Leichenfestspiele

Eumolp

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Die antiken Sportfestspiele sind allesamt aus Begräbnisfeierlichkeiten hervorgegangen. Und zwar solchen, die hochgestellte Persönlichkeiten betrafen. Die Erben - meist die Söhne - richteten Festspiele aus, die aus einem Potpourri an sportlichen Wettkämpfen bestanden. Berühmtestes Beispiel ist der 23. Gesang der Ilias, die Leichenspiele für Patroklos, die Achill ausgerichtet hat.

Die Frage ist: wie kommt man darauf, bei Begräbnisfeierlichkeiten sportliche Wettkämpfe abzuhalten?

Zwei Hypothesen sind mir bisher untergekommen:
1. Die Familie wollte damit Macht und Reichtum demonstrieren, immerhin gab es wertvolle Preise.
2. Die Sitte entstammt einer älteren Tradition, in der es regelmäßig um wirkliche Fehden der Söhne oder anderer Verwandten um das Erbe ging. Die Festspiele wären dann so etwas wie eine zivilisierte Form dieser Kämpfe.

Dazu hätte ich zwei Fragen, und ich bin mal gespannt, ob die Zahl der Antworten das berühmte mathematische Epsilon übersteigt:

1. gibt es Literatur zu diesem Thema? Am besten im Netz, aber da wage ich kaum zu hoffen.
2. was kann man von anderen Kulturen sagen - ist das ein solcher Begräbniskult bekannt? Ich kenne nur einen Sarkophag aus dem minoischen Kreta mit Sportkämpfen beim Begräbnis.
Wenn allerdings schon die Kreter Sport trieben beim Begräbnis, klingt das mit der "alten Tradition" nicht mehr so plausibel, oder?
 
Das ist mir ja ganz neu von wo haste denn das her???

Meines wissens nach wurden die Leichen Verbrand und man hat denen
zwei Müzen auf die augen gelegt "für den fuhrmann" angeblich
 
Das stimmt schon, schließt aber eine Feier nach dem Begräbnis nicht aus. Auch heute wird ja ordentlich gefeiert nach dem Begräbnis, manchmal so sehr, dass man Gäste wegtragen muss. Was natürlich mit Sport wenig zu tun hat.

Zu den antiken Leichenspielen: das 23. Buch der Ilias von Homer (über den Trojanischen Krieg) ist ganz diesem Thema gewidmet. Da werden Wagenrennen, Wettrennen, Ringkämpfe usw usf. ausgeführt. Da ich gerne zitiere, hier der Anfang der Leichenspiele, die Achilles für seinen toten Freund Patroklos veranstaltet, aus der Ilias:

Als sie das Mal [= Grabmal des Patroklos] nun [auf]geschüttet, enteilten sie. Aber Achilleus
Hemmte das Volk, und hieß es in großem Kreise sich setzen;
Brachte darauf zu Preisen des Kampfs dreifüßige Kessel,
Becken, und Ross' und Mäuler und mächtige Stier' aus den Schiffen,
Schöngegürtete Weiber zugleich, und blinkendes Eisen.
Erst dem Lenker des schnellsten Gespanns zum herrlichen Kampfpreis
Setzt' er ein Weib zu nehmen, untadelig, kundig der Arbeit,
Samt dem gehenkelten Kessel von zweiundzwanzig Maßen

Und von da an geht's los mit dem Sport.
Mich interessiert nun, ob es in anderen Kulturen ähnliches gab?
 
2. was kann man von anderen Kulturen sagen - ist das ein solcher Begräbniskult bekannt? Ich kenne nur einen Sarkophag aus dem minoischen Kreta mit Sportkämpfen beim Begräbnis.

Mir würden die etruskische Sitte einfallen, bei Begräbnissen Kämpfe abzuhalten, woraus sich dann im Laufe der Zeit die ganze Gladiatorensache entwickelte.

Zum Ursprung dieser Sitte: Gings bei Patroklos Begräbnis nicht darum, die Besitztümer des Toten (namentlich seine Rüstung und Waffen) an den Mann zu bringen? Also die sportlichen Wettkämpfe als Wettbewerb um diesen Teil der Hinterlassenschaft des Toten?
 
Gings bei Patroklos Begräbnis nicht darum, die Besitztümer des Toten (namentlich seine Rüstung und Waffen) an den Mann zu bringen? Also die sportlichen Wettkämpfe als Wettbewerb um diesen Teil der Hinterlassenschaft des Toten?

Ich würde sagen: Jein. Zum einen gibt es die anfänglichen Preise: Rinder, Schafe, Pferde, Sklavinnen, Dreifüße usw. Ich weiß nicht, ob Patroklos als Adoptivsohn so viel besaß. Erst der Becher, der in 23.747 erwähnt wird, stammt von P., auch die Rüstung in Vers 800; das Schwert in 808 ist allerdings eine Beute von Achill. Aber die Preise davor, bist du sicher, die gehörten Patroklos?

Eines ist aber sicher: Leichenspiele wurden üblicherweise gestiftet von der Familie des Toten. Die Spiele des Amphidamas, wo Hesiod einen Dreifuß holt, waren jedenfalls von seinen Sohnen gestiftet. Oder die Spiele des Amerynkeus, die Nestor in Il.23.660 erwähnt, wurden auch von den Söhnen gestiftet.
 
Die antiken Sportfestspiele sind allesamt aus Begräbnisfeierlichkeiten hervorgegangen.

Hast du dafür Beweise? Denn entweder haben wir ein unterschiedliches Verständnis was antike Sportfestspiele sind, oder einer von uns unterliegt einem Fehler.

Meines wissens sind die großen panhellenischen Spiele zu Ehren der Götter eingerichtet worden. All das gehört zum Themenkomplex der Agone, dh. dem Wettstreit unter den Aristokraten.

Bei Homer sollte man nicht vergessen, dass die Zeit des 8/7. Jahrhunderts auf die mytische Ebene des Trojanischen Kriegs projeziert wird. Insofern sind die Leichenfeiern des Patrokles eventuell nur ein Beispiel für einen Wettkampf in seiner Erinnerung und nicht der Beginn der gymnastischen Agone.

Für Rom würd ich diese Praxis erst einmal ausschließen, da dort normalerweise Trauerfeier und so stark reglementiert und eingeschränkt waren. Außerdem fehlen mir atm auch Quellen die davon berichten, aber da kann ich durchaus Lücken haben.
 
Aber die Preise davor, bist du sicher, die gehörten Patroklos?

Nein, leider nicht :(; mir war nur die Sache mit der Rüstung in Erinnerung geblieben (und um Rüstungen wird in der Ilias ja ein ziemliches Gewese gemacht). Wird wohl doch mehr dran gewesen sein an solchen Wettkämpfen als ein Weg, das Erbe aufzuteilen.
 
Hast du dafür Beweise? ...
Meines wissens sind die großen panhellenischen Spiele zu Ehren der Götter eingerichtet worden. ...

Da sieht man mal wieder, wie wichtig gutes Deutsch ist ;) Was ich ausdrücken wollte, war, dass der Vorläufer bzw die Urform des Sportfestes Leichenspiele waren; d.h. bevor es organisierte Sportfeste gab, gab es Leichenspiele; jene haben sich dann in ihrer Gesamtheit daraus entwickelt. Wenn du es aber auffasst als "jedes einzelne", dann ist meine Behauptung eindeutig falsch; z.B. sind die Panathenaien ja von Peisistratos gegründet, um das Volk ruhig zu stellen. Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt; beinahe ein "Sokratisches Missverständnis" zwischen Begriff und Einzelfall.

Trotzdem gibt es durchaus Belege, wenn auch keine "Beweise", die du forderst.

Zu den Kranzagonen. BTW: Agon heißt ja urspr. Versammlung, nicht etwa Wettbewerb.

Olympien: Viele Mythen! Ein Mythos erzählt, Pelops habe die Spiele als Leichenspiele für Oenomaus von Pisa gegründet (Phlegon FGH 2 B 257). Ein anderer, die Nachfahren des Herakles zu dessen Ehren (Strabon 8.3). Andere Mythen sagen wieder was anderes: Pelops' Sieg bei einer Brautagone; Herakles bei der Ausmistung des Augiasstalls, aber auch hier tut er das in der Nähe des Grabes von Pelops; das war angeblich noch von Pausanias zu sehen (das Pelopion).

Isthmien: Ein populärer Mythos führt sie auf die Leichenspiele eines kleinen Jungen Melikertes zurück, der im Saronischen Golf ertrunken war und auf dem Rücken eines Delphins auf den Isthmus gebracht wurde.

Nemeen: Hier ist die Mythos-Lage noch einfacher, denn nur 2 Mythen sind bekannt, einer aus dem 1.Jh n.Chr., der ursprünglichere Mythos aus 5.Jh v.Chr.: das Baby Opheltes, Sohn des Königs Lykurgos, wurde von einer Schlange getötet, umgetauft in Archemoros => Leichenspiele => Nemeen.

Pythien: hier ist mir nur der Python-Mythos bekannt, keine Leichenfeier, allerdings waren die Pythien urspr. auch nur ein Musikfest, erst später kamen Gymnastik und Wagenrennen hinzu.
 
Ich Zierire :die Achilles für seinen toten Freund Patroklos von Eumolp


Also mWn war Patroklos nicht der freund sondern der Cousin bzw ein verwandter von Achilles.
 
[Mal die Brille aufzieh]
Ich Zierire :die Achilles für seinen toten Freund Patroklos von Eumolp

Was ist denn "zieriren"?

Also mWn war Patroklos nicht der freund sondern der Cousin bzw ein verwandter von Achilles.

Knapp vorbei ist auch daneben :D Patroklos wurde zusammen mit Achill aufgezogen, als Adoptivsohn, genauer als angenommener Gast der Familie. Damit waren die beiden nicht verwandt, aber wie Brüder aufgewachsen, auf jeden Fall Freunde. In späterer Zeit hat man sie sogar zu Liebhabern gemacht.
 
Zuletzt bearbeitet:
achso das wusste ich nicht sry aber dazu ist doch das forum schlieslich da, um zu lernen :)

ich meinte : Zitiere
 
Zu den Sportspielen in diesem, als Leichenehrung gedachten, Sinne kann ich kaum etwas beitragen.
Aber die erste figürliche Vasenmalerei zeigt uns eher die Aufbahrung und den Leichenzug, als irgendwelche Sportspiele.
Zu finden ist Info möglicherweise hier:
Matz, David., Greek and Roman sport
 
Zu den Kranzagonen. BTW: Agon heißt ja urspr. Versammlung, nicht etwa Wettbewerb.

Nicht ursprünglich, sondern in seiner Grundbedeutung.

Olympien: Viele Mythen! Ein Mythos erzählt, Pelops habe die Spiele als Leichenspiele für Oenomaus von Pisa gegründet (Phlegon FGH 2 B 257). Ein anderer, die Nachfahren des Herakles zu dessen Ehren (Strabon 8.3). Andere Mythen sagen wieder was anderes: Pelops' Sieg bei einer Brautagone; Herakles bei der Ausmistung des Augiasstalls, aber auch hier tut er das in der Nähe des Grabes von Pelops; das war angeblich noch von Pausanias zu sehen (das Pelopion).

Isthmien: Ein populärer Mythos führt sie auf die Leichenspiele eines kleinen Jungen Melikertes zurück, der im Saronischen Golf ertrunken war und auf dem Rücken eines Delphins auf den Isthmus gebracht wurde.

Nemeen: Hier ist die Mythos-Lage noch einfacher, denn nur 2 Mythen sind bekannt, einer aus dem 1.Jh n.Chr., der ursprünglichere Mythos aus 5.Jh v.Chr.: das Baby Opheltes, Sohn des Königs Lykurgos, wurde von einer Schlange getötet, umgetauft in Archemoros => Leichenspiele => Nemeen.

Pythien: hier ist mir nur der Python-Mythos bekannt, keine Leichenfeier, allerdings waren die Pythien urspr. auch nur ein Musikfest, erst später kamen Gymnastik und Wagenrennen hinzu.

In Olympia (Pelops), Isthmia (Melikertes) und Nemea (Opheltes-Archemoros) weisen übrigens auch archäologische Funde auf diesen Heroenkult. In Olympia und Nemea wurden im Bereich des Pelopeions und des Heroon des Opheltes-Archemoros Spuren des frühen 1. Jt. v. Chr. gefunden, wobei aber im Fall von Nemea Miller, der derzeitige Ausgräber, eine Kultkontinuität ablehnt.

Eigentlich hatte ich im Hinterkopf, dass auch in Delphi ein Heros verehrt wurde, aber ich komme gerade nicht drauf. :grübel:
 
Zwei Hypothesen sind mir bisher untergekommen:
1. Die Familie wollte damit Macht und Reichtum demonstrieren, immerhin gab es wertvolle Preise.
2. Die Sitte entstammt einer älteren Tradition, in der es regelmäßig um wirkliche Fehden der Söhne oder anderer Verwandten um das Erbe ging. Die Festspiele wären dann so etwas wie eine zivilisierte Form dieser Kämpfe.

Ich würde eher zu 2. tendieren. Doch für mich wäre ein großer Grund, dass man solche Spiele für die Ehre der Toten abgehalten hat. Nicht um weltliche Aspekte sondern den Toten einen schönen Übergang ins Totenreich zu gewähren. Hinsichtlich der Wichtigkeit des Sports in der Antike kann man von dem sicherlich ausgehen. Verlierer offizieller Spiele wurden ja geächtet und verspottet.

Weiß jemand, ob Patroklos ein großer "Sportler" war ? Das würde meine "These" untermauern, wobei er sicher eine sehr wichtige Persönlichkeit war.

Gerade aus der Wichtigkeit des Sports und dass es schon den Göttern zur Ehrerbietung diente, lässt mich daraus schließen dass Patroklos eine besondere Ehre zuteil wurde.

Lg
Balduin
 
Eigentlich hatte ich im Hinterkopf, dass auch in Delphi ein Heros verehrt wurde, aber ich komme gerade nicht drauf. :grübel:

Bezüglich Delphi kenne ich die Geschichte von einem Knaben, der in Anlehnung an die Bluttat Apolls (der den Drachen Python tötete) ins Tempe-Tal gehen musste, um die Blutschuld zu reinigen, und dann nach 8 Jahren zurückkam. Keine Ahnung, ob der als Heros verehrt wurde. Immerhin fanden die Pythien anfangs alle 8 Jahre statt, in Erinnerung daran.

Desweiteren wurde Asklepios dort vom Blitz erschlagen. Vielleicht meinst du den?
 
Weiß jemand, ob Patroklos ein großer "Sportler" war ?
Zu Patroklos als Sportler fällt mir im Moment nichts ein, außer dass er als Kind gerne Knöchel gespielt hat ^^

Dass man den Toten damit auch ehren wollte, stimmt sicher. Aber dass man ihm den Weg in den Hades ebnen wollte? Als Patroklos dem Achill im Schlaf erscheint, bittet er ihn nur darum, ihn endlich zu beerdigen, damit die Seele abdüsen kann. Von Sport war da nicht dir Rede.

Verlierer offizieller Spiele wurden ja geächtet und verspottet.
Übrigens haben die Leichenspiele der Ilias noch nicht die Eigenart, dass es nur 1 Sieger gab. Bei einem Wettkampf - beim Wagenrennen, glaube ich - gab es sogar so viele Preise wie Teilnehmer ;) !

Wie man in späterer Zeit einen Toten mit Sportfesten geehrt hat, zeigt ein schönes kleines Beispiel auf der Insel Amorgos. Ein Vater hatte dort 2000 Drachmen für jährliche Feiern seines verstorbenen Sohnes Aleximachos gestifet, der Sohn wurde zum Heros gekürt, einen Tag lang wurde getafelt und gesoffen, dann gab es den Wettkampf. Der Clou hierbei: als Sieger des Pankration wurde der Verstorbene ausgerufen! Dann steht noch in der Stiftungsurkunde:

Der Herold soll sogleich mit dem Agon verkünden, daß die Erwachsenen, Epheben und Jungen alle den Aleximachos, Sohn des Kritolaos, bekränzen wegen seiner Leistung und Disziplin, die er bewiesen hat.
(Wolfgang Decker, Sport in der griechischen Antike. S.60)
 
Zu den Sportspielen in diesem, als Leichenehrung gedachten, Sinne kann ich kaum etwas beitragen.
Aber die erste figürliche Vasenmalerei zeigt uns eher die Aufbahrung und den Leichenzug, als irgendwelche Sportspiele.
Zu finden ist Info möglicherweise hier:
Matz, David., Greek and Roman sport

Leider kann ich so ohne weiteres nicht auf das Buch zugreifen, da ich keinen Zugang zur Uni habe. Aber ich habe hier eine Sarkophag-Inschrift aus dem 13. Jh (!) über solche Leichenspiele, gefunden bei W. Decker, Sport in der gr. Antike.
 
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