Wende in dem Erfolg der französischen Außenpolitik unter Louis XIV.?

Und das muss ich sagen, finde ich außerordentlich gemein von dir und dafür gab es die gelbe Karte :)gelbekarte:) von mir. Du beanspruchst für dich die alleinige Deutungshoheit bei der Kultur und sprichst mir praktisch zugleich die Kompetenz ab. Frei nach dem Motto, dass ich ja ohnehin parteiisch bin und sowieso auch von der Politik der damaligen Zeit keine Ahnung hätte.
Hey, bitte nicht zu persönlich nehmen. Versuch mal, drüber zu schmunzeln: Du hattest gemeint, ich müsse dem Politologen glauben (frei nach Louis: Der Staat ist der Politologe, oder wie?). Daraufhin fand ich es lustig, mich als Tanzmeisterin aufzuplustern. Aber bitte halte mir zugute, daß ich mit Taubert eine Originalquelle aufgeboten habe.
In einer Menge von Details habe ich aber sehr den Eindruck, dass wir nur aneinander vorbei reden. ;)
Na ja, jeder von uns beiden kämpft um seine Autonomie. Dabei machten wir beide Ausweichmanöver, um sich von der Deutungshoheit des anderen zu befreien. Aber bitte nimm es nicht so tragisch - es ist doch irgentwie auch unterhaltsam.
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Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, daß wir die Beziehung zwischen Louis und der Maintenon schlecht beurteilen können. Wir alle kennen das aus unserem Bekanntenkreis: Ein Paar scheint sich furchtbar zu bekriegen, Freunde versuchen zu vermitteln - einige ergreifen Partei für ihn, andere für sie. Am Ende hält das Paar zusammen und tut so, als wäre nie was gewesen und nimmt die Intervention auch noch übel.
Wenn ich mal Madame nehme: Zwangsehe - Beziehungsalltag absolut ätzend; aber als Monsieur vor 5 Jahren starb, war sie total fertig. Menschen sind eben kompliziert und am kompliziertesten sind ihre Beziehungen.
Bei Louis und der Maintenon kann man wohl vermuten, daß es eine Wechselspiel war. In manchen Bereichen dominierte sie, in anderen er. Ich habe aber in Secundärquellen nochmal nachgelesen, daß sie durchaus in die Politik rein geredet hat. Es soll sogar so weit gegangen sein, daß Louis seine offiziellen Sitzungen bei ihr abhielt. Bei der Sache mit den Jansenisten war Louis Toleranzgrenze überschritten. Das hat sich die Maintenon dann gut gemerkt. Zu den Dingen, die ich im Leben gründlich begriffen habe, gehört auch, daß man sich aus solchen Beziehungkisten besser raus hält. Man wird eh nicht klug daraus.
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Ich will doch mal an das Buch erinnern, das Vauban 1707 heraus brachte (Ludwig ließ es sofort einziehen und vernichten): Darin wurde festgestellt, daß jeder Zehnte in Frankreich zum Betteln verurteilt war; weitere fünf Zehntel waren so arm, daß sie keine Almosen geben konnten und darüber hinaus war die Bevölkerung immens verschuldet. Das Problem war die Steuerlast, die Ludwig seinem Volk aufbürdete und die stand im Zusammenhang mit seiner exorbitanten Verschwendung.


Da hast du völlig recht. Zu keinem Zeitpunkt und an keiner Stelle wirst du aber finden, dass ich das leugne. Kompliment, hier hast du endlich mal faire und angemessene Kritik geübt. Dafür darf man Louis zu recht rügen.

Aber kleine Korrektur. Nicht die Bevölkerung, sondern der Staat war immens verschuldet. Und die Jahre 1704 bis 1709 waren Krisenjahre, verursacht durch Ernteausfälle und extrem kalte Winter. Dass es der frz. Bevölkerung schlechter ging, als zehn Jahre zuvor, hatte zum einen Teil mit den hohen Steuern, zum anderen schlicht mit dem katastrophalen Wetter zu tun. Und das ist keine Ausrede die ich mir aus den Fingern sauge, sondern das wirst du in jedem Buch über den Spanischen Erbfolgekrieg so wiederfinden.

Ich habe Bedenken, wenn ein Despot wie Ludwig XIV. und sein unmenschliches Regime reingewaschen und verniedlicht wird. Das schadet unserer Demokratie, denn momentan hört man in den Medien eh schon, daß junge Leute dazu neigen, die Monarchie zu beschwören, die sie sich in ihrer Idealform vorstellen.


Ich kann dich beruhigen, als rational denkender Mensch bin ich fanatischer Demokrat. Und du irrst gewaltig, wenn du denkst, dass ich Louis XIV. kritiklos und hemmungslos bewundernd gegenüberstände. Es ist vieles an ihm zu kritisieren. Aber das ist nun einmal die Crux mit den großen Persönlichkeiten der Geschichte. Alexander der Große, Augustus, Friedrich der Große, Katharina die Große oder Napoleon. Sie alle haben Politik gemacht und sind dabei konsequent über Leichen gegangen. An ihnen allen kannst du immer vieles und alles kritisieren, das gehört nun einmal zur Geschichte dazu und dennoch faszinieren uns diese Personen, weil sie eben ein Teil unserer Geschichte sind und bei allen negativen Handlungen dennoch Dinge getan haben, die für uns bemerkenswert sind.

Was ich aber gar nicht abkann und wirklich hasse, sind Klischees. Und einiges was du zum besten gegeben hast, waren Stereotype von vorgestern, aus der besten Zeit der Deutsch-Französischen-Feindschaft. Und dagegen werde ich ankämpfen mit bestem Wissen und Gewissen, ohne dass ich dabei jemanden reinwasche oder etwas verniedliche. Die Realität ist mein Metier, nicht mehr und nicht weniger. ;)

Nimms mir nicht übel, aber wenn sich jemand "Louis le Grand" nennt und dann schwört, das Original sei ohne Tadel gewesen, wundere ich mich nicht. Mich wundert dann auch nicht, daß mit Vorliebe Literatur gelesen wird, die Ludwig XIV. positiv darstellt.


Wie gesagt, da irrst du dich da. Dass ich behauptet habe "das Original sei ohne Tadel gewesen" ist eine Unterstellung deinerseits. Und das Buch von Klaus Malettke ist alles andere als eine Lobhudelei auf den Sonnenkönig, sondern er sieht ihn ausgesprochen kritisch. Du solltest es erst lesen und dann erst beurteilen. Ganz nebenbei ist Klaus Malettke einer der bedeutendsten deutschsprachigen Geschichtsprofessoren zur frühen Neuzeit, von dem man noch nie behauptet hat, dass er einseitig oder gar Monarchist wäre. Als akademischen Referenzpunkt respektiere ich ihn sehr, und mit großer Wahrscheinlich vollkommen zu recht, denn kaum jemand hat so viel Fachliteratur zur Epoche veröffentlicht wie er. Ihn darf man eine neutrale Quelle schimpfen.

So, jetzt versucht bitte mal, mich davon zu überzeugen, daß der König kein Despot ist - und zwar ohne, daß ich den Verdacht haben muß, es entspränge einem vordergründigen Philolouizismus.


Wie definiert sich eine Despotie ? Schauen wir in eine Enzyklopädie:

"Die Despotie oder der Despotismus (griechisch δεσποτία despotía, von δεσπότης despótes - Herrscher) ist eine Staatsform, in der das Staatsoberhaupt (der Despot) die absolute Macht über Leben und Tod seiner Untertanen besitzt. Die Bürger einer Despotie sind ihrem Despoten zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Es gibt kein Parlament und keine Parteien oder diese bestehen nur zum Schein. Eine Opposition besteht nicht und eine Diskussion wird nicht geduldet. Kritiker und Abweichler werden gnadenlos verfolgt. Der Despot regiert zumeist durch Günstlinge, die nicht selten große, aber ausschließlich von ihm herrührende politische Macht besitzen, die er durch Schüren der Konkurrenz unter ihnen zu kontrollieren bestrebt.

Despotien gab es bereits im Altertum bei den Griechen und in der römischen Kaiserzeit. Zur Zeit der Völkerwanderung beherrschten zahlreiche Stammesfürsten auf despotische Weise ihre Völker. Im Mittelalter strebten die Kaiser und Könige nach absoluter Macht. Im 17. Jahrhundert bezeichnete Ludwig XIV. von Frankreich sich als "Sonnenkönig" und schaltete den Einfluss des Adels aus (Absolutismus). Seit der Zeit der Aufklärung wurde die absolute Staatsmacht von französischen Philosophen wie Jean-Jacques Rousseau, Condorcet, Montesquieu und Voltaire sowie den englischen Denkern wie Hume und auch von dem Gründervater der amerikanischen Demokratie Thomas Jefferson kritisiert."


Natürlich war Louis XIV. ein Despot, zumindest entspricht er genau der Definition. Jede Person die absolute Macht ausübt, ist ein Autokrat und Despot. Aber trotzdem darf man sich für die Person und Epoche interessieren, ohne dabei gleich einen Ekelanfall zu bekommen.
 
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Na ja, jeder von uns beiden kämpft um seine Autonomie. Dabei machten wir beide Ausweichmanöver, um sich von der Deutungshoheit des anderen zu befreien. Aber bitte nimm es nicht so tragisch - es ist doch irgentwie auch unterhaltsam.


Und ich muss sagen, du hälst dich dabei wacker. :friends:

Ich habe aber in Secundärquellen nochmal nachgelesen, daß sie durchaus in die Politik rein geredet hat. Es soll sogar so weit gegangen sein, daß Louis seine offiziellen Sitzungen bei ihr abhielt. Bei der Sache mit den Jansenisten war Louis Toleranzgrenze überschritten. Das hat sich die Maintenon dann gut gemerkt.


Ich bin mir auch sicher, dass die Maintenon besonders im privaten Einfluss auf ihren Ehemann hatte, aber das gehört doch zu einer guten Ehe: Das Paar ergänzt sich.

In den letzten 20 Jahren seiner Herrschaft hat Louis oft Sitzungen in den Gemächern seiner Frau abgehalten. Die Minister berichten aber übereinstimmend, dass sie in den 20 Jahren kein einziges mal was gesagt hat. Sie saß in einer Ecke und machte stets ihre Näharbeiten. In erster Linie hat er wohl ihre Nähe gesucht, nicht aber ihren Rat. Besonders bei Frauen hatte er sich da wohl komisch. Ihm schwebte wohl ständig das Bild einer zweiten Catherine de Medici vor, die sich ständig in die Politik eingemischt hat und so sehr viel Schaden und Blutvergiessen angerichtet hat.

In der Regel gelten aber andere Maßstäbe, als das Verwalten steinalter Normen. Wenn Rechtsnormen zu exorbitanten Ungleichgewichten und somit zur Ungerechtigkeit führen, sind sie vollkommen sinnlos.


Das ist mir sehr wichtig. Warum bin ich so unnachgiebig auf den Westfälischen Frieden von 1648 eingegangen ? Dieser gilt als die Geburtstunde des Völkerrechts. Was dort beschlossen wurde, war für das Zusammenleben der Nationen von so großer Bedeutung, dass dieses Völkerrecht bis heute binnend ist. Es handelt sich also nicht um steinalte Normen, sondern um eine notwendige Rechtskultur, die auch uns ein besseres Leben ermöglicht. Insofern hat auch Louis XIV. auf Grundlage des Völkerrechts die Vereinbarungen von 1697 gebrochen und hat 1701 die Span. Niederlande besetzt. Zu recht konnte er darauf verweisen, dass der span. König diese Handlung legitimiert hat und so dem Völkerrecht (als übergeordneter Rechtsnorm) genüge geleistet wurde.


PS: Diese Form der Diskussionskultur finde ich schon sehr viel angenehmer ! :winke:
 
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Aha, Völkerrecht ist gut. Ich war vor 6 Jahren erstaunt und begeistert zugleich, als der Zeitungscorrespondent in Constantinopel schrieb: "...und ward das Völcker=Recht dadurch gebrochen." Die Porta hatte ein Schiff des Czaaren conficiert, was ein ziemliches Geschrei auslöste. Das Wort "Völcker=Recht" kam später nochmal vor. - Daß dieses Wort schon gebräuchlich war, hat bislang viele mit Unglauben erfüllt - ich muß die betreffende Zeitung immer raussuchen.
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Aber ich finde das trotzdem problematisch und denke, daß man über diese Völkerrechtsbestimmung hinaus denken muß, wenn man den Frieden retten will. Nach dem, was ich am Wochenende nochmal überlesen habe, hat Louis den Ryswijker Vertrag nur geschlossen, um sich auf den Erbfolgekrieg vorzubereiten, den er als unausweichlich kommen sah. - Der Krieg war unausweichlich, weil er ihn nicht vermeiden wollte. Das Reich und die Generalstaaten waren nicht auf Krieg aus. Bei den Herren Engländern, bin ich schon wieder mißtrauisch - ich glaube die rochen den großen Kuchen der Spanischen Colonien, den sie wohl nicht ungern anschneiden wollten. Friedlich verhielt sich England Anno 1700 ganz und gar nicht - Portugal bedrängten sie nur, weil sie die auf Colonien aus waren. Und dann waren auch noch Kämpfe in der Gegend des heutigen Panama. - Ich meine eben, daß Louis sich mit seinem wirklich friedlichen Verwanden in Wien hätte einigen können. - Die Holländer wollten in Ruhe ihren Geschäften nachgehen - aber daß Louis ihnen dies mißgönnte, war ja nicht neu. Trotzdem waren die Holländer Anfang 1701 die Nachgibigsten. Louis forderte, die Anerkennung des Prinzen von Anjou als Spanischer Thronerbe, was die Holländer erfüllten (ich ärgerte mich maßlos darüber!). Freundlicher wurde Louis dadurch allerdings nicht, er stellte weitere Forderungen und drohte die Generalstaaten anzugreifen. Da haben die Holländer offensichtlich begriffen, daß man Louis nicht nachgeben durfte. Und bumms war der Französische Ambassadeur in Haag wieder gesprächsbereit und redete von Friedensliebe seines Königs.
Wenn aber ein "Völkerrecht" fortgesetzte Aggressionspolitik deckt, wird man es (so sehe ich das für 1701) wohl oder übel übergehen müssen. Von den (freilich kriegsmüden) Holländern aus betrachtet bedeutet eine solche Rechtsnorm, daß sie auf Sicherheitsgarantien verzichten sollen, obwohl Frankreich sich zum Krieg rüstet und obendrein (wie oben beschrieben) eine sehr feindseelige Diplomatie betreibt.
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Ich habe in meinem Tagebuch da nochmal nachgesehen. Damals kam ich zu dem Schluß (was ich gar nicht mehr wußte), daß der Herzog von Savoyen der einzige Ausweg sei. Er stand in der Rangfolge des Spanischen Thronerbes auf Platz 3. Man hätte sich - wenn man gewollte hätte - vielleicht darauf einigen können ...
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Aber was sollte Louis nach dem Utrechter Frieden noch großartig consolidiert haben, nach dem was der Krieg angerichtet hatte und in dem bißchen Lebenszeit was ihm noch blieb? Brissotin sprach eingangs davon, Frankreich hätte erst unter Louis XV. gekrieselt. Ich will das jetzt mal runterschlucken, daß man alles auf Madames Sohn schiebt ... :)
Aber ich würde die Regence (übrigens auch ein neuer Modestil) schon als Nachkriegszeit auffassen. Da schlugen die Kriegsfolgen eben durch.
 
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Ich habe in meinem Tagebuch da nochmal nachgesehen. Damals kam ich zu dem Schluß (was ich gar nicht mehr wußte), daß der Herzog von Savoyen der einzige Ausweg sei. Er stand in der Rangfolge des Spanischen Thronerbes auf Platz 3. Man hätte sich - wenn man gewollte hätte - vielleicht darauf einigen können ...

Warum sollten sich die Bourbonen die Mühe auf dem Verhandlungstisch machen, den Savoyer auf den Thron in Madrid zu hiefen, wo man doch einen Bourbonen darauf setzen konnte?
Es ist doch irgendwie illusorisch zu glauben, dass in Zeiten wo es um die hegemoniale Vormachtstellung in Europa ging, man um des Friedens willen, Chancen und Ansprüche bereitwillig fallen lässt? Nochmal: für Frankreich war das Aussterben der span. Habsburger die Gelegenheit eine jahrhunderte lange Umklammerung Habsburgs aufzubrechen und dazu Spanien für das eigene Lager zu gewinnen. Diese Möglichkeit muss für einen Machtpolitiker, wie auch Louis XIV. einer war, einen Krieg wert gewessen sein. Das er den Erbfolgekrieg als unausweichlich hat kommen sehen spricht für seinen Weitblick sich biettende Chancen erkennen zu können und den Krieg als Risiko für den Erfolg einzugehen (letztlich hat in der frühe Tod Josefs I. gerettet). Auch die Habsburger waren letztlich bereit um die span. Krone den Krieg zu wagen. Was sagt das über deren Friedensbereitschaft aus?

Übrigens sollten die Savoyer auch ihren Gewinn aus dem Vertrag zu Utrecht ziehen. Wobei Sizilien sicherlich nicht so spektakulär war wie Spanien und sein Kolonialreich.
 
@ Joinville
Das sehe ich ähnlich, nicht um jeden Preis wollte man damals Frieden bewahren, auch wenn ich den Eindruck habe, dass der 30-jährige Krieg als schreckliche Katastrophe des 17.Jh. durchaus noch lange im Gedächnis war und nicht umsonst u.a. von den Seemächten eigentlich eine friedliche Lösung der spanischen Erbfrage angestrebt wurde.
Zum anderen konnte Louis XIV. nicht mit der militärischen Schlagkraft der engl.-kaiserl. Bündnisgenossen und des Gespanns Marlborough-Prinz Eugen rechnen, nicht dass ihn diese Ahnung hätte zurück schrecken lassen. Militärisch hatte sich Frankreich, fast immer so gut wie allein, als mächtig genug erwiesen durch die Kriege im 17.Jh. zusehends an Boden im Osten zu gewinnen. Derweil hatte sich die spanische Armee als unterlegen erwiesen. Sie fiel ja dann auch als Unterstützung der kaiserlichen Interessen aus.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Im Prinzip haben wir in dem Zeitalter des Sonnenkönigs ein auf und ab der Allianzen, was auf den ersten Blick irrational erscheint, auf den zweiten aber schon einleuchtendere Züge annimmt. So sprangen Holland u. England stets jeweils der Partei bei, deren Untergang, oder dessen Feindes Sieg zu einem extremen Schwergewicht auf der Seite einer Partei geführt hätte. Daraus kann man vielleicht Frankreichs eigentliche Macht an Ressourcen erkennen, dass nunmehr im letzten Krieg des Sonnenkönigs beinahe alle bedeutenden Mächte im Umfeld Frankreichs sich diesmal gegen dieses zusammen schlossen. Selbst eine geschicktere Diplomatie hätte dies kaum verhindern können, denn diese konnte doch zumeist nur soweit wirken wie es die Interessen des Staates, der beeinflusst werden sollte, zuließen.
 
Die Pohlen hatten Frankreich 1697 vergrault, indem sie sich für August den Starken als König entschieden. Aber ich erinnere mich dunkel an die Presse von 1700 oder 1701, daß ein Französischer Envoyé versuchte, August zu einem Krieg gegen Rußland zu überreden. Der wankelmütige Sachse wackelte zunächst tatsächlich, entschied sich dann aber doch, weiter an der Seite Rußlands zu kämpfen. Ich glaube, daß ihm sein Umfeld da kräftig zugeredet hat. Seine Pohlnischen Untertanen wollten ja, daß er ihnen Lieffland zurück verschaft.
Das will ich noch korrigieren und dazu zitiere ich aus meinem Tagebuch:
"22.3.1701/2001... Vor einigen Wochen laß ich in der Zeitung: irgendein Frantzösischer Envoye hätte den Vorschlag gemacht, mit Schweden Frieden zu schließen, um den Czaaren zu bekriegen. Die Pohlen wären sogleich begeistert gewesen, deren König allerdings nicht. Was ich in der heutigen Dienstags=Zeitung gelesen habe, hat mich dann sehr verwundert, aber auch hoffnungsvoll gestimmt: Schön wäre es, wenn der plötzlich Ihrer Pohlnischen Majestät unterstellte Wunsch, mit Schweden Frieden zu machen, auch wahr wäre. Doch ich stelle mir vor, daß es bei Ihrem Birsener Treffen mit dem Czaaren wohl eher um das Gegenteil gegangen sein wird."
 
Was ich aber gar nicht abkann und wirklich hasse, sind Klischees. Und einiges was du zum besten gegeben hast, waren Stereotype von vorgestern, aus der besten Zeit der Deutsch-Französischen-Feindschaft. Und dagegen werde ich ankämpfen mit bestem Wissen und Gewissen, ohne dass ich dabei jemanden reinwasche oder etwas verniedliche. Die Realität ist mein Metier, nicht mehr und nicht weniger.
Hmh, ich fühlte mich eigentlich die ganze zeit ziemlich Holländisch. Es waren ja so ziehmlich alle Nationen vertreten. Der College Klammer hat mir übrigens auch großen Spaß gemacht, weil er sich genau nach seiner Rolle verhielt. Aber Deutschtümelei ist meine Sache ganz und gar nicht. Ganz im Gegenteil, äußere ich mich dann schnell sehr abwehrend, was einige der Kurrentfans schon ziemlich hart getroffen hat.
Warum sollten sich die Bourbonen die Mühe auf dem Verhandlungstisch machen, den Savoyer auf den Thron in Madrid zu hiefen, wo man doch einen Bourbonen darauf setzen konnte?
Es ist doch irgendwie illusorisch zu glauben, dass in Zeiten wo es um die hegemoniale Vormachtstellung in Europa ging, man um des Friedens willen, Chancen und Ansprüche bereitwillig fallen lässt?
Ja, was bleibt dann noch für mich zu tun? Bitte, dann schießt euch doch die Köppe ein - und ich zieh mich zurück auf meinen Landsitz. Warscheinlich war meine Friedensdiplomatie buths=übel (sorry Eüer Majestät, war wieder geschwollene Originalsprache).
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Ich habe noch etwas in meinem Tagebuch gefunden, einiges davon war mir gar nicht mehr bewußt:
"Den Holländern wird die Anerkennung des Hertzogs von Anjou zum König von Spanien wenig gedankt. Der Sonnenkönig verlangt von Ihnen eine Cathegorische Declaration innerhalb 12 Tagen; andernfalls würde er in Flandern einfallen. Engelland ist nicht bereit, dem Beispiel der Generalstaaten zu folgen: Das dortige Parlament verweigert die beschriebene Annerkennung und gewährt dem Käyser große Subsidien, ihm beim Krieg wider Franckreich zur Hand zu gehen. - Der Frantzösische Ambassadeur in Copenhagen verkündet lauthals, sein König werde Mastricht belagern.
In Haag fährt man nun offensichtlich auch einen härteren Kurs. Man hat an Franckreich 11 Punkte übergeben, die ziemlich cathegorisch klingen und von den Frantzosen wohl kaum erfüllt werden dürften: Grundsätzlich will man in den Spanischen Niederlanden keinerlei Frantzösische Trouppen dulden und fordert deren Abzug. Statt dessen konzipiert man Spanische, Holländische und Englische Besatzungen. Zudem fordert man, dem Käyser Satisfaction zu geben, wegen dessen "gerechten Prätension". Der Frantzösische Ambassadeur in Haag hat dies bereits als "Kriegserklärung" gewertet und kündigte seine Abreise an.
Daß ich die einseitige Anerkennung des Hertzogs von Anjou durch die Generalstaaten bislang als eine Zeichen von Ängstlichkeit und Schwäche deutete, bedaure ich ein wenig. Den Holländern ist die Anwesenheit starker Frantzösischer Kräfte, in den Spanischen Niederlanden, höchst unangenehm. Man hat hier vorrangig versucht, diese Gefahr abzuwenden, sowie durch das Zugeständnis einen Krieg vielleicht doch noch abzuwenden. Daß diese Nachgiebigkeit aber in Franckreich als ein Zeichen von Schwäche gedeutet wird, ist mir Sonnenklar. Der Sonnenkönig reist einem den Arm ab, wenn man ihm die Hand reicht.
Dieser König preßt seine Bevölkerung mehr den je aus: Die Kopfsteuer soll um ein drittel höher ausfallen als Anno 1695! Dies begründet er damit, daß er ja mit den Zurüstungen anderer Mächte gleichziehen müßte."
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Abschließend noch ein Aspekt zur Außenpolitischen Abwärtsentwicklung: Die Homophobie des Sonnenkönigs. Das ist eigentlich eine lustige Ironie der Geschichte, daß er den Eugen wegschickt, auf daß er ihm das Geschäft versauert. :)
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Noch was: War nicht eigentlich die beste Außenpolitik Frankreichs seine Kultur und seine Wissenschaft? In der Leibnitz-Biographie von C.H.Beck erfuhr ich, wie scharf Leibnitz darauf war, in Frankreich bleiben zu dürfen. Leider fand er da keine Stelle. Aber das sagt eigentlich alles, wenn solche Geister am liebsten nur in Paris sein wollten.
Was die Mode angeht war Louis le Grand ja schon an diesem Punct. Ich las im Knaurs Kostümbuch, daß regelmäßig eine lebensgroße Puppe über den Ärmelkanal schipperte, die in die neueste Pariser Mode eingekleidet war. Diese Puppen gingen in alle wichtigen Zentren Europas und sie schipperten sogar wärend des Erbfolgekrieges.
Von den Tanzmeistern weiß ich, daß viele Tanzschüler aus dem Reich gern nach Paris fahren, um dort Tanzstunden bei einem Maitre zu nehmen. Aber es kommt ja noch viel mehr von dort: Die ganze Höflichkeit und Lebensart, die mit Galanterie umschrieben wird. Frankreich schenkte Europa eine Lebensphilosophie, die überall aufgegriffen wurde. Sie veränderte quasie die Welt. Man sprach damals von der "galanten Welt" (nicht unähnlich wie wir heute von der globalen Welt). Deshalb wurde Frankreich in aller Welt bewundert und geliebt. Das war doch die allerbeste Außenpolitik für Frankreich, die es hatte!
 
...hat Louis den Ryswijker Vertrag nur geschlossen, um sich auf den Erbfolgekrieg vorzubereiten, den er als unausweichlich kommen sah. - Der Krieg war unausweichlich, weil er ihn nicht vermeiden wollte.


Genau diese wichtige Vorrausetzung musst du aber für alle Friedensverträge im Hinterkopf haben, für die Frieden von Aachen (1668), Ninwegen (1678), Regensburg (1684) und eben auch Ryswijk (1697). Alle Großmächte Europas haben sich seit 1665 auf den Tod von Carlos II. vorbereitet. Alle rechneten mit einem Krieg. Schließlich versuchte ja jeder seine Schäfchen ins trockene zu bringen. Keiner hatte aber geglaubt, dass der todkranke Carlos bis 1700 durchalten würde.

Ich meine eben, daß Louis sich mit seinem wirklich friedlichen Verwanden in Wien hätte einigen können.


Wollte Louis XIV. diesen Krieg wirklich nicht vermeiden ? Zumindest haben wir in den zwei Teilungsverträgen zwischen Frankreich und England eine deutliche Gegenthese zu dieser Vermutung.

Weil was, wenn nicht Kriegsverhinderung, war der Sinn dieser beiden Verträge ? Es ist zweifelsfrei nicht von der Hand zu weisen, dass es Kaiser Leopold I. war, der diese Verträge ablehnte und so eine vertraglich friedliche Einigung brüsk zurückwies, mit dem Hinweis, dass er ganz Spanien für sich allein haben wollte.

So friedlich war Leopold eben nicht. Zielsicher bereitet auch er sich auf den Kampf vor und sein unkooperatives (ja feindseliges) Verhalten gegenüber den vernüftigen Teilungsverträgen beweist das sogar par excellence. Und eben dieses unnachgiebige Verhalten Kaiser Leopolds brachte Louis XIV. ja 1700 erst in die Predoullie, dass er nun das Testament nicht mehr ablehnen konnte. Eben weil sich Wien jeder Einigung entzog und stur auf seinem Standpunkt beharrte, während sich Frankreich wenigstens bemühmt hatte, eine friedliche Lösung zu erreichen.

Für mich sind die Teilungsverträge, die eben auf Initiative Louis' XIV. zustande kamen, ein enormes Indiz dafür, dass Frankreich eben nicht so versessen war Krieg zu führen. Im Gegenteil, Louis wäre in eben diesen Verträgen schon mit den kläglichen Resten der Span. Niederlande oder Teilen der ital. Besitzungen befriedigt gewesen und hätte seine legitimen Thronrechte friedlich und ohne Klagen an Wien abgetreten. Aber Leopold wollte ja nicht, er wollte alles für seinen Sohn Karl. So musste eben auch Frankreich alles auf eine Karte setzen.

Vor einigen Wochen laß ich in der Zeitung.


Das finde ich, ist ein interessantes Unterfangen. Welche Zeitung ließt du denn da und aus welchem Land ? Nur deutschsprachige Gazetten ?
 
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Warscheinlich war meine Friedensdiplomatie buths=übel (sorry Eüer Majestät, war wieder geschwollene Originalsprache).


Kein Problem. Eigentlich lese ich das ja gern, aber beim hitzigen Debattieren ist das sehr hinderlich, denn es kann zu Missverständissen führen. ;)

Dieser König preßt seine Bevölkerung mehr den je aus: Die Kopfsteuer soll um ein drittel höher ausfallen als Anno 1695! Dies begründet er damit, daß er ja mit den Zurüstungen anderer Mächte gleichziehen müßte.


Die Kopfsteuern (Capitation) erfasste die Bevölkerung aber so gut wie gar nicht. Denn diese war eine der fiesesten Erfindungen, die Louis je getätigt hat, zumindest aus der Sicht des Adels. Denn die Kopfsteuer erfasste nahezu ausschließlich den 1. und 2. Stand. Diese Kopfsteuer zu erhöhen war völlig richtig, denn anstatt das einfache Volk zu belasten, schröpfte er so ordentlich den reichen Adel. Im 3. Stand mussten nur die reichsten Großbürger Kopfsteuer zahlen, alle anderen keinen einzigen Sous. Das ist doch durchaus sympathisch von Louis gewesen, nur Geld von denen zu fordern, die auch genug davon hatten und die anderen niemals damit zu behelligen.

War nicht eigentlich die beste Außenpolitik Frankreichs seine Kultur und seine Wissenschaft? Deshalb wurde Frankreich in aller Welt bewundert und geliebt. Das war doch die allerbeste Außenpolitik für Frankreich, die es hatte!


Wie wahr. Man kann es sogar heute noch beobachten. :winke:
 
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Das finde ich, ist ein interessantes Unterfangen. Welche Zeitung ließt du denn da und aus welchem Land ? Nur deutschsprachige Gazetten ?
Nun ich versuch mal einen Schnelldurchgang:
Aufgrund meiner Begeisterung für die Musik um 1700 suchte ich eigentlich nach einem Teütschen Pendant zum Mercure Galant, um das Lebensgefühl der Zeit zu atmen. In der Presseforschung der Uni Bremen stieß ich auf gewöhnliche - "ordinari" - Presse. Damals wohnte ich im Herzogthum Bremen (die Leüte sagen annoch "Stifft Bremen") und so war mir die Braunschweiger "Ordinari Post=Zeitung" recht. Ich kopierte sie complett für das ganze Jahr 1700. Ende des Jahres 2000 kopierte ich mir den Packen für 1701.
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So geriet ich im wahresten Sinne des Wortes in die Politik hinein. Noch aufwendiger wurde das Projekt dadurch, daß ich eine Lokalradiosendung hatte. Die dauerte jeden Mittwoch 60 Minuten lang und war eine politische Wochenschau. Das interessante an diesen alten Gazzetten ist, daß die Correspondentenberichte wortwörtlich abgedruckt wurden - inclusive P.S.! Ich las die wichtigsten Passagen daraus und formulierte dazu Anmoderationen in Originalsprache. Dazwischen dudelte kurz Lully, Corelli ect. - Meine "Ordinari Hörfunck=Avisen" zwangen mich halt dazu, immer auf dem Laufenden zu bleiben. Das war oft sehr anstrengend. Manchmal war die Nachrichtenlage auch sehr frustrierend.
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Das verzweifelte Bemühen, den Ryßwickischen Frieden zu retten, raubte mir damals so manchen Schlaf. Ich nahm die aktuellen Zeitungen auch gern mit zu meinem Vater. Wir diskutierten über die Tagespolitik von 1700/1701.
Das Jahr 1700 war schon ein schrecklich aufregender Krimi - man könnte auch sagen Achterbahnfahrt. Das Jahr darauf war dann nur noch deprimierend, weil die Diplomatie weitgehend durch Kriegsberichterstattung ersetzt wurde. Der August und seine nordischen Aktionen waren schon 1700 sehr präsent gewesen. 1701 kam auch noch der Erbfolgekrieg dazu. Wenn man in jeder Ausgabe diese Sachen lesen muß und der Krieg dauert jahrelang, hängt einem das zum Hals raus. Ab 1702 habe ich keine Gazzetten mehr besorgt. Ein Jahr später lief ich eh zu den Tanzmeistern über.
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Interessant war der quasie 'internationale Friedenseinsatz' in Hollstein, gekrönt vom Frieden zu Travendahl. Man hatte immer Angst, daß es eine Battaille geben möchte, aber zum Glück bekammen die Unterhändler der Garantiemächte für Hollstein=Gottorff das mit denen von Dennemarcken hin - uff. Da waren die Franzosen interessanterweise betont prodänisch - übrigens auch als es an die Bombardierung des Dänischen Flotte vor Copenhagen gehen sollte.
 
Meine Oma (Jahrgang 1900) sagte noch "Paraplui" statt Regenschirm und sie ließ sich auf der "Chaiselong" nieder. Mein Opa forderte uns auf, wir sollten auf das "Trottoir" achten, wo die Hunde ihre Tretminen zu hinterlassen pflegten.
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Die französische Mode hielt sich ja in der Tat lange. Es waren ja schließlich die USA mit CocaCola, Jazz und Hollywood, die Frankreich diese Schau stahlen. Trotzdem griff Hollywood ja ganz gern das alte französische Flair auf.
 
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