Reisen früher

florian17160

unvergessen
Ich muss mich immer wundern, wenn geschrieben wird, der oder jener musste mal eben kurz von Deutschland zB. zu einer Audienz zum Papst nach Rom.
Oder der eine Graf hatte mal eben mit dem anderen in ein paar hundert km Entfernung ein kleines Scharmützel auszutragen.
Ganz abgesehen von den römischen Vorstössen seinerseits.

Da muss ich mich fragen, warum ich, trotz der heutigen Möglichkeiten nicht aus meinem Wald herrauskomme?

Haben die damals Zeit als etwas anderes gesehen, wie wir heute?
Ich musste vor kurzem mal 10 km laufen. Ich sage euch, das tu ich mir nie wieder an. 2 Stunden habe ich dafür gebraucht.

Oder anders gefragt. waren das nur Einzelerscheinungen, weil ja nun nicht gerade etwas über jedem überliefert wurde? Wie ist denn Goethe zB nach Ägypten gekommen? Das war doch sicher Stress hoch 10.
 
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Wenn man es nicht anders kennt als wochenlang in einer rumpelnden Kutsche zu sitzen, oder als Alternative sich mit leichtem Gepäck per pedes auf die Socken zu machen stellt sich die Frage wohl kaum.
Wir sind einfach zu verwöhnt, in einem halben Tag um die Welt zu jetten war einfach unvorstellbar. Die Zeit für eine Romreise musste man sich halt nehmen.
 
im Orient gab es auf den bekannten Handelsrouten fast alle 40 km ne Karawanserei, also eine Tagestour entfernt. Seit den Seldschuken weiß ich es, wahrscheinlich auch schon früher?
Dort konnte die Karawane, oder Reisende dann übernachten, vor Räubern sicher ihre Waren lagern, und speisen, soweit ich mich erinnere umsonst für ein-zwei Tage.
 
Na, ich dachte da gab es ein relativ gut ausgebautes Netz von Pensionen und Quartieren, wo die Nacht verbracht wurde. Wenn man allerdings keine fand oder kein Geld dazu hatte, musste man bei Mutter Natur schlafen. Zum Waschen: Da gab es noch nicht so ein Hygieneverständnis wie bei uns. Etwas Wasser bekam man an kleinen Bächen oder auch bei Gaststätten.
 
Zum Reisen bzw. zur Mobilität hatten wir schon eine epochenübergreifende Diskussion, auf welche ich zunächst verweisen möchte: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=12675

Aber Essen, schlafen und waschen musste man sich doch auch. Wie haben die das da in den Griff bekommen?

... im Orient gab es auf den bekannten Handelsrouten fast alle 40 km ne Karawanserei, also eine Tagestour entfernt. Seit den Seldschuken weiß ich es, wahrscheinlich auch schon früher?
Dort konnte die Karawane, oder Reisende dann übernachten, vor Räubern sicher ihre Waren lagern, und speisen, soweit ich mich erinnere umsonst für ein-zwei Tage...

Das gab es nicht nur im Orient, sondern spätestens ab dem Hochmittelalter - evt. aber auch schon früher - auch im christlichen Okzident entlang der Pilgerrouten und großen Handelswege. Zwar waren es hier - abgesehen von der Johanniterniederlassung in Biebelried (bei Würzburg/Ufr.) - keine Karawansereien, aber Herbergen und/oder Hospize. Auch Städte und wichtige Handelsplätze verfügten über solche Niederlassungen, wenngleich Herbergen aber zugegebenermaßen nicht immer und überall kostenlos waren.

Zum Waschen: Da gab es noch nicht so ein Hygieneverständnis wie bei uns. Etwas Wasser bekam man an kleinen Bächen oder auch bei Gaststätten.

Das ist zwar nicht gänzlich falsch, muß aber auch ein wenig relativiert werden - vgl. dazu auch: http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=520
 
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Zu dem Reisen auf Pilgerwegen:
Ich habe vor kurzem eine Dokumentation über den Pilgerweg nach Santiago de Compostela gesehen. Da liefen ein paar Leute den Jakobsweg entlang. Und sie trafen auch auf viele noch intakte Gaststätten am Weg und auf einige verfallene. Es wurde u.a. gesagt, dass früher unter der Schirmherrschaft der Kirche direkt Gaststätten, Quartiere, die sich später zu kleinen Dörfern entwickelten, gefördert. Sie dienten zur Versorgung der Pilger. Es war so angelegt, dass es für einen zu Fuß mittelmäßigen Pilger machbar war, jeden Abend in einer Pension zu sein. Es soll glaube ich auch nicht viel gekostet haben!
 
Da muss ich mich fragen, warum ich, trotz der heutigen Möglichkeiten nicht aus meinem Wald herrauskomme?


Du gibst dir die Antwort doch selber:
Haben die damals Zeit als etwas anderes gesehen, wie wir heute?
Ich musste vor kurzem mal 10 km laufen. Ich sage euch, das tu ich mir nie wieder an. 2 Stunden habe ich dafür gebraucht.

Oder anders gefragt. waren das nur Einzelerscheinungen, weil ja nun nicht gerade etwas über jedem überliefert wurde? Wie ist denn Goethe zB nach Ägypten gekommen? Das war doch sicher Stress hoch 10.


War Goethe in Ägypten? :confused:
 
Na, ich dachte da gab es ein relativ gut ausgebautes Netz von Pensionen und Quartieren, wo die Nacht verbracht wurde. Wenn man allerdings keine fand oder kein Geld dazu hatte, musste man bei Mutter Natur schlafen. Zum Waschen: Da gab es noch nicht so ein Hygieneverständnis wie bei uns. Etwas Wasser bekam man an kleinen Bächen oder auch bei Gaststätten.

Das denke ich auch. Man hatte, soweit ich weiss, unterwegs einen Mantel (Umhang) dabei, sehr viel Stoff, der in der Nacht bewusst auch als Decke zu gebrauchen war. Das weist ja darauf hin, dass man damit rechnete, nicht immer eine Herberge in Anspruch nehmen zu können, sei es , weil keine in der Nähe war oder selbige voll besetzt war oder man schlicht kein Geld dafür hatte oder ausgeben wollte. Warum nicht im Sommer in spanischen Gefilden (Jacobsweg) mal in der Natur unter seinem Mantel übernachten statt in einer überfüllten, stickigen Herberge mit schnarchenden Pilgern?
Wir dagegen bekommen bei dem bloßen Gedanken schon Panikattacken, kein Hotel zu finden...
 
Bei den damaligen Reisen sind natürlich nicht nur der Aufwand und die damit verbundene Zeit zu beachten. Logistisch gesehen war es bei einer Königsreise bestimmt nicht ganz einfach, alles unter einen Hut zu bekommen und mal eben nach Rom zu reisen ging natürlich auch nicht.
Aber was auch zu beachten ist - gerade bei den Pilgerreisen, wenn ihr von den Pensionen und Gaststätten redet -, sind die sprachlichen Schwierigkeiten. Damals wurde noch nicht überall Englisch geredet und garantiert konnten die Menschen auf den Dörfern auch nicht alle Latein. Das war natürlich noch eine weitere Herausforderung.

Liebe Grüße :winke:
 
Für einen Adeligen war reisen vor allem ens:teuer. Habe eine Hausarbeit über das Privilegium Minus geschrieben, und u.a. wurde in dieser Urkunde der Herzog von Österreich von seiner Hoffahrtspflicht befreit. Er musste nur noch zu den Hoftagen des dt. Kaisers nach Bayern reisen, und das hat ihm viel geld gespart. Ein Graf oder Herzog musste ja nicht nur für seine eigen Unterkunft sorgen, sondern auch für die seines Gefolges...
Andererseits wurde ja auch durch die vielen Reisenden im Mittelalter die STädte so wichtig, denn innerhalb der Stadtmauern war man sicher und konnte eine Herberge finden.
 
Interessant finde ich in dem Zusammenhang:
WER unternahm im MA eigentlich Reisen? Die Kaufleute, vor allem im späten MA, klar. Aber sonst? Wer konnte es sich eigentlich leisten, nach Santiago zu pilgern? Sicher kein kleiner Bauer, auch wohlhabende Bauern eher selten - so eine Reise dauerte und der Hof und alles wollte geführt werden.
Vielleicht: Der Sohn von Leuten, die es sich leisten konnten, ihn entsprechend auszustatten, die ihn auch nicht als Arbeitskraft ständig brauchten (wohlhabende Bauern, Ritter, Handwerker, Kaufleute...)
Oder was meint ihr?
 
[FONT=Arial,Helvetica][SIZE=-1]Viele Menschen des Mittelalters waren weitaus mobiler, als es unserer Vorstellung von diesem angeblich statischen Zeitalter entspricht. Die Könige nahmen nicht nur auf einem Umritt vom Reich Besitz, sondern übten ihre Herrschaft auch im Umherziehen zwischen den einzelnen Landschaften des Reiches aus. Seit dem frühen Mittelalter zogen Händler und Kaufleute mit ihren Waren auf Straßen und Flüssen durch ganz Mitteleuropa. Pilger brachen zu Wallfahrten nach Rom, nach Santiago de Compostela oder zu anderen Wallfahrtsorten auf. Boten und Gesandte brachten Nachrichten zu den einzelnen Herrschaftszentren. Aber auch Handwerker, Mönche, Studenten und allerlei fahrendes Volk reisten von Stadt zu Stadt und von Burg zu Burg.[/SIZE][/FONT]

das habe ich hier gefunden
 
Reisen konnte oder musste man. Es konnten diejenigen reisen, welche die Muße hatten, also etwa adelige Söhne (man denke an die Ritterfahrten) und später auch die Söhne von Patriziern. Es mussten diejenigen reisen, die davon lebten, Handwerker auf der Walz (btw: Hängt Walz und Wallfahrt zusammen? Die Frage ist ernst gemeint!), und natürlich Händler. Ein Bauer reiste natürlich nicht. Zum Reisen gezwungen wurden Personen, die sich eines Verbrechens schuldig gemacht hatten. So hatte der Begriff Santiago-Pilger im Spätmittelalter einen üblen Leumund. Santiago-Pilger galten als Verbrecher. (ich hab das an anderer Stelle in diesem Forum schon mal ausführlicher dargestellt).
Aber reisen war eben auch gefährlich. Neben den "Santiagopilgern", die als sühnende Verbrecher nach Santiago marschierten, gab es über manche Wegstrecken Gerüchte, dass hier Räuber ihr Unwesen trieben. Deshalb galt "draußen schlafen" als nicht ungefährlich. Aber auch ein Pilgerhospiz war nicht grundsätzlich sicher. Vom Pilgerhospiz La Faba ist überliefert, dass einer der Wirte etwa 150 vorwiegend deutsche Pilger vergiftete um sich an Ihnen zu bereichern. Auch das Hühnerwunder von Santo Domingo de la Calzada ist eng mit den Gefahren des Jakobsweges verknüpft. Hierzu gibt es verschiedene Varianten, der Kern ist aber der, dass ein Wirt dem Sohn einer pilgernden Familie einen wertvollen Pokal in das Gepäck schmuggelte, der Familie dann aber Soldaten hinterherschickte, er hätte den Pokal gestohlen. Der Sohn wurde zum Tode verurteilt und das Urteil vollstreckt. Die Eltern (manchmal auch nur der Vater) pilgerten weiter nach Santiago, wo sie beim Apostel für die Seele ihres Sohnes beteten. Als sie nach Monaten nach Santo Domingo zurückkehrten fanden sie ihren Sohn lebend am Galgen vor. Der Vater ging zum Bischof, der gerade beim Speisen saß und legte ihm den Fall vor. Der Bischof aber sagte, der Sohn sei so tot, wie die Hühner auf seinem Teller, die promt gackerten und durch die Gegend flogen. Seitdem befindet sich in Sto. Dmgo. de la Calzada in einer Kirche ein Hühnerkäfig mit lebenden Hühnern, die angeblich die Nachkommen der Hühner des Hühnerwunders sein sollen.
 
im Orient gab es auf den bekannten Handelsrouten fast alle 40 km ne Karawanserei, also eine Tagestour entfernt. Seit den Seldschuken weiß ich es, wahrscheinlich auch schon früher?
Dort konnte die Karawane, oder Reisende dann übernachten, vor Räubern sicher ihre Waren lagern, und speisen, soweit ich mich erinnere umsonst für ein-zwei Tage.

Im Perserreich gab's die schon, z.B. auf der Königsstrasse. Da wurden auch die "Staffelreiter" untergebracht, die Nachrichten von Gordion nach Susa (2000 km sicherlich) innerhalb von zwei Wochen (wenn ich mich recht erinnere) übermitteln konnten (kann ich bei Bedarf nachsehen).

Dazu, wenn man auf "offizieller Dienstreise" war, wurden Ausgabescheine ausgestellt, die in den jeweiligen Stationen den Träger und seine Begleiter berechtigte, dort kostenlos verpflegt zu werden.
 
Hmm.
Ich wollte ja nur auch mal wieder ein Thema eröffnen.
An Pilgerreisen habe ich nicht gedacht. Noch weniger an die Pfalzbesuche, die Kaiser ja schon berufstechnisch machen mussten.

Aswin hat es da wohl am besten getroffen, was ich meinte.
Ich danke euch für eure Beteiligung an diesem Thema.
 
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Da wir den für das Mittelalter dabei wichtigen Pilgertourismus bereits angesprochen hatten (streng genommen gehören ja auch die Orientkreuzzüge und die Fahrten ins Heilige Land während dieser Zeit in jenen Kontext), erlaube ich mir noch darauf hinzuweisen, daß wir uns vor Augen halten müssen, welche Bedeutung - weit jenseits vom täglichen Leben und materiellen Sorgen - Pilgerfahrten, insbesondere zu den Heiligen Stätten im Hochmittelalter, hatten.
Selbst wenn es auch größtenteils nur Berichte zu Adligen diesbezüglich gibt, so zeigt sich dennoch recht klar, daß die Menschen des (Hoch-)Mittelalters durchaus bereit waren, einen Großteil ihres Vermögens dafür hinzugeben.
 
(btw: Hängt Walz und Wallfahrt zusammen? Die Frage ist ernst gemeint!)


Wenn ich mich an Wolfgang Pfeifers Etymologisches Wörterbuch halte, müßte es sich trotz ähnlicher Bedeutung um zwei verschiedene Wortstämme handeln - althochdeutsch "wallan" (-> "wälzen"/"Walz") und althochdeutsch "wallon" (-> "wallfahrten").
 
Wenn ich mich recht erinnere, waren diese Versorgungsstationen doch beim Läufer-Netzwerk der Inka auch vorhanden. Auch wenn das jetzt off-topic ist, ich hatte nur dran gedacht, als pope von den Perser sprach.
 
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