Kartenspiele vor 1800

Brissotin

Aktives Mitglied
Mir fiel leider kein passenderes Unterforum ein und da ich schon desöfteren über Kartenspiele gestolpter bin und das Kartenspiel für mich untrennbar zur europäischen Kultur gehört, würde ich mal so die Frage in den Raum stellen, wer typische Spiele des 17. und 18. Jh. kennt?
Ich beginne mal mit Whist. Das Spiel war schon im 18.Jh. sehr beliebt und wurde sowohl in Frankreich als auch in England gespielt. (Regeln: http://www.ezbc.ch/events/whistrules.htm und Geschichte http://de.wikipedia.org/wiki/Whist ) Während ich an einer Stelle schon gefunden habe, dass Whist bereits um die Mitte des 17.Jh. gespielt wurde, las ich nun bei Wikipedia eine Datierung um die Wende vom 17. zum 18.Jh..
Die Herkunft und auch die Regeln, die Verbreitung wie auch immer wieder interessante Anekdoten zu Kartenspielen wären reizvolle Themen in meinen Augen.
 
Kartenspiele in der Schweiz

Das Kartenspiel wurde in der Schweiz erstmals 1367 erwähnt, wie könnte es anders sein, es war ein Spielverbot (Berner Spielverbot). 1377 wurde das Kartenspiel durch den Dominikaner Johannes von Rheinfelden beschrieben, danach gab es zahlreich Verbote, die aber nur in den reformierten Ständen einigermassen durchgesetzt werden konnten. Die ältesten bekannten Regeln stammen aus dem 15. Jahrhundert für das Kaiser- oder Kamöffelspiel, das heute nur noch in der Innerschweiz (hauptsächlich Nidwalden) gespielt wird.
Seit 1572 ist in der Schweiz auch das um 1440 in Oberitalien entstandene Tarockspiel nachgewiesen. Es erlangte im 18. und 19. Jahrhundert grosse Beliebtheit, wurde dann vom Jass auf wenige Gebiete zurückgedrängt. Heute wird dieses Spiel noch in Graubünden und im Wallis gespielt. Der Jass stammt aus Holland und wurde durch Söldner in der Schweiz eingeführt. Der Älteste Beleg stammt aus dem Jahr 1796. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Jass zum populärsten Schweizer Kartenspiel mit über 50 verschieden Regeln. Er ist heute in allen Bevölkerungsschichten und in der ganzen Schweiz verbreitet, am wenigsten im Tessin, wo Tresette und Scopa belibeter sind.


Hier haben wir schon mal über Karten gesprochen:

http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=8739&page=2

Beiträge 21 bis 25

Bild zeigt Schweizerspielkarten aus dem 15. Jahrhundert
 

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Danke für den Link, obwohl es in eurem Thread ja eher um die Bedeutung der Darstellungen auf den Karten, als um die Kartenspiele an sich geht.

Die Verbote scheinen daher gekommen zu sein, weil man damals wie heute den größten Reiz am Kartenspiel darin sieht, wenn man um Geld spielt. Ich hatte zwar nur als Zuschauer mal beigewohnt, aber wenn im Thürigischen Skat "gekloppt" wird, dann geht es bei ein par Groschen, so hoch her, als verspielten die Leute Haus und Hof. Skat hat sich um 1800 entwickelt, wohl durch ein französisches Spiel, das mit den franz. Truppen nach Deutschland kam.

Ein reines Glücksspiel ist das Pharao. (Es wird auch in dem Roman "Gefährliche Liebschaften" erwähnt.) Es spielte in den Salons des 18.Jh. eine wichtige Rolle. Das Spielprinzip ist einfach. Es gibt eine Bank, welche Karten, je eine zu Gunsten des Spielers und eine zu Gunsten der Bank vor sich von einem Stapel abhebt. Die Spieler setzen auf Zahlen bzw. Bube, Dame, König, Ass und verlieren bzw. gewinnen. In der alten Form, wie im 18.Jh. praktiziert, ist das Spiel sehr einfach und die Bank hat nur einen geringen Vorteil. Der Reiz des Spiels kommt von der Höhe der Einsätze und speziellen Regeln, die die Bank, immer ein Ehrenmann in Venedig ein Mitglied einer der älteren Familien der Stadt, mit den Spielern vereinbart. Da das Spiel so leicht ist, läd es besonders gut zur Unterhaltung ein.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wenn originale Kartenspiele auftauchen. Es war nämlich so, dass man in Gesellschaft mit einem Kartenspiel nur eine Partie spielte, dann wurde es weggeworfen oder vom Personal an Wirtshäuser etc. verhökert. Der resultierende Verschleiß an Spielen, erklärt das hohe Interesse der Obrigkeit an den Einnahmen der Stempelsteuer u.a..
 
Zuletzt bearbeitet:
Ab morgen stelle ich weitere Spiele vor.
Ich hätte noch eine Frage, ob nämlich jemand diese Urregeln von Whist hat, wie sie Wikipedia nennt:
Im Jahre 1742 verfasste Edmond Hoyle die Schrift A Short Treatise on the Game of Whist; dieses Werk wurde zum Regelbuch schlechthin, und so bedeutet "according to Hoyle" soviel wie "streng nach den Regeln" zu spielen.
Oder gibt es sie irgendwo im Netz? Die Regeln, die von Wiki erläutert werden, sind dann ja schon aus dem 20.Jh., sollten also vor 1800 noch ganz anders ausgeschaut haben. Bei sovielen Schachspielern hier im Forum, sollte es doch auch versierte Kartenspieler geben.
 
Hier ein par kartenspielende Herschaften:
http://www.artothek.de/cgi-bin/art_pl/artdetail.pl?language=044&Bildnr=001812&ID=80785
(Pietro Longhi um 1760 "Das Kartenspiel")
http://www.uic.edu/depts/ahaa/classes/ah111/L19-ex/chardin-hsecards'.jpg
(Jean-Baptiste Siméon Chardin "Kartenhaus" um 1741)

Ein ganz schönes Zitat zum Thema fand ich mal wieder in der "Bildergalerie der weltlichen Missbräuche" (1785), das sich mit den Ursachen des Kartenspiels beschäftigt:
... endlich soll es nach der Meinung dieser Herren unmöglich seyn, eine Gesellschaft von Damen und Kavaliers, wie sie das itzige Jahrhundert giebt, ohne Kartenspiel nur eine Stunde lebhaft und munter zu erhalten, und so sollen die Karten selbst von einigen Aerzten als das einzige taugliche Mittel wider die in der feinern Welt herrschenden Schlaffsucht seyn erkennet worden - daher auch die Herren und Frauen, selbst wenn sie über Lanb fahren, sich weislich mit Karten versehen, aus Furcht, sie möchten beym Gesang der Nachtigall und den Schönheiten der Natur - einschlaffen. ... [der Autor bringt einige Einwände gegen das Kartenspiel und rät zu dem Verbot bis er an diese Stelle kommt:] ... Freylich würde dann Schlaffsucht und Langweile manche junge Dame vor der Zeit von der Welt wegraffen; mancher Beamter müßte, um die Zeit zu tödten, ein nützliches Buch zur Hand nehmen; die französischen Herrn Abbès, die sich bisher vom Kartenspiel ernähret haben, würden gezwungen seyn, wieder in ihr Vaterland zurückkehren: ...
;)
Auch damals wusste man schon alle Klischees zu bedienen (siehe Abbé!).
Mit der enormen Verbreitung des Kartenspiels und gerade der Omnipräsenz bei der Oberschicht hat der Autor allerdings Recht. Bei Hofe gehörte das Kartenspiel zwischen dem Dinner und dem Souper und dannach oftmals zum täglichen Ritual. Man kann also von stundenlangem täglichen Spielen beim Adel auf der Tagesordnung sprechen.
 
L'Ombre 1. Teil

Hier ein par Regeln zum L'Ombre-Spiel aus dem mehrfach erwähnten Frauenzimmerlexikon (1715). Da L'Ombre heute nur noch wenig bekannt ist, wollte ich hier mal ein bisschen dem Spiel zur Bekanntheit verhelfen. Wenn jemand selbst weitere Regeln oder Zitate dazu kennt, fände ich es sehr interessant:
L’ Ombre
<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:eek:ffice:eek:ffice" /><o:p></o:p>
Ist ein in Französischer Karte <o:p></o:p>
dem Frauenzimmer sehr geräuch-<o:p></o:p>
liches und nach gewissen Reguln <o:p></o:p>
eingerichtetes Spiel und Zeit-Ver-<o:p></o:p>
treib, kann unter zweyen Personen, <o:p></o:p>
(wenn eine ganze rothe Farbe aus<o:p></o:p>
der Karte genommen wird) or-<o:p></o:p>
dentlich aber unter dreyen gespielet <o:p></o:p>
werden. Jede Person bekömmt <o:p></o:p>
9. Briefe, zur rechten Hand wird<o:p></o:p>
herum gefraget, wer entriren oder<o:p></o:p>
spielen will, spielet einer Solo oder
Sans prendre, so kauffet er von den<o:p></o:p>
überbliebenen Blättern nichts, und <o:p></o:p>
läst sich solches von denen Gegen-<o:p></o:p>
Spielern, wenn er es gewint, a part
bezahlen; denn wofern er solches <o:p></o:p>
verspielet, so muß er es denen an-<o:p></o:p>
dern selbst bezahlen: spielet er aber <o:p></o:p>
simple oder bloß, kauffet er nach An-<o:p></o:p>
sagung der Farbe und Wegwerf-<o:p></o:p>
fung der unnützen Briefe so viel<o:p></o:p>
Blätter, als er nöthig hat. Das<o:p></o:p>
Spiel muß entweder mit 5. Lesten<o:p></o:p>
oder auch vieren, wann die andern<o:p></o:p>
unter den Gegenspieler vertheilet<o:p></o:p>
seynd. gewonnen werden, verlieh-<o:p></o:p>
ret er es, muß er bête setzen; und <o:p></o:p>
wofern er Matador hat, selbige noch<o:p></o:p>
darneben bezahlen.<o:p></o:p>
<o:p></o:p>
L’Ombre Fischgen<o:p></o:p>
Seynd kleine dünne schmahl<o:p></o:p>
länglichte von Elffenbein oder<o:p></o:p>
Holtz, platt oder ausgezäckte Blätt-<o:p></o:p>
lein, so bey dem L’Ombre-Spiel
zur einzelnen Einsetzung und Aus-<o:p></o:p>
zahlung gebrauchet werden, sechs<o:p></o:p>
solche Fischlein machen eine ganze
Marque.
Anmerkung:
Die im O-Text in Druckbuchstaben geschrieben wurden, die nicht in deutscher Schrift gehalten waren, habe ich nicht kursiv gesetzt. Das Zitat ist deswegen lang geworden, weil ich die Zeilen wegen der auch interessanten Silbentrennung der Zeit einhalten wollte.

Weitere Erläuterungen aus selber Quelle folgen, da ein spezieller Tisch und "Marquen" dafür notwendig sind. Einmal wieder zeigt sich der recht materielle Zweck, des tatsächlichen Gewinnens über die "Fischgen".
 
Danke Louis le Grand.:)
Wenn der Herr im Vordergrund mitspielt, dann würde es sich allerdings um 4 Spieler handeln, womit L'Ombre dann auszuschließen wäre. Außerdem spielte man L'Ombre an speziellen Tischen, vielleicht nicht immer, das wäre noch zu klären. Weitere Infos dazu gibts die Tage, da gibt das "Frauenzimmerlexikon" noch was her.
 
L'Ombre 2.Teil

Hier zum L'Ombre-Tisch u. weiteren notwendigen Utensilien für das Spiel:
L’Ombre-Karten,<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:eek:ffice:eek:ffice" /><o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
Seynd kleine gepappte Franzöi-<o:p></o:p>
sche bund gemahlte und aus 40.<o:p></o:p>
Blättern bestehende Karten, auf<o:p></o:p>
dem Rücken weiß oder schwarz ge-<o:p></o:p>
modelt, wormit man das L’Om-
bre zu spielen pfleget.<o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
L’Ombre-Marquen,<o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
Seynd kleine von Elffenbein<o:p></o:p>
oder saubern Holz rund und auf<o:p></o:p>
allerhand Art ausgezackte Blätt-<o:p></o:p>
lein und Scherben, so bey dem L’
Ombre Spiel unter die Spielen-<o:p></o:p>
den um einen gewissen und beliebi-<o:p></o:p>
gen Preiß und Taxe ausgetheilet<o:p></o:p>
und im währenden Spiel in den<o:p></o:p>
L’Ombre-Teller eingesetzet oder de-<o:p></o:p>
nen Gegenspielern zur Bezahlung <o:p></o:p>
zugezehlet werden.<o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
L’Ombre-Schachtel,<o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
Ist eine laccirte oder auf ande-<o:p></o:p>
re Art überfürnste und gemahlte<o:p></o:p>
Schachtel, worinnen die L’Om-
bre-Marquen und Fischgen verwah-<o:p></o:p>
ret werden.<o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
<o:p> </o:p>
L’Ombre-Teller, oder Spiel-<o:p></o:p>
Teller,<o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
Ist ein von Silber, Prinz-Me-<o:p></o:p>
Tall, Messing oder laccirter hölzer-<o:p></o:p>
ner flach und länglicht runder Tel-<o:p></o:p>
ler, worein die Marquen und L’
Ombre-Fischgen gesezet werden.
<o:p> </o:p>
L’Ombre-Tisch,<o:p></o:p>
<o:p> </o:p>
Ist ein kleiner niedriger und<o:p></o:p>
dreyeckigter, meistentheils mit Tuch<o:p></o:p>
beschlagener und mit drey Beuteln<o:p></o:p>
versehener Tisch, worauf das<o:p></o:p>
Frauenzimmer L’Ombre zu spie-<o:p></o:p>
len pfleget.<o:p></o:p>
 
Obwohl schon an anderer Stelle verlinkt, das Bild von Dumesnil, weil eben auch Karten gespielt wird (zw. 1750-60): http://www.metmuseum.org/Works_Of_A...de=1&item=1976.100.8++++++++++++++&zoomFlag=0
Es könnte sich um Whist handeln, weil man dafür auch spezielle Tische bisweilen benutzte, wenn man sich in höherer Gesellschaft bewegte. Vergleichend könnte man von Jean-Michel Moreau le Jeune (1741-1814) "La Partie de whist" aus "Le Monument du costume" von 1788 heranziehen. Der Tisch ist, entsprechend dem Zeitgeschmack zwar schlichter, aber ebenso mit einer quadratischen Tischplatte versehen.
"Fischgen" und "Marquen" liegen bei dem Spieltisch auf dem Gemälde von Pierre Louis Dumesnil auch auf dem Tisch, aber keine Münzen. Das ist ganz interessant, weil das ja eher in Richtung von L'Ombre deuten würde. Ob die Frau, die im Vordergrund dem Betrachter den Rücken zu gekehrt hat nun mitspielt, ist wie bei dem anderen Bildchen, das Louis le Grand verlinkte, die Frage.
@ Louis le Grand
Werden bei Lansquenet auch solche Utensilien wie diese "Marquen" verwendet.

Bei Whist, L'Ombre und eigentlch allen mir bekannten Spielen, wurde um Einsätze gespielt, die wie beim modernen Roulette durch Utensilien versinnbildlicht der Fall ist.
 
@ Louis le Grand
Werden bei Lansquenet auch solche Utensilien wie diese "Marquen" verwendet.

Bei Whist, L'Ombre und eigentlch allen mir bekannten Spielen, wurde um Einsätze gespielt, die wie beim modernen Roulette durch Utensilien versinnbildlicht der Fall ist.

Meines Wissens nicht. Soweit ich es beurteilen kann, hat man am frz. Hof generell um bare Münze gespielt, vornehmlich Louis d'Or, derart hohe Einsätze sollen so manchen ruiniert haben.
 
Mmh, zwangläufig müssen Sie wohl auch auf Schuldschein gespielt haben. Was das Risiko - sich gänzlich zu ruinieren - noch erhöht haben muss. Wobei die potentiellen Gewinnchancen auch nicht zu verachten sind. So mancher Höfling soll ja sein ganzes Auskommen nur mit dem Gewinn am Kartentisch gedeckt haben.
 
Wobei die potentiellen Gewinnchancen auch nicht zu verachten sind. So mancher Höfling soll ja sein ganzes Auskommen nur mit dem Gewinn am Kartentisch gedeckt haben.
Das passt ja zu meinem 5.Beitrag hier im Thread. http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=207054&postcount=5
So Gestalten wie die Romanfigur "Barry Lyndon" müssen also schon existiert haben, die sich allein durch das Glücksspiel über Wasser hielten, wobei natürlich angemerkt werden muss, dass ein guter Name auch dazu gehörte, um überhaupt an die Spieltische bei Hofe zugelassen zu sein.
 
Dann ist es eindeutig, sie spielen Lansquenet, das kann man nur zu viert spielen.
Da ich mich jüngst wieder ein wenig mit Kartenspielen beschäftigt habe, komme ich wieder auf diese kulturhistorisch spannende Diskussion zurück.

Es könnte sich auch um das Spiel "Quadrille" handeln, welches eine Abart des L'Hombre ist und dessen Verbeitung im ersten Viertel des 18.Jh. schon recht groß war. Es wurde zu Viert gespielt und daher und weil es wie das L'Hombre etwas kompliziert war, in weiten Teilen Westeuropas vom Whist abgelöst. Leider weiß ich nicht genau, wie beliebt das Spiel in Frankreich war, worauf allerdings der französische Name hindeuten würde, zumal L'Hombre sich gerade am Hof Louis XIV. allergrößter Beliebtheit erfreute. Ich glaube über Kartenspiele schon etwas bei Madame de Sevigné gelesen zu haben.
 
Salut!

Kennt jemand die Regeln der historischen Spiele Trisett und Commerce, welche sich am preußischen Hof besonderer Beliebtheit erfreuten?
 
Das passt ja zu meinem 5.Beitrag hier im Thread. Geschichtsforum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Kartenspiele vor 1800
So Gestalten wie die Romanfigur "Barry Lyndon" müssen also schon existiert haben, die sich allein durch das Glücksspiel über Wasser hielten, wobei natürlich angemerkt werden muss, dass ein guter Name auch dazu gehörte, um überhaupt an die Spieltische bei Hofe zugelassen zu sein.

Das Glücksspiel war in allen Kreisen ungemein beliebt. Spielsucht muß im 18. Jahrhundert sehr weit verbreitet gewesen sein. Casanova hat sich häufig als Hasardeur betätigt, wobei er auch nicht davor zurückschreckte, dem Glück zuweilen etwas auf die Sprünge zu helfen. Offenbar gab es regelrechte Seminare in der Kunst des Falschspiels, und entgegen landläufiger Meinung war es oft nicht unmenschliche Behandlung, sondern Spielschulden, die Soldaten und Offiziere zur Desertion führten. Um dem langweiligen Garnisonsdienst zu entfliehen, suchten Offiziere wie Mannschaften nach Freizeitbeschäftigungen, die sie im Glücksspiel fanden. So entfernte sich ein Fähnrich des Regiments von Knyphausen, der in Marburg in Garnison lag unerlaubt von der Truppe wegen seiner Spielschulden. Frühere Verpflichtungen hatte bereits sein Oberst beglichen, doch der Fähnrich häufte neue Schulden an, worauf er schließlich unehrenhaft entlassen worden. Ähnlich erging es einem Adjutanten, der unter Rücklassung von 158 fl Spielschulden desertierte. Gemeinen drohte noch ein ganz anderes Schicksal. Ein 25jähriger Musketier wurde als Deserteur aufgegriffen. Dazu hatte er Teile seiner Montur verkauft, wofür er Spielschulden als Motiv angab. Er wurde zum Tode durch den Strang verurteilt. Der Bandit Brabanter Claus und sein Bruder Georg trafen auf der Flucht nach Böhmen an der Grenze einen österreichischen Oberst, "der ein großer Freund des Spiels gewesen. Dieser habe seine ganze Barschaft an sie verloren, und hätten sie ihm noch etwas zurückgeben müssen, um die Zeche bezahlen zu können."

Der Brabanter Georg verlor aber prompt wieder seinen Gewinn an einige Metzgerburschen, worauf sich dann aber sein Bruder an den Spieltisch setzte. "Durch seyne Geschicklichkeit im Vellenschlagen (Falschspiel) habe er bald ein Übergewicht über sie gewonnen und alles zurückgewonnen."

Ein Kollege von Brabanter Claus, Peter Scharette, betätigte sich als Goldmacher und Spieler. Er suchte bevorzugt Kur- und Badeorte auf, wo vermögende Franzosen und Lobbyisten verkehrten, denen er dann entweder ihre Barschaft abjagte oder sie mit selbst fabrizierten Münzen bezahlte. Eine ganz ähnliche Vorgehensweise kultivierte auch Moses Ocker, alias Maschoker, der als konvertierter Jude den Namen Carl Cranus annahm.

Offenbar wurde auch um durchaus hohe Summen gespielt, 158 fl waren jedenfalls eine ganze Menge für einen Fähnrich. Es entsprach diese Summe dem Wert so manchen Hauses.
 
Pharao (Faro) wurde auch in den USA gerne gespielt und war das Spiel auf den schwimmenden Spielkasinos auf dem Missisippi, ehe es dann von Poker überflügelt wurde.

Recht beliebt war auch "Vingt et un", das von den Regeln wohl dem "17 und 4" entsprochen haben muss.
 
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