Integration der Juden durch Konvertierung

Sehr geehrte Forenfachleute,

... im Zuge der Inquisition soll es auch zu Zwangsbekehrungen von Juden gekommen sein. Dies glaube ich nach neuen Erkenntnissen jedoch nicht. Ich denke vielmehr, dass einige Juden durch die Konvertierung davon ausgegangen sind, das diese eine bessere gesellschaftliche Integration mit sich brachte. Das wäre zumindest plausibler. Was sagen denn die Fachhistoriker zu dieser These ... ?!
 
Welche neuen Erkenntnisse?
Freiwillige Konvertierung zwecks Aufstiegschancen oder "Integration" gab es wohl auch. Betonung auf "auch"... :)
 
Komm darauf an, welche Inquisition man sich anschaut. Die mittelalterliche Inquisition war mit dem Judentum nicht betraut.
Die römischen Juden standen unter dem Schutz der Inquisition (weshalb das jüdische Viertel in Rom heute noch direkt gegenüber der Engelsburg liegt), es gibt den vatikanischen Archiven (näheres bei Hubert Wolf) sogar Pamphlete, in welchem Bevölkerungsgruppen die Inquisition bezichtigen, die Juden zu schützen. Ein Fall ist dokumentarisch überliefert, in dem ein Elternteil (hab vergessen, ob Mutter oder Vater) konvertiert ist und in die Obhut eines Bischofs einer anderen Stadt geflohen ist. Dieser Elternteil hatte die Kinder mitgenommen. Die Inquisitoren verlangten nun die Herausgabe der Kinder, da der jüdisch gebliebene Elternteil sie zurückforderte. Der Bischof musste die Kinder herausgeben. In einem anderen Fall entführten Christen Juden und tauften sie. Hier verhinderte die Inquisition die Rückkehr in die jüdische Gemeinde. Denn obwohl der Glaube frei war, war der Rücktritt vom Glauben nach dem Sakrament der Taufe, selbst wenn dieses unfreiwillig gespendet wurde, kirchenrechtlich nicht möglich.
Die spanische Inquisition war - im Gegensatz zur römischen und zur mittelalterlichen Inquisition - fast völlig auf Nichtchristen ausgerichtet - zwar gab es auch einige Ketzer (Protestanten), aber die fielen nicht ins Gewicht. Unter der spanischen Inquisition galt ab 1492 für die Juden: Taufe oder Auswanderung. Wer diese "Alternative" nicht wahrnahm, musste mit Zwangstaufe oder seiner Ermordung rechnen. Dies führte natürlich dazu, dass eine hohe Rate an Kryptojuden existierte, also Juden, die sich taufen ließen, aber weiterhin den jüdischen Sabbat einhielten etc. Dafür wurden diese dann von der Inquisition verfolgt und in zahlreichen Autodefes/Autodafes ermordet. Im Quijote gibt es über Dulcinea eine Passage, die besagt, dass sie die geschickteste im Einsalzen (Pökeln) der Schweine in der gesamten Mancha ("Fleckenland") sei. Von der Literaturwissenschaft ist diese Bemerkung so interpretiert worden, dass Cervantes sich hier über Juden und Inquisition lustig mache, denn die Pökelei sei so ostentativ, dass es offensichtlich sei, dass hier eine besonders christliche Verhaltensweise - wir erinnern uns, Schweine gelten Juden als unrein - ausgeübt würde, um den jüdischen Glauben zu verstecken.
 
Deinen Hinweis auf die Donna deines "Alter Egos" habe ich schon in einem früheren deiner Beiträge gelesen.

Spanische Juden erhielten übrigens von Papa Borgia Alexander VI. in Rom Asyl, und nicht wenige emigrierten auch ins Osmanische Reich.
 
Königin Isabella + Alfonso

Präzisierung:

Meines Erachtens war hier (Machtergreifung von Isabella in Spanien Mitte des 15 Jahrhunderts) der Beginn zur Zwangskonvertierung der Juden gegeben. Das ist insoweit wichtig, weil hier möglicherweise der Auslöser für die späteren Entwicklungen zu sehen war, die ich in meinem Ausgangstext ansprach ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Un welche neueren Erkenntnisse soll es da geben, die zu Deinem Schluss führen, dass die Konversionen keine Zwangskonversionen waren? Die Alternative "Taufe oder Auswanderung" ist auch Zwang.
 
Rückantwort

Die Bücher schaue ich mir einmal etwas genauer an.

Aber bitte an alle: Aufpassen !!!

Es gibt auch Autoren die versuchen Zusammenhänge herzustellen die es nicht gibt, so bspw. die Verknüpfung der "Zwangsheirat" in der Gegenwart mit der "Zwangskonvertierung" im Mittelalter und versuchen so einige Grundverhaltensmuster zu erklären. So kann man natürlich auch Stigmas entwickeln für die Moslems. Das
finde ich ausgebrochen unseriös und nicht haltbar !!!
 
Noch eine Ergänzung zur "Zwangstaufe": Innozenz III. führte 1201 die Unterscheidung von bedingtem und absolutem Zwang ein. Jede vorübergehende Zustimmung zur Taufe, selbst unter Todesdrohung, wurde als freiwillige und damit unwiderrufliche Bekehrung gewertet. (vgl. Julius Schoeps: Neues Lexikon des Judentums, S.895) So konnte man die kirchenrechtlich unzulässige Zwangstaufe (vermeintlich) zurechtbiegen.
Die Strafen für "Rückfällige" sahen dementsprechend aus.
 
Präzisierung

Das ist natürlich ein wirklich anschauliches Beispiel und will das auch nicht betreiten, aber wir stehen leider vor folgendem Problem hier ...

Die Konvertierung die rein darauf ausgerichtet war sich anzupassen müsste von der Form der Nötigung unterschieden werden. Außerdem gab es meines Wissens insbesondere in Spanien und Frankreich auch wieder Zwischenphasen der Toleranz, dass macht eine Beurteilung schwierig.

Ich denke entsprechende Demonstrationsbeispiele sind hier durchaus hilfreich. Trotzdem sei hierbei auch zu bedenken, dass es selbst im Mittelalter unterschiedliche Rechtstraditionen gab. Ich war bspw. erstaunt als ich erstmals hörte, dass es durchaus auch im deutschen Raum Gegenden gab, die frei waren von dem Wahn der Hexenverbrennung.
 
Die Konvertierung die rein darauf ausgerichtet war sich anzupassen müsste von der Form der Nötigung unterschieden werden.

Warum? Wenn hinter mir jemand bei 200 Sachen an der Stoßstange hängt, will der doch auch "nur", dass ich mich seiner Geschwindigkeit anpasse. Ist das keine Nötigung? Stellt er mich nicht unter Anpassungsdruck? Die Alternative war ja nicht "Taufe oder höhere Steuer", sondern "Taufe oder Auswanderung bis zum 3. März 1492" unter Aufgabe des Geschäfts, der unbeweglichen Besitztümer etc., danach "Taufe oder Folter" bis hin zu "Taufe oder Tod". Selbst danach war jeder getaufte Jude noch grundsätzlich verdächtig, immer noch dem jüdischen Glauben anzuhängen. Hier kam dann auch die Inquisition ins Spiel.

Außerdem gab es meines Wissens insbesondere in Spanien und Frankreich auch wieder Zwischenphasen der Toleranz, dass macht eine Beurteilung schwierig.

In Spanien war die Ansiedlung von Juden seit Inkrafttreten des Vertreibungsedikts bis ins 19. Jahrhundert verboten! Das wurde sogar 1714 nach dem Spanischen Erbfolgekrieg mit in den Vertrag von Utrecht übernommen, als die siegreichen Bourbonen den Engländern ihre Eroberung Gibraltar überließen unter der Prämisse, dass England auf Gibraltar die Ansiedlung von Juden und Muslimen nicht zuließe. Genau dies geschah aber, was zu diplomatischen Verwicklungen beider Staaten führte.
 
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