Wieso merkwürdige Rechnung? Der überwiegende Teil des römischen Klerus hat den Juden die Hilfe verweigert, so einfach ist das. Das allein muss der Tatsache, dass viele Juden dank der Hilfe des Klerus überlebten noch lange nicht widersprechen.
Ob ein solcher Befehl nun nötig ist oder nicht - daraus kann man ja nicht im Umkehrschluss folgern, dass die Abwesenheit eines solchen Befehls die päpstliche Hilfe beweist. Solange man nicht zeigen kann, dass Pius Anweisung gab Juden in den Klöstern unterzubringen, darf man auch nicht behaupten, er hätte ihnen das Leben gerettet.
Susan Zuccotti hat mehrere Aussagen der damaligen Helfer dokumentiert.
Dort gibt es beide Aussagen - einige Kleriker behaupten, der Papst hätte ihnen Weisung gegeben, andere behaupten auf eigene Faust gehandelt zu haben.
Am einfachsten wäre es natürlich, wenn der Papst einen deutlichen Protest gegen den Holocaust formuliert hätte. In dem Fall könnte man auch ohne genaue Beweislage behaupten, dass der Papst auch in diesem speziellen Fall für die Rettung von Juden verantwortlich war. Doch Pius hat geschwiegen.
Das macht alle Aussagen, der Papst hätte hinter den Kulissen alles getan, was er öffentlich nie aussprechen konnte so nebulös. Ein deutlicher Protest hätte mehr bewirkt als alle diplomatischen Initiativen und wäre geradezu kostenlos gewesen. Wie der Protest in Dänemark, den Niederlanden und Bulgarien zeigte, waren öffentliche Worte, gegen die Besatzer gerichtet, der richtige Entschluss um Juden das Leben zu retten. Ein Papst der tatsächlich all das im Untergrun getan hätte, hätte auch öffentlich protestiert.
Nun gibt es ja tatsächlich Fälle in denen der Papst diplomatisch die Initiative ergriff, doch die waren nicht völlig selbstlos. In der Slowakei war ein Priester Staatschef, der die Juden des Landes deportieren ließ, was von den Bischöfen des Landes begrüßt wurde. Domenico Tardini(der an den wesentlichen Entscheidungen innerhalb des Vatikans beteiligt war) riet dem Papst dazu diplomatisch zu intervenieren um die Juden zu retten. Der Gedanke der dahinterstand war aber der Folgende: Durch eine Rettung der Juden ließe sich nach dem Krieg ein Imageschaden für die Kirche vermeiden.
In diesem einen Fall ist bekannt, dass Pius XII. eher eigennützig handelte. Wenn es deutliche Beweise dafür gibt, dass der Papst die römischen Juden rettete, dann kann er das ja auch getan haben um in einem befreiten Italien(das ja kurz bevorstand) besser dazustehen.
Bei einer zweiten großen Rettungsaktion der Kirche in Rom lässt sich eine Mitwissenschaft(und dadurch auch zumindest eine Duldung) des Vatikans zeigen: Bei der Fluchthilfe für Nationalsozialisten und Faschisten nach Kriegsende. Uki Goni hat in seinem neuen Buch aufgedeckt, dass der Vatikan an der Ausreise solcher Leute wie Eichmann und Mengele beteiligt war(zumindest dass er davon wusste).
Es ist relativ traurig, dass eine gewisse Ehrlichkeit auf Seiten der Verteidiger des Papstes zu vermissen ist. Unter Historikern hat sich inzwischen ein realistisches Bild über die Rolle der Bischöfe im Dritten Reich herausgebildet. Die katholische Historikerkommission KfZG beleuchtet in ihren Publikationen die Licht- und Schattenseiten der damaligen Kirchenfürsten. Dem Begrüßen der Hitlerschen Kriege werden dort Aktionen der Bischöfe wie beispielsweise von Galens gegenübergesetzt. Das Bild das sie zeichnen ist ungefähr folgendes: Es hätte schlimmer sein können, aber besser sein müssen.
http://www.kfzg.de/Downloads/Kirche_im_Krieg.pdf
Man könnte natürlich auch Licht- und Schattenseite Pius XII. genauer beleuchten, damit die Diskussion aber ehrlich bleibt, sollte das Schweigen des Papstes zum Holocaust aber als Fehler anerkannt werden. Dadurch würden die Argumente zugunsten des Papstes an Glaubwürdigkeit gewinnen.