Frage: Gefälschte Urkunden

Repo

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Es ist mir bekannt, dass sehr viele Urkunden des Mittelalters noch im Mittelalter gefälscht wurden.
Las ich: "Zu dem Ort Xyz gibt es eine gefälschte Urkunde des bekannten Fälschers Uldarich aus dem 11. Jahrhundert, dem aber vermutlich eine andere Urkunde zu diesem Ort vorgelegen hat, da diese Schreibweise des Ortsnamens für die karolingische Zeit verbürgt ist ."

Muss ich den obigen Satz aber so interpretieren, dass es "professionelle Fälscherwerkstätten" im 11. Jahrhundert gab? (Da es ja anscheinend "bekannte" Fälscher gab) Ist der Hintergrund der Fälschungen ähnlich wie bei der "konstantinischen Schenkung" zu sehen?

Danke im Voraus.
 
Es ist mir bekannt, dass sehr viele Urkunden des Mittelalters noch im Mittelalter gefälscht wurden.
Las ich: "Zu dem Ort Xyz gibt es eine gefälschte Urkunde des bekannten Fälschers Uldarich aus dem 11. Jahrhundert, dem aber vermutlich eine andere Urkunde zu diesem Ort vorgelegen hat, da diese Schreibweise des Ortsnamens für die karolingische Zeit verbürgt ist ."

Muss ich den obigen Satz aber so interpretieren, dass es "professionelle Fälscherwerkstätten" im 11. Jahrhundert gab? (Da es ja anscheinend "bekannte" Fälscher gab) Ist der Hintergrund der Fälschungen ähnlich wie bei der "konstantinischen Schenkung" zu sehen?

Danke im Voraus.


Ob es professionelle Fälscherwerkstätten gab weiss ich nicht. Aber im 11. Jahrhundert waren nicht sehr viele des Schreibens mächtig, geschrieben wurde in den Klöstern. Wann denn müsste in den Klöstern Fälschungen erstellt worden sein.

Es war aber gang und gäbe die Familienchroniken zu fälschen um in der adligen Hierarchie besser dazu stehen. Als Beispiel kann ich die Habsburger nennen, die ihre Familienchronik so verändert hatten, dass sie in einer direkten Linie mit dem römischen Kaiser verwandt waren. Auch das Testament des Bischoffs von Strassburg wurde nach seinem Tod geschrieben, von wem weiss man nicht.
 
Es wurde vor allem in den Klöstern gefälscht, um Privilegien zu sichern bzw. Landschenkungen zu fingieren.
 
Ob es professionelle Fälscherwerkstätten gab weiss ich nicht. Aber im 11. Jahrhundert waren nicht sehr viele des Schreibens mächtig, geschrieben wurde in den Klöstern. Wann denn müsste in den Klöstern Fälschungen erstellt worden sein.

Es war aber gang und gäbe die Familienchroniken zu fälschen um in der adligen Hierarchie besser dazu stehen. Als Beispiel kann ich die Habsburger nennen, die ihre Familienchronik so verändert hatten, dass sie in einer direkten Linie mit dem römischen Kaiser verwandt waren. Auch das Testament des Bischoffs von Strassburg wurde nach seinem Tod geschrieben, von wem weiss man nicht.

Danke ursi.
Die Familienchroniken... das geht bis ins 20. Jahrhundert hinein. (OT Ich bin übrigens trojanischer Abkunft. Hat mein Schwager zweifelsfrei festgestellt:cool: )
In dem mir untergekommenen Fall geht es um die "erste urkundliche Erwähnung eines Ortes" also um eine Schenkung zugunsten eines Klosters.
 
Natürlich gibt es viele gefälschte Urkunden in diesem Zeitraum, aber ebenso muß zu jedem einzelnen Fall der Hintergrund gesehen werden.
Um es ganz platt zu sagen: Urkunde ist nicht gleich Urkunde, und Fälschung ist nicht gleich Fälschung.

Ich hatte mich dazu in einem der Illig Threads (übrigens skurril, wie viele solcher Threads es hier gibt :S ) schon einmal geäußert: in nicht wenigen Fällen wurden derartige Urkunden bspw. zeitlich zurückdatiert, obwohl in ihnen beschriebene Ereignisse und Vorgänge durchaus stattgefunden haben. Um einen modernen Vergleich zu bringen: das müssen wir uns in etwa so vorstellen, wie wenn man heutzutage eine Rechnung bezahlen muß, die auf der Rechnung angegebene Frist eigentlich abgelaufen ist und man deswegen dann bspw. das Datum von vorgestern auf die Überweisung schreibt...

Ging es dabei um handfeste Interessen, so wurden jedoch mitunter nicht nur einfach Jahreszahlen gefälscht, sondern auch damit verbundene Ereignisse quasi zurückverlegt - wie bspw. in der Konstantinischen Schenkung. Ich möchte aus dieser exemplarisch nur zwei Punkte herausgreifen: zum einen ging es um die Legitimation der Schenkung Pippins II., und zwar in der Form, daß Pippin den Päpsten zugesichert hatte, was ihnen - nach Inhalt der Fälschung - doch seit den Zeiten von Kaiser Konstantin zustand. Desweiteren aber ging es auch um den Stratordienst, welchen der Kaiser dem Papst zu leisten hatte (ritueller Knechtsdienst, bei dem der Kaiser das Pferd des Papstes führt und dem Papst den Steigbügel hält), welchen ja - nach Inhalt der Fälschung - bereits Kaiser Konstantin einst geleistet hatte. Soweit nur diese beiden Beispiele...

Ob dafür Fachleute ausgebildet wurden?
Diese Frage läßt sich mE nur schwer beantworten; allerdings galt - wie von Ursi dargelegt - diesbezüglich im 11. Jh. ja bereits jemand als Fachmann, der lesen und schreiben konnte. Bis ins 12. Jh. war Laie (also Nichtkleriker) wohl noch gleichbedeutend mit Analphabet...
 
Zunächst sollte man mal die "Fälschungen" differenzieren.
1. Es gab Fälschungen, die ein nicht bestehendes Recht als überkommen dokumentieren sollten, z.B. eine frühe Schenkung durch rückdatierte "alte" Urkunden.
2. Es gab Fälschungen, die ein bestehendes Recht dokumentieren sollten, indem sie eine tatsächliche frühere Schenkung nunmehr durch eine rückdatierte "alte" Urkunde belegten.
3. Es gab Fälschungen, die darin bestanden, dass in einer vorhanden Urkunde nachträglich Daten ausrasiert und geändert wurden. (Das konnte eine Berichtigung sein, das konnte auch eine unrichtige Information sein)
4.Es gab auch Fälle, in denen in den Urkunden Platz für nachträglich einzutragende Daten freigelassen wurde. Die wurden dann irgendwann von fremder Hand nachgetragen, nicht immer richtig.
5. Es gab auch echte Urkunden, die Falsches belegten, insbesondere bei Bestätigungsurkunden für nicht bestehende Privilegien.
Wovon ist nun hier die Rede?
 
Ob dafür Fachleute ausgebildet wurden?
Diese Frage läßt sich mE nur schwer beantworten; allerdings galt - wie von Ursi dargelegt - diesbezüglich im 11. Jh. ja bereits jemand als Fachmann, der lesen und schreiben konnte. Bis ins 12. Jh. war Laie (also Nichtkleriker) wohl noch gleichbedeutend mit Analphabet...
Ausgebildet vielleicht nicht. Aber es gab Vorlagen für bestimmte Urkunden, an denen man sich orientieren konnte. Fälscher hatten diese Vorlagen gesammelt zur Hand.
 
Zunächst: Bei moralischen Wertungen über frühere Fälscher ist Zurückhaltung geboten, da die Auffassungen von echt und falsch im Mittelalter teilweise andere waren als heute.

"Echt" und "falsch" bei einer Quelle kann sich auf ihren Inhalt oder auf ihre Form beziehen. Eine Quelle ist formal falsch, wenn
sie von unbefugter Stelle hergestellt wurde (Fälschung),
eine echte Quelle manipuliert wurde (Verfälschung oder Verunechtung).

Beispiel Fulda:

Als Musterbeispiel der Unzulässigkeit, Verunechtung von Urkunden und Fälschung gilt in der modernen Geschichtsschreibung aber der so genannte Codex Eberhardi, eine handschriftliche ungesiegelte Quellensammlung, die der Fuldaer Benediktinermönch Eberhard um das Jahr 1160 angefertigt hat und von größter Bedeutung für die Fuldaer Klostergeschichte ist, jedoch nur mit besonderer Vorsicht benutzt werden kann.
Abt Marquard, ehemals Mönch des Klosters Michelsberg bei Bamberg, hat über seine Tätigkeit in Fulda ein Rechenschaftsbericht hinterlassen, der uns, allerdings aus seiner persönlichen Sicht, über die desolaten Verhältnisse im Kloster Fulda unterrichtet. Als erste Aufgabe stellte sich ihm, mit großer Unterstützung von König Konrad III. und mit der Vollmacht Papst Eugen III. ausgestattet, die Rückgewinnung des entfremdeten Klosterbesitzes und diesen künftig vor der Begehrlichkeit weltlicher und geistiger Feinde besser zu schützen. Dazu ließ er durch Eberhard alle Rechts- und Besitztitel sammeln und niederschreiben.

In nicht wenigen Fällen, werden Eberhard Fälschungen in der Hinsicht vorgeworfen, das er Schenkungen an das Kloster bewusst älter gemacht habe als sie in Wirklichkeit waren, um den Stiftungen „eine durch Alter geweihte Unantastbarkeit“ zu geben. Diese „Zurückdatierungen“ hatten den Zweck, bei Besitzstreitigkeiten dem Kloster bestimmte Güter zu sichern in dem man „alte“ Urkunden vorwies. War es doch um so verwerflicher wenn jemand anderer sich diese Güter aneignete, je länger sie dem Kloster schon angeblich gehörten. Diese Sachlage spielt im übrigen bis in die Neuzeit eine Rolle, so bei den Ortsjubiläen, wo manche Veranstalter von „runden“ Feiern, dem Mönch heute noch „auf den Leim“ gehen.

http://www.fuldaerzeitung.de/sixcms/detail.php?template=fz_meldung_04&id=126900

Von ganz anderem Kaliber:
Alles gefälscht?
Eine kritische Edition von Königsurkunden der Merowingerzeitwurde wurde an der Universität Bonn erstellt. Das Ergebnis ist spektakulär: Ein Großteil der wertvollen Stücke ist gefälscht.

http://www.wissenschaft.de/sixcms/detail.php?id=129014
 
bei uns wurde die Gründungsurkunde eines ehem. Benediktinerklosters gefälscht, einfach um das Kloster älter zu machen, als es wirklich war. Dabei soll die Fälschung sehr gut sein. Allerdings muß man dazu sagen, daß einiges aus der Urkunde doch der Wahrheit entsprach. So u.a. Besitzungen und Königstreffen auf dem entsprechenden Gelände
 
es ist die Gründungsurkunde des ehemaligen Petersklosters in Erfurt.

Wenn es von Interesse ist, kann ich gern dazu etwas raussuchen.


Arthur
 
Ein Beispiel aus dem 14. Jahrhundert, bei dem gefälscht wurde zur Festigung eigener Ansprüche gegenüber anderen Herrschern:

Rudolf der IV. hat sich im Zusammenhang mit seiner Positionierung gegenüber Kaiser Karl IV. eine ganze Sammlung von Fälschungen zugelegt (die bekannteste davon ist das privilegium maius), in denen er die Selbstständigkeit und die territorialen Ansprüche Österreichs festigen wollte. In einem davon, dem angeblichen Privileg von Heinrich IV., 4.10.1058 bezog er sich auf angebliche Rechte, die den Vorfahren der Fürsten Österreichs von römischen Kaisern verliehen wurden:

Gaius Julius Caesar habe Rudolfs Oheim und seinen Nachfolgern Österreich (plagae orientalis terrae suisque incolis) zu ewigem Lehen gegeben und damals schon festgesetzt, daß über dieses Land keine Gewalt gesetzt würde. Die Freiheit Österreichs, das von allen Leistungen und Abgaben entbunden war, habe Nero bestätigt.

Mit die beste Literatur zu Fälschungen ist: Fälschungen im Mittelalter, 6 Bde., Schriften der Monumenta Germaniae Historica ; 33.

Viele Grüße

Seianus
 
Ich war mir unschlüssig, ob ich mein regionalhistorisches Beispiel hier oder aber im Thread http://www.geschichtsforum.de/alltag-im-mittelalter/15697-schriftliche-quellen.html anbringen sollte, doch nach etwa einer Stunde Überlegen denke ich, hier ist es doch besser aufgehoben...

Zu einem der von Fingalo genannten Fälle:
Es gab Fälschungen, die ein bestehendes Recht dokumentieren sollten, indem sie eine tatsächliche frühere Schenkung nunmehr durch eine rückdatierte "alte" Urkunde belegten.

Für die Stadt Stollberg/Erzgebirge gilt das Jahr 1244 als grundlegend für die Stadtgeschichte, weil dies die erstmalige urkundliche Erwähnung der Burg ist (Staleburc(h); später folgten Ausbau zum Schloß Hoheneck im 16. Jh. und Verwendung als Zuchthaus ab dem 19. Jh.).
Die lokale Urkunde, welche auf 1244 datiert ist, erwähnt den Herren der Staleburc(h) über einige Hufen Land sowie umliegende Dörfer. Doch in der Altenburger Stiftsurkunde von 1267 wird explizit ein Hugo von Staleburch erst gesichert vermerkt. Nach dem heutigen Kenntnisstand ist die Urkunde von 1244 wohl auf der Grundlage dieser - laut Datum 32 Jahre später entstandenen - Stiftsurkunde hergestellt worden.
Anm. dazu: Wahrscheinlich wurde die Burg aber bereits "kurz" nach 1200 erbaut, also schon vor der Ausfertigung beider Urkunden...
(Quelle: Heimatforschung)
 
Muss ich das dann so sehen, dass die Klöster "Fachleute" ausgebildet haben, die die benötigten Rechtstitel "anfertigten"?

Wer (normalerweise) echte Urkunden ausfertigt, der kann auch (bei Bedarf und, wenn er es mit seinem Gewissen vereinbaren kann) "echte falsche" machen.
Und wenn es um eine Schenkung an das eigene Kloster geht - einen heiligeren Zweck kann es doch nicht geben. ;)
 
der korrekte Text lautet "unechte Urkunde des bekannten Fälschers Udarich"
Die Schenkung ist zugunsten des Klosters Reichenau.

Was mich eben verwundert, es gibt "bekannte Fälscher". Wie werden die identifiziert?
War das "halblegal", dass eben die über die Jahrhunderte "erhaltenen" mündlichen Rechtstitel irgendwann in Schriftform gefasst wurden?
Dann gewinnt der Satz "nach dem wiedereinsetzen der schriftlichen Quellen" eine umfassendere Bedeutung.
Ist das so zu sehen:
Bei den Karolingern gilt noch die Schriftform, die dann bis ins 11. Jahrhundert an Bedeutung verliert, es gelten weitgehend mündliche Vereinbarungen abgesichert durch Zeugen.
Ab dem 11. Jahrhundert wird die Schriftform die allein Maßgebende, was die große Zahl an "unechten" Urkunden und auch das Fehlen der schriftlichen Quellen über 2-3 Jahrhunderte erklären würde.
Würde Repo gerne wissen.

OT: Als 11 oder 12 jähriger habe ich während eines Berchtesgaden-Aufenthalts den Ochsenkrieg von Ganghofer gelesen, der sich an solch einem "unsicheren" Rechtstitel entzündet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Begriff "fälschen" wird diesen Urkunden meistens nicht gerecht. Das hat für uns ja immer die Nebenbedeutung, daß beim Inhalt der Urkunde gemogelt wurde, daß sich jemand unrechtmäßig etwas aneignen will.

In der Regel war das damals aber nicht der Fall.
Sondern es ging meist um völlig unstrittige Rechte, die seit Generationen mündlich tradiert waren.
Und dann kommt im Hochmittelalter dieser "neumodische Formalkram" auf. Da wird dann nicht mehr anerkannt, daß man in altbewährter Weise einige honorige Zeugen aufmarschieren läßt, die beschwören, daß ein Eigentumsrecht zu Recht bestand.
Sondern da wurde auf einmal erwartet, daß das auch ordentlich mit Urkunde belegt wird.

Also wurden die Urkunden eben nachgeliefert. D.h. man hat z. B. die mündlich von einem König ausgesprochene Verleihung eines Rechts sauber aufgeschrieben und so abzeichnen lassen, wie das von noch erhaltenen Urkunden dieses Königs bekannt war.
Das ist dann eher ein Nachempfinden als ein Fälschen. Den meisten Zeitgenossen dürfte das auch völlig klar gewesen sein, daß die Urkunde nicht wirklich alt und original ist - das war aber unproblematisch, solange der Inhalt stimmte.

Und da gab es natürlich Problemfälle, wo jemand eine sehr subjektive Sicht seiner Rechte in Urkunde fassen ließ. Aber die meisten Urkunden dieser Zeit mögen zwar "gefälscht" sein, aber trotzdem sind sie inhaltlich richtig.

In diesem Sinne wäre eine "professionelle Fälscherwerkstatt" eine ganz rechtmäßige und sinnvolle Dienstleistung. Das war dann wohl ein Schreiber, der sich mit den nötigen Hintergründen auskannte und auf Wunsch eine Urkunde des benötigten Rechtegebers produzieren konnte.
 
Also hat nach den Karolingern bis zu den Staufern eine andere Rechtsauffassung geherrscht. Was das weitgehende Fehlen schriftlicher Nachweise für 3 Jahrhunderte erklärt.

Als wieder schriftliche Urkunden verlangt wurden, haben Spezialisten diese angefertigt und vermutlich teilweise sogar signiert. Woher sonst soll heute ein "Fälscher Udarich" bekannt sein.

Kann man das, in einfache Worte gefasst, so sehen?
 
Dass der Fälscher bekannt ist,muss nicht zwingend heißen, dass er auch als Fälscher bekannt ist. Er kann auch einfach in echten Urkunden als Schreiber oder Zeuge auftauchen, oder in einem Nekrolog etc. pp.
 
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