Es wird immer wieder, durchaus zu Recht, gesagt, dass die weimarer Republik eine ohne Republikaner war. Die Hypothek eines verlorenen Krieges, die Entwurzelung der "lost Generation" war das eine, zur Hypothek des verlorenen Krieges, an dem man Deutschland die Alleinschuld gab, kamen nun auch noch die Kriegsschulden. Weite Teile des Mittelstandes hatten in Kriegsanleihen investiert und waren durch den Krieg und die enorme Inflation verarmt. Dass ein Großteil der Reperationen aus amerikanischen Krediten finanziert wurde, dass das Deutsche Reich zwar Gebiete verloren hatte, im Kern aber immer noch ein geschlossenes staatliches Gebilde war, dessen Einfluss in Europa durch die Auflösung der Donaumonarchie und Rußlands Wandlung zur Sowjetunion noch mächtiger werden mußte, sobald es sich von den Kriegsfolgen erholt hatte und Frankreich viel zu schwach war, die Einhaltung von Versailles zu erzwingen, gelangte nicht ins Bewußtsein weiter Teile des deutschen Bürgertums.
Im Grunde genommen waren die Deutschen 1945 ebenso unerfahren im Umgang mit der Demokratie, und die Gesellschaft der frühen Bundesrepublik war nur dem Namen nach demokratisch. Es herrschten bis weit in die 60er ausgesprochen restaurative, autoritäre Verhältnisse. Der stärkste Identitätsfaktor, der die Deutschen mit der Bonner Republik verband, war vermutlich die D- Mark, und das "Wirtschaftswunder" der 50er Jahre sorgte vor allem dafür, dass die Identifikation mit der Bundesrepublik deutlich besser gelang, als die mit der Weimarer Republik, die von den Konservativen als Instrument der "verzichtspolitiker" und "Novemberverbrecher" erschien, der Linken dagegen als Hort der Reaktion mit den alten neuen Eliten in fest verschanzten Bastionen innerhalb des Justiz- und Polizeiapparats.