Hitler-wie war es möglich?

Tata

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Hallo zusammen!

Zu den beiden folgenden Fragen habe ich mir im Zuge meiner Abiturvorbereitung Gedanken gemacht. Ich würde mich freuen, wenn euch Aspekte einfallen, die mir nicht eingefallen sind.

1. Wie war es möglich, dass die Nationalsozialisten an die Macht kamen [sowohl kurzfristig, als auch langfristig gesehen]?

2. Wie hätte der Nationalsozialismus verhindert werden können? Gab es an entscheidenden Punkten der Geschichte Alternativen?

Einbezogen werden soll z.B. die Weltwirtschaftskrise, die "Revolution" von 1918/19, das (anti-)demokratische Denken der Menschen, usw.

Vielen Dank für alle Antworten und viel Spaß beim diskutieren!

edit: ich wünsche mir eine rein geschichtliche Diskussion und keine philosophische über den Determinismus. =)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Tata !
Willkommen im Forum !

Zu den beiden folgenden Fragen habe ich mir im Zuge meiner Abiturvorbereitung Gedanken gemacht. Ich würde mich freuen, wenn euch Aspekte einfallen, die mir nicht eingefallen sind.
Und welche Aspekte sind dir denn bisher dazu eingefallen ?
Ich frage nur, damit man eine Grundlage für die Diskussion hat, die du ja vorgeben kannst und die wir dann ergänzen können.

Gruß !
Caitlin
 
Ein paar meiner Ansätze sind folgende:
1. Hindenburg hätte Hitler nicht zum Reichskanzler ernennen müssen
2. Die WWK, der Versailler Vertrag, die Lebensmittelknappheit, 1923
--> radikale Parteien bekommen Zulauf
3. Demokratisches Denken konnte sich nie durchsetzen
4. Parteien waren zur Macht "befohlen" worden, kamen somit mit der neuen Aufgabe nicht klar --> Auseinanderbrechen der Großen Koalition
5. Die Auswirkungen der nur halb vollzogenen Revolution 1818/19 --> kein völliger Umbruch (z.b.: Die Verwaltungsbeamten waren die gleichen wie vorher)
6. Die NSDAP nutzt stärker Propagandamittel
7. Dolchstoßlegende; Novemberverbrecher --> Die Sozialdemokraten hatten keinen guten Ruf
8. Weimarer Verfassung: Der Reichspräsident hat die Funktion eines "Ersatzkaisers" (Artikel 48)

9. Brüning, von Papen und Schleicher: Kann mir jemand erklären was die beiden getan haben? Ich weiß, dass Papen Hindenburg zur Ernennung Hitlers als Reichskanzler überredet hat. Wieso waren die drei noch wichtig?
 
...
1. Hindenburg hätte Hitler nicht zum Reichskanzler ernennen müssen
...

Zwischenfrage.
Hatte Hindenburg denn eine andere Wahl?

Hitler war ja nicht ganz unrechtmäßig Kanzlerkandidat. Hitler und die NSDAP hatten eine nicht unerhebliche Unterstützung durch das Volk. Wenn ich das noch richtig im Hinterkopf habe war Hindenburg zwar persönlich gegen die Machtübertragung, hat sich aber quasi dem Willen des Volkes gebeugt.

Im nachhinein gesehen war das bekanntlich ein großer Fehler, aber zu der Zeit doch nachvollziehbar.
 
...

9. Brüning, von Papen und Schleicher: Kann mir jemand erklären was die beiden getan haben? Ich weiß, dass Papen Hindenburg zur Ernennung Hitlers als Reichskanzler überredet hat. Wieso waren die drei noch wichtig?...

Der parteilose Reichskanzler von Papen versuchte die Masse der nationalistischen Anhängerschar für sich zu gewinnen und die Macht der NSDAP für seine Zwecke auszunutzen.

Auzug aus Wiki:

Seit dem Wahlerfolg von 1930 bemühte sich der Reichskanzler Heinrich Brüning durch eine durch die Sozialdemokraten gestütze Minderheitsregierung die Verfassung und den Staat am Leben zu erhalten. So setzt Brünning ein Verbot der SS und SA durch, welches auf Druck und Hindenburg und den rechtsnationalen Kräften um von Schleicher jedoch 1932 wieder aufgehoben werden musste. Seit 1932 versuchte der parteilose Reichskanzler Franz von Papen eine Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten, um deren Massenanhang für sich zu benutzen. Eine angestrebte Koalition von Zentrum, DNVP und NSDAP scheiterte allerdings an Hitlers Forderung nach der Reichskanzlerschaft für sich. Da von Papen sich um die Nationalsozialisten bemühte, unterließ er es, die NSDAP zu verbieten und als staatsgefährdende Partei darzustellen. Dazu hätten ihnen die Boxheimer Dokumente Gelegenheit gegeben, die 1931 in Hessen auftauchten und Putschpläne der Nationalsozialisten verrieten. Reichskanzler Kurt von Schleicher versuchte im Dezember 1932, eine „Querfront“ unter Einbeziehung linker Nationalsozialisten zustandezubringen.
Bei Wiki wird das relativ gut beschrieben:
Machtergreifung - Wikipedia
 
Im einem der letzen "SPIEGEL" war ein recht guter Artikel zu diesem Thema. Ich hab ihn leider grad nicht zur Hand. Vielleicht kannst du mal in deiner Bibliothek nachschauen, ob die den da haben, oder beim Zeitschriftenhändler deines Vertrauens nachfragen, ob sie ihn nachbestellen können.
 
Stimmt, den Spiegel-Artikel wollte ich tatsächlich noch lesen.


Das klingt alles so als wäre von Papen ein Nationalsozialist gewesen, aber war er nicht gegen den Nationalsozialismus und hat Hitler nur für die Kanzlerschaft vorgeschlagen um ihn zu "zähmen"?
 
Servus Tata

Es ist ja nicht so, dass der NS ein Einzelphänomen war, solche Diktaturen und Einzelherrschaften gibt es ja immer wieder.
Wenn es den Menschen schlecht geht, wählen die halt den, der Brot und Arbeit verspricht, ist halt so.
Der Unterschied liegt in den Zielen und Taten des Autokraten und der herrschenden Schicht.
Das ist ja nicht mal ein Phänomen.
Hätte irgendeiner gewusst, was die Schweinebacke treiben wird, wäre er nie in die Nähe der Macht gekommen.
Bei den olympischen Spielen haben ja durchaus ausländische Demokraten den Hitlergruß verwendet, um zu schleimen.
Wär hätte gedacht, dass fiese Schweinebacke einen Weltkrieg anfängt.
Die Vorzeichen waren zwar da, aber so richtig glauben wollte es niemand, dass jemand so etwas Irrationales wünscht und anstrebt.
Meiner Meinung nach wird manchmal mit "Wie konnte ?", "Wieso ?", zu sehr aufgebauscht, schließlich gibt es mehr als genug Vollkoffer die Ähnliches verbrochen haben.
Man muss natürlich aufarbeiten, jedoch wird dies vielleicht manchmal an der falschen Stelle getan.
Einem Menschen nur zu erklären das der Nationalsozialismus falsch war, ohne ihm zu erklären wie Menschen mit Schriften und Hetzerei in der Masse aufgebracht werden können, ist nicht immer zielführend
Der Unterschied liegt in der automatisierten Vernichtung eines ganzen Volkes, initiiert durch das von Hass geprägte Gedankengut eines Gestörten und seiner Propagandamaschinerie.
In Afrika gibt es unzählige Minihitlers, da könnte man den Ruandakrieg als Beispiel nehmen.
100 Tage Massenmorden fordern 1 070 000 Opfer, davon 97 % Tutsi.
Knapp 40 % wurden mit Macheten umgebracht, nur 15-20% fanden einen schnellen Tod durch Erschießen.
Wie konnte das passieren ?
General Dallaire wusste wo die Waffen gebunkert werden und bekam trotzdem nicht das Mandat zum Eingreifen.
Alles eine Sache der Auslegung.
So etwas darf nie wieder passieren, kann aber jederzeit wieder passieren, vielleicht nicht unbedingt bei uns Europäern (obwohl ?), aber wo anders ist das Gang und Gebe.
 
So wie ichs verstanden habe, brauchte Papen die Nationanlsozialisten für die Mehrheit im Parlament und ging tatsächlich davon aus, dass er sie gemeinsam mit Zentum und DNVP unter Kontrolle halten konnte.
 
An Brushian:
Hitler hat ja schon während seiner (kurzen) Haft nach dem Putschversuch 1923 "Mein Kampf" verfasst. Man wusste schon was er vor hatte, doch haben es die Menschen damals nicht geglaubt...


An alle:
An welchen Stellen der Geschichte hätte es möglicherweise Alternativen zu entscheiden gegeben? Wenn es keine gab, wieso "musste" es so kommen wie es gekommen ist?
 
An welchen Stellen der Geschichte hätte es möglicherweise Alternativen zu entscheiden gegeben? Wenn es keine gab, wieso "musste" es so kommen wie es gekommen ist?

Man hätte den Typen einfach abknallen können, viel mehr war da nicht drin.
Aber nicht mal das war leicht zu bewerkstelligen, haben ja ein paar versucht und wir wissen welches Glück der Typ hatte (Hitler).
 
...Hitler hat ja schon während seiner (kurzen) Haft nach dem Putschversuch 1923 "Mein Kampf" verfasst. Man wusste schon was er vor hatte, doch haben es die Menschen damals nicht geglaubt...

Aber wer hat das Buch vor 33 gelesen? Doch nicht die breite Masse, für die wurde es erst Pflichtlektüre als es schon zu spät war. Mein Kampf war doch nicht allen bekannt weil es "gut" geschrieben war. Das kannte nur jeder weil es später zu jedem Anlass "verschenkt" wurde.

Aber ich denke "mein Kampf" ist auch nur sekundär wichtig. Es wird zwar immer behauptet das, - wenn man das Buch vorher gelesen hätte - , alles anders gelaufen wäre. Aber das stell ich jetzt mal in Frage.
Das ist in meinen Augen eine Schutzbehauptung. Die politischen Grundsatzfragen - die er in mein Kampf aufführt - finden sich doch in seinem Wahlprogramm wieder. Vielleicht etwas anders verpackt, aber im Kern doch identisch. Also konnte man, wenn man wollte, Hitler auch ohne "mein Kampf" durchschauen.
 
Ein paar meiner Ansätze sind folgende:
1. Hindenburg hätte Hitler nicht zum Reichskanzler ernennen müssen
Zwischenfrage.
Hatte Hindenburg denn eine andere Wahl?

Hitler war ja nicht ganz unrechtmäßig Kanzlerkandidat. Hitler und die NSDAP hatten eine nicht unerhebliche Unterstützung durch das Volk. Wenn ich das noch richtig im Hinterkopf habe war Hindenburg zwar persönlich gegen die Machtübertragung, hat sich aber quasi dem Willen des Volkes gebeugt.

Im nachhinein gesehen war das bekanntlich ein großer Fehler, aber zu der Zeit doch nachvollziehbar.
Streng genommen hat sich Hindenburg mit der Ernennung H.s zum Reichskanzler sogar mehr Zeit gelassen, als eigentlich statthaft gewesen wäre, um eine stabile Regierung hinzubekommen: Die NSDAP hatte bei den Reichstagswahlen im Juli '32 ihre größten Erfolge in einer demokratischen Wahl. Sie war damals die stärkste Partei im Parlament mit 37,4 % oder 230 Sitzen. Im November des gleichen Jahres erhielt sie "nur noch" 33,1 % und 196 Sitze. Manche wünschen sich zur Ehrenrettung der Deutschen, der Stern der Partei sei schon im Sinken begriffen gewesen, aber die NSDAP war immer noch die Stärkste Partei. Hindenburg musste also H. zum Kanzler ernennen, wenn er endlich einen regierungsfähigen Kanzler (von Seiten des Parlaments) haben wollte. Ob das wirklich Volksbegehren war, oder nicht doch eher das der Camarilla, zu der auch sein Sohn gehörte?

So wie ich's verstanden habe, brauchte Papen die Nationalsozialisten für die Mehrheit im Parlament und ging tatsächlich davon aus, dass er sie gemeinsam mit Zentrum und DNVP unter Kontrolle halten konnte.
Das Zentrum hatte damit nichts zu tun. Diese Partei ahtte sich längst mit von Papen verkracht.

Hitler hat ja schon während seiner (kurzen) Haft nach dem Putschversuch 1923 "Mein Kampf" verfasst. Man wusste schon was er vor hatte, doch haben es die Menschen damals nicht geglaubt...

Ich habe das Buch nicht gelesen, habe aber gehört, dass ein Teil seines "Programms" dort geschrieben steht.

Das liest und hört man immer wieder. Dazu nur ein paar Anmerkungen: Mein Kampf ist ein schreckliches und schrecklich langweiliges Buch. Ich bin davon überzeugt, hätten mehr Leute es gelesen, wäre mehr Leuten klar gewesen, dass H. ein echter Verlierer war. Und es gibt Dinge in Mein Kampf, die schrecklich sind, die aber keinesfalls - obwohl sie gerne so interpretiert werden - als Vorwegnahme des Holocaust gelesen werden dürfen. So schreibt Hitler z.B. man hätte die Juden unter Gas halten sollen. Die Analogie zu Treblinka, Auschwitz etc. ist so offensichtlich wie falsch. H. selbst wurde Opfer eines britischen Senfgasangriffs, was ihm mehrere Wochen Lazarett einbrachte, er selbst schreibt auch von längerer Blindheit.

Was man möglicherweise hätte vorausahnen können, wären die kriegerischen Absichten, denn die Forderungen die H. zum Teil in seinem Machwerk stellte wären nur durch Krieg erreichen zu gewesen. Aber auch hier würde man bei normalen Politikern trennen zwischen Forderungen aus der Opposition heraus und Realpolitik. Was H. schrieb und später auch durchsetzte war nach menschlichem Ermessen keine Realpolitik.
 
An el Quijote:
Danke für deinen Beitrag! Du darfst gerne auch meine anderen Fragen beantworten ;)
 
Zu den Stimmungen in der Republik Ende 1932:

Es gab eine weit verbreitete Auffassung, zB auch in industriellen Kreisen, es Hitler "versuchen zu lassen." So sehr die Programmatik der NSDAP auch in sich widersprüchlich war, viele Bereiche konnten sich eigenen Aspekte herausgreifen. ZB die Reichswehr ihre Aufrüstung, die Pläne für die Verdreifachung auf ein 300.000-Mann-Heer lagen in der Schublade; die Großindustrie die Niederhaltung der Gewerkschaften und speziell der KPD, die ebenfalls Zuwächse aufwies; Arbeitslose das Versprechen auf Beschäftigung, nationale Kreise die Beseitigung Versailler Vertragsbedingungen. Viele werden außerhalb ihrer eigenen Ziele wohl gedacht haben, der Rest der Ankündigungen werde schon so nicht realisiert werden. Umgekehrt hatte die politische Ordnung der Republik nur Anhänger, die sie aus Überzeugung politisch stützten.

In der NSDAP herrschte im November 1932 eher eine verdüsterte Stimmung, nachdem die Machtübernahme nach den erfolgreichen Juli-Wahlen nun vorerst nicht erreicht worden war. Der sicher geglaubte Erfolg war aus den Händen geglitten, hinzu kam der Stimmenverlust bei den November-Wahlen. Ein reichsweites politisches Signal, dass die NSDAP dennoch weiter auf dem aufsteigenden Ast sitzt, sollte bei den Wahlen in Lippe gesetzt werden. Auch dabei erwies sich die Wahlorganisation der NSDAP nicht nur im übertragenen Sinn als "schlagkräftig.".

Die Zeit war der kritische Aspekt. Die krisenhaften Zustände der Weltwirtschaft waren am Abflauen, außenpolitisch hatte man in der Frage der Reparationen beachtliche und entlastende finanzielle Fortschritte für das Deutsche Reich erzielt. Pläne für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen lagen in der Schublade, erwiesen sich jedoch in den instabilen politischen Verhältnissen als nicht im erforderlichen Umfang durchsetzbar oder brauchten mehr Zeit. Die gab es dann nicht mehr.
 
An el Quijote:
Danke für deinen Beitrag! Du darfst gerne auch meine anderen Fragen beantworten ;)

Herzlichen Dank!

2. Die WWK, der Versailler Vertrag, die Lebensmittelknappheit, 1923
--> radikale Parteien bekommen Zulauf
Von der Krise 23 dauerte es bis zur Machtergreifung zehn Jahre. Damals hatten die demokratischen Parteien durchaus noch stabile Stimmenanteile.

5. Die Auswirkungen der nur halb vollzogenen Revolution 1818/19 --> kein völliger Umbruch (z.b.: Die Verwaltungsbeamten waren die gleichen wie vorher)
Das gab es nach 1945 auch. Übrigens in beiden deutschen Staaten, kann also nicht endgültig überzeugen.

6. Die NSDAP nutzt stärker Propagandamittel
Das ist in der Tat wahr. Radio, Wahlkampf per Flugzeug...
8. Weimarer Verfassung: Der Reichspräsident hat die Funktion eines "Ersatzkaisers" (Artikel 48)
Vor allem ernannte er den Kanzler, nicht das Parlament per Wahl, aber das haben wir ja schon...

9. Brüning, von Papen und Schleicher: Kann mir jemand erklären was die beiden getan haben? Ich weiß, dass Papen Hindenburg zur Ernennung Hitlers als Reichskanzler überredet hat. Wieso waren die drei noch wichtig?
Alle drei waren Reichskanzler.
 
Habe ich denn nun irgendetwas grundlegendes vergessen, das den Nationalsozialisten zur Macht verholfen hat?
 
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