der Freidige" ist das gleiche wie "der Tapfere".
Friedrich "der Gebissene" wurde übrigens schon von seinen Zeitgenossen als "der letzte Staufer" (Kaiser Friedrich II. war sein Großvater) genannt.
Friedrich und Dietrich, rächten ihre Mutter. Sie setzten ihren Vater ab und sperrten ihn auf eine Burg weg. Dann erkämpften sie sich das Erbe ihres Großvaters zurück (Schlacht bei Lucka).

Und hier noch einer den ich ausfindig gemacht hab.
Chlodrich "der Parasit" (König der Rheinfranken 509):

Chlodrich war durch und durch eine Kreatur des Salfrankenkönigs, Chlodwig.
Dieser stachelte (nicht uneigennützig) Chlodrich dazu an, seinen eigenen Vater, Sigibert von Köln (483 - 509) zu ermorden.
Mit der Unterstützung Chlodwigs im Rücken ging Chlodrich ans Werk und meuchelte den Vater und lies sich von den Rheinfranken auf den Schild heben.
Doch was macht man mit einem Parasiten wenn man ihn nicht mehr brauch?
Man beseitigt ihn. Das dachte sich auch Chlodwig und tötete Chlodrich noch im selben Jahr.
Dadurch wurde es Chlodwig, der auch schon bald "der Heilige" genannt wird, ermöglicht alle Franken unter einem König zu vereinen.
 
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