Reihenfolge des Adels - Wer steht über wem?

Wohlwollend habe ich die Beiträge seit dem Wochenende gelesen und habe auch nur eine ganz kleine Ergänzung...

... Bistümer, Erzbistümer usw. waren "geistliche Fürstentümer", Herzogtümer, Grafschaften usw. waren "weltliche Fürstentümer". Es konnte jedoch durchaus auch vorkommen, daß ein Bischof oder Erzbischof in einem Herzogtum regierte...

Da der Deutsche Orden bereits angesprochen wurde: der Deutschordensstaat gehörte selbst nie zum HRR, sondern war ein eigenständiges Territorium.
Wie der Ordensstaat der Johanniter auf Rhodos (1310/1522) und später auf Malta (1530/1798) muß der Deutschordensstaat vor seiner Umwandlung in ein weltliches Herzogtum ergo als souveränes geistliches Territorium betrachtet werden, da dieses vom höchsten Ordensvorsteher (Großmeister, Hochmeister) regiert wurde, dessen Rang de facto (später dann beim Malteserorden auch de jure) dem eines Kardinals (der jedoch nicht zur Papstwahl berechtigt ist) entsprach bzw. entspricht.
 
Da der Deutsche Orden bereits angesprochen wurde: der Deutschordensstaat gehörte selbst nie zum HRR, sondern war ein eigenständiges Territorium...
Dazu möchte ich einwerfen, daß der Deutsche Orden, der sich wärend seiner größten Ausdehnung über das gesamte Baltikum, gesamt Preußen sowie der Neumark erstreckte, defacto zwar ein unabhängiger Staat war, formal gehörte dieser Staat bis zur Nordgrenze Ostpreußens jedoch zum HRR. Das kam daher, da Kaiser Friedrich II. im Jahre 1226 den Deutschen Orden mit diesem Gebiet belehnte, nachdem ein polnischer Herzog den Orden mit der Unterwerfung der baltischen Pruzzen beauftragt hatte. Allerdings gingen die Eroberungen des Ordens weit darüber hinaus, sodaß diese Gebiete dann nicht mehr zum Reich gehörten. Die formale Reichszugehörigkeit des ehemaligen Pruzzenlandes dauerte bis zum Jahre 1466 an, da es dann in eine polnische Lehenszugehörigkeit überging.

Kompliziert, ich weiß...
:grübel:
 
... formal gehörte dieser Staat bis zur Nordgrenze Ostpreußens jedoch zum HRR. Das kam daher, da Kaiser Friedrich II. im Jahre 1226 den Deutschen Orden mit diesem Gebiet belehnte, nachdem ein polnischer Herzog den Orden mit der Unterwerfung der baltischen Pruzzen beauftragt hatte...

Das stimmt so eben nicht.
Der Ordensstaat gehörte auch formal nicht zum HRR, sondern stand mit diesem bestenfalls in Verbindung (das ist ein Unterschied) - werfen wir einen Blick auf die Karte:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3b/HRR_14Jh.jpg
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2a/Teutonic_state_1250.png
Die offizielle Reichsgrenze endete an der Ostgrenze von (Hinter-)Pommern.
Vgl. dazu auch http://www.preussenmuseum.de/orden3.htm

Auch wurde der Deutsche Orden von Friedrich II. i.d.S. nicht belehnt, sondern ihm wurde durch die Goldbulle von Rimini 1226 bereits im Voraus bestätigt, daß Konrad von Masowien, in dessen Herrschaftsbereich auch das betreffende Gebiet eigentlich lag, dem Orden das Kulmerland und das Pruzzenland zu übertragen hatte - sanktioniert dann im Vertrag von Kruschwitz 1230.
In der Goldbulle von Rieti 1234 legte Papst Gregor IX. dann schließlich fest, daß der Orden keiner weiteren Lehensabhängigkeit denn der Hoheit des Papstes unterliege.
http://de.wikipedia.org/wiki/Goldene_Bulle_von_Rimini
http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Kruschwitz
http://de.wikipedia.org/wiki/Goldene_Bulle_von_Rieti
 
So, ich habe jetzt nachgeschlagen und möchte nun zwei Zitate aus zwei verschiedenen Büchern von mir bringen:
Daten der Weltgeschichte von G. Hellwig/G. Linne - Orbis Verlag (1989) schrieb:
-1226 Der polnische Herzog Konrad von Masowien ruft den Deutschen Orden zu Hilfe gegen die baltischen Preußen/Pruzzen und überläßt ihm das Kulmerland; in der Goldenen Bulle von Rimini wird dem Orden das Recht zur Eroberung Preußens zugesprochen. Kaiser Friedrich II. überträgt alle Hoheitsrechte über die eroberten preußischen Gebiete an den Hochmeister des Deutschen Ordens Herrmann von Salza...
- 1466 Im 2. Thorner Frieden werden Po(m)merellen, das Kulmerland, Elbing und Marienburg in Personalunion mit der Krone Polens vereinigt; die Bistümer Ermland und Kulm unter Oberhoheit Polens; der Hochmeister der Deutschen Ordens muß dem Polenkönig den Treueid leisten; damit scheidet das Ordensland aus dem Deutschen Reich aus; vom Reich nicht anerkannt

Deutsche Geschichte schrieb:
...Mit der im März 1226 in Rimini ausgestellten Goldbulle bestätigte Friedrich II. dem Orden landesherrliche Hoheitsrechte sowohl für jene Gebiete, die der Herzog von Masowien den Ordensrittern asl Ausgangsbasis zugestehen würde, als auch für die zu erobernden pruzzischen Gebiete. Zugleich wurde eine Oberhoheit des Kaisers für diesen Herrschaftsbereich in Anspruch genommen, der Orden aber von allen Verpflichtungen gegenüber dem Reich befreit, so daß er für sein Vorhaben eine außergewöhnliche Sonderstellung erlangte. Die formale, zu nichts verpflichtende Zugehörigkeit zum Reich sowie die 1234 vollzogene Unterstellung unter päpstlichen Schutz gewährleisteten die Unabhängigkeit gegenüber dem polnischen Herzog, der den Orden ursprünglich zur Ausweitung seines eigenen Herrschaftsbereiches benutzen wollte. 1229/30 trafen die ersten Ordensritter im Kulmerland ein, das der polnische Herzog dem Orden überließ...
Der zweite Thorner Frieden von 1466 bedeutete das Ende des Ordensstaates in seiner bisherigen Form...Die Hochmeister waren aber in Zukunft bei Amtsantritt zur Leistung eines Treueides und zur Heerfolge an den König von Polen verpflichtet...Schließlich waren nach dem Frieden von 1466 für längere Zeit auch die Grenzen zwischen dem Heiligen Römischen Reich bzw. seinen östlichen Territorien und Polen festgelegt.
 

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Ist der Deutsche Orden dann praktisch an der gleichen Stelle, wo vorher die Preußen gewohnt haben? (ich sage jetzt "gewohnt", weil Preußen als Solches ja noch nicht existierte) Wollte man mit dem Deutschen Orden also praktisch dieses Gebiet, welches vorher zum Königreich Polen gehörte, in das Reich integrieren? Entspricht es von der geogr. Lage in etwa dem späteren Ostpreußen?
 
Ist der Deutsche Orden dann praktisch an der gleichen Stelle, wo vorher die Preußen gewohnt haben? (ich sage jetzt "gewohnt", weil Preußen als Solches ja noch nicht existierte) Wollte man mit dem Deutschen Orden also praktisch dieses Gebiet, welches vorher zum Königreich Polen gehörte, in das Reich integrieren? Entspricht es von der geogr. Lage in etwa dem späteren Ostpreußen?
Das auf der Karte abgebildete Gebiet des Deutschen Ordens (es ist jedoch nur ein Ausschnitt, er war in Wirklichkeit viel größer und reichte bis zum Peipussee) entspricht in etwa dem späteren Ost- und Westpreußen zusammen. Es hat vorher nicht zu Polen gehört, sondern es lebten hier völlig unabhängige Stämme der Pruzzen, die der baltischen Sprachfamilie angehörten. Der Kaiser stattete den Deutschen Orden mit so weitreichenden Privilegien aus, daß man nicht davon ausgehen kann, daß der Ordensstaat fest in das Reich integriert werden sollte. Vielmehr ging es um die Christianisierung eines der letzten nichtchristlichen Gebiete in Europa - denke ich.
 
Ah okay - es war praktisch ein eigenständiger Staat, ja?

Eine Frage noch: Ich habe gelesen, dass Karl V. Kaiser des HRRDN war, er jedoch 1556 die Kaiserwürde abgelehnt hätte - wie passt das zusammen? Meint das Zustimmen der Kaiserwürde nicht automatisch, dass man auch Kaiser wird, oder heißt Kaiserwürde etwas anderes?
 
Ah okay - es war praktisch ein eigenständiger Staat, ja?

Eine Frage noch: Ich habe gelesen, dass Karl V. Kaiser des HRRDN war, er jedoch 1556 die Kaiserwürde abgelehnt hätte - wie passt das zusammen? Meint das Zustimmen der Kaiserwürde nicht automatisch, dass man auch Kaiser wird, oder heißt Kaiserwürde etwas anderes?


Karl V. hat die Kaiserwürde nicht abgelehnt, sondern sie - nachdem er sie jahrzehntelang innehatte - an seinen Bruder weitergegeben:

http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_V._(HRR)#Abdankung
 
... ich habe jetzt nachgeschlagen und möchte nun zwei Zitate aus zwei verschiedenen Büchern von mir bringen...

Wenn ich zuhause bin, schlage ich die entsprechende Stelle, auf welche ich mich bezogen hatte, nach in Dieter Zimmerling "Der Deutsche Ritterorden"...
An der Stelle muß es zunächst der Text von Hartmut Boockmann aus dem LexMA tun: http://www.mittelalter-genealogie.de/_kreuzzuege/d/deutscher_orden.html
(relevant ist Kapitel IV)

Auch habe ich bessere Karten.

Ich auch; es ging zunächst um Kartenmaterial, welches zum Behufe der Veranschaulichung relativ schnell und problemlos verfügbar war.

Es hat vorher nicht zu Polen gehört, sondern es lebten hier völlig unabhängige Stämme der Pruzzen, die der baltischen Sprachfamilie angehörten.

Meine Formulierung war etwas mißverständlich, denn ich hatte das mit dem "Herrschaftsbereich" des Konrad von Masowien auf das Kulmerland beziehen wollen.

Anm.: Unabhängig vom konkreten Fall kann aber von der Zugehörigkeit zu einer anderen Sprachfamilie nicht immer zwangsläufig auf Nichtzugehörigkeit zu einem bestimmten Reich mit anderer Sprache geschlossen werden - vgl. bspw. romanischsprachige Bevölkerung im HRR (z.B. Flandern, Reichsitalien).
Da ich überzeugt bin, daß Du dies auch nicht so gemeint hattest, weise ich auch lediglich darauf hin, daß das Wort "sondern" den Satz diesbezüglich mißverständlich macht... ;)

... es war praktisch ein eigenständiger Staat, ja?

Darüber waren wir uns freilich weitgehend einig...
 
Wie angekündigt habe ich nachgeschlagen, und zwar ebenfalls in zwei Büchern...

Dieter Zimmerling "Der Deutsche Ritterorden" - Knaur schrieb:
... Dessen (Friedrich II. - Anm. von mir) Kanzlei fertigt dann im März 1226 die berühmte Goldbulle von Rimini aus, ... bei deren Niederschrift aber Hermann von Salza - das gilt als sicher - die Feder geführt hat.
Die Urkunde zählt zunächst die Voraussetzungen auf, die zur Entscheidung des Kaisers geführt haben: daß nämlich "Konrad Herzog von Masowien und Kujawien versprochen und angeboten hat, ihn [Hermann von Salza] und seine Brüder mit dem sogenannten Kulmerlande ... zwischen seiner Mark und dem Gebiet der Preußen auszustatten, und zwar so, daß sie die Mühe auf sich nehmen, standhaft in das Land der Preußen einzudringen und es zur Ehre und zum Ruhm des wahren Gottes in Besitz zu nehmen. Er hatte die Annahme dieses Versprechens aufgeschoben und bat unsere Hoheit sehr, seinen Wünschen zuzustimmen, daß er auf unsere Vollmacht gestützt daranginge, ein solches werk zu beginnen und fortzuführen, und daß unsere Erhabenheit ihm und seinem Haus sowohl das Land, das besagter Herzog schenken möge, einräumen und bestätigen möge, wie auch das ganze Land, das sie in Preußen durch eigenes bemühen gewinnen würden."
Und nun bestätigt Kaiser Friedrich II. Herzog Konrads Versprechen: "Daher haben wir dem Meister die Vollmacht erteilt, in das Preußenland mit den Kräften des Ordenshauses einzudringen und überlassen und bestätigen dem Meister, seinen Nachfolgern und seinem Hause für immer sowohl besagtes Land, das er vom Herzog gemäß seinem Versprechen erhalten wird, und ein anderes Gebiet, das er ihnen geben wird, wie auch alles Land, das er mit Gottes Zutun in Preußen erobern wird."
Folgt noch die Verleihung von Herrschaftsrechten, wie auch das Zoll-, Münz- und Marktrecht. Der Hochmeister erhält auch die Gerichtsbarkeit, kurz, er hat hiernach die Stellung, wie sie auch ein Reichsfürst hat.
Diese Urkunde hat zu scharfsinnigen Abhandlungen der Fachgelehrten geführt; alles ist geprüft worden. Zunächst der Zeitpunkt der Ausstellung; dann die staatsrechtliche Stellung des Hochmeisters (nicht Reichsfürst, sondern Prälat; weder Fürst noch etwas ähnliches, sondern eine völlig neue, singuläre Stellung); weiter die staatsrechtliche Bedeutung der Urkunde (nicht Staatsgründungsurkunde, sondern Aktionsprogramm; andere Meinung: doch so eine Art Staatsgrundgesetz); ferner, ob überhaupt, und - wenn ja - wie die Urkunde in den größeren Zusammenhang der Missionierung und Kolonialisierung Osteuropas zu stellen sei, sofern dabei die unterschiedlichen Ziele Herzog Konrads, des Preußenbischofs Christian, des Deutschen Ordens sowie des Papstes und des Kaisers berücksichtigt werden...
Kann der Kaiser dem Deutschen Orden von Rechts wegen das Klumerland schenken, das doch offenbar zum Staatsgebiet des masowischen Herzogs gehört? Eine Antwort: Kann er; Friedrich hat das Kulmerland als Bestandteil des Reiches angesehen. Eine andere Antwort: kann er nicht; Friedrich hat deswegen die beabsichtigte Schenkung Konrads nur zur Kenntnis genommen und bestätigt.
Und das Preußenland, das Land der Heiden? das selbstverständlich kann er dem Deutschen Orden verleihen, ist es doch "herrenloses" Land - des Kaisers universale Macht verbindet sich hier mit der alten deutschen Reichsvorstellung, wonach dem Herrscher das Recht an herrenlosem Land, das sogenannte Bodenregal zusteht.
...
Hochmeister Hermann von Salza ist zufrieden... Muß nur noch der Heilige Vater als geistliches Oberhaupt der Welt seine Zustimmung geben, damit das große Werk - rechtlichen vor allen Dingen, weniger geistlichen - Bestand hat. Das geschieht acht Jahre später mit der Bulle von Rieti.
...
<Zeitsprung>
...
... Dann endlich gelingt es dem inzwischen in Preußen eingetroffenen päpstlichen Legaten, einen Friedensvertrag auszuhandeln, der am 19. Oktober 1466 in Thorn geschlossen wird...
Mit diesem Friedensvertrag wird die ehemlaige Großmachtstellung des Deutschen Ordens endgültig zu Grabe getragen. Er verzichtet auf Pomerellen und das Kulmerland mitsamt dem kleinen Land Michelau, und er muß das Gebiet von Elbing, Marienburg, Stuhm und Christburg hergeben. Das Bistum Ermland wird selbständig, während das Bistum Kulm in geistlicher Beziehung dem Erzbischof von Gnesen unterstellt wird.
Dem Deutschen Orden verbleibt in etwa das Gebiet, das später als "Ostpreußen" in die Geschichtsatlanten gezeichnet wird.
Auch die Souveränität des Hochmeisters als Staatschef wird reduziert: Er hat dem König von Polen jedesmal für seine Person dem Treueid zu schwören und ihm Heeresfolge zu leisten. damit wird zwar rechtlich kein Lehnsverhältnis begründet zwischen dem Ordensstaat und Polen, aber es hat eine ungeheure psychologische Wikrung auf die Untertanen.
...

Alain Demurger "Die Ritter des Herrn: Geschichte der geistlichen Ritterorden" - C.H. Beck schrieb:
Man hat behauptet, Hermann von Salza, der charismatische Hochmeister des Deutschen Ordens, habe unter dem Eindruck des Fehlschlags in Ungarn gezögert, der Einladung Konrads von Masowien zu folgen und Ordenshäuser an der Grenze zu Preußen zu gründen. Das trifft nicht zu. Die Einladung Konrads und des Bischofs Christian von Preußen erfolgte im Winter 1225 - 1226... Konrad bot ihm (Hermann von Salza - Anm. von mir) Kulm und das Kulmerland an mit der Aufgabe, Masowien zu verteidigen und Preußen zu erobern. Die eroberten Güter und Gebiete sollten zwischen dem Orden und ihm selbst geteilt werden. Von seiner Schenkung nahm Konrad indes den Besitz der Kirchen und den der polnischen Adligen im Kulmerland aus. Doch schon im März 1226 bestätigte Friedrich II. in der sogenannten Goldbulle von Rimini die Abtretung Konrads und überließ den Deutschen Rittern die zu erobernden Ländereien in Preußen mit den Regalien, die einem Reichsfürsten zukamen. Nun gehörte Preußen aber nicht zum Reich. Die Bulle von Rimini erwähnt die Rechte Konrads von Masowien überhaupt nicht. Deutsche und polnische Historiker haben lange über die Absichten Konrads gestritten. Verließ sich der Herzog ganz und gar auf die Deutschordensritter, um die preußen zu besiegen? Oder versuchte Konrad, die Deutschen Ritter als Hilfstruppen in seinem eigenen Eroberungsfeldzug gegen Preußen einzusetzen?
Die anhand der Handschrift und diplomatischer Kriterien geführte Quellenkritik hat zur Hypothese gefürht, daß die Bulle nicht vor 1235 geschrieben worden sein konnte; sie sei von der kaiserlichen Kanzlei zurückdatiert worden, um die Abtretungen Konrads von Masowien unwiderruflich zu machen (und damit zu verhindern, daß er den Deutschordensrittern noch einmal den Streich spielte, den sie durch Andreas von Ungarn erlitten hatten).
...
<Zeitsprung>
...
Der Friedensvertrag wurde am 19. Oktober 1466 in Thorn (Torun) unterzeichnet. Er bestand im wesentlichen in drei Punkten: Polen erhielt Pomerellen, das Kulmerland und das Ermland, Elbing, Marienburg, Thorn, Danzig usw., das heißt die Wiege des Ordens in Preußen; der Deutsche Orden behielt Ostpreußen mit Königsberg und Memel, doch als vom König von Polen gehaltenes Lehen; der Hochmeister mußte als Vasall dem König von Polen huldigen.
...
1498 stellte das Generalkapitel Friedrich von Sachsen, einen weltlichen deutschen Fürsten, an die Spitze des Ordens. Dieser weigerte sich, dem König von Polen zu huldigen. Dies war das Ziel des Manövers: ein letzter Versuch, dem Orden seinen Glanz und seine Unabhängigkeit wiederzugeben. Dasselbe problem trat auf, als ihm 1510 Albert von Brandenburg im Amt nachfolgte. Auch dieser verweigerte die Huldigung. Doch Polen reagierte schließlich und erwirkte von Kaiser Karl V., daß er Albert unter Druck setzte. Vergeblich. Ein neuer Krieg zwischen Polen und dem Orden war unausweichlich... Eine vom Kaiser verfügte Waffenruhe verhinderte ihn.
...
 
Anm.: Unabhängig vom konkreten Fall kann aber von der Zugehörigkeit zu einer anderen Sprachfamilie nicht immer zwangsläufig auf Nichtzugehörigkeit zu einem bestimmten Reich mit anderer Sprache geschlossen werden - vgl. bspw. romanischsprachige Bevölkerung im HRR (z.B. Flandern, Reichsitalien).
Da ich überzeugt bin, daß Du dies auch nicht so gemeint hattest, weise ich auch lediglich darauf hin, daß das Wort "sondern" den Satz diesbezüglich mißverständlich macht... ;)

Du meinst, dieser Satz war mißverständlich formuliert?:
Barbarossa schrieb:
Es hat vorher nicht zu Polen gehört, sondern es lebten hier völlig unabhängige Stämme der Pruzzen, die der baltischen Sprachfamilie angehörten.
Na gut, um es unmißverständlicher auszudrücken, hätte ich auch scheiben können:
Es hat vorher nicht zu Polen gehört, sondern es lebten hier völlig unabhängige Stämme der Pruzzen, die im Übrigen der baltischen Sprachfamilie angehörten.
Ich hatte eigentlich eher befürchtet, daß folgender Satz mißverständlicher formuliert war:
Barbarossa schrieb:
Das auf der Karte abgebildete Gebiet des Deutschen Ordens (es ist jedoch nur ein Ausschnitt, er war in Wirklichkeit viel größer und reichte bis zum Peipussee) entspricht in etwa dem späteren Ost- und Westpreußen zusammen.
Natürlich reicht Ost- und Westpreußen zusammen nicht bis zum Peipussee, sondern im Norden nur bis etwa zum Fluß Memel.

Nun ist mir noch eine Frage eingefallen zu folgender Sache:
Barbarossa schrieb:
Der Kaiser stattete den Deutschen Orden mit so weitreichenden Privilegien aus, daß man nicht davon ausgehen kann, daß der Ordensstaat fest in das Reich integriert werden sollte. Vielmehr ging es um die Christianisierung eines der letzten nichtchristlichen Gebiete in Europa - denke ich.
Offenbar sollte der Ordensstaat aber auch nicht zu Polen gehören. Hat man den Polen in Sachen Christentum in dieser Zeit vielleicht auch nicht so richtig über den Weg getraut?
:grübel:
 
Hallo,

ich habe nochmal eine Frage:

Ich habe mittlerweile häufiger den Ausdruck "römisch-deutscher König" gelesen - was ist damit gemeint? Über welches Königreich soll ein römisch-deutscher König zu "regieren"?

Gehörte der Kirchenstaat offiziell zum HRRDN?

Weshalb kam es nicht schon vor der Kaiserkrönung Karl des Großen zu einer Verbindung zu einem Heiligen Römischen Reich? Weshalb wurde gerade mit der Kaiserkrönung Karls des Großen die Verbindung zwischen Rom und "Deutschland" so stark - es gab doch vorher auch schon "deutsche" beziehungsweise fränkische Kaiser oder nicht.
 
Zur Zeit Karl des Großen sprach man noch nicht von Deutschland. Erst in der Retrospektive bezogen sich die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches auf Karl. Wenn Du auf die damaligen Gebiete schaust, welche zum Reich Karl des Großen zählten, wird Dir auffallen, dass große Teile des späteren Heiligen Römischen Reiches nur als Marken dazu gehörten bzw. garnicht (vor allem im Osten), während zum Heiligen Römischen Reich des Hochmittelalters wiederum viele Gebiete nicht mehr gehörten (eben Frankreich, aber auch noch weitere), die zum Reich Karls gezählt hatten.
Ganz richtig wurde schon betont, dass am Ende des 15.Jh. erst die Bezeichnung "deutscher Nation" zu dem Titel Kaiser des Heiligen Römischen Reiches kam. Der Zusammenhang erschließt sich, wenn man sich anschaut, wie aufwendig die Krönung durch den Papst war, welcher zumeist Italienfeldzüge vorrausgingen, welche entweder als Leistung vom Papst gefordert waren und sich in dem Falle gegen die Feinde des Papstes in Italien richteten und zum anderen manchmal dazu geführt wurden, um den Papst dazu zu zwingen, dass der Kaiser gekrönt wurde (was selten umgangen wurde, so von Ludwig dem Bayer, der sich von den Römern hat sein Kaisertum bestätigen lassen). Ein auf Deutschland enger bezogener Titel erschien nicht einer Krönung durch den Papst wert, auch wenn Karl V., übrigens garnicht in Rom, sich vom Papst noch krönen ließ. Die Kaiserwahl in Frankfurt manifestierte gleich mehreres: zum einen die Libertät vom Papst (von dem sich allerdings die neuzeitlichen Kaiser ihre Würdebestätigen ließen), zum anderen die Macht der Kurfürsten. Dennoch führt der Begriff "deutscher Nation", wie schon betont, irre, weil viele Bewohner dieses HRRdeutscher Nation, garkeine deutschsprachigen Menschen waren und sich selber auch nicht zu den Deutschen zählten (besonders die Böhmen - siehe Hussitenkriege etc.).
Meines Wissens gab es vor Karl keine fränkischen Kaiser, welche sich in die Tradition des Römischen Reiches stellten. Bei Karl muss man auch miteinbeziehen, dass wohl ein Bewusstsein vorhanden war, dass die Römischen Kaiser der Spätantike sozusagen die Protektoren des Christlichen Glaubens gewesen sind.

Bei der Frage nach dem Kirchenstaat ist die Antwort auch schwierig. In der langen Geschichte des Heiligen Römischen Reiches wurde die Souveränität des Kirchenstaates mehrmals angezweifelt und es kam am Ende des Reiches gar zur Auflösung des Kirchenstaates im Zuge der Revolutionskriege.
 
Zum Thema Deutscher Orden:
Ich denke Karten in historischen Atlanten helfen fast weniger weiter als sie verwirren, weil sie eigentlich garnicht die Seele des mittelalterlichen, und hierbei besonders des hochmittelalterlichen, Herschergedankens des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches fassen können. Ob nun Preußen faktisch zum Reich gehörte oder nicht, war für einen Friedrich II. noch unerheblich, denn noch hatte der Anspruch auf die Vorherrschaft des Kaisers in der europäischen Christenheit einen Stellenwert, der nicht zu unterschätzen ist. Mögen die historischen Kartenwerke auch, klare Grenzen des Reiches einzeichnen, so existierten diese sicherlich nicht im Kopf eines Kaisers, der wie Friedrich I. noch einen umspannenden Anspruch auf die Macht im Abendland hatte und dessen Anspruch auch zum Teil Rechnung getragen wurde.
Die Einreihung des Reiches unter die anderen Mächte als gleichwertig vollzog sich doch eher im Laufe des Interregnums und am Beginn des Spätmittelalters. Viel hat dabei sicherlich die Zeit nach Friedrich II. dazu beigetragen den Kaiserbegriff zu untergraben sowie die Kompromisse, wonach die späteren Könige strebten. (Ich habe bis jetzt, bemerkenswerterweise noch keine Karten gesehen, welche das Reich nach Friedrich II. und vor den nächsten Kaisern des HRR darstellt, wohl weil diese Phase schwer greifbar ist. Irgendwie war die Herrschaft über Italien, Burgund etc. ja doch eng mit der Königs-/Kaiserwürde verwoben und die Machtverhältnisse des Interregnums sind schwerer greifbar und darstellbar.)
 
darchr schrieb:
Ich habe mittlerweile häufiger den Ausdruck "römisch-deutscher König" gelesen - was ist damit gemeint? Über welches Königreich soll ein römisch-deutscher König zu "regieren"?
Das ist die heute gebräuchliche Bezeichnung für den Herrscher über das HRR, damit jeder gleich weiß, was gemeint ist. Es wäre völlig falsch, die Kaiser des HRR im Mittelalter als Deutsche Kaiser zu bezeichnen, da der Titel "Augustus Imperator Romanum" lautete, d. h. es war im Grunde der Titel, den schon die antiken Römer führten. Um aber wiederum keine Verwechslung mit jenen aufkommen zu lassen sagt man heute einfach römisch-deutscher König oder Kaiser.

darchr schrieb:
Gehörte der Kirchenstaat offiziell zum HRRDN?

Das ist nun wirklich eine schwierige Frage. Entstanden ist der Kirchenstaat durch die sogennannte "Pippinische Schekung" des Frankenkönigs Pippin "der Kleine" in den Jahren zwischen 754/756 und die Franken verstanden sich noch als Schutzmacht dieses Staates. Aber je schwächer die Könige/Kaiser wurden und je weniger die Päpste auf einen Schutz angewiesen waren, um so selbständiger regierten sie. Schießlich versuchten die Päpste sogar das Blatt völlig wenden und große weltliche Macht zu erlangen und zwangen z. B. König Heirich IV. zum Gang nach Canossa...

darchr schrieb:
Weshalb kam es nicht schon vor der Kaiserkrönung Karl des Großen zu einer Verbindung zu einem Heiligen Römischen Reich? Weshalb wurde gerade mit der Kaiserkrönung Karls des Großen die Verbindung zwischen Rom und "Deutschland" so stark - es gab doch vorher auch schon "deutsche" beziehungsweise fränkische Kaiser oder nicht.
Karl "der Große" war der erste Frankenkönig (die Bezeichnung Deutschland sollte hier wirklich vermieden werden), der sich im Jahre 800 zum Kaiser krönen ließ. Seine Titel lauteten danach "König der Franken, der Langobarden und Kaiser der Römer" (König der Langobarden deshalb, weil Karl "der Große" im Jahre 774 das Langobardenreich in Italien unterwarf)
Schon an diesen Titeln ist zu erkennen, daß sich der Kaisertitel nur auf die Römer bezog und es somit noch eine strikte Trennung gab. Er war nicht Kaiser der Franken und auch nicht der Langobarden.

Aber meine Frage hat mir noch keiner beantwortet:
Offenbar sollte der Ordensstaat aber auch nicht zu Polen gehören. Hat man den Polen in Sachen Christentum in dieser Zeit vielleicht auch noch nicht so richtig über den Weg getraut?
 
Schließlich versuchten die Päpste sogar das Blatt völlig wenden und große weltliche Macht zu erlangen und zwangen z. B. König Heinrich IV. zum Gang nach Canossa...

Kleiner Einspruch: bei der Auseinandersetzung zwischen König Heinrich IV. und Papst Gregor VII. ging es zuvorderst um die Investitur, also wer berechtigt sei, die Bischöfe einzusetzen. Dies war Kirchenpolitik, welche auf die Beseitigung des ottonisch-salischen Reichskirchensystems zielte (was sie letztendlich mit dem Wormser Konkordat 1122 auch erreichte) und nicht auf Erlangung weltlicher Macht.
Richtig ist aber, daß infolgedessen die königliche bzw. kaiserliche Macht zu Gunsten der Macht von Reichsfürsten (auch den geistlichen) in den folgenden Jahrhunderten herabsank und die Päpste sich in die Auseinandersetzungen zwischen zentraler Gewalt und particulären Gewalten im HRR mehrfach einmischten.

In diesem Kontext ist bezüglich des Kirchenstaates dabei weiterhin relevant, daß die Goldbulle von Eger 1213 durch Friedrich II. die offizielle Anerkennung des Kirchenstaates durch das Reich bedeutete und zudem die frühere Reichskirche des Kaisers endgültig und absolut der päpstlichen Hoheit unterstellte.

Aber meine Frage hat mir noch keiner beantwortet:
Offenbar sollte der Ordensstaat aber auch nicht zu Polen gehören. Hat man den Polen in Sachen Christentum in dieser Zeit vielleicht auch nicht so richtig über den Weg getraut?

Das hatte nichts mit dem Vetrauen oder Nichtvertrauen in die christliche Gesinnung ausländischer Herrscher zu tun, sondern muß in dem Kontext gesehen werden, den u.a. auch Demurger angesprochen hat - ich erlaube mir die Wiederholung des Zitates:
... um die Abtretungen Konrads von Masowien unwiderruflich zu machen (und damit zu verhindern, daß er den Deutschordensrittern noch einmal den Streich spielte, den sie durch Andreas von Ungarn erlitten hatten)...

Hermann von Salza ging es darum, nicht zum zweiten Male für einen weltlichen Herrscher ein Land zu befrieden, welches sich dieser danach selbst einverleibte und die Brüder wieder aus dem Land vertrieb, nachdem sie die "Arbeit" für ihn erledigt hatten.
Sich einem weltlichen Herrscher unterzuordnen, kam für Ritterorden dabei grundsätzlich nicht in Frage, denn sie waren keine Vasallen, sondern unterstanden allein dem Papst.

Anm.: Ungarn und Polen waren beide zu jener Zeit schon mehr als 200 Jahre christliche Königreiche - siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Polens#Herzog_Mieszko_I._und_die_Christianisierung_Polens und http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Ungarns#Das_K.C3.B6nigreich_Ungarn -, weswegen die Sache mit der christlichen Gesinnung nicht als Argument paßt.
 
[...] welche auf die Beseitigung des ottonisch-salischen Reichskirchensystems zielte (was sie letztendlich mit dem Wormser Konkordat 1122 auch erreichte) und nicht auf Erlangung weltlicher Macht.
[...]
Nur so als kleiner Hinweis, in der Forschung wird kaum noch von Reichskirchensystem gesprochen. Die Gründe dafür sind bequem der Literatur zu entnehmen ;)
 
Kleiner Einspruch: bei der Auseinandersetzung zwischen König Heinrich IV. und Papst Gregor VII. ging es zuvorderst um die Investitur, also wer berechtigt sei, die Bischöfe einzusetzen. Dies war Kirchenpolitik, welche auf die Beseitigung des ottonisch-salischen Reichskirchensystems zielte (was sie letztendlich mit dem Wormser Konkordat 1122 auch erreichte) und nicht auf Erlangung weltlicher Macht.
Richtig ist aber, daß infolgedessen die königliche bzw. kaiserliche Macht zu Gunsten der Macht von Reichsfürsten (auch den geistlichen) in den folgenden Jahrhunderten herabsank und die Päpste sich in die Auseinandersetzungen zwischen zentraler Gewalt und particulären Gewalten im HRR mehrfach einmischten.

In diesem Kontext ist bezüglich des Kirchenstaates dabei weiterhin relevant, daß die Goldbulle von Eger 1213 durch Friedrich II. die offizielle Anerkennung des Kirchenstaates durch das Reich bedeutete und zudem die frühere Reichskirche des Kaisers endgültig und absolut der päpstlichen Hoheit unterstellte.
Kleine Anmerkung zu dem kleinen Einspruch:
Die Geistlichkeit im Reich besaß bereits großen Einfluß auch in weltlichen Dingen, d. h. in der Reichspolitik. Das wird besonders deutlich bei der Verteilung der Kurstimmen. Daß heißt also, in dem Moment, wo der Papst die Kirche im Reich in seine Gewalt brachte, konnte er direkt die Reichspolitik mitbestimmen.
 
Nur so als kleiner Hinweis, in der Forschung wird kaum noch von Reichskirchensystem gesprochen. Die Gründe dafür sind bequem der Literatur zu entnehmen ;)

Du hast recht; ich hätte es zumindest in " " setzen müssen... ich bitte darum, mir als Laien dies nachzusehen...

Die Geistlichkeit im Reich besaß bereits großen Einfluß auch in weltlichen Dingen, d. h. in der Reichspolitik. Das wird besonders deutlich bei der Verteilung der Kurstimmen. Daß heißt also, in dem Moment, wo der Papst die Kirche im Reich in seine Gewalt brachte, konnte er direkt die Reichspolitik mitbestimmen.

Daß für die Rechtmäßigkeit der Königswahl die Zustimmung der Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier erforderlich ist, wurde so erstmals von Innozenz III. um 1198 sanktioniert, so daß ab diesem Zeitpunkt mW von der Möglichkeit des Papstes gesprochen wird, indirekten Einfluß auf die Königswahl. Als exklusives Gremium zur Königswahl, welches alle anderen Reichsfürsten von der Wahl ausschloß, traten die sieben Kurfürsten überdies erstmals um 1257 in Erscheinung (nach dem Tod Wilhelms von Holland).

Anm.: Bitte korrigiere mich, wenn ich Dich falsch verstanden habe...
 
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