Warum Zurückfallen der Kurpfalz im Reich im 17./18.Jh.?

Brissotin

Aktives Mitglied
Durch eine Unterhaltung mit einem Freund bin ich einmal auf die Frage gestoßen, warum denn die Pfalz in ihrer Beutung im Reich, während des angegebenen Zeitraums so weit zurück gefallen ist.
Eigentlich ist die nämlich für mich gänzlich unverständlich. Aus mehreren Gründen:
- relativ lange Regierungszeit der Kurfürsten mit dem Beginn des Erbes durch die Linie Pfalz-Neuburg 1685
- gute Bindung zum Kaiserhaus durch Vermählungen schon zur Zeit von Philipp Wilhelm
- eigentlich wirtschaftlich gute Lage an Verkehrswegen am Rhein, viele bedeutende Städte (Mannheim, Heidelberg, Düsseldorf)
Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg trat zwar 1658 einem gegen den Kaiser gerichteten Verteidigungsbund rheinischer Fürsten bei, ließ sich aber nicht zu einer solchen Stellungnahme für Louis XIV. verleiten, wie es seine bayerischen Verwandten taten. Als Erbe der pfälzischen Kur stand Philipp Wilhelm ja ohnehin in direktem Konflikt mit dem franz. König, dem er im Pfälz. Erbfolgekrieg trotzte.

Während es aber Brandenburg und Sachsen in der zweiten Hälfte des 17.Jh. gelang ihren Einfluss im Reich auszubauen, was bei beiden in der Erlangung einer Königswürde ihrer Oberhäupter (Friedrich I. in Preußen und August II. von Polen) gipfelte, vermochten die pfälzischen Kurfürsten nicht, ihre Macht zu erweitern. Besitzstandswahrung war so ziemlich alles, was ihnen gelang.
Gibt es unter uns Kenner zu dem Gebiet, die eventuelle Gründe vielleicht aufschlüsseln könnten?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist es nicht so, dass Friedrich I und August II König außerhalb des Reiches wurden. Hat das wirklich ihren Einfluss im Reich verstärkt?

Im Gegensatz zu Brandenburg und Sachsen war die Kurpfalz dem Expansionsdrang Ludwigs XIV direkt ausgesetzt. Zudem war sie reformiert, was dem Ansehen in Wien nicht guttat. Philipp Wilhelm hat ja seinen Sohn Jan Wellem als Statthalter nach Düsseldorf geschickt, damit er selbst sich um diese Probleme der Kurpfalz kümmern konnte. Aber trotz seiner Versuche, sich mittels Heiratspolitik gegen Frankreich abzusichern, ging fast die ganze Kurpfalz in Flammen auf, und bestand fast nur noch aus Trümmern. Und für eine richtige Gegenreformation war unter diesen Umständen kaum eine Möglichkeit. Also: Philipp Wilhelm lebte in einem Umfeld, das eigentlich kaum für eine Standeserhöhung zum König im Reich geeignet war. Und außerhalb des Reiches wie Friedrich und August? Wo denn?

Und Johann Wilhelm? Als er an die Regierung kam, waren in der linksrheinischen Kurpfalz immer noch die Franzosen und sie waren auch rechtsrheinisch vertreten. In den ersten Jahren plünderten sie Mannheim und Heidelberg und brannten sie nieder. Und als wieder Friede war, machte sich Johann Wilhelm an eine an Terrorismus grenzende Gegenreformation in der Pfalz. Verschiedene Reichsstände führten über seine Religionspolitik vehement Klage in Wien. die sich bis zu politischen Drohungen steigerte.
Zwar konnte er durch seine Treue zum Kaiser für einige Jahre die Oberpfalz zurückgewinnen und Primus unter den Kurfürsten werden, aber für mehr reichte es nicht. Dabei hat auch eine Rolle gespielt, dass die Kurpfalz nur langsam die Kriegsfolgen überwand, auch aus Geldmangel für den Wiederaufbau, während Johann Wilhelm in Düsseldorf mit beiden Händen das Geld für Luxus ausgab. Auch kein gutes Umfeld für eine Vergrößerung des Einfluses im Reich.

Sein Bruder Karl Philipp war nicht durch Kriege gebeutelt, aber auch er setzte den Religionskrieg im Innern fort und kam dadurch in schroffen Gegensatz zum Kaiser, der so etwas nicht brauchen konnte, und zu den protestantischen Reichsstaaten. Immerhin ist es ihm gelungen, durch eine geeignete Heiratspolitik mit seinen Enkelinnen das Gebiet der verschiedenen Wittelsbacher-Linien zu konsolidieren. Mit ihm starb ja die Linie Pfalz-Neuburg aus, und auch das war ein Grund dafür, warum er nicht den Einfluss der Kurpfalz im Reich vergrößern konnte.

Unter seinem Grossneffen Karl Theodor erlebte die Kurpfalz dann aber in dieser Zeit doch noch eine Blüte, die doch sozusagen ihr "Goldenes Zeitalter" war. Als Karl Theodor jedoch in Bayern Nachfolger von Max III Joseph und seine residenz nach München verlegte, war es mit der Kurpfalz und ihrer Bedeutung zu Ende.
 
Wer war Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg?
Für ein paar Jährchen Erbe der Kurpfalz, als diese noch am Boden lag.

Letzter Kurfürst aus der alten Kurlinie war Ottheinreich (1556-59), der in der Kurpfalz die lutherische Reformation einführte. Nach seinem Tode fiel die Kurpfalz an die Linie Simmern, unter der das Bekenntnis des Landes noch im 16. Jahrhundert dreimal zwischen Luthertum und Calvinismus wechselte. Die Kurfürsten beanspruchten eine Führerrolle im deutschen Protestantismus, doch trug die Politik Friedrichs IV. und Friedrichs V., der 1619 die böhmische Königskrone annahm, zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges bei, in dem die Kurpfalz zeitweilig unterging und die pfälzische Kurwürde dem wittelsbachischen Herzog von Bayern verliehen wurde. Im Westfälischen Frieden von 1648 erhielt Friedrichs V. Sohn Karl Ludwig die Kurpfalz mit einer neuen - achten - Kur, aber ohne Oberpfalz und Starkenburg zurück. Er vereinigte das Fürstentum Simmern, das über 1559 hinaus (mit Unterbrechungen und in wechselndem Zuschnitt) fortbestanden hatte, definitiv mit der Kurpfalz. Die Kriege Ludwigs XIV. brachten abermals schweres Unglück über das Land, das 1685 an das Haus Pfalz-Neuburg (einen Zweig von Pfalz-Zweibrücken) überging.

Die katholischen Neuburger, die neben bayerischen Gebieten die niederrheinischen Herzogtümer Jülich und Berg beherrschten, betrieben in der Kurpfalz eine späte Gegenreformation.


http://www.kurpfalz-geschichte.de/
 
"Warum Zurückfallen der Kurpfalz im Reich im 17./18.Jh.?
Gibt es unter uns Kenner zu dem Gebiet, die eventuelle Gründe vielleicht aufschlüsseln könnten?"

Das hatte vor allem mit Frankreichs Eroberungsplänen im Zuge der "Reunionen" zu tun. Die Kurpfalz lag sehr nah an Frankreich und geriet im allgemeinen Machtgerangel, das im Reich selbst stattfand, einerseits und Frankreich andererseits, zwischen die Fronten.
Begonnen hatte der Niedergang bereits im 30-jährigen Krieg, in dem der Versuch Friedrichs V. fehlschlug, sich die Krone von Böhmen anzueignen. Statt dessen verlor er selbst das Kurfürstentum und Kurwürde. Im weiteren Verlauf des Krieges war die Kurpfalz ein besetztes Land, das erst im Westfälischen Frieden wiederhergestellt, und an den Sohn Friedrichs V. zu Lehen gegeben wurde.
Es folgten 1673-1679 und 1688/89 weitere Kriege mit Frankreich, in denen Teile der Kurpfalz von Frankreich besetzt und verwüstet wurden, darunter auch das berühmte Heidelberger Schloß. 1742 viel die Kurpfalz durch Erbfall an Bayern. 1795 wurden alle deutschen Gebiete links des Rheins von den französischen Revolutiontruppen besetzt und 1801 im Frieden von Lunéville an Frankreich abgetreten, was das Ende der Kurpfalz bedeutete.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist es nicht so, dass Friedrich I und August II König außerhalb des Reiches wurden. Hat das wirklich ihren Einfluss im Reich verstärkt?
Bei August II. eher nicht, denn er verausgabte sich ja nur damit im Endeffekt und schuf auch kein dauerhaftes Königtum. Die kursächsischen und königlich polnischen Truppen bspw. blieben getrennt. Auch blieb ein Konflikt zwischen polnischen Adeligen seines Warschauer und sächsischen Adeligen seines Dresdener Hofes existent und hemmend. Insgesamt hinterließ August II. Politik einen so schlechten Eindruck, dass Friedrich Christian von Sachsen einen völligen Politikwechsel betrieb, den Friedrich August III. dann abgeändert fortführte.

Den Hohenzollernkönigen allerdings gelang ein Coup mit der Erhebung zum König. Zwischen dem brandenburgischen Kurfürst und preußischen König wurde zumindest innerhalb des Königreiches nicht unterschieden. So instalierte sich über die Hintertür ein zweites Königreich (neben dem böhmischen) im Heiligen Römischen Reich. Dass im Reichsrecht wohl noch der König in Preußen als Kurfürst geführt wurde, hatte aber, meines Erachtens keinen Einfluss auf die Realpolitik. Die weltlichen Kurfürsten ließen sich bei der Wahl des Römischen Königs ohnehin nicht mehr persönlich blicken. Die Dominanz der Königswürde meine ich auch in der Führungsrolle Preußens in Norddeutschland zu erkennen, welche die preuß. Könige den sächs. Kurfürsten abgerungen hatten (mit erstaunlich wenig Gegenwehr der Sachsen). Manifestiert hat diese Rolle für mich der Fürstenbund, obgleich hier die Führungsrolle Friedrich II. sich auf die ganze antikaiserliche Koalition innerhalb des Reiches ausgedehnt hatte.

Die Beantwortung meiner Frage scheint doch recht schwierig zu sein. Der Übergang der pfälzischen Kur auf die katholische Nebenlinie des Hauses Wittelsbach erscheint mir jetzt vielleicht doch gewichtiger. In Sachsen verlor der Kurfürst ja auch an Sympathien innerhalb der Bevölkerung. Man darf sicherlich nicht vernachlässigen, dass die Pfälzer Kurfürsten Calvinisten ehedem (wie ja auch die brandenburgischen Kurfürsten) und Vorreiter dieser Konfession waren. Vielleicht ging deswegen die Vorreiterrolle im Reich verloren. Genauer unter die Lupe genommen, wurden zwei der wichtigsten protestantischen Fürstentümer (Sachsen und die Pfalz) auf einem Mal von Katholiken regiert.

Friedrich Wilhelm I. wie Friedrich II. konnten also dies für sich nutzen, die einzigen Kurfürsten (neben den mit der engl. Krone weniger interessierten Hannoveranern) protestantischer Konfession zu sein, was ja in der Propaganda während der 3 Schlesischen Kriege auch durchaus Niederschlag fand.

Zudem blieb die Pfalz abgeschnitten von der See und dem überseeischen Handel, zu einer Zeit als der Seehandel von ganz erheblicher Bedeutung war. Das Militär konnte sich bei weitem nicht mit dem Sachsens geschweige denn Österreichs und Preußens messen. Die notwendigen und akuten Reformen wurden nicht ergriffen. Anders als in Württemberg ist mir aber kein entscheidender Widerstand der Stände bekannt. Weiß dazu jemand näheres?

Es bleibt der Konflikt mit Frankreich. Brandenburg hatte im Schwedisch-Polnisch-Dänischen Spannungsfeld auch existiert und sogar dazu gewinnen können.

Vielleicht sollte man die Lösung der Frage auch in Personen suchen. Sind ähnliche Fürstenfiguren wie Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg oder Friedrich Wilhelm I. für die Kurpfalz überliefert?

Dynastisch hatte die Kurpfalz sicherlich ein Problem dreimal innerhalb von 120 Jahren hatten die Kurfürsten keinen Nachfolger. Die Neuanfänge brachten freilich stets Probleme mit sich. Eine Kontinuität gerade zwischen Pfalz-Simmern und Pfalz-Neuenburg scheint recht abrupt abgebrochen.
Andersrum nutzten die Wittelsbacher ihre Familienverhältnisse, die Kur in Händen von drei Gliedern des Hauses, nicht entscheidend zu ihrem Vorteil aus (dabei war Kurköln durchaus bedeutend im Westen des Reiches).

Ich freue mich über die Diskussion.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei August II. eher nicht, denn er verausgabte sich ja nur damit im Endeffekt und schuf auch kein dauerhaftes Königtum. Die kursächsischen und königlich polnischen Truppen bspw. blieben getrennt. Auch blieb ein Konflikt zwischen polnischen Adeligen seines Warschauer und sächsischen Adeligen seines Dresdener Hofes existent und hemmend. Insgesamt hinterließ August II. Politik einen so schlechten Eindruck, dass Friedrich Christian von Sachsen einen völligen Politikwechsel betrieb, den Friedrich August III. dann abgeändert fortführte.
An dem Punkt verwechselst du glaube ich August II. (von Polen) = Friedrich August I. (von Sachsen, der Starke) mit August III. (von Polen) = Friedrich August II.

August II. der Starke war insgesamt ein fähiger Herrscher unter dem das polnische Königreich letztmals eine starke europäische Macht war. Erst sein Sohn August III./Friedrich August II. war in politischen Dingen wenig fähig. Und durch die katastrophalen Niederlagen und die folgende Besetzung Sachsens durch die Preußen unter Friedrich II. im Siebenjährigen Krieg zerbrach die Personalunion mit Polen. Zumal Friedrich Christian nur wenige Monate nach seinem Vater starb und Friedrich August III. zu dem Zeitpunkt noch minderjährig war. Auch deswegen war eine Fortführung der polnischen Krone nicht möglich.

Dynastisch hatte die Kurpfalz sicherlich ein Problem dreimal innerhalb von 120 Jahren hatten die Kurfürsten keinen Nachfolger. Die Neuanfänge brachten freilich stets Probleme mit sich. Eine Kontinuität gerade zwischen Pfalz-Simmern und Pfalz-Neuenburg scheint recht abrupt abgebrochen.
Andersrum nutzten die Wittelsbacher ihre Familienverhältnisse, die Kur in Händen von drei Gliedern des Hauses, nicht entscheidend zu ihrem Vorteil aus (dabei war Kurköln durchaus bedeutend im Westen des Reiches).
Es ist ja nicht so, dass sie es nicht versucht hätten. Da war der kleine Prinz, der spanischer König hätte werden sollen aber noch als Kind starb. Dann war da der Plan Bayern mit den Habsburgern gegen Belgien zu tauschen - damit wäre ein Wittelsbacher-Staat von der Nordseeküste bis an den Rhein entstanden. Und nicht zu vergessen die Kaiserwahl von Karl VII.
Aber die Wittelsbacher hatten irgendwie nie das rechte Glück, das auch zu erfolgreicher Politik dazugehört.
 
@ Andronikos
Ich verwechsle nichts, ich bewerte nur anders. Sicherlich hatte August II. ehrgeizige Pläne und auch sein entscheidenster mit Preußens Hilfe eine wettinische Erbmonarchie in Warschau einzurichten war sogar ambitioniert. Aber entsprachen diese Pläne der Realpolitik oder bewies nicht der bisweilen desaströse Verlauf des Nordischen Krieges die Überspanntheit seiner Projekte? Mit August III. kam sicherlich keine große Figur der Weltgeschichte auf den polnischen Thron, aber auch hier stellte die Weichen sein Vater.

Sicherlich verfügte Sachsen zwei Mal über die Mittel um den Landesherren mit gekauften Stimmen in den Monarchenhimmel zu hiefen, aber welcher Nutzen entstand dauerhaft dem Hause Wettin daraus?
Friedrich Christian und Friedrich August III. mussten dann die Kosten dieser Großmachtgebärden der Vorgänger wettmachen. Scheinbar hatten beide aus dem Schicksal ihrer Vorgänger gelernt.

Hier können wir wieder den Bogen zu den Pfälzer Kurfürsten schlagen. Carl Theodor von der Pfalz schätze ich persönlich auch gerade deswegen politisch zurückhaltend ein, da er am Schicksal seines bayerischen Verwandten, der sich in die Kaiserwürde aufgeschwungen hatte, aber doch ein recht klägliches Dasein in Frankfurt zu fristen hatte, Zurückhaltung gelernt hatte.

Es ist natürlich korekt, dass sich die Pfälzer Kurfürsten allesamt um den Erhalt der Kurwürde in der jeweiligen Nebenlinie bemüht hatten. Dennoch verschieden drei nacheinander zwischen 1716 und 1799, die allesamt keine Nachfolger hatten. Alle drei heirateten zweifach in angesehene Familien, Carl Theodor um eines Nachfolgers willen sogar nochmal 71-jährig. Aber worum es geht ist doch der Erfolg, der ausblieb und der Misserfolg, der Auswirkungen auch auf die Pfalz haben musste.

@ kwschaefer
Zu Johann Wilhelm ist aber, soweit ich weiß, zu sagen, dass er durch Verträge mit Frankreich im Frieden von Rijswijk dazu gezwungen worden war, die mit Gewalt durch die Franzosen katholisierten Gebiete nicht wieder dem protestantischen Glauben zu öffnen. Was da noch an Geheimdiplomatie zwischen Düsseldorf und Paris ablief, wäre für mich auch interessant. Schließlich ist selbst ein solches Diktat im Reich etwas gänzlich ungewöhnliches gewesen und es lässt sich an zwei Händen abzählen, dass sich damals die protestantischen Stände zusammenreimten, dass einem katholischen Potentaten diese Abmachung mit den Franzosen, entgegen der alten Erbverträge Karl II., garnicht so unlieb war. Mit der Religionsdeklaration von 1705, die ihm den Tadel des Papstes einbrachte, räumte Johann Wilhelm ja auch den beiden anderen Konfessionen wieder weitgehende Rechte ein.
Über die eigentlichen Interessen Johann Wilhelms weiß ich leider nichts näheres, nur diese Fakten.

Sicherlich trug der Glaubensstreit zu einem gespannten und wenig fruchtbaren Verhältnis zwischen Landesherr und Volk bei. Erst Carl Theodor vermochte wieder als ein "guter" Landesherr sich in das rechte Licht zu rücken, verzichtete aber auch auf außenpolitische Ambitionen, indem er sich militärisch reserviert verhielt.
Durch die Verstreutheit der Besitzungen konnten es die pfälzischen Kufürsten scheinbar kaum allen ihren Untertanen es gleich recht machen, zumal die meisten tatsächlich einer Residenz den entscheidenden Vorzug gaben.(Heidelberg, Düsseldorf, Mannheim)
 
@ kwschaefer
Zu Johann Wilhelm ist aber, soweit ich weiß, zu sagen, dass er durch Verträge mit Frankreich im Frieden von Rijswijk dazu gezwungen worden war, die mit Gewalt durch die Franzosen katholisierten Gebiete nicht wieder dem protestantischen Glauben zu öffnen. Was da noch an Geheimdiplomatie zwischen Düsseldorf und Paris ablief, wäre für mich auch interessant. Schließlich ist selbst ein solches Diktat im Reich etwas gänzlich ungewöhnliches gewesen und es lässt sich an zwei Händen abzählen, dass sich damals die protestantischen Stände zusammenreimten, dass einem katholischen Potentaten diese Abmachung mit den Franzosen, entgegen der alten Erbverträge Karl II., garnicht so unlieb war. Mit der Religionsdeklaration von 1705, die ihm den Tadel des Papstes einbrachte, räumte Johann Wilhelm ja auch den beiden anderen Konfessionen wieder weitgehende Rechte ein.
Über die eigentlichen Interessen Johann Wilhelms weiß ich leider nichts näheres, nur diese Fakten.

Sicherlich trug der Glaubensstreit zu einem gespannten und wenig fruchtbaren Verhältnis zwischen Landesherr und Volk bei. Erst Carl Theodor vermochte wieder als ein "guter" Landesherr sich in das rechte Licht zu rücken, verzichtete aber auch auf außenpolitische Ambitionen, indem er sich militärisch reserviert verhielt.
Durch die Verstreutheit der Besitzungen konnten es die pfälzischen Kufürsten scheinbar kaum allen ihren Untertanen es gleich recht machen, zumal die meisten tatsächlich einer Residenz den entscheidenden Vorzug gaben.(Heidelberg, Düsseldorf, Mannheim)

Aus der 4. Auflage von Meyers Konversationslexikon Bd. 12 1886-1892:
Im Ryswyker Frieden hatte Frankreich zur Bedingung gemacht, daß in der P. die Änderungen des öffentlichen Kultus in Geltung bleiben sollten, die während der Jahre seines Besitzes eingeführt worden waren. Obgleich man auf einen Katholiken zwei Lutheraner und drei Reformierte rechnete, so wollte doch die Regierung des katholischen Kurfürsten die katholische Kirche zur herrschenden erheben, und die Protestanten erlitten große Bedruckungen, bis es auf Verwendung Braunschweig und Preußens 1705 zu einem Vertrag kam, in welchem den Protestanten die Wählbarkeit zu öffentlichen Ämtern und den Reformierten 5/7 aller Kirchen in der P., den Lutherischen aber alle, die sie seit 1624 innegehabt hatten, zugesichert wurden.

Die Rekatholisierung wird im einzelnen beschrieben unter
http://www.fpi.uni-hd.de/galerie/medaillen/HTML/Gesch_Rekatholisierung1.htm

Der brutale Stil der Gegenreformation unter Johann Wilhelm löste eine massive Auswanderungswelle nach Amerika aus. Tausende Pfälzer zogen über Rotterdam nach England, um von dort nach Amerika zu gelangen. "Palatinate" wurde in Amerika eine Zeitlang der stehende Begriff für alle Einwanderer aus Deutschland.

Durch diese Massenauswanderung aus der Pfalz befürchtete Johann Wilhelm eine "Depopolierung". Er versuchte die Auswanderung mit allen Mitteln zu verhindern. Schon im April 1709 erließ er eine Verordnung, die das Auswandern in die "sogenannte Insul Pensylvaniam" verbot. Einen Monat später wurde dieses Verbot wiederholt. Aus "landesherrlicher Fürsorgepflicht" gegenüber den Untertanen müsse er das Auswandern verhindern, weil "aus hiesigen und umliegenden Landen bereits würklich emigrirte und noch täglich zu emigrieren gesinnte einfältige arme Leuthe, so sich in die sogenanndte Landschaft Pensylvaniam zu begeben willens, zu dieser langwierig-, gefahr- und mühseeliger Reysz vermuthlich daher verleitet worden" und "etliche 1000 an der Zahl vor Rotterdam, auf denen sogenandten Dycken" festsitzen und "aus Ursach, damit diese arme Leuthe ... nicht jämmerlich ertrinken möchten" .

Es gab natürlich auch noch andere Gründe für die Auswanderung, wie die mehrfachen Durchmärsche und Plünderungen französischer Truppen und einige sehr harte Winter, die schlimme Auswirkungen für Landwirtschaft und Weinbau hatten.

Aber die Auswandernden waren fast ausschließlich Reformierte, Lutherische und Mennoniten, und so kann man wohl zu Recht die Gegenreformation Johann Wilhelms als die Ursache dafür bezeichnen, dass die Pfalz eine klassische Auswanderungsregion wurde. Und die Sprache dieser Auswanderer aus der Pfalz lebt ja noch heute als das in den USA so genannte "Pennsylvania-Dutch" weiter.
 
Letztlich bin ich zu folgenden entscheidenden Punkten gelangt, die ergänzend wirken sollen zu der Problematik:

- Auswanderung nach Amerika und Preußen durch den Glaubensstreit.

- Hohe Ausgaben aufgrund der Verlegung der Residenz von Heidelberg nach Mannheim unter Karl III. Philipp, aufgrund der Streitigkeiten um die bedeutenste Kirche Heidelbergs, bei welchen sich auch ausländische Mächte, so Friedrich Wilhelm I. in Preußen, auf Bitten der Heidelberger Bürger eingeschalten hatten.

- Schulden die durch die Reparationszahlungen an Frankreich aufgeworfen wurden.

- Schulden welche dann Carl Theodor von seinem Vorgänger Joseph III. Maximilian (http://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_III._Joseph ) aufgenommen wurden. Diesem war es immerhin gelungen die Schulden der überspannten Pläne Karl VII., durch einschneidende Maßnahmen zu halbieren.

- Die Rechte der Stände wurden ihnen kaum benommen, was die Aufstellung eines Stehenden und effektiven Heeres lähmte.

Als ein erstes Fazit kann man die Bemühungen einer Orientierung nach Westen durch den starken Nachbarn, Frankreich, sowohl als nach Osten an den aufkeimenden Großmächten Preußen und Österreich, die es beide gab, als gescheitert erkennen. Obwohl es den Wittelsbachern vergönnt war drei Kurhüte mit den entsprechenden flächenmäßig umfassenden Theretorien gleichzeitig in ihrem Hause zu vereinigen, behinderten sie sich nicht selten gegenseitig in der Außenpolitik. Gerade an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert, als den wichtigsten Mächten der Aufstieg in die Riege der Großmächte oder zumindest der bedeutenden Mächte in Europa gelang, hatte die Pfalz an schweren Konflikten religiöser wie außenpolitischer Art zu nagen und das obwohl sich die Wittelsbacher über 150 Jahre nach Kräften und aufreibend um eine Vormachtstellung im Reich und ganz Mitteleuropa bemühten. Erst Carl Theodor in der Pfalz und Maximilian III. Joseph in Kurbayern schlugen einen Pfad der Konsolidierung ein. Wobei Sparsamkeit im Zeitalter des Rokoko gänzlich unzeitgemäß war, so unzeitgemäß wie ein Friedrich Wilhelm I., der so sehr von seinen Zeitgenossen deswegen belächelt wurde. Zeitgemäßer waren da doch die schillernden Gestalten des Hauses Wittelsbach vom Winterkönig bis Karl VII., die allerdings allesamt tragisch endeten und ihre Lande teilweise ruinierten.

Wenngleich die Gebiete nicht verschleudert oder zerrissen wurden, gelang es den pfälzischen Kurfürsten nicht einen effizienten Staat zu etablieren, der über die Grenzen des Heiligen Römischen Reiches hinaus gewirkt hätte. Ob sie gleichwertige Chancen wie Habsburger, Welfen in Hannover oder Hohenzollern in Berlin dazu gehabt hatten, bleibt vorerst ungelöst.:fs:
 
Obwohl es den Wittelsbachern vergönnt war drei Kurhüte mit den entsprechenden flächenmäßig umfassenden Theretorien gleichzeitig in ihrem Hause zu vereinigen, behinderten sie sich nicht selten gegenseitig in der Außenpolitik.
Da ich selber stets bemängele, wenn andere zu kurz greifen, möchte ich hier auch meine Aussage einmal richtig stellen.
In den 1720er/30er Jahren verfügten die Wittelsbacher bspw. sogar über 4 Kurhüte, also die Hälfte der Kurstimmen entfiel auf ein Haus.
Das waren: Karl Philipp Kurf. der Pfalz, sein Bruder Franz Ludwig erst Kurfürst von Trier, dann ab 1729 Kurfürst von Mainz, Karl Albrecht (reg. 1726-1745) Kurf. von Bayern und Klemens August Kurfürst von Köln. Mächtig waren sie alle, den letzteren nannte man "des quatre églises", da er vier geistliche Fürstentümer unter seiner Herschaft zusammenfasste. Karl Philipp und seine verwandten Kollegen schlossen oder erneuerten sogar eine Hausunion, welche eine tatsächliche Macht im Reiche darstellte.
 
@ Giftmischer
Vielen Dank, Deine freundlichen Links sind mir bis jetzt leider entgangen, ich muss sie wohl übersehen haben. Aber es sieht wirklich gut und informativ aus.:yes:
 
Das Wichtigste wurde ja bereits gesagt.

Der letzte Versuch, "oben" mitzuspielen, scheiterte mit dem Frieden von Rastatt (1714), als Johann Wilhelm das seit 1701 Wiedergewonnene, vor allem die Oberpfalz, wieder an Bayern herausgeben musste (Art. 15). Sogar Stadt und Festung Landau blieben bei Frankreich (Art. 13). Weiss jemand mehr darüber, warum es so kam?
 
Der letzte Versuch, "oben" mitzuspielen, scheiterte mit dem Frieden von Rastatt (1714), als Johann Wilhelm das seit 1701 Wiedergewonnene, vor allem die Oberpfalz, wieder an Bayern herausgeben musste (Art. 15). Sogar Stadt und Festung Landau blieben bei Frankreich (Art. 13). Weiss jemand mehr darüber, warum es so kam?

Ich weiß nicht unbedingt viel darüber, aber mE kann man dies nur in folgendem Kontext verstehen:
Spanischer Erbfolgekrieg ? Wikipedia
Friede von Utrecht ? Wikipedia
Rastatter Friede ? Wikipedia
 
In den 1720er/30er Jahren verfügten die Wittelsbacher bspw. sogar über 4 Kurhüte, also die Hälfte der Kurstimmen entfiel auf ein Haus.
Interessant. Aber das Problem ist natürlich, daß der Einfluß auf die geistlichen Kurfürstentümer immer nur temporär sein konnte und nicht zu einer echten Bündelung der Kräfte führte.

Wäre also als Antwort auf die Eingangsfrage nicht auch möglich, daß die Pfalz durch die in ihrer Nachbarschaft weiterbestehende Reichskirche behindert wurde?
Brandenburg und m. W. auch Sachsen haben ja massiv davon profitiert, im Lauf der Zeit diverse Bistümer, Abteien etc. einkassieren zu können und damit dauerhaft Territorium, Einkünfte und Macht zu gewinnen.

Die Pfalz konnte das nicht (alleine schon, weil die lukrativen Kirchengüter als Kurfürstentümer privilegiert waren).
Wenn es z. B. gelungen wäre, das Kurfürstentum Trier (um nur das kleinste der drei zu nehmen) in die Pfalz zu integrieren, wäre das eine erhebliche Stärkung gewesen - da ist es wenig Ersatz, immer mal wieder einen Verwandten in Trier installieren zu können.

Wohlgemerkt: Das ist jetzt nur eine Hypothese, die mir nach Lektüre dieser ganzen Diskussion gekommen ist. Ich kenne mich zu wenig in dieser Region/dieser Zeit aus, um das wirklich als Behauptung aufstellen zu können.
 
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