Inwieweit spielt das Osmanische Reich ein Rolle in dem Jugoslawien-Krieg

Ich bin der Meinung, dass der jugoslawische Staat von Anfang an eine wackelige Konstruktion war, die vor allem durch den Machtanspruch der Serben aufrechterhalten wurde. Um das zu verstehen, muss man freilich bis zur Staatsgründung zurückgehen.

Der Illyrismus und das großserbische Programm des Politikers Graschanin bereiteten die staatliche Vereinigung aller Süd-(Jugo)Slawen vor. In diesem Sinn erließen das 1915 in London gegründete Jugoslawische Komitee und die serbische Regierung 1917 die Deklaration von Korfu. So entstand dann Jugoslawien im Oktober 1918 aus der Vereinigung von Serbien, Montenegro und den bis dahin zu Österreich-Ungarn gehörenden, von Südslawen bewohnten Gebieten als "Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen". Die seit der Staatsgründung bestehenden Auseinandersetzungen mit den Kroaten beendete König Alexander I. 1929 durch ein autoritäres regime, das sich vor allem auf das Heer stützte.

Bereits zu diesem Zeitpunkt war es nur zu einem gesamtjugoslawischen Staat gekommen, weil unter dem Eindruck der untergehenden habsburgischen Monarchie und der Wirkungsmächtigkeit des Ersten Weltkriegs der serbische Staat sowohl den Kristallisationspunkt als auch besten Schutz für die südslawischen Völker bot. Vorhandene Abspaltungstendenzen der Kroaten und Slowenen wurden zunächst durch das autoritäre Regime erstickt, dann 1941 durch einmarschierende deutsche Truppen zunächst gegenstandslos. Bereits 1943 bildete Tito eine provisrische Regierung und unter der Fuchtel der jugoslawischen KP wurden nach 1945 alle innenpolitischen Gegener augeschaltet.

Man sieht also, dass massive Abspaltungstendenzen seit vielen Jahrzehnten virulent waren, aber stets gewaltsam unterdrückt wurden. Sobald jedoch nach dem Zerfall des Ostblocks Selbstbestimmung, Menschenrechte und Freiheit ein Thema wurden, war auch der Zerfall Jugoslawiens nicht länger aufzuhalten.

Dieser Zerfall wäre mit oder ohne Milosevic gekommen, das ist gewiss. Doch erhielt er durch den Starrsinn des verstorbenen Staatschefs, der seine großserbischen Träume nicht begraben wollte, eine besonders blutige Brisanz. Vielleicht wäre das beklagenswerte Drama unter einem konzilianteren Präsidenten unblutiger verlaufen.

Ich stimme Deinem Beitrag im Wesentlichen zu, jedoch würde ich meinen, daß man auch nicht mal auf das erste Jugoslawien - welches mit dem zweiten ja kaum etwas gemein hatte - zurückgreifen.

Ich würde meinen, daß die meisten Probleme der SFRJ (Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien) "hausgemacht" sind und im wesentlichen auf die ungelöste Nationalitätenfrage in Verbindung mit dem starren kommunistischen System und den verbundenen Repressalien zurückzuführen sind.
Gleichwohl schätze ich die Chancen, die sich der SFRJ nach dem II WK boten, als höher ein, als die des Königreichs, denn die durch die Partisanen verbundenen Völker stellen durchaus einen Konsens dar, auf sich ein gemeinsamer Staat hätte erfolgreich aufbauen lassen können..
 
denn die durch die Partisanen verbundenen Völker stellen durchaus einen Konsens dar, auf sich ein gemeinsamer Staat hätte erfolgreich aufbauen lassen können..

Das glaube ich nicht, Scarlett, denn Kroaten und Serben standen sich nach 1918 meist feindselig oder zumindest argwöhnisch gegenüber. Nach 1918 traten die Kroaten bald in die entschiedenste Gegnerschaft zu der großserbischen zentralistischen Politik in Jugoslawien. 1941-45 bestand unter Pavelic der von Nazi-Deutschland gestützte Staat Kroatien, sodass der 2. Weltkrieg keine Schicksalsgemeinschaft zwischen Kroaten und Serben bewirken konnte.

Der Zerfall war daher vorprogammiert und trat sofort ein, als die realistische Möglichkeit einer Loslösung bestand.
 
Ich stimme Deinem Beitrag im Wesentlichen zu, jedoch würde ich meinen, daß man auch nicht mal auf das erste Jugoslawien - welches mit dem zweiten ja kaum etwas gemein hatte - zurückgreifen.

Ich würde meinen, daß die meisten Probleme der SFRJ (Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien) "hausgemacht" sind und im wesentlichen auf die ungelöste Nationalitätenfrage in Verbindung mit dem starren kommunistischen System und den verbundenen Repressalien zurückzuführen sind.
Gleichwohl schätze ich die Chancen, die sich der SFRJ nach dem II WK boten, als höher ein, als die des Königreichs, denn die durch die Partisanen verbundenen Völker stellen durchaus einen Konsens dar, auf sich ein gemeinsamer Staat hätte erfolgreich aufbauen lassen können..

Jup, ich bin da im grossen und ganzen deiner Meinung - Vor allem dahin gehend das die Probleme innerhalb des Staates hausgemacht waren - und auf die Nationalitäten - aber vor allem auf die ungelöste Minderheitenfrage zurückgeht (Die ja ein Produkt der missratenen Verfassungsänderung von 1974 war) - Das grösste Gewicht würde ich aber der missratenen Wirtschaftspolitik Titos zuschreiben. Und die weiterführung der selben nach Titos Tod. Ich denke, das hat die wohlhabenderen Teilrepubliken Kroatien und Slowenien dazu bewogen Unabhängigkeitsbestrebungen anzusteuern und aus dem Staatenbund ausscheren zu wollen. Die missliche wirtschaftliche Lage aber auch der katholische Glaube, der ja vor allem in den beiden Teilrepubliken überwog, bewog die beiden Teilrepubliken sich dem Balkan mehr oder minder abzuwenden - und sich dem Westen Europas näher zu fühlen. Da die beiden Teilrepubliken ja die wohlhabendsten waren, machte sich ja so eine Art wirschtaftlicher Egoismus breit - in dem die Slowenen und Kroaten nicht einsahen, wieso der grossteil ihres Bips in die ärmsten Teilrepubliken wanderte - Vor allem den Kossovo, das ja nichtmal eine Teilrepublik war sondern gar nur eine Provinz, zudem auch noch eine Serbische - was vor allem den Kroaten zusätzlich ein Übel gewesen sein dürfte. Darüber hinaus war die Wirtschaftliche Misere, Hyperinflation etc., der ideale Nährboden für den sich herauskristallisierend Nationalismus in Jugoslawien - der sich ja nicht neu bildete, sondern eigentlich nur seit dem II. WK und davor schlummerte. Dort wo es Menschen in ihren Grundbedürfnissen schlecht geht - wird sich radikalität, in welcher form auch immer, schneller ausbreiten als sonst wo. Das wäre aber alles noch gar nicht so schlimm gewesen, wenn der Krieg nicht ausgebrochen wäre, der ja unzählige Menschenleben geopfert hat (Genaue Zahlen weiss ich nicht, müsste lügen - aber ich schätze 200.000 - 250.000). Und ich denke den Krieg hat eben diese damals immer mehr an Modernität gewinnende Ideologie des Selbstbestimmungsrechts der Völker verursacht - deren Anwendung ja auf Jugoslawien, so wie es damals existierte, ja kompletter Irsinn war - und darauf hat - Westeuropa sofort gepocht - allen voran Deutschland und Österreich, die sich entgegen der Meinung vieler Historiker - das damit ein Krieg provoziert wird, blindlings für eine Sezession der Teilrepubliken ausgesprochen haben - Das hatte einige Gründe sowohl wirtschaftliche als vor allem geschichtliche. Ich weiss eben nicht, ist nur eine Hypothese, ob es zu einem Krieg gekommen wäre - wenn man nicht zu vorschnell handelnd, eher auf eine Jugoslawische Gesamtlösung hingearbeitet hätte (damit meine ich die Europäische Gemeinschaft) - das hätte Machthungrigen Politikern wie Milosevic oder Tudjman den Wind aus den Segeln für einen möglichen Krieg genommen.

Zudem denke ich nicht, das die Osmanen - bzw. deren Herrschaft, die sich ja über sämtliche Völkerschaften des Balkan erstreckte etwas mit dem Krieg zu tun hat - Zumal viele Jugoslawen bis zu letzt stolz waren auf ihr multikulturelles Land da es zumindest ein fortschrittlicher Gedanke war, das mehrere Ethnien und Kulturen respektvoll und friedlich miteinander leben, während in vielen wirtschaftlich stärkeren Ländern Rassenhass, Minderheitenverfolgung, Ausländerfeindlichkeiten, Respektlosigkeit und Feindseligkeit gegenüber anderen Kulturen und dergleichen en Masse aufzufinden waren - und die auch bis zu letzt hofften das eine Lösung für die erhaltung des Gesamtstaates gefunden werden kann. Massen-Aufmärsche kunterbunter Slawischer Bürger Sarajevos zeugen beispielsweise davon.
 
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Dieter : “Man sieht also, dass massive Abspaltungstendenzen seit vielen Jahrzehnten virulent waren, aber stets gewaltsam unterdrückt wurden.Dieser Zerfall wäre mit oder ohne Milosevic gekommen, das ist gewiss.”

Eine sehr genaue und präzise Bewertung der Situation, die sich nach der gewaltsame Entstehung von Jugoslawien formierte. Es fehlt nur die Erwähnung der Unterdrückungs- und DeNationalisierungspolitik, die die Serben gegen die Bulgarische Bevölkerung in Mazedonien betrieben. Ich bitte auf die Aufmerksamkeit der Teilnehmer - ein interessantes Detail - wie Dieter gesagt hat, wurde Jugoslawien 1918 als Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gegründet– keine Rede über die so genanten “Mazedonier” und die “Mazedonische Sprache” (diese Nation und Sprache wurden damals noch nicht erfunden).
Die Bosnien waren ein Sonderfall soweit sie Serbokroatisch sprechen, aber Muslimen sind.
Noch in seiner Entstehung war Jugoslawien eine sehr gefährdete, defekte, künstliche Konstruktion, die aber den damaligen Interessen der Sieger in dem Ersten Weltkrieg Großbritannien und Frankreich entsprach. In diesem Sinne kann man behaupten, dass noch seit 1918 war Jugoslawien eine tickende Zeitbombe.
 
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der balkan ist seit der völkerwanderung ein pulverfass
und nicht nur nach den osmanischen reich aber es ist richtig das es nach der aufteilung des osmanischen reiches noch caotischer wurde als es vorher war zum beispiel wurden albanien in 4 teile geteilt und das ist auch der grund warum es im balkan so viele konflikte giebt wen man das problem der albaner löst hat man damit auch das grösste problem im balkan gelösst und das problem der albaner ist nicht nur der kosovo sonder der epirus der osten makedonines und der süden montenegros dise länder wurden von den osmananen an europa gegeben als tribut
 
hyll
der balkan ist seit der völkerwanderung ein pulverfass
Das klingt wie, wenn es keine Völkerwanderung stattgefunden hat, die ganze Halbinsel, und warum nicht das ganze Europa albanisch wäre! Wie schön, mein Gott. Und wenn es auch keine Vorvölkerwanderung gab, wäre Europa vielleicht neandertalisch. Die armen Neandertaler!

Die Völkerwanderung ist das Problem! Wenn es keine Völkerwanderung gab, bestand auch die Möglichkeit für die heutigen Albaner noch bis heute als Schäfer in Karpatengebirge tätig zu sein. Entschuldigung für die Ironie. Sie wurde herausgefordert.
 
Man muss aber einräumen, dass große Teile des albanischen Volks außerhalb der albanischen Staatsgrenzen leben. Das hat natürlich seine Ursachen in der Grenzziehung vor und nach dem Ersten Weltkrieg, bei der die Albaner zugunsten der Serben schlechter wegkamen.

Solche ungelösten Probleme wirken fort und zeigen sich heute in der Kosovo-Frage, die ein albanisch-serbisches Problem ist, und beim fragilen Nationalitätenstatus der Albaner in Makedonien. Würde man nach dem Selbstbestimmungsrecht der Völker gehen, müssten die Grenzen anders verlaufen.

Aber diese Fragen sind bereits politischer Natur und sollten hier nicht weiter verfolgt werden.
 
Die Völkerwanderung ist das Problem! Wenn es keine Völkerwanderung gab, bestand auch die Möglichkeit für die heutigen Albaner noch bis heute als Schäfer in Karpatengebirge tätig zu sein. Entschuldigung für die Ironie. Sie wurde herausgefordert.[/quote]
die albaner waren nie in den karpaten aber ich weis mit sicherheit das die völker die sich slaven nenen da in der nähe herkomen
was die albaner betrift es ist nachgewiesen worden das sie authoton sind und mit höhster warscheinlichkeit die nachfahren der illyrer sind
 
Ihr seit beide ganz falsch...
Wir sind alles Afrikaner, da die Wiege der Menschheit sehr wahrscheinlich irgendwo in den Affenhorden der afrikanischen Savanne liegt... :winke:
 
Das glaube ich nicht, Scarlett, denn Kroaten und Serben standen sich nach 1918 meist feindselig oder zumindest argwöhnisch gegenüber. Nach 1918 traten die Kroaten bald in die entschiedenste Gegnerschaft zu der großserbischen zentralistischen Politik in Jugoslawien. 1941-45 bestand unter Pavelic der von Nazi-Deutschland gestützte Staat Kroatien, sodass der 2. Weltkrieg keine Schicksalsgemeinschaft zwischen Kroaten und Serben bewirken konnte.

Der Zerfall war daher vorprogammiert und trat sofort ein, als die realistische Möglichkeit einer Loslösung bestand.

Von Feindseligkeiten zwischen Serben und Kroaten mußt Du mir nicht viel erzählen, darüber weiß ich recht viel, denn ich bin Kroatin.

Ich sehe es so, daß - Du brachtest zuvor den Vergleich mit dem ersten Jugoslawien - die SFRJ auf stabilerem Grund gebaut war, als das zweite.
Dies gilt jedoch nur für einen sehr kurzen Zeitraum, denn mit der starren kommunistischen Ideologie, die die Nationalitätenfrage nicht lösen konnte und statt dessen vorlieb nahm mit einem Personenkult, einer allmächtigen Einheitspartei und einer alles übertünchenden Ideologie von "Einheit und Brüderlichkeit".

1918 - zu Beginn des Königreichs SHS warnte ein kroatischer Politiker (Stjepan Radic) seine Landsleute davor, sich überstürzt und kopflos "wie Gänse
im Nebel" in das jugoslawische Experiment zu stürzen.
Für das Königreich Jugoslawien war aufgrund der Herrschaftsverhältnisse ein baldiges Ende - zumindest meiner Ansicht nach - vorrauszusehen.
 
der balkan ist seit der völkerwanderung ein pulverfass
und nicht nur nach den osmanischen reich aber es ist richtig das es nach der aufteilung des osmanischen reiches noch caotischer wurde als es vorher war zum beispiel wurden albanien in 4 teile geteilt und das ist auch der grund warum es im balkan so viele konflikte giebt wen man das problem der albaner löst hat man damit auch das grösste problem im balkan gelösst und das problem der albaner ist nicht nur der kosovo sonder der epirus der osten makedonines und der süden montenegros dise länder wurden von den osmananen an europa gegeben als tribut

Das halte ich für eine sehr gewagte These, könntest Du das genauer erläutern?
 
Ich habe mich in diesem Thread bislang aufs Mitlesen beschränkt und nichts geschrieben, möchte aber nun kurz einige Anmerkungen treffen...

Ich stimme Deinem Beitrag im Wesentlichen zu, jedoch würde ich meinen, daß man auch nicht mal auf das erste Jugoslawien - welches mit dem zweiten ja kaum etwas gemein hatte - zurückgreifen.

Ich würde meinen, daß die meisten Probleme der SFRJ (Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien) "hausgemacht" sind und im wesentlichen auf die ungelöste Nationalitätenfrage in Verbindung mit dem starren kommunistischen System und den verbundenen Repressalien zurückzuführen sind.

Ich sehe es so, daß - Du brachtest zuvor den Vergleich mit dem ersten Jugoslawien - die SFRJ auf stabilerem Grund gebaut war, als das zweite.
Dies gilt jedoch nur für einen sehr kurzen Zeitraum, denn mit der starren kommunistischen Ideologie, die die Nationalitätenfrage nicht lösen konnte und statt dessen vorlieb nahm mit einem Personenkult, einer allmächtigen Einheitspartei und einer alles übertünchenden Ideologie von "Einheit und Brüderlichkeit".

1918 - zu Beginn des Königreichs SHS warnte ein kroatischer Politiker (Stjepan Radic) seine Landsleute davor, sich überstürzt und kopflos "wie Gänse im Nebel" in das jugoslawische Experiment zu stürzen.
Für das Königreich Jugoslawien war aufgrund der Herrschaftsverhältnisse ein baldiges Ende - zumindest meiner Ansicht nach - vorrauszusehen.

Ich gebe Dir Recht, möchte jedoch auch auf Beitrag #5 von Rovere noch einmal hinweisen, der das "Erbe" von Österreich-Ungarn angesprochen hatte.

Die ungelöste Nationalitätenfrage resultierte vor allem daraus, daß Jugoslawien - und dies gilt sowohl für das SHS Königreich bzw. Königreich Jugoslawien als auch für die SFRJ - in einem Raum errichtet wurde, in welchem vom 16./17. Jh. bis zu den Balkankriegen zwei Vielvölkerstaaten (Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich) aneinanderstießen, in denen selbst diese Problematik nie gelöst werden konnte.
Der "neue" Vielvölkerstaat übernahm dieses Erbe von den beiden "alten" Vielvölkerstaaten, wobei zudem noch drei verschiedene Kulturkreise (katholisch geprägt, orthodox geprägt, muslimisch geprägt) mit ihren jeweiligen Traditionen und ihrer jeweiligen regionalen Geschichte auf relativ engem Raum nebeneinander lagen.

Diese Problematik der Nationalitätenfrage konnte auch im "ersten" Jugoslawien und im "zweiten" Jugoslawien bestenfalls lediglich für "kurze Zeit" überdeckt, aber dennoch - wie Du ja auch geschrieben hast - nie gelöst werden.
Es handelt sich ergo um eine Problematik, die ständig "mitgeschleppt" wurde - und das, wie zuvor von mir angedeutet, schon vor 1918 - und dadurch aber stets latent war.
 
Ich habe mich in diesem Thread bislang aufs Mitlesen beschränkt und nichts geschrieben, möchte aber nun kurz einige Anmerkungen treffen...


Ich gebe Dir Recht, möchte jedoch auch auf Beitrag #5 von Rovere noch einmal hinweisen, der das "Erbe" von Österreich-Ungarn angesprochen hatte.


Danke für den Hinweis, mit Österreich-Ungarn habe ich das bisher weniger in Verbindung gebracht, das muß ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen und werde mich evtl. später dazu äußern.

Die ungelöste Nationalitätenfrage resultierte vor allem daraus, daß Jugoslawien - und dies gilt sowohl für das SHS Königreich bzw. Königreich Jugoslawien als auch für die SFRJ - in einem Raum errichtet wurde, in welchem vom 16./17. Jh. bis zu den Balkankriegen zwei Vielvölkerstaaten (Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich) aneinanderstießen, in denen selbst diese Problematik nie gelöst werden konnte.
Der "neue" Vielvölkerstaat übernahm dieses Erbe von den beiden "alten" Vielvölkerstaaten, wobei zudem noch drei verschiedene Kulturkreise (katholisch geprägt, orthodox geprägt, muslimisch geprägt) mit ihren jeweiligen Traditionen und ihrer jeweiligen regionalen Geschichte auf relativ engem Raum nebeneinander lagen.

Diese Problematik der Nationalitätenfrage konnte auch im "ersten" Jugoslawien und im "zweiten" Jugoslawien bestenfalls lediglich für "kurze Zeit" überdeckt, aber dennoch - wie Du ja auch geschrieben hast - nie gelöst werden.
Es handelt sich ergo um eine Problematik, die ständig "mitgeschleppt" wurde - und das, wie zuvor von mir angedeutet, schon vor 1918 - und dadurch aber stets latent war.
In der Königsdiktatur (ab 1929) hat man ja sehen können, wohin eine starke Repression bestimmte Völker führt, nämlich zum (blutigen) Auseinanderbrechen
solcher Staatengebilde!

Vor allem gilt auch, daß das Verständnis eines Vielvölkerstaates extrem auseinander driftete. Für die Mehrheit der Republiken dürfte Jugoslawien ein Zusammenschluß - zumindest seit 1974 - von Gebieten bzw eben Repubiken gewesen sein. Ein Zusammenschluß, mit der Option auf Loslösung.
Für die Serben, die ja nicht nur in Serbien angesiedelt waren, sondern auch in Bosnien-Herzegowina und Kroatien lebten, war Jugoslawien - sowohl das erste, als auch das zweite!! - eine Gewähr, daß sie in einem Staat
leben konnten. Die "sezessionistischen" Bestrebungen etwa Sloweniens und Kroatiens waren so eine klare Bedrohung dieser Interpretation von einem Vielvölkerstaat.

Und ich sehe auch nicht so sehr ein Problem darin, daß viele Völker auf engem Raum miteinander lebten, sondern vielmehr, daß diese Völker sich durch verschiedenste - nicht immer durch eigenes Geschick gesteuerte - Konstellationen auf einander entgegengesetzten Seiten wiederfanden.

Diese Animositäten wurden in der Tat nie beiseite geräumt, auch weil sie nie entsprechende Würdigung fanden.
Es erstaunt mich immer wieder in Darstellungen über die Balkankriege über Meinungen zu stolpern, die diesen Tatsachen zu wenig Beachtung schenken!
 
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Danke für den Hinweis, mit Österreich-Ungarn habe ich das bisher weniger in Verbindung gebracht, das muß ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen und werde mich evtl. später dazu äußern.
...
Die "sezessionistischen" Bestrebungen etwa Sloweniens und Kroatiens waren so eine klare Bedrohung dieser Interpretation von einem Vielvölkerstaat.

Ich habe mir erlaubt, Dein Zitat zu kürzen, denn genaugenommen hast Du Dich bereits in diese Richtung geäußert.
Zwar nicht vollständig, aber doch mit ihren Kerngebieten, lagen die beiden Staaten Slowenien und Kroaten jahrhundertelang auf österreichisch-ungarischem Territorium, wo sie einerseits zu Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien (auf osmanischem Territorium) abgegrenzt waren, andererseits aber eben auch keine eigenständigen Staaten waren, sondern Landesteile anderer Reiche (Slowenien zu Österreich, Kroatien zu Ungarn) - wie die anderen eben auch lange Zeit keine eigenständigen Staaten waren, sondern eben Teil des Osmanischen Reiches.
Anm.: Man sehe mir bitte diese etwas vereinfachte Zuordnung nach, aber sonst verzetteln wir uns an der Stelle...

Und ich sehe auch nicht so sehr ein Problem darin, daß viele Völker auf engem Raum miteinander lebten, sondern vielmehr, daß diese Völker sich durch verschiedenste - nicht immer durch eigenes Geschick gesteuerte - Konstellationen auf einander entgegengesetzten Seiten wiederfanden.

Diese Animositäten wurden in der Tat nie beiseite geräumt, auch weil sie nie entsprechende Würdigung fanden.

Genau dies meinte ich mit meinem vorherigen Satz "drei verschiedene Kulturkreise (katholisch geprägt, orthodox geprägt, muslimisch geprägt) mit ihren jeweiligen Traditionen und ihrer jeweiligen regionalen Geschichte" - eben weil dieses Nebeneinander in der Geschichte nicht immer friedlich gewesen war.
Darauf lag eigentlich die Betonung; das "auf relativ engem Raum nebeneinander" hatte ich hinzugefügt, weil es diese Problematik zusätzlich verschärfte.
 
Für die Mehrheit der Republiken dürfte Jugoslawien ein Zusammenschluß - zumindest seit 1974 - von Gebieten bzw eben Repubiken gewesen sein. Ein Zusammenschluß, mit der Option auf Loslösung.
Wovon einige Republiken ja auch Gebrauch machten. War das nicht der Anlaß des Krieges?

Für die Serben, die ja nicht nur in Serbien angesiedelt waren, sondern auch in Bosnien-Herzegowina und Kroatien lebten, war Jugoslawien - sowohl das erste, als auch das zweite!! - eine Gewähr, daß sie in einem Staat
leben konnten.
Also in einem "Groß-Serbien"? Ein Blick in die Siedlungsgeschichte, wonach die osmanische Zeit maßgeblich für den Status ante bellum "verantwortlich" ist, scheint mir unerläßlich.

Die "sezessionistischen" Bestrebungen etwa Sloweniens und Kroatiens waren so eine klare Bedrohung dieser Interpretation von einem Vielvölkerstaat.
Erstens hatte Slowenien keinen wesentlichen serbischen oder sonstigen Bevölkerungsanteil sondern war sehr homogen, weshalb mir diese "Bedrohung" nicht einleuchten mag. Und zweitens hört sich diese "Interpretation" für mich wieder nach Groß-Serbien an.
 
Erstens hatte Slowenien keinen wesentlichen serbischen oder sonstigen Bevölkerungsanteil sondern war sehr homogen, weshalb mir diese "Bedrohung" nicht einleuchten mag. .


Nun ja, die Serben fühlten sich von derartigen Sezessionsbestrebungen insofern bedroht, als ihre dominante Rolle innerhalb Jugoslawiens auf dem Spiel stand, ganz zu schweigen von etwaigen großserbischen Träumen.

Die Interessen der südslawischen Völker waren somit entgegengesetzt, sodass es dann nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und den Schlagworten von Selbstbestimmung und Menschenrechten zum Supergau kam: Dem Zusammenbruch des jugoslawischen Staates!
 
Sodele, ich hab mir jetzt den ganzen Thread zwei Mal in Ruhe durchgelesen.

Natürlich ist es richtig, bei der Frage nach Ursachen des Jugoslawienkrieges auch die letzten 10-20 Jahre vor dem Krieg zu beleuchten. Ebenso spielen m.E. immer auch wirtschaftliche Gesichtspunkte bei allen Kriegen eine Rolle, doch geht beides an der ursprünglichen Fragestellung vorbei:
Der Jugoslawienkrieg Anfang der 90er! Vorprogrammiert durch den ehemaligen Einfluss des Osmanischen Reiches?
Ebenso sind die hier gemachten Ausführungen zum 2.WK entgegen der Meinung einiger User mehr als ausreichend, denn auch die Ursachen der damaligen Zeit sind weiter vorn auf der Zeitachse zu suchen. Manchmal habe ich das Gefühl, diese Zeit würde allzu sehr fokussiert. Das kann leicht den Gesamtblick trüben.

Gerade bei der Frage WARUM ist es imho notwendig, einen Blick tief in die Geschichte zu werfen. Die Völkerwanderung dabei als ursächlich zu betrachten, halte ich allerdings auch für einen Fehlgriff. Eines aber konnte ich bislang leider in nur einem einzigen Beitrag finden, und dort wurde auch nicht weiter drauf eingegangen: 1878.
Es verwundert mich doch sehr, diese im Zusammenhang wichtige Zahl in einem Geschichtsforum nicht wirklich lesen zu können. Festus hat schon Recht, wenn er sagt
Um den "Jugsoslawien-Krieg", Anfang der 1990er Jahre, zu erklären, muss man wohl wirklich ganz weit ausholen und in großen Zirkeln denken.
Ich denke ebenso, wie es hier schon einmal anklang. Nur wer weiß, woher der Weg kommt, kann wissen, wohin er führt.

Ö.-U. halte ich nicht so sehr für ursächlich, das sei vorweg gesagt. Mir erscheint dabei die Sicht auf die hier behandelten Vielvölkerstaaten, als würde mit zweierlei (Wertungs-)maß gemessen. Das eine ist böse und ein Hort allen übels, das andere war eine super Idee und hat nur deshalb nicht geklappt, weil dunkle, üble Mächte am Werke gewesen wären...

Nun denn, zur Sache. Im Mittelalter konstituierten sich auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens im wesentlichen die Königreiche der Kroaten und Serben, hier katholisch, dort orthodox, als "Erbe" der römischen Teilung, deren Grenze selbst heut noch spürbar ist. Kroatien fiel bald an Ungarn, Serbien wurde später osmanisch. Dann fiel auch Bosnien an die Türken und hernach auch die größten Teile Ungarns und Kroatiens, der Rest kam zu Habsburg.
Die nächsten Jahrhunderte in diesem Gebiet waren durch den österreichisch-osmanischen Dualismus geprägt. Abwehrkampf und Rückeroberung aus österreichischer, Zurückdrängung aus osmanischer Sicht. Für die betroffenen Völker bedeutete es vielfach Befreiung.

Was passierte während dieser Zeit? Grob gesagt - und das halte ich für entscheidend - änderten sich die Siedlungsgebiete der Völker. Auf österreichischer Seite würden die Wüstungen wiederbesiedelt.
Im O.R. traten Albaner und Slawen zum Islam über, letztere bildeten eine eigene Volksidentität heraus und sind die heutigen Bosniaken. Ein Studium von Popes Ethnogenese (http://geschichtsforum.de/showthread.php?t=14157) sei hier empfohlen. Darüber hinaus vermischten sich in osmanischer Zeit die Siedlungsgebiete der Kroaten, Serben, Albaner und Muslime. Serben verließen zudem das Land (insbesondere das Kosovo, wohin Albaner nachrückten) und siedelten in der Militärgrenze auf habsburgischem Gebiet (Krajina, Woiwodina).
Nach der Autonomie (bzw. der Unabhängigkeit) Serbiens verließen die Muslime dieses Gebiet, woraus sich die homogene Bevölkerung Rumpf-Serbiens erklärt.

Dann kam das so entscheidende Jahr 1878. Im Unterschied zu früheren Gebietseinbußen des O.R. kamen diese nun nicht mehr Ö.-U. zugute. Bosnien, die Herzegowina und das (der?) Sandschak Novipazar (jedoch ohne Mitrovica) wurden lediglich besetzt. Vielmehr entstanden (alt-)neue Staaten.
Leicht hätte man der Türkei sämtlichen europäischen Besitz nehmen und neu verteilen können. Ideen und Vorschläge gab es zu genüge. Ein damals nicht zustande gekommenes Albanien hätte tatsächlich die von hyll beschriebenen Gebiete umfassen können. Damals hat man imho die historische Chance vertan, einen stabilen Balkan zu schaffen; die Türkei behielt umfangreiche europäische Gebiete.

1912/13 machten dann die Balkanstaaten das, was man 1878 nicht tat, sie teilten die europäische Türkei (bis auf Ostthrakien) unter sich auf. Freilich ohne sich untereinander grün zu sein, man führte untereinander Krieg um die Beute.

1918 dann packten die Siegermächte auf die bereits bestehenden Nationalitätenprobleme noch den Vielvölkerstaat Jugoslawien drauf. Einerseits zerschlug man die k+k-Monarchie für die "Freiheit der Völker", andererseits fand diese Freiheit gar nicht erst statt. Jugoslawien war ein verkapptes Groß-Serbien, der Verbündete bekam seine Beute.

Beim Zerfall Jugoslawiens wollten die Serben nicht weg von Belgrad. Daß sie überhaupt dort waren, kann man den wenig weitsichtigen Ergebnissen des 1.WK zuschreiben.

Mein Fazit ist, daß der Einfluß des O.R. insofern ursächlich war, als das dieser das "Verschieben" der Siedlungsgebiete hervorrief und begünstigte. Das allein ist aber nicht die Ursache. Viel schwerer wogen imho die historischen Fehler 1878 und 1918, welche stabile Gebietsaufteilungen verhinderten bzw. Gebiete einem Staat auferlegten, welchem sein Verfall schon bei Gründung innewohnte.

Auf mich wirkt Jugoslawien heute als "Fehler der Geschichte".
 
nicht vergessen sollte man die 'verschiebungen' während den großen pestepidemien im MA. ein umstand der gerne vergessen wird, wenn's darum geht, wie stark bevölkert der balkan vor der eroberung durch die osmanen war.

LG, lynxxx
 
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